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Über dieses Buch:

Seit Anbeginn der Zeit lebt das Volk der Cheyenne in Einklang mit der Natur.

Biberfrau ist die Auserwählte ihres Stammes. Als Heilige Frau kann nur sie allein zum Großen Geist Maheo sprechen, der sie in der fremden Welt mythischer Vorzeiten anleitet und ihr Träume schickt, damit sie und die ihren überleben. Geschickt lenkt Biberfrau so die Geschicke ihres Volkes. Während zahlloser Sommer und Winter begleitet Biberfrau ihre Verwandten, sieht Kinder zur Welt kommen und Alte sterben, tanzt heilige Tänze am großen Feuer – und erlebt die Ankunft der weißen Männer, die Tod und Verderben über die Cheyenne bringen …

„Der berühmte Indianerkenner Thomas Jeier hat einen Roman voller Mythen, Legenden und Poesie geschrieben, detailgetreu und überaus authentisch.“ Marie Claire

Über den Autor:

Thomas Jeier wuchs in Frankfurt am Main auf, lebt heute bei München und „on the road“ in den USA und Kanada. Seit seiner Jugend zieht es ihn nach Nordamerika, immer auf der Suche nach interessanten Begegnungen und neuen Abenteuern, die er in seinen Romanen verarbeitet. Seine über 100 Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.

Bei dotbooks erscheint auch:

Die Tochter des Schamanen

Weitere Titel sind in Vorbereitung.

Die Website des Autors: www.jeier.de

Der Autor im Internet: www.facebook.com/thomas.jeier

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eBook-Neuausgabe Juli 2017

Die gebundene Ausgabe erschien 1998 unter dem Titel Das Wissen der Bäume bei Schneekluth.

Copyright © der Originalausgabe 1998 by Schneekluth.

Ein Verlagsimprint der Weltbild Verlag GmbH, Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Sierra lara (Seenlandschaft), Daria Rosen (Ornament), anthony heflin (Kanu)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (sh)

ISBN 978-3-96148-011-1

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Thomas Jeier

Biberfrau

Roman

dotbooks.

Ein Volk ist erst besiegt,
wenn die Herzen seiner Frauen
im Staub liegen.

Alter Cheyenne

Dedicated to the Tsis-tsis-tas, the Cheyenne People

DIE ZEIT DER HUNDE

Kapitel 1
DAS VOLK AUS DER ERDE

Biberfrau stieg aus der Erde empor. Zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern kroch sie durch einen langen Tunnel in das Licht, das am Ausgang auf sie wartete. Mit geschlossenen Augen blieb sie auf dem feuchten Boden stehen. Sie spürte das kniehohe Gras an ihren Beinen und den sanften Wind, der ihren nackten Körper streichelte. Ein geheimnisvolles Lied drang bis tief in ihre Seele und erfüllte sie mit einem Zauber, den sie unter der Erde nie gespürt hatte. Sie fühlte, wie sie von den Seelen unbekannter Wesen berührt und willkommen geheißen wurde.

Dies war eine neue Welt. Ein magisches Reich mit mächtigen Geistern und fremden Wesen, ein Zauberland voller unbekannter Klänge und seltsamer Düfte. Dies war das Land, das sie in ihren Träumen gesehen hatte. Sie atmete die frische Luft, zuerst zögernd, dann immer tiefer, bis sie den Geisterwind in jeder Faser ihres Körpers spürte. Sie öffnete langsam die Augen und schreckte vor dem lodernden Feuerball zurück, der am fernen Horizont glühte. Sie hielt erschrocken die Hände vor ihr Gesicht, aber das Licht war sanft und floß wie Sand über die Erde. Ihre Augen gewöhnten sich an die ungewohnte Helligkeit. Sie ging ein paar Schritte, spürte die nasse Erde unter ihren Füßen und blickte sich staunend um. Seit vielen Wintern träumte sie von dieser Welt, aber sie hatte nie gewagt, den anderen Menschen ihres Volkes darüber zu erzählen. Sie hätten gelacht und sie verspottet. Sie hatten immer unter der Erde gelebt und konnten sich keine andere Heimat vorstellen. Sie waren felsige Höhlen, körnigen Sand und tiefe Dunkelheit gewöhnt. Aber der Große Geist hatte recht behalten. Er hatte seine Kinder in eine andere Welt geführt und mit neuen Wesen und Geistern umgeben.

Biberfrau reckte die Arme nach oben und dankte dem unbekannten Wesen, das viele Tagesreisen über ihnen schwebte und ihr Leben bestimmte. Sie sah das große Geheimnis zum ersten Mal. Es zeigte sich in dem grellen Licht, das am Horizont brannte. Sie kannte den Großen Geist, der unter der Erde wohnte und sie durch ihr früheres Leben geführt hatte, und sie hatte die geheimnisvollen Kräfte in den vier Himmelsrichtungen gespürt. Maheo hatte sich den Erdbewohnern niemals gezeigt. Nicht einmal die heiligen Männer ihres Volkes hatten den Großen Geist, der in den unbekannten Sphären des Himmels wohnte und allen anderen Geistern überlegen war, berührt oder gesehen. Er war überall und nirgendwo und brannte in den Seelen aller Lebewesen.

»Großer Geist, ich danke dir!«, rief sie dem hellen Licht entgegen, das am Himmel brannte und das neue Land mit einem heiligen Schein überzog. »Ich bin eine arme Erdenbewohnerin und habe die Dunkelheit gesehen, solange ich denken kann. Jetzt sehe ich das Licht, das in deinen Augen leuchtet und uns den Weg in eine neue Welt zeigt. Du weißt alles, Maheo! Du bist wie eine Spinne, die ein feines Netz unter der Erde webt und auf unsichtbaren Wegen durch das Dunkel gleitet. Du bist wie der Wind, der aus dem Nichts kommt und im Nichts verschwindet.«

Sie kümmerte sich nicht um die anderen Erdbewohner, blickte sie nicht einmal an. Eine unbekannte Kraft führte sie zum Ufer eines weiten Sees, der sich inmitten eines dunklen Waldes ausbreitete und wie brennende Erde im Licht des Großen Geistes leuchtete. Auch von diesem See hatte sie geträumt. Sie hatte gesehen, wie sein Wasser zuerst silbern und dann dunkelrot geleuchtet hatte und im Dunkel der Nacht verschwunden war. Sie hatte gehört, wie die Geister an seinem Ufer flüsterten. Sie war keine Medizinfrau, aber sie träumte viel und verstand die geheimnisvollen Kräfte, die ihr Volk bedrohten oder beschützten. Im kniehohen Uferschilf blieb sie stehen. Sie blickte dem Großen Geist in die Augen und spürte sein wärmendes Licht. Maheo würde ihr sagen, was sie tun mußten, so hatte sie es in ihren Träumen erfahren. Ihr Volk würde auf sie hören, denn sie würde ihnen das Wissen bringen, das sie brauchten, um in der neuen Welt überleben zu können. »Großer Geist!« rief sie. »Wir sind deinem Licht in die neue Welt gefolgt! Wir haben unsere Heimat unter der Erde verlassen, um ein anderes Leben zu beginnen. Zeige uns den Weg, der in eine neue und bessere Zukunft führt!«

