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Toni der Hüttenwirt
– Jubiläumsbox 3 –

E-Book 11-16

Toni Waidacher

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-705-9

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Wir bleiben zusammen!

Liebe im Schatten alter Feindschaft

Roman von Friederike von Buchner

Anna stand am Morgen auf der Terrasse der Berghütte. Toni trat hinter sie und legte die Arme um sie. Er drückte ihr einen Kuß aufs Haar.

»Toni, schau dir das an! Diese Aussicht! Oben erstrahlen die Berge in hellem Sonnenlicht. Der Blick ins Tal ist durch Wolken versperrt. Wie ein schützendes Federbett bauschen sich die weißen Wolken zwischen den Berghängen über das Tal. Drunten im Tal über Waldkogel ist Schatten und hier oben ist Licht und Sonne.«

»Dieser Anblick hat mich schon als kleiner Bub begeistert, Anna. I kann dich gut verstehen. Wenn’s im Tal ein paar Tage hintereinander trüb war, und wir Kinder nicht draußen spielen konnten, nahm unser Vater Ria und mich oft mit in die Berge. Wir zogen dann los durch den Regen. Der Aufstieg war beschwerlich. Doch wenn wir dann über der Wolkdecke waren, dann weiteten sich unsere Herzen vor Glück. Des war genau dieser Anblick. Es war wie heute. Irgendwann kannte i den Weg allein zur Berghütte. I bettelte dann daheim so lange, bis i hinauf zum Alois durfte, hinauf auf die Berghütte in die Sonne.«

»Und jetzt bist du immer hier oben!«

»O ja, meine liebe Anna und du bist bei mir!«

Toni nahm Anna in den Arm und drückte sie fest. Sie küßten sich und genossen ihr Glück.

Der alte Alois kam aus der Hütte und stellte sich neben sie.

»Des is ein schöner Tag! Es wär gut, wenn ihr den auch nutzen tät. Auf der Hütte ist’s ruhig. Die Bergsteiger und Wanderer sind fort. Wenn’s unten im Tal so trüb aussieht, dann denk i, daß net so viele rauf kommen. Da wird’s heut ruhig bleiben. Toni, nimm doch deine Anna und wander rauf zum Paradiesgarten! Macht euch mal zusammen einen schönen Tag. Wie wär’s? I halt die Stellung hier!«

Er blinzelte ihnen zu.

»Sollen wir?« fragte Toni.

»Lust hätt’ ich schon. Ich war schon lange nicht mehr oben.«

»Dann machen wir des auch.«

Zur Bekräftigung ihres Entschlusses küßten sie sich. Dann gingen sie in die Berghütte. Schnell waren die Rucksäcke gepackt.

Kaum eine halbe Stunde später zogen sie Hand in Hand los. Alois saß auf der Terrasse und schaute ihnen nach.

*

Otto Natterer setzte sich an den großen Tisch. Er war der erste der Stammtischbrüder, die sich regelmäßig trafen. Xaver Baumberger brachte den kleinen Ständer mit der Aufschrift ›Stammtisch‹ und stellte ihn mitten auf den Tisch.

Während Xaver das Bier zapfte, unterhielt sich Meta mit Otto.

»Bist früh dran, Otto! Willst vorher noch was essen, wie immer?«

»Des wär gut! Bring mir was Deftiges! Weißt, daß i ja daheim keine gute Hausmannskost hab’, seit i Witwer bin. Satt werden wir schon, aber es is eben net so wie es sein sollte. I hab’ ja manchmal eine Hilfe fürs Haus. Aber mir fehlt meine liebe Frau an allen Ecken und Enden.«

»Ja, des war ein schwerer Schicksalsschlag für dich, Otto! Da fragt man sich, was sich unser lieber Herrgott dabei gedacht hat, sie zu sich zu holen.«

»Die Frage, die stell i mir jeden Tag! Eine Antwort krieg i net drauf. Mei Edith war zu gut für diese Welt. Die war eine Seele von Mensch.«

Xaver stellte ihm das Bier hin. Otto Natterer trank einen Schluck. Er wischte sich den Schaum vom Mund.

»I werd’ dir was Schönes brutzeln, Otto! Wirst sehen, des schmeckt dir!« sagte Meta leise, so daß es Xaver net hören konnte.

Xaver mochte es nämlich nicht, wenn Meta sich so direkt in die Familienangelegenheiten anderer einmischte. ›Des is net unsere Sach‹, sagte Xaver dann meistens.

»Wie is des denn mit deinem Buben? Der is doch auch in dem Alter zum Heiraten. Hat er noch kein Madl?«

»Des stimmt schon, mei Ansgar is schon längst in dem Alter. Aus seinem Jahrgang sind die meisten schon verheiratet und sogar schon Familienväter. Scheint, daß sich der Ansgar Zeit läßt.«

Meta überlegte und fügte dann leise hinzu:

»Vielleicht nimmt er zuviel Rücksicht auf dich. Hast denn net gemerkt, ob er hinter einem Madl her is?«

Otto Natterer seufzte und hob die Schultern, um seine Unkenntnis auszudrücken.

Meta Baumberger schaute ihn voller Mitleid an.

»I weiß ja, daß so etwas einer Mutter eher auffallen tut als einem Vater. Als unser Bub, der Antonius, damals heimgekommen is von der Reise nach Norwegen, da hab’ i es gleich gesehen, daß da was geschehen sein muß. Der war so aufgekratzt. Des hat net nur von der schönen Zeit kommen können, die er mit seinen Freunden und den Huskys da oben im Norden verbracht hatte. Weißt, der hatte einen träumerischen Blick und lächelte so still in sich hinein. Dann is es rausgekommen, daß er sich im Zug in die Anna verliebt hatte. Er hat mir es schließlich auch gesagt. Die Liebe

läßt sich net verbergen. Mußt deinen Bub mal etwas genauer beobachten, Otto.«

»Da magst recht haben, Meta! Aber als Vater, und besonders in meiner Situation, da hab’ i net so drauf geachtet.«

»Des kann i verstehen, Otto! Vielleicht is es ja auch so, daß du dem Buben a bisserl Mut machen mußt.«

Mit diesen Gedanken ließ Meta Otto Natterer allein und ging in die Küche.

