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Der Bergpfarrer
– 234 –

Wein, Liebe und Millionen

Wer ist die Königin seines Herzens?

Toni Waidacher

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-126-9

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Sepp Reisinger, Inhaber und Wirt des Hotels ›Zum Löwen‹ in St. Johann, machte eine tiefe Verbeugung.

»Es ist uns eine große Ehre, Sie in unsrem Haus begrüßen zu dürfen«, sagte er zu der vornehm gekleideten Dame, die ihm in der Lobby des Hotels gegenüberstand. »Sie werden seh’n, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit vorbereitet.«

Beate Bachmann lächelte verbindlich.

»Vielen Dank, mein lieber Herr Reisinger«, erwiderte sie. »Ich muss sagen, ich bin auch schon ganz gespannt auf Ihr Hotel. Und es wurde höchste Zeit, dass ich selbst einmal herkomme, wo wir doch schon so lange geschäftlich verbunden sind.«

Sie deutete auf den jungen Mann hinter sich.

»Und das ist mein Sohn Jochen«, stellte sie ihn vor.

»Guten Tag, Herr Reisinger«, lächelte Jochen Bachmann und schüttelte dem Gastwirt die Hand.

»Auch Ihnen ein herzliches Willkommen«, sagte Sepp und winkte dem Hausburschen. »Für die gnädige Frau die ›König-Ludwig-Suite‹, der Herr Bachmann hat die Suite daneben.«

Karl Bergthaler ließ sich die Autoschlüssel aushändigen und kümmerte sich um das Gepäck. Der Hotelier geleitete derweil die Gäs­te zu ihren Suiten.

An der Rezeption arbeiteten zwei Haustöchter. Sie blickten den Dreien hinterher.

»Da kann man das viele Geld förmlich seh’n, so wie die Dame gekleidet ist«, meinte Bärbel Angerer.

Und damit hatte sie nicht ganz Unrecht. Beate Bachmann war um die sechzig, sah aber viel jünger aus. Die silbergrauen Haare waren sorgfältig in Locken gelegt, ganz sicher hatte sie mindestens einmal in der Woche einen Friseurtermin, bei dem gleichzeitig eine kosmetische Behandlung vorgenommen wurde. Sie trug, den sommerlichen Temperaturen entsprechend, einen leichten Hosenanzug aus Leinen, darunter ein edles Top. Ganz die Dame, die sie war, kam sie mit wenig, aber ganz sicher echtem Schmuck aus. Sie war schlank, ohne hager zu sein, und von durchschnittlicher Körpergröße. Alles in allem eine Frau von Welt, die völlig unbewusst die Aufmerksamkeit aller auf sich zog.

Sandra Hofer, die Kollegin, zuckte die Achseln.

»Ach«, meinte sie mit einem leisen Seufzer, »der Mann würd’ mir auch gefallen, wenn er net der Sohn der reichen Frau Bachmann wär’ …«

Bärbel schmunzelte.

»Hast Recht, ist schon ein fescher Bursche. Nur für unsereins so weit entfernt, wie der Mond von der Erde«, sagte sie.

Fesch war er, der Jochen Bachmann, Sohn und Erbe der Weinhandlung Bachmann in Rüdesheim am Rhein. Einen ganzen Kopf größer als seine Mutter, mit einem durchtrainierten Körper und einem markanten Gesicht ausgestattet, zog er stets die Blicke der Frauenwelt auf sich.

Als Jochen nun die Suite betrat, ahnte er nichts von der Unterhaltung der beiden Haustöchter.

»Juniorsuite«, murmelte er und zog die rechte Augenbraue in die Höhe. »Wie passend!«

Es klopfte, und der Hausbursche brachte den Koffer.

Jochen gab ihm ein Trinkgeld und ging, ohne seine Sachen auszupacken, nach nebenan. Dort war seine Mutter schon damit beschäftigt, ihre Sachen aus den beiden Koffern zu nehmen und in den Kleiderschrank zu hängen.

»Soll ich dir helfen?«, bot der Sohn an.

Beate Bachmann winkte ab.

»Lass nur, ich bin gleich fertig. Hast du denn schon ausgepackt?«

Er schüttelte den Kopf.

»Mache ich später. Jetzt ist mir erst einmal nach einem Kaffee.«

»Oh ja«, nickte sie, »so einen ›Rüdesheimer Kaffee‹, das wäre genau das Richtige.«

Jochen lächelte.

»Na, ob es den hier gibt?«

»Freilich haben wir ›Rüdesheimer Kaffee‹«, antwortete die Bedienung im Kaffeegarten des Hotels, als Jochen sich danach erkundigte.

Er selbst nahm lieber normalen ›Schümli‹, schaute aber gerne dabei zu, wie der ›Rüdesheimer‹ für seine Mutter am Tisch zelebriert wurde.