Das Licht verfärbte sich, und der Große Geist sprach zu ihr. Seine Stimme berührte sie tief in ihrer Seele und füllte sie mit dem Wissen, das sie in der neuen Welt brauchte. »Du bist Biberfrau«, sagte er, »du bist die heilige Frau deines Volkes! Du bist die Frau, zu der alle Geister sprechen werden! Du weißt mehr als die anderen Erdbewohner, weil ich dich auserwählt habe! Du wirst nicht älter, und du wirst nicht jünger! Du siehst die Zukunft, bevor deine Brüder und Schwestern sie sehen! Du bist die Stimme, die großes Glück und großes Unheil verkündet! Du bist die Seele deines Volkes! Du wirst die Menschen in ihre neue Heimat führen und so lange bleiben, bis deine schwere Aufgabe erfüllt ist!«

Sie senkte den Kopf und spürte, wie sie unter der Berührung des Großen Geistes erstarkte. Ihr Wissen vermehrte sich. Eine unsichtbare Kraft breitete sich in ihrem Körper aus, und ihr Blick wurde klarer. Sie sah den weiten See und die Bäume, die an seinem Ufer standen. Sie erkannte die Vögel, die über das Wasser flogen und im Schilf verschwanden. Sie entdeckte die bunten Käfer, die über das Gras zu ihren Füßen krochen. Sie hörte, wie die Bäume flüsterten, und sie spürte die Kraft der Steine. Alle Dinge waren lebendig, alle Dinge hatten einen Namen. Sie kannte diese Namen, obwohl Maheo sie nicht genannt hatte.

Zum ersten Mal sah sie ihr Spiegelbild. Im klaren Wasser des Sees erkannte sie eine junge Frau, deren Haut schon nach kurzer Zeit in der Sonne gebräunt war. Ihre Haare waren schwarz und reichten bis weit über die Schultern. Ihr Gesicht leuchtete wie flüssige Bronze im Angesicht des Großen Geistes, ihre Augen strahlten beim Anblick der neuen Heimat. Sie war nach dem Wunschbild des Großen Geistes geformt und mit keinem Makel behaftet. Wenn sie den Mund öffnete, sprach das Große Geheimnis. Wenn sie lächelte, glühte die Sonne. Wenn sie weinte, fiel warmer Sommerregen auf das Land. Wenn sie sich bewegte, verneigten sich alle lebendigen Wesen vor ihrem Körper.

Maheo hatte ihr neue Kraft gegeben. Sie fühlte, wie frisches Blut durch ihre Adern floß und sie mit Energie erfüllte. Es war gut, am Leben zu sein. Es war gut, die Kraft des Großen Geistes zu spüren. Sie fühlte sich stark und schön und von einem Stolz erfüllt, der sie allen anderen Lebewesen überlegen machte. Dies war die wahre Schöpfung. Sie hatte das Land gefunden, nach dem sie sich immer gesehnt hatte. Sie sah die Bilder, die sie in ihren Träumen gesehen hatte. Sie erblickte das Licht, das sie unter der Erde nie gespürt hatte. Dies war das Große Geheimnis. »Auf dieser Welt werdet ihr leben«, sagte Maheo, »dies ist das Land, das eure Mutter ist! Die Erde gibt euch die Kraft zum Leben. Sie schenkt euch die Pflanzen, die euch sättigen, und die Kräuter, die euch heilen. Sie läßt alles wachsen. Sie schenkt uns das Wasser, das aus den Felsen sprudelt, und sie bringt das Gras hervor, das die Tiere am Leben erhält. Alles bewegt sich im Kreis. Die Tiere leben von dem Gras, das aus der Erde kommt, und die Menschen ernähren sich von den Tieren. Ihr tötet sie mit den Lanzen und Pfeilen, die ihr aus dem Holz schneidet, das aus der fruchtbaren Erde kommt. So habe ich es bestimmt. Ohne die Erde könnte nichts leben, ohne die Erde würde es nichts geben.« Biberfrau blickte über den See. »Ich danke dir, Maheo! Du hast uns eine neue Zukunft geschenkt, und du erhältst uns am Leben! Wir verehren dich! Wir beten zu dir, und wir beten zu der Erde, die unsere Mutter ist. Wir ehren den Boden und das Wasser und die Pflanzen, und wir verneigen uns vor den Tieren, die unsere Brüder sind. Wir töten sie nur, weil wir sie zum Leben brauchen. Wir blicken zum Himmel, und wir blicken auf die Erde. Wir blicken in die vier Richtungen, aus denen wir die Kraft empfangen.« Ein kühler Wind rauschte aus dem Norden heran. Sie erschauderte und hielt die Hände vor ihren nackten Körper. »Ho-im-a-ha«, sagte der Große Geist, »im Norden wohnt der Mann, der den Winter bringt. Er kommt in einer weißen Wolke aus den Bergen und vertreibt die Sonne, die euch das Leben schenkt. Ihr könnt ihn nicht aufhalten. Er kommt immer zur selben Zeit und vertreibt das Licht aus den Wäldern. Aber ihr müßt zu ihm beten, denn sein kalter Atem erstickt alles Leben und treibt die Schwachen und die Kranken in den Tod! Der Donnervogel ist auf eurer Seite! Er treibt den weißen Mann nach Norden zurück und schleudert feurige Lanzen auf das Land. Betet zu ihm, denn er bringt euch das Leben zurück! Er bringt die Wärme, die ihr zum Leben braucht!«

Biberfrau erfuhr, daß die Sonne im Osten aufgeht und über den Himmel nach Westen wandert. »Erschreckt nicht, wenn es dunkel wird«, sagte Maheo, »die Sonne kehrt am nächsten Morgen zurück. Alles bewegt sich im Kreis, erinnerst du dich? Ehre den Westen und den Osten, denn auch dort wohnt das Leben! Raucht die heilige Pfeife und blast den Rauch in alle Richtungen, ehrt das Große Geheimnis und die Erde, die eure Mutter ist und euch das Leben schenkt! So habe ich entschieden, Biberfrau.«

Die heilige Frau verneigte sich tief vor dem Großen Geist. Sie sang ein Lied, das sie niemals zuvor gesungen hatte, und ihre Stimme trug weit über die Lichtung und erreichte die anderen Erdbewohner. Das Lied erzählte ihnen, daß sie keine Erdbewohner mehr waren und eine neue Heimat gefunden hatten. Der Große Geist hatte ihnen einen neuen Namen gegeben: Tsis-tsis-tas, die Leute, die miteinander verwandt sind. Sie war Biberfrau, die heilige Frau des Volkes, und würde zu ihnen zurückkehren, wenn sie genug erfahren hatte. Sie würde berichten, welche Zukunft der Große Geist für sie plante. So wurde es in dem Lied erzählt, und die Tsis-tsis-tas glaubten daran und warteten geduldig.