Otto Natterer war mit dem Essen fertig, als ein weiterer Stammtischbruder kam. Es war Jospeh Villinger, ein Freund und Nachbar von Otto.

»Bist heut früh dran, Joseph!« bemerkte Otto.

»I bin quasi auf der Flucht. Meine Weibsbilder daheim haben mich aus dem Haus getrieben. Die sind schon wieder beim Großputz. Da stör i als Mann nur, wenn i denen im Weg steh, da gibt’s nur Ärger.«

Sie prosteten sich mit Bierkrügen zu. Die beiden kannten sich seit Kindertagen. Sie waren zusammen in die Schule gegangen und die besten Freunde. Ihre ererbten Höfe lagen nebeneinander. Das war sehr praktisch. Sie verstanden sich so gut, daß sie sich sogar gemeinsam verschiedene landwirtschaftliche Maschinen angeschafft hatten.

»Beschwer dich net über deine Putzhexen daheim! Früher, da hab’ i mich geärgert, wenn mei gute Frau mit mir geschimpft hat, wenn i mit den dreckigen Schuhen in Haus kommen bin. Heut würd i alles drum geben, wenn i ihr Gezänk noch hören könnt! Nix würd i mehr sagen! I würd immer schön die Schuh wechseln, wenn i von draußen komm. Wenn’s sein müßt, dann würd i sogar auf Socken durch das Haus schleichen.«

Traurig schaute er dabei den Freund an.

»I versteh, was meinst.« Joseph warf seinem Freund einen verständnisvollen Blick zu.

Dann sagte er:

»I hab’ deine Frau ja auch gut gekannt. I denk, daß Edith Verständnis dafür hätte, wenn du wieder heiraten tätest. Eine Frau will ihren Mann doch versorgt wissen. Ihr wäre es bestimmt net recht, daß du dich so allein quälst. Hast zwar a bisserl Hilfe im Haus. Aber es gehört wieder eine Bäuerin auf den Natterer Hof.«

Otto Natterer schüttelte den Kopf.

»Mit dem Gedanken kann i mich net anfreunden. Außerdem kann man die Liebe net zwingen. Mir is noch niemand begegnet.«

Otto Natterer trank einen Schluck Bier.

»I hab’ ja einen Buben, den Ansgar. Er is alt genug. Der könnt ja auch dafür sorgen, daß wieder eine weibliche Hand auf den Hof kommt. Der Ansgar scheint es aber mit den Röcken nicht so eilig zu haben. I kann ihn ja net dazu zwingen. I hab’ drüber nachgedacht. Es wär gut, wenn der bald heiraten tät.«

Joseph grinste. Er prostete Otto zu.

»Es gibt da noch einen anderen Weg!«

Er streckte sich etwas über den Tisch und sagte leise:

»Denk mal nach, Otto! Dein Bub und mein Madl! Des wär was. Unsere Höfe liegen ohnehin nebeneinander! Wir haben schon die Landwirtschaftsmaschinen zusammen gekauft. Es ist alles wunderbar zwischen uns. Jetzt bringen wir als nächstes die Kinder zusammen.«

Otto Natterer schaute seinen Freund überrascht an.

»Wenn i des so recht bedenke, dann is des gar keine so schlechte Idee, Joseph.«

»Wie kannst daran zweifeln? Otto, i könnt mich ärgern, daß wir net schon eher auf den Einfall gekommen sind.«

»Die beiden hätten eine große Zukunft vor sich, und unsere Probleme wären gelöst. Du hast keinen männlichen Erben, nur eine Tochter. I hab’ nur den einen Bub. Jetzt müssen wir die beiden nur noch verheiraten. Meinst, die stimmen zu?«

»Besser wär’s, wenn die sich ineinander verlieben täten.«

»Ja, des wäre wirklich besser«, seufzte Otto. »Mei Bub kann sehr halsstarrig sein, wenn er wirklich etwas net will, dann is nix zu machen.«

»Da müssen wir uns was einfallen lassen, Otto! Wir sollten bald darüber reden. Aber net hier! Treffen wir uns morgen am Grenzstein im Wald. Weißt, da wo wir uns als Buben immer getroffen haben. Da sind wir ungestört.«

Statt einer Antwort prostete ihm Otto Natterer zu. Joseph Villinger hob ebenfalls sein Glas.

Dann sprachen sie nicht mehr über das Thema. Doch öfter am Abend trafen sich ihre Blicke. Auch ohne ein Wort zu sagen, war es für beide beschlossene Sache, daß aus ihren Kindern ein Paar werden sollte.

Als Joseph Villinger abends im Bett lag, wälzte er sich hin und her.

»Joseph, is dir das Bier net bekommen, daß du so unruhig bist? Des ist

ja direkt ansteckend. Gib endlich a Ruh, i will schlafen!« schimpfte seine Frau.

»I denk gerade an unser Madl. Die Frizzi is jetzt in einem Alter, da haben andere Madln schon einen Freund oder sind gar schon verheiratet, sind Jungbäuerin und Mutter! Wie is des, Senta? Tut sich da bei der Frizzi nix?«

»Wie kommst du jetzt, mitten in der Nacht, darauf?«

»Man macht sich halt so seine Gedanken, wenn man ein Madl im heiratsfähigen Alter hat!«

»Die Frizzi läßt sich Zeit. Des is auch gut so, wenn sie ihre Jugend noch genießen tut. I hab’ sie immer darin bestärkt. Wenn sie erst mal unter der Haube is, dann is die Jugend vorbei. Heut is des alles anders als früher, zum Glück. Da müssen junge Frauen sich net schnell binden oder werden gar verheiratet. Heute haben die jungen Frauen einen Beruf und können für sich selbst sorgen. I find des gut. Da können sie sich Zeit lassen. Dem Himmel sei Dank, daß sie sich den Luxus leisten können, aus Liebe zu heiraten.«

Die Nattererbäuerin zog die Decke über ihre Schultern und sagte leise:

»Du weißt, wie i darüber denk, Joseph? Warum i des denk…«

Er wußte genau, was seine Frau damit sagen wollte. An dieser alten Geschichte wollte er nicht rühren. Also tat er, als wäre er eingeschlafen. Aber er war noch hellwach und dachte an sein Madl, die Frizzi, und den Bub seines besten Freundes Otto. Im Geist sah Joseph schon die Höfe vereint und den damit verbundenen Aufstieg und Reichtum.

