Hurra – erreicht!

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»Hilde, du willst studieren?« –

»Na, so was, gerade du!« – – – »Und heut schon wird Sturm gelaufen?« – – – »Wirklich – ich glaubte, du ulkst den Direks nur an!« – – – »Gerade du, die immer durch Faulheit geglänzt hat!« – – – »Ach, dein Vater gibt's ja doch nicht zu!« – »Hast du nicht mächtige Angst?« – – – so schwirrten die aufgeregten Mädchenstimmen auf dem Schulhof durcheinander.

»Was – Kinder – 'n Bammel soll ich haben? – Keine Spur,« unterbrach die lebhafte Hilde Dahlen mit blitzenden Augen das auf sie eindringende laute Stimmengewirr der Mitschülerinnen. »Na, so feige bin ich nicht. Heute gleich nach Tisch schwinge ich mich zu einem Speech mit Papa auf. Er wird zwar erst paff sein – aber – ich werd' den alten Herrn schon rumkriegen!« Damit schlang sie den Arm um ihre Busenfreundin Daisy Greeham und schlenderte langsam, mit gesundem Appetit ihr Frühstücksbrot vertilgend, unter dem kahlen, graubraunen Geäst der Schulhofslinden auf und nieder.

Die Erregung der zurückbleibenden Mädchenschar legte sich nicht so schnell. Der Direktor hatte eben in der vorhergehenden Stunde die in kurzem abgehenden Schülerinnen gefragt, wie sich jede ihre Zukunft zu gestalten gedenke – und da war es herausgekommen! Hilde, die lustige Hilde Dahlen, die zu keiner französischen Stunde präpariert hatte, die noch nie eine Rechenaufgabe selbständig gelöst und grundsätzlich Turn- und Handarbeitsstunden schwänzte, die wollte jetzt noch aufs Gymnasium – wollte studieren!

»Das ist doch ganz sicher nur Nachäfferei; weil Daisy studiert, muß Hilde auch aufs Gymnasium,« meinte die blasse Anna, die im geheimen auf die innige Freundschaft der beiden neidisch war.

»Na, ein halber Student ist sie ja schon ohnedies durch ihre Brüder, viel burschikoser braucht sie nicht mehr zu werden,« meinte die Erste der Klasse ein wenig zimperlich.

»Wie kann der Mensch nur so vernagelt sein und sich auch nur eine Stunde länger als nötig in dem Schulgefängnis einsperren lassen – Kinder – noch siebenundsiebzig Stunden – dann sind wir frei!« Die helle Blondine reckte ihre jungen Arme jubelnd in die feuchtwarme Frühlingsluft.

»Na, ich danke für Obst,« lachte Lilli, ein niedlicher kleiner Backfisch. »Schulmädel bin ich lange genug gewesen, jetzt will ich die Dame spielen,« und dabei sah die Kleine so drollig und kindlich aus, daß die andern in ihr fröhliches Lachen einstimmten.

Himmel – da läutete es schon wieder – hu, jetzt wurden die englischen Extemporalien zurückgegeben – seufzend trollten sich die Mädchen in die erste Klasse zurück. – – –

»Daisy, nimm mich mit unter deinen Schirm – es gießt mit Mollen,« sagte Hilde zwei Stunden später, ihre Büchermappe hin und her schlenkernd, als sie auf die Straße traten.

Daisy spannte gemütlich das schwarze Regendach auf.

»Aber beeile dich doch, ich bin ja schon naß wie eine Katze,« Hilde trippelte ungeduldig von einem Fuß auf den andern.

» All right – komm, Kleinchen,« schützend hielt die schlanke Daisy den Schirm über die etwas kleinere Freundin, die sich fest in ihren Arm hängte.

»Daisy, hast du das klassische Gesicht von dem Direks gesehen, als ich heute sagte, daß ich aufs Gymnasium möchte?« kicherte Hilde. »Als ob ich seiltanzen lernen wollte, so sprachlos hat er mich angestarrt.«

»Seiner Ansicht nach würdest du dich dafür vielleicht auch besser eignen, als zum Studieren, Hilde.«

»Und du, Daisy – was ist deine Ansicht?«

»Ich bleibe dabei, was ich dir immer gesagt habe. Es ist jammerschade, daß du solch arger Faulpelz bist. Du hast die glänzendsten Fähigkeiten von der Welt – lernst spielend, was ich mir mühsam durch Fleiß erringen muß. Wenn du Ausdauer genug hast, wirst du sicher dein Ziel erreichen.« Daisys weiche Stimme verriet, trotzdem sie schon einige Jahre in Deutschland lebte, immer noch die Amerikanerin. Hildes hellbraune, sonst so mutwillige Augen blickten ein wenig zaghaft zu der Freundin auf.