Das Lied verklang, und Biberfrau ging im Schein der sinkenden Sonne am Ufer entlang. Ihre nackten Füße berührten das lauwarme Wasser des Sees. Sie spürte die Nähe des Großen Geistes. Er lenkte ihre Schritte in eine Bucht und ließ das Wasser in der Sonne leuchten. Die Sonne stand immer noch über dem fernen Waldrand und widerstand den Kräften, die sie in die Tiefe zogen. Der Große Geist war stärker als alle anderen Mächte.

Im Uferschilf lag ein Boot. Ein ausgehöhlter Baumstamm, den eine geheimnisvolle Kraft mit Feuer ausgebrannt und ins Wasser geschoben hatte. Sie ging darauf zu und sah, daß mehrere Gegenstände in dem Boot lagen. Sie kannte ihren Sinn und ihre Namen, ohne sie jemals gesehen zu haben. Ein Paddel, das zur Fortbewegung diente. Eine Steinaxt, mit der man Bäume fällen konnte. Ein Bogen aus biegsamem Holz, der mit einer festen Sehne bespannt war. Pfeile mit scharfen Steinspitzen. Eine Pfeife, deren Kopf mit Tabak und würzigen Kräutern gefüllt war.

Sie blickte zum Waldrand und entdeckte einen Wigwam, eine Strauchhütte, die mit Baumrinde und Laub bedeckt war. Das Dach würde sie vor dem Atem der bösen Geister beschützen. Sie berührte die Gegenstände im ausgehöhlten Boot und lächelte zufrieden. Ihr Weg war vorgegeben. Der Große Geist hatte sie mit Geschenken in der neuen Welt begrüßt, und sie würde sich dafür bedanken, indem sie betete und die Gegenstände benutzte. Sie hob erneut die Arme und sang ein langes Lied, das sie aus ihren Träumen kannte. Ein Lied, das die Unfehlbarkeit des Großen Geheimnisses pries und seine Überlegenheit anerkannte.

Sie hob das Paddel auf und berührte das feste Holz. Sie nahm die Steinaxt und fühlte die scharfe Schneide mit den Fingerkuppen. Sie schlug das Werkzeug in den Bootsrand und erschrak, als es einen dumpfen Laut gab. Mit beiden Händen griff sie nach der Pfeife. Ihr Stiel war mit bunten Federn und dem Fell eines Hermelins verziert. Sie wußte, daß der Gegenstand heilig war. Der süßliche Duft des Tabaks und der Kräuter stieg in ihre Nase und verzauberte sie. Sie hob die Pfeife der Sonne entgegen und rief: »Großer Geist, ich verehre dich!«

Ein heller Blitz zuckte vom Himmel. Er fuhr in den Scheiterhaufen vor der Hütte und entzündete das Holz. Biberfrau fuhr erschrocken zusammen und beobachtete staunend, wie lodernde Flammen aus dem Holz züngelten. Die Wärme des knisternden Feuers lockte sie näher. Sie hatte keine Angst und schloß zufrieden die Augen, als die Hitze ihren Körper erreichte. Ohne die Worte des Großen Geistes gehört zu haben wußte sie, was zu tun war. Sie zog einen glühenden Span aus dem Feuer und entzündete den Tabak in ihrer Pfeife. Sie rauchte und spürte die Kraft des heiligen Krautes, die sich bis tief in ihre Sinne brannte.

Sie blies den Rauch nach oben, nach unten und in alle vier Richtungen, wie sie es von Maheo gelernt hatte. »Ich rauche zu Ehren des Großen Geistes«, sagte sie, »und ich rauche zu Ehren der Erde, die unsere Mutter ist. Ich rauche zu Ehren der vier Richtungen, die unser Leben bestimmen. Hört mich an, denn ich will euch danken! Wir sind in diese neue Welt gekommen, weil ihr uns gerufen habt, und wir verneigen uns vor eurer Weisheit und Macht. Führt uns in eine bessere Zukunft! Seid bei uns, wenn wir eure Hilfe brauchen! Beschützt uns vor den bösen Kräften, die irgendwo in der Dunkelheit lauern! Nehmt unsere Opfer an und seid auf unserer Seite, denn wir sind das auserwählte Volk!«

Biberfrau rauchte, bis der Tabak verbraucht war, und ließ sich am lodernden Feuer nieder. Sie ahnte, daß die anderen Tsis-tsis-tas den Feuerschein sahen und den Tabak rochen, aber der Große Geist wollte, daß sie warteten. Ihre Verwandten würden auf der Lichtung bleiben, bis sie zu ihnen zurückkehrte. Sie wußte nicht, wie lange es dauern würde. Sie war dem Ruf des Großen Geistes gefolgt und würde so lange bleiben, bis sie alles erfahren hatte. Ohne das Wissen, das Maheo ihr übermittelte, waren sie unfähig, in dieser Welt zu überleben. Sie klopfte die Pfeife aus und blickte in das Feuer, bis ihr die Augen zufielen. Irgendwann nachts, als die Flammen erloschen waren, kroch sie in die Hütte und fand ein Fell, mit dem sie sich zudeckte.

Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Der Große Geist hatte ihr erklärt, daß sich alles im Kreis bewegte und die Sonne jeden Abend verschwand und jeden Morgen wieder auftauchte. Auch ihre Träume waren von dem Frieden erfüllt, den sie in der neuen Welt kennengelernt hatte. Sie schlief tief und fest und lauschte dem Flüstern des Großen Geistes, der alle Fragen beantwortete, die sie beim Anblick der neuen Welt gestellt hatte. Sie erfuhr, wie man zwei scharfkantige Steine gegeneinander schlug und ein Feuer herbeizauberte. Sie hörte, daß Fische in den Seen und Flüssen lebten und über ihren ersten Feuern schmoren würden. Sie lernte die kleinen Tiere mit den langen Ohren kennen, die unter ihren Pfeilen fallen und sie mit Kleidung und Nahrung versorgen würden. Sie traf mächtige Tiere mit zottigen Fellen, die aber gleich wieder verschwanden, und sie spürte den süßen Geschmack von Beeren, die an Bäumen und Sträuchern wuchsen. Mit den ersten Strahlen der Sonne stand sie auf. Sie bekleidete sich mit den bereitliegenden Kaninchenfellen, wie sie es in ihrem Traum gesehen hatte, und trat aus dem Wigwam. Sie dankte dem Großen Geist für die Träume und einen neuen Tag. Im Wald suchte sie heruntergefallene Zweige und legte sie auf die Feuerstelle. Sie schichtete brüchiges Reisig und trockenes Gras unter die Zweige und schlug zwei harte Steine gegeneinander, die sie vor ihrem Wigwam gefunden hatte. Die Funken entzündeten das Gras und das Reisig und bald brannte ein loderndes Feuer.

Sie ging zum Seeufer und sah, daß sich zahlreiche Fische in dem seichten Wasser tummelten. Mit einer raschen Bewegung holte sie eine dicke Forelle heraus. Sie tötete den Fisch mit ihrer Steinaxt, nahm ihn aus, rieb die Schuppen herunter und briet ihn über dem Feuer. Sie fühlte sich schuldig, weil ihre Verwandten nichts von der neuen Nahrung wußten, aber sie wollte den Großen Geist nicht verärgern, indem sie ihn verließ, ohne alles erfahren zu haben. Nachdem sie gegessen hatte, holte sie den Bogen und die Pfeile und ging auf die Jagd. Sie ließ einen Pfeil von der Sehne schnellen und nickte zufrieden, als er in einem Baumstamm steckenblieb. Sie zog ihn wieder heraus und suchte nach einem der kleinen Tiere, die sie im Traum gesehen hatte.