*

Am nächsten Morgen vermißte Joseph Villinger seine Tochter Frizzi beim Frühstück.

»Wo ist die Frizzi? Schläft die noch?«

Seine Frau warf ihm einen mißbilligenden Blick zu.

»Das Madl war schon früher auf als du. Bist fast zwei Stunden später dran. I hab’ deine ganze Morgenarbeit auf dem Hof schon mitgemacht. Muß ja hoch hergegangen sein gestern beim Stammtisch! Erst konntest du net einschlafen und dann kommst net aus den Federn. Des muß ja ein schönes Saufgelage gewesen sein.«

»Ja, mei! Weißt doch, wie des is. I geh ja selten zum Stammtisch. Dann is es eben e bisserl spät geworden. Wir haben eben so ein bisserl debattiert über die Agrarpreise und die Zukunft der Landwirtschaft, verstehst? Da redet man sich schon mal die Köpfe heiß und kann net gleich abschalten. Doch wo is die Frizzi?«

»Die is in die Stadt. Des war ausgemacht. Der Pfarrer Zandler hat sie doch gebeten, im Kinderheim auszuhelfen. Da konnte die Frizzi net nein sagen. Die haben da wirklich Probleme mit dem Personal. So viele Ordensschwestern, wie noch vor zwanzig oder dreißig Jahr, gibt es nicht mehr. Ein paar der Erzieherinnen, die die Schwestern angestellt haben, sind schwanger. Jetzt kommen sie mit dem ganzen Dienstplan durcheinander, weil die Schwangeren sich oft krank melden. Sie haben sogar gefragt, ob die Frizzi nicht wieder wenigstens halbtags arbeiten will.«

»Des kommt nicht in Frage, Senta! I hab’ nix gesagt, daß die Frizzi eine Ausbildung als Kindererzieherin gemacht hat. I hab’ auch nix dagegen gehabt, daß sie auch noch ein paar Jahre gearbeitet hat. Doch jetzt soll sie daheim bleiben auf dem Hof. Schließlich erbt sie den ja einmal.«

Senta schaute ihren Mann nicht an. Er wußte, daß sie in dieser Beziehung ganz anders dachte. So fügte er hinzu:

»I hab’ nix dagegen, wenn sie dort aushilft. Es darf nur net zu viel werden. Die Bitte um Hilfe können wir Pfarrer Zandler net ablehnen. Es hat sich immer schon gut gemacht, wenn man ein bisserl wohltätig war. Deshalb kann die Frizzi da gern helfen, auch wenn sie kein Geld dafür bekommt. Aber es darf net so viel sein. Dabei geht’s net ums Geld. I mag des net, wenn die Frizzi net auf dem Hof is.«

»Jetzt gib’ a Ruh, Joseph. Du kannst dich über das Madl net beschweren. Die packt hier auf dem Hof an wie ein Bub. Unsere Frizzi wird einmal eine gute Bäuerin sein. Des weißt du genausogut wie i. Doch jetzt is des Madl noch jung. Es mag seinen Beruf und is gern mal unter Leut. Die Kolleginnen bekommen bald ihre Kinder. Dann wollen sie auch wieder arbeiten gehen. Die Säuglinge können sie ja mitbringen. Dann wird die Frizzi auch net mehr so oft einspringen, des is klar. Aber jetzt laß ihr halt die Freud!«

Joseph Villinger trank seinen Kaffee aus. Er griff nach seinem Wams und dem Hut mit dem Gamsbart.

»I geh heut auf einen Kontrollgang in den Wald. Die haben da gestern am Stammtisch was gesagt. Im Nachbarrevier soll’s vermehrt Borkenkäfer geben. Der Förster kann net alles auf einmal nachsehen. Bis zum Mittagessen bin i wieder daheim.«

Senta nickte nur. Sie machte weiter ihre Hausarbeit und war froh, daß sie ein paar Stunden für sich hatte. Sie mußte nachdenken. Instinktiv fühlte sie, daß etwas in der Luft lag. Joseph verhielt sich sonderbar. Nachts war er unruhig gewesen und jetzt hatte er sich lang und breit über Frizzi ausgelassen. Dabei hatten sie doch alles mit Pfarrer Zandler besprochen. Gerade Joseph hatte Frizzi ermutigt, den Schwestern im Kinderheim zu helfen. Warum hatte er jetzt etwas dagegen?

Joseph Villinger fuhr mit dem Auto den Waldweg entlang. Otto hatte einen Jeep unweit der Weggabelung geparkt. Joseph fuhr noch ein Stück weiter und stellte seinen Wagen ab. Er hielt es nicht für klug, neben Ottos Auto zu parken. Niemand sollte etwas über ihr Treffen erfahren.

Als Joseph zum Grenzstein kam, war Otto schon da.

»Wartest du schon lang?«

»Net lang. Hat dich jemand gesehen?«

»I denk net. Unser Komplott soll ja auch auch geheim bleiben, Otto!«

»Ja, des wär schon besser! Jetzt sag mal, wie du dir das gedacht hast.«

»Du könntest zu uns kommen und fragen, ob die Frizzi dir a bisserl helfen könnt im Haushalt. Sagst, daß die Hilfskräfte, die du hast, dir zwar auch helfen, aber daß des nix Richtiges is. Ihr würdet mal gern einen Kuchen essen, so einen richtigen Hefezopf mit Nüssen drin und obendrauf Mandeln. Weißt schon: Daß es auch gut wär, wenn die Frizzi kochen tät, eben richtige Hausmannskost. Des könnt man ja dann einfrieren. Daß es dir recht wär, wenn sie ein- oder zweimal die Woche käm. Verstehst, Otto?«

»Damit sich mein Bub und dein Madl dadurch näherkommen, wird sie schon öfter kommen müssen.«