Die Bedienung hatte eine hohe Tasse bereit gestellt. Sie war eine Spezialanfertigung und mit Bildern aus seiner Heimatstadt verziert. Dort hinein kamen zwei Teelöffel Kristallzucker und ein Gläschen Weinbrand. Mit einem langen Streichholz zündete die Bedienung den Alkohol an, ließ ihn einen Moment brennen und löschte dann mit heißen Kaffee aus dem bereitgestellten Kännchen. Obenauf kam ein Löffel Schlagsahne und etwas geraspelte Schokolade.

»Ah, ist das köstlich!«, schwärmte Beate Bachmann nach dem ersten Schluck.

Sie griff über den Tisch nach Jochens Hand und drückte sie.

»Danke dir, dass du mitgekommen bist«, sagte sie lächelnd.

Er lächelte zurück.

»Ich denke, es ist am besten so«, antwortete er.

Seine Mutter trank einen weiteren Schluck und machte sich dabei so ihre Gedanken.

Natürlich war es so am besten. Schließlich erhoffte sie sich von dieser Reise mehr, als nur einen kleinen Urlaub und ein wenig Erholung. Sechsundzwanzig war Jochen jetzt und immer noch ledig. Es wurde höchste Zeit, dass er heiratete und eine Familie gründete.

Und genau aus diesem Grund hatte Beate Bachmann darauf gedrängt, dass der Sohn sie begleitete. Denn eine Frau zu finden, war für ihn gewiss nicht schwer. Schließlich liefen sie ihm scharenweise hinterher.

Doch auf die Richtige kam es an!

Und da hatte Jochen zum Leidwesen seiner Mutter bisher noch keinen großen Erfolg gehabt. Schließlich war er nicht irgendein junger Mann auf Brautschau, sondern der Erbe eines, zwar eher mittleren, aber doch bekannten Unternehmens, das einen legendären Ruf in der Branche hatte. Den Grundstein dazu hatte Konrad Bachmann gelegt, Jochens Urgroßvater. Dessen Nachfolger hatten das Weinkontor immer weiter ausgebaut, und Alfons Bachmann, Beates Ehemann, war so berühmt gewesen, dass die Winzer ihn oft den ›Weinbaron‹ nannten.

Leider war er viel zu früh vom Herrgott abberufen worden, und seither leitete Beate die Geschicke des Weinhandelshauses. Doch inzwischen war sie müde geworden, sehnte sich nach einem etwas ruhigeren Leben in ihrer Villa, hoch oben über dem Rhein.

Aber bevor sie das Zepter an Jochen weiterreichte, musste sie gewiss sein, dass alles in den Bahnen weiterlief, die seit Generationen das Leben der Familie bestimmten. Dazu gehörten insbesondere die Kriterien, die bei der Auswahl der zukünftigen Familienmitglieder der Bachmanns angelegt wurden. Während bei den männlichen Kandidaten ein gewisser Sinn für das Weingeschäft vorausgesetzt wurde, war die Meßlatte bei dem weiblichen Zuwachs besonders hoch angesetzt – vor allem, wenn es sich um die Braut des zukünftigen Firmeninhabers handelte.

Mindestens drei Gesichtspunkte musste sie erfüllen, zum einen sollte sie gut aussehen und repräsentieren können, zum anderen Kinder bekommen und großziehen, ganz besonders natürlich den künftigen ›Thronfolger‹, und drittens, die Kandidatin durfte sich nicht in das Geschäft einmischen. Sie hatte sich stets zurückzuhalten und das zu tun, was ihr Mann sagte.

Gut, bei Beate Bachmann war es etwas anderes gewesen. Als Alfons starb, war Jochen ganz einfach noch zu jung gewesen, um in die Fußstapfen seines Vaters treten zu können. Ein Kind noch, und die Mutter hatte es übernommen, gegen die Stimmen der anderen Anteilseigner – es gab derer drei, alles Verwandte des Verstorbenen – die Firma zu leiten.

Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedachte, dass sie zuvor dem Beispiel aller Bachmannfrauen vor ihr gefolgt war und sich nie in das Geschäft eingemischt hatte. Sicher, Beate verstand einiges vom Wein, aber hätte sie nach dem Tode ihres Mannes nicht Georg Uhland, den langjährigen Prokuristen der Firma, an ihrer Seite gehabt – sie wäre am Widerstand der Familie gescheitert.

Doch das war längst Firmengeschichte, die anderen hatten sich damit abgefunden und lebten von dem, was das Weinhandelshaus einbrachte.

Und gar nicht mal schlecht!

Nein, das war es nicht, was Beate Bachmann beschäftigte, während sie sich im Kaffeegarten des Hotels die Kaffeespezialität schmecken ließ, die in ihrem Heimatort erfunden worden war, sondern die Sorge, Jochen könne sich in die falsche Frau verlieben.

Vielleicht, ging es ihr durch den Kopf, hätte sie ihm nicht das Ultimatum stellen dürfen, er solle spätestens an seinem siebenundzwanzigsten Geburtstag vor den Traualtar treten, oder sein Cousin Ortwin würde in die Geschäftsleitung aufsteigen. Das musste Jochen ja unter Druck setzen, zumal das Verhältnis zu Ortwin nicht das Beste war.