Das erste Kaninchen verfehlte sie. Im Traum hatte alles so einfach ausgesehen, aber das kleine Tier schlug wilde Haken, und es war schwer zu treffen. Beim zweiten Mal wartete sie lange genug, und der Pfeil bohrte sich durch den Körper des Kaninchens und warf es zu Boden. Sie sprach ein Dankgebet und entschuldigte sich bei dem Tier. »Ich mußte dich töten, weil ich dich zum Leben brauche, so will es der Große Geist!« Sie griff nach einem scharfen Stein und schabte das Fell von dem warmen Körper. Auch das hatte sie im Traum gesehen. Sie kratzte das Fett von dem Fell und spannte es zum Trocknen auf. Das Fleisch verstaute sie in einer Ledertasche, die in der Hütte lag.

Sie rieb die fettigen Finger an ihren Haaren trocken und beobachtete zufrieden ihr Spiegelbild im Wasser. Ihre schwarzen Haare glänzten wie das Gefieder des krächzenden Vogels, der über dem Wigwam in einem Baumwipfel saß. Sie flocht die langen Haare zu zwei Zöpfen und erfuhr, daß sie ihr Haar nur offen tragen durfte, wenn sie trauerte. »So habe ich es bestimmt«, sagte Maheo, als sie in das schmale Boot stieg und sich mit dem Paddel vom Ufer abstieß, »so soll es Brauch bei deinem Volk sein.« Kniend zog sie das Paddel durch den ruhigen See. Das Boot schwankte und drohte umzukippen, aber schon nach einigen Schlägen wußte sie, worauf es beim Paddeln ankam. Die Sonne schien ihr ins Gesicht. Sie genoß die Wärme und die Nähe des Großen Geistes, der immer noch ihre Bewegungen bestimmte. Dies war ein guter Morgen. Einige Wildgänse flogen schnatternd über den See und verschwanden hinter den Wipfeln der Bäume, die am Ufer wuchsen, im Schilf bewegten sich Enten. Ein Adler kreiste hoch über dem leuchtenden Wasser und badete seine Federn im Sonnenlicht. Nahe beim Ufer standen zwei mächtige Tiere mit ausladenden Geweihen im Wasser, fraßen die grünen Schlingpflanzen, die auf dem Seegrund wuchsen. Ein sanfter Wind wehte über den See und kräuselte das lauwarme Wasser. Wir sind den richtigen Weg gegangen, dachte Biberfrau. Es tat gut, den frischen Wind zu spüren und das Leben in der neuen Heimat zu entdecken. »Ich bin Biberfrau, die heilige Frau der Tsis-tsis-tas!« rief sie über den See. »Der Große Geist hat mein Volk zum Leben erweckt! Ei-e-ya, dies ist ein guter Tag zum Leben!«

Kapitel 2
FEUER AM ANDEREN UFER

Biberfrau fühlte die neue Kraft, die sie mit der frischen Luft ihrer neuen Heimat eingeatmet hatte. Ihr Körper war noch fester geworden, und ihre starken Arme zogen das Paddel beinahe spielerisch durch das Wasser. Erst als sie den großen See zur Hälfte überquert hatte, legte sie das Paddel quer und ruhte sich aus. Sie ließ den Einbaum auf den sanften Wellen schaukeln und genoß das Sonnenlicht, das über dem dunklen Waldrand leuchtete.

Sie blickte zum anderen Ufer und erschrak. Zwischen den grünen Fichtenzweigen war eine dünne Rauchfahne zu erkennen. Ihre Augen verengten sich. Der weiße Rauch stieg aus einer Lichtung und verteilte sich in der klaren Luft. Hatten ihre Verwandten den See überquert? Gab es einen Weg, der in die Wälder führte? Lebten noch andere Völker in dieser Welt? Hatte der Große Geist sie deshalb auf den See geschickt? Sollte sie zum Waldrand paddeln und die fremden Menschen begrüßen?

Oder war ihnen das unbekannte Volk feindlich gesinnt? Unter der Erde hatte es keine Feinde gegeben, und sie hatten die meiste Zeit geschlafen oder in einem Dämmerzustand verharrt. In der ewigen Dunkelheit gab es keine Waffen und keine Werkzeuge. Sie berührte die Steinaxt, die sie mitgenommen hatte, und zuckte wie vor einem brennenden Holzscheit zurück. Dann griff sie entschlossen danach. Sie wog die schwere Axt in ihrer rechten Hand und spürte, wie frisches Blut durch ihren Körper strömte und sich ihre Finger fest um den hölzernen Stiel schlossen.

»Lerne die Axt zu gebrauchen«, sagte eine Stimme, »und du wirst unsterblich sein! Erhebe die Waffe gegen deine Feinde, denn nur du bist stark genug, die bärtigen Männer aufzuhalten!«

Sie beugte sich über den Bootsrand und entdeckte einen Biber, der seinen Kopf aus dem Wasser reckte. Sein weißes Fell glitzerte in der goldenen Morgensonne. »Wer bist du?« fragte sie erstaunt. »Kommst du vom Großen Geist? Hat er dich geschickt?«

»Ich bin dein Schutzgeist«, erwiderte der Biber, »ich habe dir einen Namen gegeben. Du heißt Biberfrau, und ich folge deinen Spuren. Ich bin immer in deiner Nähe. Der Große Geist will, daß ich in deinen Träumen lebe und dich vor deinen Feinden beschütze. Ich bin gekommen, um dich zu warnen. Auf der anderen Seite des Sees liegt das Land eurer Feinde. Dort wohnen die bärtigen Männer. Sie warten darauf, daß du in ihre Falle gehst!«

»Wer sind diese bärtigen Männer? Kommen sie auch aus der Erde? Warum sind sie uns feindlich gesonnen? Warum hat der Große Geist sie geschaffen, wenn sie uns töten wollen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete der Biber, »es gibt viele Dinge, die ich nicht verstehe. Die Wege des Großen Geistes sind verschlungen. Ich weiß nur, daß es bärtige Männer gibt, die euren Tod wollen. Vor langer Zeit, als ihr unter der Erde wart, lebten sie in Höhlen. Damals waren sie am ganzen Körper behaart. Dann wurde ihre Haut blaß, und ihre Haare wuchsen nur noch im Gesicht. Hüte dich vor ihnen, meine Schwester! Sie sind stark und schlau, und ich habe ihre Feuer überall am Ufer gesehen!«