»Genauso hab’ i mir des denkt. Kennen tun die sich ja praktisch seit sie Kinder sind, genau wie bei uns. Aber darin liegt jetzt die Schwierigkeit. Sie gehen miteinander um wie Bruder und Schwester, net wie junge Leut. I denk, wenn dein Ansgar jetzt sieht, wie die Frizzi des alles so gut macht, dann kriegt er vielleicht Interesse.«

»Deine Frizzi ist ja auch ein fesches Madl. Wenn die dann bei uns is, dann wird des vielleicht was. Aber die dürfen net merken, daß wir dahinter stecken.«

»Des wäre net gut. Wenn’s net klappt, dann müssen wir ein bisserl Druck machen. Da zähl i auf deinen Bub. Da muß er die Frizzi verführen. Des wird ihm doch noch möglich sein. I werde dann den entsetzten Vater spielen. Damit des echt ausschaut. Dann gebe i meinen Segen. Du machst auch a bisserl Druck, von wegen dem Skandal, weil wir doch befreundet sind und weil es eben die Frizzi is, die er verführt hat. Dann gibst auch deinen Segen dazu.«

»Das wäre wirklich eine gute Sach. Weiß die Senta davon?«

»Schmarren! Die Senta, die darf davon nix wissen. Die wird da net mitspielen.«

»Dann müssen wir des allein regeln unter uns Männern, Joseph.«

»Richtig, Otto! Wann kommst zu uns?«

»Des bestimmst du, Joseph. Wann paßt es?«

»Komm so nach dem Mittag. Das ist eine gute Zeit. Da is die Frizzi auch da.«

»Dann bleibt’s dabei, Joseph! So wird’s gemacht!«

Die beiden Männer schüttelten sich die Hände. Danach besprachen sie schon einmal, wie sie nach der Hochzeit die beiden Höfe am geschicktesten zusammenlegen wollten.

*

Frizzi Villinger hatte am Vormittag im Kinderheim ausgeholfen. Danach war sie zum nahen Stadtpark gefahren. Sie fand einen Parkplatz im Schatten unter schönen alten Bäumen. Auf dem Parkplatz stand auch ein älterer Jeep.

Er wartet schon auf mich, dachte Frizzi, und ihr Herz schlug schneller. Sie eilte durch den Park. Ganz am Ende hinter dem Labyrinth aus Buchsbaumhecken stand eine Bank.

Atemlos fiel sie Dominik in die Arme.

»Liebste, bist so gerannt! I lauf dir schon net davon!«

»Jede Sekunde, die i net bei dir bin, is verlorene Zeit«, stieß Frizzi atemlos hervor und drückte sich an seine Brust.

Dominik Maierhofer hielt die Liebe seines Lebens fest in seinen starken Armen. Sie küßten sich innig und leidenschaftlich.

Dann setzten sie sich auf die Bank unter dem schönen alten Kastanienbaum. Dominik legte seinen Arm um Frizzi. Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter.

»I wollte, die Zeit würde stehenbleiben, Dominik.«

Voller Sehnsucht blickte sie ihn an. Dominik schaute sie mit seinen großen ausdrucksstarken hellbraunen Augen an. Er lächelte geheimnisvoll und blinzelte ihr zu.

»Des wäre schon schön, doch es wäre net genug. Wir würden dann das gemeinsame Leben verpassen.«

»Ach, haben wir denn jemals ein gemeinsames Leben?«

»Ich liebe dich, Frizzi! Für mich gibt’s keine andere. I will dich zur Frau! Wir haben eine gemeinsame Zukunft auf dem Maierhofer Hof.«

»Ich liebe dich auch, Dominik. Doch die Heimlichkeiten, die sind schlimm.«

»I weiß, Frizzi! I würd meine Liebe zu dir gern zeigen. Nix tät i lieber, als Hand in Hand durch Waldkogel zu gehen, daß jeder es sehen kann. Du bist mein Madl!«

»Ich weiß ja, Dominik! Wann wird das so sein?«

»Irgendwann! Wir sind doch noch jung! Wir lieben uns, nur das zählt.«

»Ja, unsere Herzen haben sich gefunden. Das macht es ja gerade so schlimm. Es fällt mir so schwer, mich heimlich mit dir zu treffen.«

»I weiß ja! Des is bei mir genauso. Doch wir waren uns doch einig, daß es so erst einmal besser ist.«

»Ja, das waren wir. Ich bin ja auch froh, daß Pfarrer Zandler des so eingefädelt hat, daß i im Kindergarten aushelfen kann. Da können wir uns ungestört treffen.«

»Mein Vater wundert sich schon, daß i in letzter Zeit sooft Erledigungen in der Stadt mache. Bis jetzt hat er meine Erklärungen dafür net angezweifelt, hoff’ i. Gesagt hat er nix. Vielleicht denkt er sich was. Des kann man bei dem nie wissen.«

»Dominik, auf der einen Seite hab’ i Angst, daß er hinter unser Geheimnis kommt. Auf der anderen Seite sehne ich den Augenblick herbei, daß diese Heimlichkeit vorbei ist.«

»Ich verstehe dich gut. Bei mir ist’s genauso. Des wird noch eine schöne Auseinandersetzung geben, wenn es mal so weit is. Toben wird er! Akzeptieren wird er des net können. Wir müssen Geduld haben. I darf den Namen Villinger daheim net erwähnen. I hab’ mal so eine kleine Andeutung gemacht.«

»So, welche denn?«

»Na, i hab’ gesagt, daß i dich gesehen hab’. Daß du ein fesches Madl bist, ein wirklich fesches Madl. Des bist ja auch.«

Dominik küßte Frizzi zärtlich auf ihr blondes Haar.

»Was hat dein Vater gesagt?«

»Der is gleich wütend geworden. Die Mutter hat die Küche verlassen. Sie wollte des net mit anhören. Er hat rumgebrüllt. Daß i ruhig sein soll. Daß er nie mehr deinen Namen hören wollte. Daß i net nach dir schauen sollt. Daß alles, was mit dem Villinger Hof zu tun hat, weniger als Luft für ihn sei. Daß, falls i mir da Gedanken machen würd, er niemals zustimmen würd. So, in dem Stil eben.«

Dominik seufzte tief.