Aber immerhin hatte sie mit dieser Forderung etwas bewegt, einen Stein ins Rollen gebracht.

Blieb nur noch zu hoffen, dass dieser Stein sich nicht als Felsbrocken erwies, der sie selbst überrollte …

*

Franz Brenner lächelte siegesgewiss, als er Sebastian Trenker begrüßte.

»Grüß Gott, Hochwürden. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt?«

Der gute Hirte von St. Johann nickte und nahm in dem angebotenen Sessel Platz.

»Ja, vielen Dank. Allerdings wäre es mir lieber gewesen, ich hätte mir die Fahrt hierher sparen können.«

Der Rechtsanwalt winkte ab.

»Jetzt machen S’ sich mal keine Gedanken.«

»Keine Gedanken? Na, Sie sind gut. Immerhin geht’s hier um net mehr und net weniger als den Fortbestand der Jugendbegegnungsstätte ›Hubertusbrunn‹!«

In der Tat waren die Sorgen des Geistlichen berechtigt. Patricia Vangaalen, Großinvestorin aus Stuttgart und erklärte Gegnerin des Bergpfarrers, hatte ihre Hände nach dem Jagdschloss im Ainringer Wald ausgestreckt, das Sebastian von Michaela von Maybach, der Tochter des letzten Besitzers, geschenkt bekommen hatte.

Nachdem mehrere Anläufe der ebenso attraktiven wie skrupellosen Schwäbin gescheitert waren, im Wachnertal eine gigantische ›Ferienwelt‹ zu bauen, hatte sie dem Geistlichen ganz offen den Krieg erklärt, und der Griff nach ›Hubertusbrunn‹ war nur der Anfang der Offensive.

Dr. Brenner ließ seinem Mandanten Kaffee servieren und nahm wieder in dem Sessel in der Besucherecke Platz.

»Freilich kann ich Ihre Besorgnis versteh’n«, sagte der Anwalt, der als Notar seinerzeit die Schenkung beurkundet hatte. »Aber Sie sind auch noch net mit der neuesten Entwicklung in der Sache vertraut.«

Sebastian setzte sich aufrecht und blickte ihn fragend an.

»Welche Entwicklung?«

»Gleich …«

Die Tür mit den dicken Lederpolstern wurde geöffnet, und ein junger Mann um die dreißig trat herein. Auf den ersten Blick war die Ähnlichkeit mit Franz Brenner unverkennbar.

»Darf ich Ihnen meinen Sohn Alexander vorstellen?«, sagte der Anwalt.

»Er wird uns gleich erzählen, warum die Sache für Frau Vangaalen ausgeht wie das ›Horneberger Schießen‹.«

Alexander Brenner verbeugte sich vor Sebastian.

»Grüß Gott, Hochwürden, ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Der Bergpfarrer schüttelte die ihm dargebotene Hand.

»Ganz meinerseits, aber nun spannen S’ mich um Himmels willen net länger auf die Folter!«

Der junge Rechtsanwalt lächelte.

»Selbstverständlich sollen Sie jetzt alles erfahren«, nickte er und setzte sich zu ihnen. »Also, wie mein Vater Ihnen ja schon bei Ihrem letzten Besuch sagte, war ich in der Schweiz, um einen Kontaktmann zu treffen, der mir helfen sollte, etwas Licht in das Dunkel dieser mysteriösen Geschichte zu bringen …«

Bert Korber war seit Jahren leitender Angestellter der Schweizer Privatbank ›Rapp‹, einem alteingesessenen Unternehmen, das vor mehr als hundertfünfzig Jahren gegründet worden war. Alexander Brenner war zwei Tage zuvor in Zürich eingetroffen, hatte sich aber erst drei Tage später mit dem Banker in Verbindung gesetzt.

Das Treffen fand bei einem ›zufälligen‹ Spaziergang an der Limmat statt. Alexander, der im ›Grand Hotel‹ abgestiegen war, hatte sich zu diesem Zweck extra eine Tüte mit Brotresten aus der Hotelküche bringen lassen und gab vor, damit die Enten zu füttern.

Unter den tief hängenden Zweigen eines Baumes, stand Bert Korber und wartete auf den Deutschen Anwalt.

»Ich hoffe, ich bereite Ihnen mit diesem konspirativen Treffen keine Unannehmlichkeiten«, sagte Alexander nach der Begrüßung.

Der Schweizer winkte ab.

»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken«, erwiderte er lächelnd. »Da bin ich Schlimmeres gewohnt. Sie ahnen ja gar nicht,

wo ich schon alles Kunden unserer Bank habe treffen müssen, die

dabei nicht gesehen werden wollen …«

»Haben Sie denn in meiner Angelegenheit etwas herausfinden können?«

Bert Korber hatte ebenfalls eine Tüte mit Brotkrumen mitgebracht und warf eine Handvoll davon in die Limmat. Die Enten stürzten sich hungrig darauf.