»Wenn sie mich angreifen, werde ich sie töten«, sagte Biberfrau entschlossen. »Ich habe keine Angst.« Sie hob die Hand mit der Steinaxt und wunderte sich über ihre Stärke und ihren Mut. Ihr Spiegelbild zeigte ein entschlossenes Gesicht mit funkelnden Augen, und der scharfe Stein schwamm bedrohlich im Wasser. »Du bist eine mutige Frau«, lobte der weiße Biber, »deshalb hat dich der Große Geist ausgewählt. Nur du bist stark genug, dich gegen die bärtigen Männer aufzulehnen. Dein Volk ist noch nicht soweit! Du wirst die Feinde vertreiben und deine Brüder und Schwestern auf den großen Kampf vorbereiten. Bis dahin wird viel Zeit vergehen. Du sollst dich an den Anblick der bärtigen Männer erinnern, wenn ihr in den Erdhütten am Fluß wohnt.« Biberfrau verstand nicht, was der weiße Biber damit sagen wollte. »Welche Erdhütten? Welcher Fluß? Kennst du unsere Zukunft? Verrate mir, was uns in dieser neuen Welt erwartet!«

»Deshalb bin ich nicht gekommen, meine Schwester.« Der Biber drehte sich und blies das Wasser von seinen Schnurrhaaren. Sein flacher Schwanz klatschte auf den See. »Ich bin dein Schutzgeist, ein weißer Biber, der sich in einer Welt bewegt, die Maheo geschaffen hat. Nur er kennt die Zukunft, nur er kennt das große Geheimnis, das auf die Tsis-tsis-tas im Süden wartet.«

»Warum sind die bärtigen Männer hier?« fragte sie. »Ist die Welt nicht groß genug? Warum hat uns der Große Geist aus der Erde geholt, wenn wir kämpfen sollen?«

»Ihr sollt nicht kämpfen«, beruhigte der Biber die junge Frau, »jetzt nicht! Ein großes Wasser wird euch von den Fremdlingen trennen und deine Verwandten werden sie nie zu Gesicht bekommen. Viele Menschen werden leben und sterben, ehe sie wieder in eurer Welt auftauchen. Nur du wirst sie sehen!«

»Ich? Warum ich?«

»Deshalb hat der Große Geist dich über das Wasser geschickt, meine Schwester! Du sollst die bärtigen Männer sehen und über einen schmalen Pfad in die Felsen steigen! Dort wirst du eine alte Frau treffen. Sie liegt im Sterben, aber wenn du dich beeilst, wirst du ihre Worte hören. Sie wird dir verraten, wie die Zukunft aussehen wird. Sie ist den Wildgänsen nach Süden gefolgt.«

»Wie soll ich die bärtigen Männer überlisten? Wie komme ich an ihrem Lager vorbei? Ich bin noch nicht lange in dieser Welt!«

»Du wirst es schaffen, meine Schwester, weil dein Volk ohne dich verloren wäre. Du bist die heilige Frau der Tsis-tsis-tas!« Der Biber verschwand, und sie war allein mit dem lauen Wind, der aus der glühenden Sonne kam. Nebelschwaden trieben über den See und hüllten sie ein. Dankbar tauchte sie das Paddel ins Wasser. Maheo schützte sie vor den Blicken der bärtigen Männer. Er wollte, daß sie ungehindert das Ufer erreichte. Sie stimmte das Lied an, das sie am frühen Morgen gesungen hatte, und dankte dem Großen Geist für seine Hilfe. Er wollte, daß sie lebte. Er hielt seine unsichtbaren Hände über sie, und er hatte ihr den weißen Biber geschickt. Aiee, ihr konnte nichts passieren.

Das Feuer war nur noch als heller Punkt in der Ferne zu sehen. Sie hielt darauf zu und erkannte, daß sie jetzt schneller vorankam. Ihr Einbaum schwebte über dem Wasser, wurde in eine ungewisse Zukunft getragen. Sie bewegte sich in einem Traum, wurde zu einem schemenhaften Geist, der mit dem nebligen Dunst verschmolz und über allen lebendigen Wesen stand. Beinahe lautlos glitt der Einbaum in den weichen Ufersand. Sie blieb einen Augenblick sitzen und lauschte, aber es war kein verdächtiges Geräusch zu hören. Die Bäume flüsterten, der Wind rauschte, die Vögel sangen. Sie stieg aus dem Boot und griff nach der Steinaxt. Die Waffe lag wie ein vertrautes Werkzeug in ihrer Hand, als wäre sie dazu geboren worden, sie zu benutzen. Die scharfe Schneide glänzte im Sonnenlicht. Sie berührte den glatten Stein und spürte, wie die Berührung ihr neue Kraft verlieh. Dies war eine heilige Waffe, mit dieser Axt war sie unbesiegbar. Sie kletterte das steile Ufer hinauf und drang in den dunklen Wald. Ihre nackten Füße berührten das Unterholz. Ein kühler Windhauch wehte ihr entgegen und trieb sie hinter einen Baum, wo sie frierend stehenblieb. Die Kaninchenfelle bedeckten ihren Körper nur notdürftig. Sie rieb die Kälte aus ihren Armen und ging langsam weiter, von einem Baum zum anderen, bis sie die Lichtung mit dem Feuer erreichte. Sie duckte sich hinter ein Gebüsch, kroch langsam weiter und blieb im trockenen Laub liegen. Ein lautloses Gebet kam über ihre Lippen, als sie die bärtigen Männer am Feuer entdeckte. Sie sahen anders aus. Sie waren größer und kräftiger als die Tsis-tsis-tas und dicke Felle bedeckten ihre Körper. Nur ihre Gesichter und ihre Hände waren nackt. Sie waren blasser als das Fell des weißen Bibers, der auf dem See zu ihr gesprochen hatte. Ihre Augen funkelten wild und böse, und ihre Bewegungen wirkten steif. Am auffälligsten waren ihre Bärte, lange Haare, die aus ihren Gesichtern wuchsen und über den Boden schleiften, wenn sie sich bewegten.

Sie brieten das Fleisch eines großen Tieres über dem Feuer und unterhielten sich laut. Ihre Sprache klang seltsam, kam nicht tief aus der Kehle wie bei den Tsis-tsis-tas. Sie tranken heißen Kräutertee aus festen Bechern und nagten an den fleischbehangenen Knochen, die der Mann am Feuer ihnen reichte. Sie hatten keine Wachen aufgestellt. Sie fühlten sich stark und unverwundbar und ahnten nicht, daß es noch andere Lebewesen gab.

Biberfrau fühlte eine tiefe Abscheu, als sie die bärtigen Männer beobachtete. Dies waren schlechte Menschen, das spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers, dies waren ehrlose Krieger, die keine Ehrfurcht vor den geheimnisvollen Kräften zeigten und das Fleisch eines Tieres verzehrten, ohne sich vorher bei ihm entschuldigt zu haben. Für diese Männer gab es keine Regeln. Sie verachteten das Große Geheimnis und verbündeten sich mit den bösen Geistern, die das Gleichgewicht der Erde zerstören wollten. Sie hörten nicht, was die Bäume und die Steine sagten. Warum tötet der Große Geist diese Männer nicht, überlegte Biberfrau wütend. Sie haben nichts auf dieser Welt verloren. Sie sind schlecht. Ihre Finger schlossen sich um die Steinaxt, und sie wäre am liebsten auf die Lichtung gerannt und hätte sich auf die blassen Männer gestürzt, aber sie erinnerte sich an die Worte ihres Schutzgeistes und blieb liegen. Der Biber wollte, daß sie sich an den bärtigen Männern vorbeischlich. »Du sollst die bärtigen Männer sehen und über einen schmalen Pfad in die Felsen steigen!« Das waren seine Worte gewesen. Sie würde eine sterbende Frau treffen und die Zukunft von ihr erfahren. Nur darauf kam es an. Maheo würde sich um die blassen Männer kümmern. Er würde sie über ein großes Wasser schicken und ihrem Volk den abstoßenden Anblick ersparen. Das hatte der Biber ihr verraten.