»Es war schlimm. I hab’ nur gesagt, daß des nur eine Bemerkung war. I würd net verstehen, warum er sich so aufregen tät. Dann hat er sich langsam wieder beruhigt. I wollt es net drauf ankommen lassen.«

Frizzi drückte sich fest an Dominik.

»Was soll nur aus uns werden, wenn dein Vater gegen uns ist?«

»Irgendwann wird er einsehen, daß i heiraten muß. I will dich oder keine. Entweder er bekommt keinen Erben für den Hof oder er gibt nach. Der Hof ist ihm wichtig. Manchmal denk i, daß der Hof ihm noch wichtiger ist, als die Menschen, als i und meine Mutter. Vor die Alternative gestellt, du als Bäuerin oder i heirate net, dann wird er schon nachgeben.«

»Hoffentlich!«

Frizzi schloß die Augen.

»Ich warte auf dich! Doch es ist schade, daß so unsere besten Jahre vorbeigehen.«

»Sei net so mutlos, Frizzi! Wir müssen die Sach nur geschickt einfädeln. I geb mich daheim sehr wortkarg, was das Thema Heirat angeht. Direkt hat der Vater noch nix gesagt. Doch er bringt öfter die Sprache drauf, daß viele von meinem Jahrgang schon eine Frau haben. Da gehe i immer einfach drüber weg. I tue, als wenn i des net gehört hab’. Oder i sag, daß es denen ihr Sach is, wenn sie es mit der Heirat so eilig hätten. I hab’ auch schon gesagt, lieber keine Jungbäuerin, als die falsche junge Frau auf dem Hof.«

»Er scheint sich ja doch Gedanken zu machen, dein Vater.«

»Des ist auch gut so, Frizzi! Soll er sich nur Gedanken machen! I denk, es is gut, daß er sich richtig Gedanken machen tut. Der wird schon drauf kommen, daß er immer älter wird und keine Enkel da sind.«

Dominik schmunzelte.

»Weißt doch, wie das ist. Bald wird er von den anderen angesprochen werden, daß er noch kein Großvater is. I kenn doch die Stammtischgespräche im ›Ochsen‹. I sag dir, mach dir net so viel Gedanken. Des wird alles werden. Ich halte zu dir. Entweder er akzeptiert dich oder er wird eben keinen Hoferben haben. Des is, wenn’s dann soweit is, unser bestes Druckmittel.«

»Wenn man nur wüßt, warum dein Vater so schlecht auf alle Villinger zu sprechen is.«

»Mein Vater hatte sich wohl in deine Mutter verliebt, aber die hat dann den Joseph genommen. Mehr weiß i auch net. Da redet er net darüber. I weiß auch net, wie lang die Geschicht ging und warum deine Mutter dann den Joseph geheiratet hat.«

»Dominik, des ist aber schon mehr als fünfundzwanzig Jahre her!«

»Ja, des is es!«

»Wie kann ein Mensch so lange nachtragend sein?«

»Net nur nachtragend, stur is mein Vater. I versteh des auch net.«

Dominik zuckte mit den Schultern.

»Mei Mutter und mei Vater führen eine gute Ehe. Da kann man nix sagen. I denk, daß sie sehr glücklich miteinander sind. Einfach hat es meine Mutter mit ihm manchmal net. Er ist recht eigen. Doch sie weiß genau, wie sie ihn zu nehmen hat.«

»Vielleicht solltest du mal mit deiner Mutter sprechen?«

»Des kann i immer noch machen, Frizzi! Später, verstehst! I will ihr das Herz net schwer machen. Daß i unglücklich bin, des wird sie sehr drücken. Des will i net. Verstehst?«

»Bist ein guter Sohn!«

Frizzi schaute auf die Uhr.

»Es wird Zeit, Dominik! I muß gehen. Wann sehen wir uns wieder?«

»Wann bist wieder im Kinderheim?«

Ȇbermorgen! Da helfe i am

späten Nachmittag aus, bis abends. Wenn die Kinder dann alle im Bett sind, so gegen neun Uhr, bin i dann fertig.«

»Des is gut! Dann treffen wir uns auf dem Parkplatz. Meinst wir können mal zusammen tanzen gehen?«

»Ach, Dominik, des wär so schön! Aber vielleicht werden wir gesehen, was is dann?«

Dominik Maierhofer schaute sie an.

»Hast net ein paar Freundinnen, mit denen du in die Disco gehen kannst? I bin dann zufällig auch da.«

»Vielleicht! Ich werde sehen, ob ich die beiden Praktikantinnen im Kinderheim dazu überreden kann.«

Dominik Maierhofer nahm seine Frizzi noch einmal fest in den Arm. Sie küßten sich voller Sehnsucht und Begehren. Jeder Kuß war wie ein heiliger Schwur, daß sie gemeinsam durch das Leben gehen wollten.

Dann gingen sie getrennt, im zeitlichen Abstand von einigen Minuten, zurück zum Parkplatz und fuhren heim.

*

Joseph Villinger, seine Frau Senta und Frizzi saßen nach dem Abendessen noch zusammen. Sie tranken ein Bier und plauderten, so wie sie das jeden Abend nach dem Essen machten.

Ein Auto hielt auf dem Villinger Hof. Wie beiläufig schaute Joseph aus dem offenen Küchenfenster und rief:

»Grüß Gott, Otto! Komm rein!«

Kurze Zeit später betrat Otto Natterer die große Wohnküche des Villinger Hofes. Sie begrüßten sich. Frizzi holte für den Gast noch ein Bier.

»Gibt es was Besonderes, Otto?« fragte Joseph scheinheilig.

»Na, nix Besonderes! I war gerade auf dem Heimweg, da dacht i mir, i schau mal rein. I war beim Baumberger und hab’ mal was Gutes gegessen. I hab’ ja dann und wann eine Hilfe, die uns vorkochen tut. Aber das aufgewärmte Zeug, das schmeckt net so gut. Mei Bub, der Ansgar, der fährt oft rüber zur Schnellstraße an die Tankstelle mit dem Imbiß. Dort ißt er eine Pizza. Na ja, so machen es eben die jungen Leut. I mag des net. So zwei bis drei Mal in der Woche will i schon was frisch Gekochtes essen. Die Meta Baumberger is wirklich eine gute Köchin. Des Lokal is immer voll. Es hat sich herumgesprochen, daß es da richtige Hausmannskost gibt. Obwohl sie große Portionen kochen tut, schmeckt es so, als wär’s gemacht für eine Familie.«

»Des kann i verstehen, Otto!«

Otto Natterer schaute seine Frau an. Diese verstand sofort.