»Und Rechnen, Daisy, meine schwache Seite – im Rechnen bestehe ich die Aufnahmeprüfung in die Obersekunda nie!«

»Deutsch-Literatur macht es wieder wett, darling ,« tröstete Daisy. »Professor Richter, der Direktor, legt den Hauptwert auf Deutsch – leider!« sie seufzte drollig.

Sie standen vor dem Hause von Daisys Verwandten, bei denen diese nach dem Tode ihrer Eltern Aufnahme gefunden hatte.

»Du begleitest mich doch noch ein Stückchen,« bat Hilde, und sie setzten sich wieder in Trab.

»Wenn nur deine Eltern es erlauben,« meinte Daisy beklommen.

»Ach – Mutters bin ich sicher,« Hilde zog die Stirn in nachdenkliche Falten. »Muttchen ist eine moderne Frau, die ist mit der Zeit mitgegangen, aber Vater – Vater denkt, die Mädchen sind gleich mit dem Kochlöffel auf die Welt gekommen,« da brach sich der Übermut schon wieder Bahn.

Im Gespräch vertieft, begleitete Hilde bereits zum zweiten Male wieder die Freundin zu ihrer Wohnung zurück.

»Na, und deine Brüder?«

»Werden einfach gar nicht gefragt,« lachte Hilde. »Richard ist bestimmt dagegen, so 'n Referendar denkt wunder, was er ist. Aber Max, der ist ja selbst noch ein junger Fuchs, der findet es sicher kolossal schneidig von mir.«

»Na ich bin gespannt, was Richards Freund, Günter Berndt, dazu sagen wird,« meinte Daisy mit möglichst gleichgültiger Stimme, während verräterische Röte ihr langsam in das zarte Gesicht stieg.

»Pah, der,« – Hilde war viel zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um auf Daisy zu achten – »der hetzt Richard sicher nur noch auf, behandelt mich sowieso immer noch wie ein Baby im Steckkissen. Aber er soll nur was sagen – weißt du, was ich ihm dann antworte? ›Herr Doktor‹ werde ich sagen – ich nenne ihn jetzt immer Herr Doktor, trotzdem er's noch gar nicht ist, weil er noch ganz dreist Hilde zu mir sagt – ›Herr Doktor, das ist ja nur Konkurrenzneid von Ihnen, weil ich auch Medizin studieren will, wie Sie‹ – ja, das sage ich ihm!« Hilde schleuderte zur Bekräftigung ihrer Worte ihre Büchermappe so nachdrücklich hin und her, daß der Federkasten in weitem Bogen entsprang. Hochauf spritzte die Pfütze zu Füßen eines ihnen entgegenkommenden Herrn, der nahm mit einem erstaunten »Nanu?« das längliche Etwas empor.

»Hilde – – –!« Daisy kniff die Freundin vor Aufregung in den Arm. Da hatte Günter Berndt die beiden auch schon erkannt.

Er lächelte ein ganz klein wenig und lüftete den Hut.

»Süß« fand die errötende Daisy heimlich dieses Lächeln, während Hilde es innerlich als unglaublich mokant bezeichnete.

»Wem gehört dieser Ausreißer?« fragte Günter Berndt, den schmutzigen Federkasten mit spitzen Fingern emporhaltend.

»Mir,« rief Hilde, ihm den Kasten so energisch aus der Hand reißend, daß ihr weißer Trikothandschuh schwärzliche Spuren aufwies.

»Na, machen Sie nur, daß Sie nach Hause kommen, Hilde, die Suppe steht schon auf dem Tisch. Ich komme eben von Richard. Sonst gehen Sie heute mittag leer aus,« rief er lachend.

Hilde warf einen entsetzten Blick auf die Turmuhr drüben.