Sie bekämpfte ihre Kampfeslust und zog sich langsam in den Wald zurück. Nach einigem Suchen fand sie den schmalen Pfad, von dem ihr Schutzgeist gesprochen hatte. Er führte durch den nebligen Dunst in ein Felsenlabyrinth, das wie ein bedrohlicher Schatten aus dem Wald ragte. Mit der Steinaxt in der rechten Hand schlich sie voran. Immer höher stieg sie in die Felsen hinauf. Wenn sie unterwegs einem bärtigen Mann begegnete, war ein Kampf unvermeidlich, das wußte sie. Dann mußte sie den blassen Mann in den Abgrund stürzen, wenn sie leben wollte. Aber der Weg war frei, und sie begegnete keinem Menschen. Nicht mal einem Tier. Nur einmal, als sie weit oben in dem Felslabyrinth verschnaufte, sah sie bärtige Männer. Sie bewegten sich durch die Schlucht, die unterhalb der Felsen in die Berge ragte, und stachen mit ihren federgeschmückten Lanzen auf ein riesiges Tier ein, das in einer Erdgrube gefangen war. Dunstige Nebelschwaden klebten an den Felsen, und sie sah das mächtige Tier nur schemenhaft, aber sie erkannte, daß die blassen Männer keine Angst hatten und die spitzen Lanzen tief in den Körper der unheimlichen Bestie stießen. Ein jämmerlicher Laut drang aus der Grube und brach sich zwischen den Felsen, dann hörte sie das Siegesgeheul der blassen Jäger, und der Nebel schob sich vor die Schlucht und erstickte das schreckliche Bild.

Sie wartete, bis der Nebel das Triumphgeheul verschluckt hatte, und stieg langsam weiter. Die bärtigen Männer waren ihrem Volk überlegen. Sie waren klüger und stärker und beteten nicht zu Maheo. Sie verneigten sich nicht vor der Natur, wie sie es in ihren Träumen getan hatte, und sie hatten keine Angst vor den geheimnisvollen Kräften, die überall in den Wäldern lauerten. Vielleicht waren sie selber Geister. Böse Geister, die sich gegen das Große Geheimnis gewandt hatten und nach eigenen Regeln lebten. Die alles töteten, was sich ihnen in den Weg stellte.

Auf dem Gipfel des felsigen Berges verschwand der Nebel. Die Sonne leuchtete und wies ihr den Weg in eine Ausbuchtung zwischen den Felsen. Auf dem Boden lag eine alte Frau. Ihr schwacher Körper war in ein Fell gehüllt, ihre weißen Haare waren offen und flatterten im Wind. Ihr Gesicht war kupferfarben und von tiefen Falten durchzogen. Ihre schwarzen Augen hießen die junge Besucherin willkommen und luden sie zum Verweilen ein. »Ich habe auf dich gewartet, meine Tochter!« flüsterte sie. Biberfrau mußte sich tief über die sterbende Frau beugen, um sie zu verstehen. »Du bist einen weiten Weg gekommen, nicht wahr?«

»Ich komme aus der Erde, Großmutter! Wer bist du?«

»Ich weiß nicht«, antwortete die alte Frau lächelnd, »ich habe es vergessen. Die Kraft schwindet aus meinem Körper und mit ihr löst sich die Erinnerung auf. Nur die Worte, die ich vom Großen Geist erfahren habe, sind in meinem Gedächtnis geblieben.«

»Ich bin gekommen, um sie zu hören, Großmutter!«

Die sterbende Frau lächelte wieder. »Du bist ungeduldig, meine Tochter! Ein Vorrecht der Jugend, und du zählst keine zwanzig Winter. Aber du bist die heilige Frau deines Volkes, so wie ich …« Ihr Blick verlor sich in der Ferne, und sie schüttelte langsam den Kopf. »Ah, ich habe es vergessen! Wenn du willst, daß dein Volk zu dir aufsieht, mußt du lernen, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Nur die Männer mit den Haaren im Gesicht sind ungeduldig. Sie schnattern wie die Enten und zeigen keine Ehrfurcht!«

»Du kennst die bärtigen Männer?«

»Ich habe sie gesehen«, bestätigte die alte Frau, »und ich weiß, daß sie schlecht sind. Das weiß ich.« Sie schloß die Augen und versuchte sich an den Augenblick zu erinnern, als sie die blassen Fremden getroffen hatte. »Ich habe sie berührt«, sagte sie, »und seitdem bin ich krank. Die Haut der bärtigen Männer hat die bösen Geister herbeigerufen, und ich bin zu schwach, um mich gegen sie zu wehren.« Sie hob abwehrend die Hände, als Biberfrau ihr helfen wollte. »Nein, meine Tochter! Es hat keinen Zweck! Maheo will, daß ich auf die andere Seite gehe. Er hat mich in die Felsen geführt, weil er wollte, daß ich dir die Wahrheit sage. Du sollst wissen, wie die Zukunft aussieht.«

Biberfrau wartete geduldig, bis die sterbende Frau neue Kraft geschöpft hatte. Sie blickte in ihre dunklen Augen und lauschte angestrengt, als sie weitersprach. Ihre Stimme wurde brüchiger. »Gehe zum südlichen Rand des Berges und sage mir, was du siehst!« trug sie der jungen Frau auf. »Blicke in die Wälder und folge dem Lauf des großen Flusses! Verlasse sein Ufer und sieh nach Westen, wo die Ebenen den fernen Horizont berühren!«

Sie gehorchte und ging die paar Schritte zum Felsrand. Was sie sah, ließ sie beinahe das Gleichgewicht verlieren. Jenseits der dichten Nebelschwaden und des weiten Sees, der irgendwo gegen den Waldrand stieß, wartete die neue Welt der Tsis-tsis-tas. Bisher hatte sie nur einen Bruchteil davon kennengelernt. Vom Gipfel dieses heiligen Berges sah sie alles. Die mächtigen Tiere mit dem zottigen Fell, die beinahe behäbig durch die Wälder streiften und nur darauf warteten, ihre zweibeinigen Verwandten mit Nahrung und Kleidung zu versorgen. Die Felder mit den gelben Früchten, die am Ufer des großen Flusses wuchsen und ihr Volk vor dem Hungertod retteten. Die riesigen Herden derselben zottigen Tiere, die über die endlosen Ebenen im Westen zogen. »Ich habe gesehen, was du mir zeigen wolltest«, sagte sie beeindruckt, als sie zu der sterbenden Frau zurückkehrte. »Sieht so die Zukunft meines Volkes aus? Werden wir den zottigen Tieren nach Westen folgen? Was willst du mir sagen, Großmutter?«