»Otto, mußt schon entschuldigen, daß wir net früher dran gedacht haben. Kannst ja auch ein paarmal die Woche zu uns essen kommen, jeden zweiten Sonntag, wenn du willst?« sagte Senta und wandte sich danach an ihren Mann.

»Was meinst du dazu, Joseph?«

»Des is eine gute Idee! Da hätten wir schon früher dran denken sollen.«

Otto Natterer wiegte den Kopf.

»Leut, des ist bestimmt gut von euch gemeint. Aber des will i net. Schaut, i hab’ doch nur noch meinen Buben. Daß er sich dann mal eine

Pizza holt, is schon verständlich. Aber wenn i zu euch zum Essen komme regelmäßig, dann hab’ i Sorge, daß unsere Familie ganz auseinanderfällt. Wenn i bei euch essen tue, dann is des was anderes, als wenn ich bei den Baumbergers mir ein Essen bestellte. Des is eben schwer zu erklären. I dank euch schön, doch des will i net.«

»Dann bring deinen Buben mit, Otto!«

»Danke, Joseph! Aber das halt i auch net für eine gute Idee. Wir werden schon zurechtkommen. I werde mich nach einer anderen Hilfe umsehen müssen. Weißt, es wäre genug, wenn sie ein oder zweimal die Wochen käme und vorkochen würde. Es müßt aber wirklich gut sein. I hab’s eben gern deftig, so mit viel Butter und Schweineschmalz. Sie sollt auch mal Kuchen backen oder einen Hefezopf, der wirklich schmeckt. I denk, daß ich am schwarzen Brett mal einen Aushang mache oder unseren Pfarrer frage.«

Otto Natterer trank einen Schluck Bier und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.

»Hör mal, Otto! Des mit dem Aushang, des muß net sein. Wir sind doch Freunde und sollten das in gegenseitiger Nachbarschaftshilfe regeln. Meinst net auch, Senta?«

»Aber sicher! I back ja mindestens zweimal in der Woche Kuchen. Da mach i einen mehr. Die Frizzi kann ihn dann rüberbringen zu euch.«

Otto Natterer tat, als überlege er.

»Also, wenn dir des net so viel Arbeit is, Senta? Eine gute Sach wär des schon. Die Zutaten, die bezahl i dir dann.«

»Nun rede net dumm daher, Otto!« tadelte ihn der Freund.

Dann schaute Joseph Villinger seine Tochter an.

»Frizzi, willst du dem Otto net helfen? Du kochst genauso gut wie deine Mutter. Zeit hast ja!«

Otto tat, so als wäre er sehr überrascht.

»I will dem Madl net lästig fallen.«

»Aber Bauer, des is mir net lästig! I helf dir gern einmal die Woche. Willst?«

»Mei Madl, wie kannst so fragen?«

»Gut, dann komm i bei dir vorbei. Des bekommen wir schon geregelt. Auch werden die Mutter und i immer ein bisserl mehr kochen. Dann kann i dir auch an den anderen Tagen was rüberbringen, oder du oder der Ansgar könnt es abholen. Des geht doch, Mutter, oder?«

»Sicher! Des ist eine gute Idee! I wollt morgen Leberknödel machen mit Sauerkraut und Kartoffelpüree. Da machen wir gleich mehr«, sagte Senta Villinger hilfsbereit.

Otto Natterer tat, als wäre er sehr verlegen.

»Aber nur, wenn das net zu viel zusätzliche Arbeit und extra Aufwand für dich und die Frizzi is?«

»Laß des mal unsere Sach sein, Otto!« beruhigte ihn Senta. »Dafür sind wir Nachbarn und Freunde.«

Otto Natterer schaute in seinen Bierkrug und spielte mit dem Deckel, den er auf und ab klappte.

»Gut!« sagte er dann. »Dann probieren wir es mal.«

»Das ist ein Wort, Otto! I wäre auch tief beleidigt gewesen, wenn du unsere Hilfe abgelehnt hättest«, gelang es Joseph überzeugend zu sagen.

Dann saßen sie noch eine Weile zusammen und redeten. Sie sprachen über die Landwirtschaft, die Agrarpreise, eben so das übliche, was zwei Bauern reden, wenn sie sich treffen. Die beiden Frauen, Frizzi und ihre Mutter, saßen dabei. Senta strickte Strümpfe, Frizzi häkelte an einem großen dreieckigen Umschlagtuch aus hellblauer dünner Wolle.

Otto Natterer beobachtete Frizzi verstohlen. Sie gefiel ihm immer mehr. Ja, es war eine gute Idee von Otto gewesen, die Kinder zusammenzubringen. Frizzi würde sich als Frau von seinem Sohn Ansgar gut machen. Sie war nicht nur sehr fesch, sie hatte auch die hausfraulichen Qualitäten, auf die es als Bäuerin ankam. Das gefiel ihm.

»Des is schön, was du da handarbeiten tust, Frizzi!« bemerkte Otto beiläufig. »Was gibt es denn?«

»I häkele mir ein Umschlagtuch zu meinem neuen Dirndl. I hab’ mir in der Stadt in dem neuen Laden für Landhausmoden ein neues Dirndl gekauft. Es is ganz schön. Es ist net so ein Dirndl in der alten Tradition, sondern moderner. Da hab’ i mir denkt, daß es mit einem schönen Umschlagtuch gut aussehen wird.«

»Dann bin i gespannt, wenn du es mal anhast. I versteh ja nix von Mode. Doch was die jungen Madls manchmal so anziehen, da denkt man, die wären am Meer, mit dem bauchfreien Zeug.«

Otto Natterer grinste.