»Allmächtige Schokolade – gleich zwei – Daisy, ich komme nachmittags zu dir, um Bericht zu erstatten – adieu, Herr Doktor!«

Trotz ihrer Eile betonte sie die spöttische Anrede noch so auffallend, daß es wieder belustigt um Günters Lippen zuckte. Trapp – trapp rannte sie durch den strömenden Regen ihrem Hause zu, während Daisy herzklopfend an Günters Seite in entgegengesetzter Richtung dahinschritt.

»Netter kleiner Backfisch!« sagte Günter Berndt harmlos zu Daisy, ohne im geringsten zu ahnen, daß er ihre empfindlichste Stelle damit traf.

Daisy richtete sich in ihrer ganzen stattlichen Größe empor. Sie war nicht viel kleiner als der junge Mediziner.

»Backfisch!« – sagte sie kühl und sehr von oben herab, »meine Freundin wird bald siebzehn und geht in drei Wochen von der Schule ab. Bei uns in Amerika heiratet man in diesem Alter.«

»Verzeihung, gnädiges Fräulein,« er machte ein ganz zerknirschtes Gesicht, »man vergißt, daß man alt wird. Gedenkt denn Ihre Freundin nun auch gleich zu heiraten?« Da erst merkte sie den Spott in seinen grauen Augen. – Hilde hatte recht, er konnte wirklich unausstehlich sein.

»Hilde wird studieren!« Voll Empörung warf sie ihm das große Geheimnis an den Kopf.

»Was denn? – Küchenchemie?« neckte er.

Daisys Blauaugen flammten.

»Nein, Medizin – gerade wie ich!« – Lachte er nicht schon wieder?

Daisy sah ihn scheu von der Seite an.

»Sie – Miß Daisy – Sie auch?« Sie wollte den ernsten Ton in seiner Stimme nicht hören.

»Jawohl ich – ich – Herr Berndt – denken Sie, ich bin zu dumm dazu? – Oh, ich werde es Ihnen schon beweisen ...«, die sonst so sanfte Daisy war ganz außer sich.

Er reichte ihr die Hand.

»Sie sind viel zu zart zum Medizinstudium, dazu muß man aus derberem Stoff sein,« sagte er. Dann grüßte er kurz und ging schnellen Schritts davon.

Daisy aber starrte ihm noch nach, als längst schon der letzte Zipfel seines wehenden Lodenmantels um die Ecke verschwunden war.– – –

Hilde stieg inzwischen herzklopfend die Treppen zu ihrer Wohnung empor – war nur das schnelle Laufen an dem ungestümen Pochen ihres Herzens schuld oder – hatte sie am Ende doch ein ganz klein bißchen »Bammel«? Sie wagte sich selbst keine Antwort darauf zu geben.

Fatal, daß es schon so spät war. Nun war Papa sicherlich schlecht gelaunt. Aber »Mut zeiget auch der Mameluck,« murmelte Hilde vor sich hin und drückte dann die Klingel unter dem weißen Schild, auf dem mit großen schwarzen Buchstaben »Dr. Ludwig Dahlen, Augenarzt« prangte.

»Die Herrschaften sind schon beim Fleisch, Fräulein Hilde,« flüsterte ihr Mine, der dienstbare Geist, nicht sehr ermutigend zu. Vier Augenpaare richteten sich bei Hildes Eintritt fragend auf sie. Tiefe Stille.

»'n Tag,« sagte Hilde möglichst unbefangen und nahm ihr Mundtuch hoch.

Da lagen auf ihrem Teller drei Taschenuhren – selbst der Vater hatte ihr seine Uhr aufgebaut – dann war er nicht allzu böse! Hilde lachte befreit auf.

»Na – hier gibt's nichts zu lachen, Mädel,« sagte der Vater mit angenommener Strenge. »Ist das eine Art, so spät zu Tische zu kommen, wo hast du dich denn 'rumgetrieben, he?« Mit geheimem Stolz betrachtete er sein blühendes Töchterchen.

»Hast wohl nachsitzen müssen, was, Kleine?« neckte Bruder Max.

»Es regnete so ...« begann Hilde.

»Ach – ne!« machte Max erstaunt.