»Ihr braucht nicht zu hungern, solange die bärtigen Männer auf der anderen Seite des großen Wassers leben«, erklärte die alte Frau. Ihre Stimme wurde immer schwächer und Biberfrau verstand sie kaum noch. Auch der Glanz war jetzt aus ihren Augen verschwunden. »Die Büffel geben euch alles, was ihr zum Leben braucht. Nahrung, Kleidung, Werkzeuge, Waffen. Und am Ufer des großen Flusses, auf dem Weg in die weiten Ebenen, werdet ihr den Mais ernten. So habe ich es vom Großen Geist erfahren.«

»Das ist eine gute Zukunft«, erwiderte Biberfrau. »Ich war wütend, weil uns der Große Geist die bärtigen Männer geschickt hat, und ich dachte, daß wir gegen sie kämpfen müssen! Aber er will sie auf die andere Seite eines großen Wassers treiben, so habe ich es von meinem Schutzgeist erfahren, und du sagst mir, daß wir keinen Hunger leiden müssen. Das ist gut, Großmutter!«

Der Blick der alten Frau umwölkte sich. »Ich weiß nicht alles«, flüsterte sie, »ich habe nur gesagt, was der Große Geist mir verraten hat. Ich weiß, daß es genügend Nahrung gibt. Ich weiß, wohin der Weg des Volkes führen wird. Aber ich habe nicht gehört, welche Prüfungen auf euch warten! Es gibt andere Völker, die aus der Erde gekommen sind. Erdbewohner wie ihr, die jenseits des Wassers nach einer neuen Heimat suchen. Ich weiß nicht, ob euch diese Menschen feindlich gesinnt sind. Ich habe keine Ahnung, ob sie ihre Waffen gegen euch erheben. Das hat mir der Große Geist nicht gesagt. Ich bin nur gekommen …«

»Großmutter!« erschrak Biberfrau. »Was ist mit dir?«

Ein Zittern lief durch den Körper der alten Frau. »Nimm den Beutel, der neben meinem Lager liegt«, sagte sie. Ihre Lippen bewegten sich kaum noch. »Den kleinen Beutel mit den Körnern!«

Biberfrau griff nach dem Beutel und öffnete ihn. Er war mit unscheinbaren Körnern gefüllt. »Ich habe ihn, Großmutter.«

»Das ist gut«, flüsterte die sterbende Frau. »Siehst du … die Körner? Grabe sie in den Boden, wenn ihr das sumpfige Land an den großen Wassern erreicht habt. Sie werden … euch sättigen.«

»Ich danke dir, Großmutter!«

»Danke nicht mir, danke dem Großen Geist!« erwiderte die alte Frau. Sie lächelte ein letztes Mal, dann sank ihr Kopf zur Seite. Ihre Augen wurden stumpf, und ihr Schatten verließ den Körper.

Kapitel 3
DAS DORF AM SEE

Biberfrau hängte sich den Beutel mit den Körnern um den Hals und stimmte ein Totenlied an. Sie öffnete ihre Haare und kratzte blutige Fetzen aus ihrer Haut. Das Blut rann über ihre Unterarme und tropfte auf den morastigen Boden. Sie wußte nicht, warum sie sich diese Wunden zufügte, aber sie ahnte, daß der Große Geist es so wollte. So wird es immer geschehen, wenn ein Bruder oder eine Schwester stirbt, dachte sie betrübt. So ehren die Tsis-tsis-tas ihre Toten, so zeigen sie der schwindenden Seele, daß sie das Lachen eines geliebten Menschen vermissen.

Sie sang und klagte, bis die Sonne weit im Westen stand und der kühle Wind die Dunkelheit ankündigte, dann bedeckte sie den Körper der toten Frau mit Steinen und kehrte über den schmalen Pfad ans Seeufer zurück. Die bärtigen Männer hatten ein neues Feuer entzündet und machten sich über die Reste des großen Tieres her, das sie am Morgen getötet hatten. Ihr lautes Schmatzen und ihr dröhnendes Gelächter beleidigten die anmutige Stille der Natur. Selbst die geduldigen Steine duckten sich unter den respektlosen Lauten des fremden Volkes, und das aufgeregte Flüstern der Bäume verriet, daß die blassen Männer mit den langen Bärten nicht willkommen waren. Sie hatten keine Ehrfurcht vor lebendigen Wesen und sprachen keine Gebete.

Biberfrau schlich geduckt am Lager der bärtigen Männer vorbei. Sie verschmolz mit der Dunkelheit, die sich zwischen den Bäumen ausbreitete, und wurde zu einem der vielen Schatten, die von den Geistern durch das Unterholz geschickt wurden. Hinter einigen Bäumen blieb sie stehen. Eine innere Stimme riet ihr, das Land der bärtigen Männer so schnell wie möglich zu verlassen, aber ihre Neugier war stärker. Sie blickte zum Feuer hinüber und bestaunte die blassen Gestalten, die lärmend im Schein der Flammen saßen und lachend die Knochen abnagten.

Sie versuchte zu ergründen, warum der Große Geist diese wilden Menschen erschaffen hatte. Oder waren es wilde Tiere? Mußte es diese bösen Wesen geben, damit ihr Volk nicht nachlässig wurde und immer wachsam blieb? War ein Leben nur möglich, wenn es durch einen plötzlichen Tod bedroht wurde? Sie schloß verwirrt die Augen und verdrängte die bösen Geister, die über dem Lager der bärtigen Männer schwebten. Sie waren stark und wollten sie zwingen, sich den blassen Feinden zu zeigen und ihren Tod herauszufordern, aber sie wehrte sich mit aller Macht dagegen. Sie öffnete die Augen und verließ ihr Versteck.

Ein Geräusch ließ sie erstarren. Das Knacken eines Astes erklang wenige Schritte vor ihr und zwei dunkle Schatten vereinten sich im flackernden Schein des Feuers. Einer der bärtigen Männer hielt eine Frau mit gelben Haaren umklammert. Sie hatte keine Haare im Gesicht, und ihre Augen leuchteten blau. Auch ihre Haut war blaß, wirkte im Halbdunkel beinahe durchsichtig. Der Mann hatte das Fell von ihrem Körper gezogen und berührte sie auf eine Weise, die Biberfrau abstoßend fand. Maheo wollte, daß alle Frauen keusch blieben und sich für den Mann aufhoben, der für sie auf die Jagd gehen würde. Es ziemte sich nicht, seinem Verlangen nachzugeben. Nur wer dem Werben eines Mannes standhielt, bis der Große Geist den Bund besiegelte, durfte in der neuen Welt leben. Das hatte sie in ihren Träumen erfahren.

Sie stieß gegen einen Ast und erschrak, als der bärtige Mann von seiner Begleiterin abließ und in ihre Richtung blickte. Die blonde Frau schrie auf und rannte davon. Der Mann griff nach seinem Messer und rannte auf Biberfrau zu. Die wütenden Laute, die er ausstieß, klangen wie das Grunzen eines Tieres. Seine blauen Augen sprühten Funken. Er reckte die Hand mit dem Messer und alarmierte die anderen Männer, die sofort nach ihren Waffen griffen und schreiend aus dem Feuerschein liefen.