»Hingucken tut man als Mann, des is klar. Aber schön sieht des net aus. Da find ich ein fesches Madl in einem schönen Dirndl viel anziehender. Aber vielleicht bin i ja altmodisch.«

Es war schon dunkel draußen, als sich Otto Natterer auf den Heimweg machte. Joseph brachte ihn zum Auto. Wortlos schüttelten sie sich die Hände. Sie lächelten sich zu. Der Anfang ihres Planes war gut gelungen.

Joseph Natterer stand noch eine Weile draußen unter dem Sternenhimmel und schaute Otto nach, wie er davonfuhr. Er war sehr zufrieden und bester Zuversicht, daß die beiden Höfe bald zusammengehören würden.

*

Einige Tage später waren Dominik und sein Vater im Stall beschäftigt.

»Bub, i muß mal mit dir reden!« sagte der Bauer plötzlich und stützte sich auf die Mistgabel.

Dominik arbeitete weiter. Mit ruhigen, kräftigen Bewegungen hob er Mistgabel nach Mistgabel mit dem Kuhmist auf den Schubkarren. Ohne seinen Vater anzusehen, sagte er:

»Was gibt’s denn, Vater?«

»I seh, daß du oft in die Stadt

fährst, auch tagsüber. Bist viel unterwegs in letzter Zeit. Da mach i mir so meine Gedanken.«

Dominik warf seinem Vater einen kurzen Blick zu.

»Was willst damit sagen?«

»Nix, i frag mich nur, was du da machst?«

Dominik ging auf diese Frage nicht ein. Statt dessen bemerkte er: »Bist unzufrieden mit meiner Arbeit auf dem Hof? Ist was liegengeblieben?«

»Na, Bub! So mein i des net.«

»Dann ist es gut, Vater!«

Sein Vater ließ aber nicht locker.

»Aber wundern darf i mich doch noch oder?«

»Hör mal, Vater! Du hast gesagt, daß du nix auszusetzen hast an meiner Arbeit. I mach mein Pensum. I teil mir die Arbeit ein. Wann i mir meine Freizeit nehm, des ist mei Sach oder?«

»Des stimmt schon. Es ist net nur mir aufgefallen, sondern auch deiner Mutter.«

Dominik warf seinem Vater einen Blick zu, der besagte, daß er nicht wünschte, weiter darüber zu sprechen. Doch Titus Maierhofer gab nicht nach.

»Sag, Dominik, wie is des? Alt genug bist ja! Mei, i hab’ mir denkt, daß du vielleicht ein Madl in der Stadt hast.

»So hast denkt? Des is ja interessant.«

»Is des so? Hast du ein Madl aus der Stadt, viel mehr in der Stadt?«

»Und wenn es so wäre, hättest was dagegen? Nur mal so ganz allgemein gesprochen?«

»Bub, i hab’ nix gegen ein Madl, wenn’s auch aus der Stadt is. Wenn du das Madl magst und es ein gutes Madl is, dann is es mir und auch deiner Mutter egal, wo es herkommt. I könnt damit leben, daß du mal eine Zugereiste heiratest. Da denk i ganz modern. Früher war des ganz anders.«

Dominik schob den Schubkarren zum Misthaufen und lud ihn ab. Als er zurückkam, stand sein Vater immer noch nachdenklich da. Der junge Bauer tat, als beachte er das nicht und machte mit seiner Arbeit weiter.

»I will dir ja nur sagen, daß du dir deswegen keine Gedanken machen mußt. So eine aus der Stadt, die kann sich unter Umständen auch gut auf dem Hof einfügen, denk i. Es kommt halt immer auf das Madl selbst an. Sie muß sich dem ländlichen Leben auch anpassen können, sonst hast nur Ärger. Aber andere hatten ja auch Glück. Denk doch nur an den Antonius Baumberger. Wer hätte je daran gedacht, daß sich der Toni in so ein Madl verliebt wie die Anna. Doch des hat sich gut entwickelt. Die Anna hat sich gleich so benommen, als wäre sie ein Madl aus Waldkogel. Heut is sie mit Leib und Seel Hüttenwirtin an der Seite von ihrem Toni. Des kann einem doch Mut machen, denke i. Was sagst du dazu, Dominik?«

»Ja, da hat der Toni wirklich einen guten Fang gemacht. Aber i denk, wenn zwei wirklich zusammenpassen – i mein des natürlich nur ganz allgemein – dann kann sein, was will

und kommen was immer will, dann gehören sie zusammen. Dann meistern sie das Leben gemeinsam.

Nur ganz theoretisch, mein i. Verstehst?«

»Also, theoretisch habe ich das gut verstanden. Doch des beantwortete mir net meine Frage, Dominik! Bub, i frag dich jetzt direkt! Hast du in der Stadt ein Madl?«

Dominiks Herz klopfte. Er überlegte kurz. Es war ja keine Lüge, wenn er seinem Vater antwortete:

»Nein, Vater! I hab’ kein Madl in der Stadt.«

Dabei dachte er voller Sehnsucht an seine Frizzi. Sie war ja wirklich kein Madl aus der Stadt. Sie stammte ja genau wie er aus Waldkogel. Insofern war das direkt keine Lüge.

Dominik schob einen weiteren Schubkarren zum Misthaufen. Sein Vater lief hinter ihm her.

»Dominik, du tust uns was verheimlichen! Muß i dir denn jedes Wort einzeln rausziehen!«

Wütend und mit viel Kraft steckte Dominik die Mistgabel in den Misthaufen.

»Hör mir zu, Vater! I tue nix Unrechtes. I bin jung, und hier in Waldkogel is nix los. I bin auf deinen Wunsch hin Bauer geworden. Wenn i einen anderen Beruf ergriffen hätte, dann wär i den ganzen Tag in der Stadt. Es is schön hier. Aber in der Stadt is es auch schön. I mag es, daß es da so viele Leute gibt, die man beobachten kann. I setz mich dann ins Kaffee und schau mich um. Des is wie Urlaub. Andere fahren fort. I fahr nur ein paarmal in der Woche in die Stadt. I brauch mal Abwechslung, auch wenn du das net verstehen kannst. I kenn da jetzt ein paar Leut, alle in meinem Alter. Mit denen treff i mich, des is alles. Wir gehen ins Café oder auf ein Bier. Du hast deine Freunde hier in Waldkogel. Du gehst zum Stammtisch. Des genügt mir net. Ich will auch mal ins Kino oder in die Disco.«

Seine braunen Augen funkelten.

»War dir die Antwort jetzt genug, Vater?«

»Mußt net so wütend werden, Dominik. I kann dich schon verstehen. Vielleicht willst dir ja auch in der Stadt die Hörner abstoßen, wie man sagt. I hab’ ja nur mal gefragt, Bub.«

»So jetzt weißt Bescheid und läßt mich in Ruh. Du hast dein Leben und i hab’ mein Leben. I mach meine Arbeit auf dem Hof. Der Rest, wie i leb, des is mei Sach, Vater.«

»Mag schon sein, Bub. I hab’ mir ja nur Gedanken gemacht«, wiederholte Titus erneut und fügte hinzu: »I hab’ die Hoffnung gehabt, daß du ein liebes und fesches Madl in der Stadt hast. Da wollt i dir ein bisserl Mut machen. I wollt dir sagen, daß du sie gern mitbringen kannst. Mußt dich nicht verstecken!«

Dominik zog die Mistgabel heraus und leerte den Schubkarren.

»Gut, jetzt weiß i des. Jetzt will i aber mein Ruh!«

Titus Maierhofer schwieg. Er ärgerte sich, daß er mit dem Thema angefangen hatte. Aber es hatte ihn schon viele Wochen beschäftigt. Da mußte er einfach fragen. Die Antworten seines Sohnes klangen logisch. Er verstand ihn auch. Aber trotzdem beschlich ihn ein sonderbares Gefühl, daß es da noch etwas anderes geben mußte. Sein Sohn Dominik war vom Charakter ein ruhig ausgeglichener Typ. Die Fragen hatten ihn aber gereizt. Sie hatten ihn so verärgert, daß er nicht so ruhig reagiert hatte, wie es Titus von ihm gewohnt war.

Titus Maierhofer nahm sich vor, nicht mehr zu fragen, aber wachsam zu sein.

Den Rest des Tages ging ihm Dominik aus dem Weg. Er machte seine Arbeit. Bei den Mahlzeiten war er schweigsamer als sonst.

Is was mit euch beiden? Habt ihr einen Streit gehabt?« fragte Titus Mutter Notburga Maierhofer ihren Mann, als sie allein waren.

»Na, Burga! Ein Streit hatten wir net. I wollt von dem Buben nur

wissen, was er so oft in der Stadt macht.«

»Titus, i hab’ dir doch gesagt, daß der Bub auch mal seine Freiheit braucht. Du kannst dich net beschweren über unseren Buben. Unser Dominik hat uns nie Kummer gemacht. Er is fleißig und anständig. Dafür müssen wir dankbar sein. Er ist alt genug, um zu wissen, was er macht. Mußt ihn net bewachen wie ein scharfer Hofhund.«

»Is schon gut, Burga! Des stimmt ja alles. Aber er macht so gar keine Anstalten, eine Frau auf den Hof zu bringen.«

»Des werd schon werden. Er wird schon eine finden. Schau dir doch an, wie viele jung geheiratet haben und dann gab es die Krisen. I bin da froh, daß wir die Schande net haben. Viele leben schon wieder getrennt oder in Scheidung. Des ist wirklich dann eine Schand, vor allem, wenn dann schon Kinder da sind. Lieber hat er noch keine Frau als die falsche. Des war mein letztes Wort, Titus! Du läßt den Buben in Ruh! Basta! Sonst kriegst Ärger mit mir!«

Titus versprach es seiner Frau. Doch das Denken, kannst mir net verbieten, Burga. Das dachte Titus, als er hinausging. Es lag irgend etwas in der Luft. Das fühlte der Bauer deutlich. Es war so, als würde man, trotz strahlendem Sonnenschein, schon das Unwetter über den Bergen ahnen.

Abends nach dem Abendessen zog sich Dominik sofort in sein Zimmer zurück. Er telefonierte übers Händy mit Frizzy. Kurze Zeit später kam er in die Wohnküche. Seine Mutter war mit dem Abwasch fertig und setzte sich mit dem Strickzeug auf die Bank vor das Haus. Dominik ging ebenfalls hinaus. Sein Vater saß schon vor dem Haus auf der Bank und las das Landwirtschaftsblatt.

»Willst noch mal fort, Dominik? Gut schaust aus! I wünsch dir einen schönen Abend.«

»Danke, Mutter! I fahr in die Stadt. I gehe vielleicht ins Kino oder in eine Disco oder vielleicht auch beides. Mach dir keine Gedanken, wenn’s spät wird. I werde morgen früh pünktlich meine Arbeit machen.«

»Aber Bub! Des weiß i doch. Des mußt net sagen. Fahr vorsichtig! Weißt, nachts sind oft so viele betrunkene Autofahrer unterwegs, Dominik.«

»I paß schon auf, Mutter!«

Titus Maierhofer schaute von seiner Zeitung auf.

»I wünsch dir auch einen schönen Abend. I hoff, daß du mir meine Fragerei von heut morgen net allzu übel nimmst.«

»Es is schon gut, Vater. Es war vielleicht auch meine Schuld. I hab’ ja net gesagt, was i mach. Dann guten Abend zusammen.«

Er schwang sich in seinen Jeep und fuhr vom Hof.

*

Frizzi erinnerte sich noch gut daran, wie die große Küche auf dem Natterer Hof ausgesehen hatte, als die Bäuerin noch lebte. Jetzt stand sie mitten drin und schaute sich um. Es waren zwar noch immer die gleichen Möbel, aber alles sah irgendwie traurig aus. Ja, man konnte es deutlich sehen. Es fehlte die Hand einer Hausfrau und Bäuerin. Nicht, daß es schmutzig war. Es war nur irgendwie trostlos.

Früher lagen die schön bestickten Kissen auf der Eckbank. An Sonntagen und Feiertagen hatte die Natterbäuerin immer eine weiße Tischdecke aufgelegt. Frizzi erinnerte sich, daß die breite geklöppelte Spitze ihr als Kind schon gehörigen Respekt abverlangt hatte. War es doch viel Arbeit, eine solche Spitze anzufertigen.