Biberfrau erkannte, daß sie keine Chance gegen die Übermacht der blassen Männer hatte. Sie ließ die Steinaxt hinter ihrem Gürtel und die Pfeile im Köcher stecken und rannte davon. Sie hatte sich den Weg zum Seeufer gemerkt und fand sich auch in der hereinbrechenden Dunkelheit zurecht. Wie das kleine Tier mit den langen Ohren, das sie am Morgen gejagt hatte, lief sie ihren Feinden davon. Ihre Füße flogen über den unsichtbaren Waldboden. Sie erreichte ihr Boot, sprang hinein und stieß sich vom Ufer ab. Mit kraftvollen Schlägen paddelte sie nach Westen.

Die bärtigen Männer blieben ihr auf den Fersen. Ihre heiseren Kriegsrufe hallten über den See, als sie die dunkelhäutige Frau verfolgten. Biberfrau blickte sich nach ihnen um, sah die schattenhaften Umrisse ihrer mächtigen Boote in der Dunkelheit und paddelte noch schneller. Sie erinnerte sich an die Worte des weißen Bibers. Ihr Schutzgeist hatte gesagt, daß sie die bärtigen Männer besiegen würde. Ein großes Wasser würde ihr Volk von den Feinden trennen, und ihre Verwandten würden die blassen Verfolger nicht zu Gesicht bekommen. Hatte der Biber gelogen? Ein dunkler Schatten legte sich über den See. Das Wasser, das im schwachen Mondlicht glänzte, wurde schwarz. Die Umrisse eines riesigen Vogels verdeckten für einen Augenblick den Mond. Seine Flügel schlugen über dem See und wirbelten den kühlen Nachtwind auf. Das Kriegsgeheul der bärtigen Männer verstummte und auch Biberfrau erstarrte in Ehrfurcht vor dem mächtigen Wesen. Der Donnervogel, erkannte sie, das geisterhafte Wesen, das stark genug war, den frostigen Mann aus dem Norden zu vertreiben und wilde Stürme und strömenden Regen brachte. Er flog mit ausgebreiteten Schwingen über den See und krächzte heiser.

Ein heftiger Donnerschlag ließ den See erzittern. Das dunkle Wasser erbebte und schlug große Wellen. Feurige Pfeile schossen vom Himmel und zuckten über dem Ufer. Biberfrau umklammerte das Paddel wie einen rettenden Ast und beobachtete ängstlich, wie der Donnervogel immer heftiger mit den Flügeln schlug und den Wind zu einem bedrohlichen Sturm anwachsen ließ. Das Wasser wehrte sich schäumend. Immer höher wuchsen die Wellen aus dem See. Ihr Boot tanzte auf einem Wellenkamm, stürzte in eine unbekannte Tiefe, kenterte in der weißen Gischt und richtete sich wieder auf. Sie ließ das Paddel fallen und klammerte sich mit beiden Händen an den Bootsrand, rief laut um Hilfe, obwohl sie genau wußte, daß sie niemand hörte.

Das Unwetter war zu einem Inferno geworden. Der Donner grollte furchterregend, und der heftige Wind peitschte kalten Regen über das Wasser. Flammende Lanzen bohrten sich in den Schaum. Der See wurde zu einem lebendigen Wesen, einem tobenden Untier, das sich mit heftigen Bewegungen gegen den angreifenden Donnervogel wehrte und gurgelnd aufschrie, als seine dunklen Schwingen durch das Wasser pflügten und einen tiefen Graben durch den unsichtbaren Grund zogen. Der Boden brach auseinander, und die beiden Ufer wurden von einer geheimnisvollen Kraft zum Horizont gezogen. Der Regen füllte das tiefe Loch, und eine gewaltige Flutwelle griff nach dem kleinen Boot von Biberfrau und schleuderte es nach Westen. Ihre Angst verflog auf seltsame Weise. Sie erkannte, daß ihr Leben nicht in Gefahr war. Der Donnervogel erfüllte eine Weissagung des Großen Geistes und trieb ein großes Wasser zwischen ihr Volk und die bärtigen Männer. So wie der weiße Biber es versprochen hatte. Sie blickte nach hinten und sah, wie die Boote ihrer Verfolger immer kleiner wurden. Auch ihr Leben lag in den Händen des Großen Geistes, der beschlossen hatte, einen Krieg zwischen den beiden Völkern zu verhindern. Maheo hatte diese Erde erschaffen, aber vieles war unvollkommen, und die Völker, die in Frieden zusammenleben sollten, freundeten sich nur zögernd mit der neuen Umgebung an. Der Große Geist liebte das Volk, das aus der Erde gekommen war, und wollte verhindern, daß es von den bärtigen Männern vernichtet wurde.

Das kleine Boot wurde ans Ufer gespült. Biberfrau fiel ins hüfthohe Schilf und blieb bewußtlos liegen. Sie spürte nicht, wie der Regen auf ihren Körper prasselte und der Wind an ihrem Kaninchenfell zerrte. Bis weit nach Mitternacht tobte das Unwetter. Erst dann flog der Donnervogel davon. Der grollende Donner verstummte und die flammenden Blitze erloschen. Der Wind verkümmerte zu einem kühlen Hauch, und der Regen verschwand in den dunklen Wolken. Der Mond kämpfte sich erneut hinter den Wolken hervor und schwamm im ruhigen Wasser des Sees.

Biberfrau erwachte am frühen Morgen. Sie kroch durch das feuchte Schilf und schüttelte benommen den Kopf. Ihre Haut war feucht vom Tau. Sie erhob sich und hielt ihr Gesicht in die aufgehende Sonne. Mit geschlossenen Augen dankte sie dem Großen Geist für ihre wunderbare Rettung. Sie stimmte ein wehmütiges Lied an, das von den schweren Prüfungen berichtete, die Maheo für sie bereithielt. Er hatte sie zur heiligen Frau gemacht, zur Frau, die mit den Geistern sprach. Unter der Erde hatte es einen heiligen Mann gegeben, aber die Wahl war auf sie gefallen. Sie war dankbar und versprach, nach dem Willen des Großen Geistes zu leben und sich für das Wohl ihres Volkes einzusetzen.

Sie öffnete die Augen und blickte über das endlose Wasser. Erschrocken stellte sie fest, daß das gegenüberliegende Ufer verschwunden war. Irgendwo in der Ferne verschmolz das Wasser mit dem Himmel. Die Sonne tanzte auf dem glühenden Wasser und schickte leuchtende Strahlen über den See. Die Weissagung ihres Schutzgeistes war in Erfüllung gegangen. Der Donnervogel war gekommen und hatte den See in ein endloses Meer verwandelt. Maheo hatte die bärtigen Männer bestraft und in eine andere Welt geschickt, und ihre Verwandten würden die blassen Feinde niemals zu Gesicht bekommen. Aiee, der Große Geist war mächtig und hatte ein Herz für das auserwählte Volk.