»Höchstens ein Grund, schneller nach Haus zu kommen,« sagte Richard mit seiner gräßlichen Logik. »Also erste Entschuldigung wird rundweg abgelehnt. Was kann die Angeklagte sonst noch zu ihrer Entlastung anführen?«

»Ach – hör' doch schon mit deinem Unsinn auf,« rief Hilde unwirsch. »Ich hab' mich eben mit Daisy verspätet.«

»Ja – natürlich – an mich denkst du ja nicht,« klagte die Mutter. »Das ist dir ganz gleich, ob Wäsche ist oder nicht, selbst den Tisch habe ich heute für dich decken müssen.«

»Na, laßt sie nur in Ruhe essen,« brummte Papa, der es nicht mit anhören konnte, wenn andere seinem Liebling etwas taten. Hilde blickte dankbar zu dem guten Vater hinüber.

Das Essen rutschte nicht – erstens gab's Kohl, das obligate Waschfrauenessen, und dann überhaupt – sie hatte keinen rechten Hunger. Vater war in sein Sprechzimmer gegangen, die Teller waren zusammengestellt, der Tisch abgefegt – Hilde fand keinen Grund mehr, die Sache hinauszuschieben.

»Also denn los!« Mit gepreßtem Herzen folgte Hilde dem Vater in sein Zimmer.

Sie legte ihm die Zeitung auf sein Tischchen neben dem Klubsessel und stellte Zigarren, Aschbecher und Streichhölzer zurecht. Verwundert schaute der Vater ihr zu.

»Nanu, Wildfang, solch zarte Aufmerksamkeiten bin ich ja gar nicht von dir gewöhnt. Da steckt doch irgend was dahinter – also heraus mit der Sprache!«

Die große Hilde sprang dem Vater wie ein kleines Mädel auf das Knie und schlang ungestüm beide Arme um seinen Hals.

»Du bist mein kluges, allerbestes Vaterchen!« schmeichelte sie.

Zärtlich strich der Vater seiner Jüngsten das zerzauste goldbraune Haar aus der Stirn.

»Also zur Sache, Kind, die lange Einleitung kannst du dir schenken, wo hapert's denn?«

Hilde schwieg noch immer.

»Wieder was ausgefressen in der Schule, hm?«

Sie schüttelte das hübsche Köpfchen.

»Ach, Papa – ich habe eine Riesenbitte!«

»Konnte ich mir lebhaft denken – na, was ist's denn – ein neues Kleid – nochmal Tanzstunde oder –«

»Nein, Vater – ich möchte studieren!« –

Gottlob – nun war es heraus!

Der Vater brach in ein schallendes Gelächter aus.

»Weiß der Himmel, Mädel, du verstehst es, einen doch immer vergnügt zu machen, man mag noch so verstimmt sein – aber nun geh, Kind, ich bin heut noch nicht dazu gekommen, die Zeitung zu lesen.«

»Aber es ist doch mein Ernst, Papa,« beharrte Hilde, »ich möchte aufs Gymnasium gehen und dann später Medizin studieren.«

»Wa–as?« Der Vater hob ihren Kopf zu sich empor, blickte ihr in die hellbraunen Schelmenaugen, die ernst und bittend zu ihm ausschauten, und griff nach ihrem Puls.

»Ist dir die warme Frühlingsluft zu Kopf gestiegen oder – – –«

»Aber Vaterchen, es gehen doch so viele Mädchen aufs Gymnasium. Daisy kommt doch auch hin!«

Hilde zeigte eine gekränkte Miene.

»Daisy ist eine vorzügliche Schülerin, das ist etwas ganz anderes! Aber du – Mädel – jedes Halbjahr zittert Mutter vor deiner Zensur – du studieren! – Es ist wirklich zum Lachen.«

»Ach, Papa – nur im Betragen, Aufmerksamkeit und Fleiß hatte ich ein schlechtes Zeugnis und – und im Rechnen.«

»Ja – aber Betragen – – –«

»Ist die Hauptsache bei einem Mädchen,« fiel Hilde dem Vater lachend ins Wort, »das weiß ich ja noch ganz genau von der letzten Zensur her! Du kannst es doch mal probieren, Vaterchen. Wenn ich nicht vorwärts komme, ist es doch immer noch Zeit, mich herauszunehmen – und Richard und Max hast du's doch auch erlaubt,« schloß sie weinerlich.

»Jawohl,« sagte der Vater grimmig, »zwei studierte Esel hab' ich schon.«

»Alle guten Dinge sind drei,« flehte Hilde, die um der guten Sache willen selbst den Esel mit in Kauf nahm. Aber der Vater fuhr unbeirrt fort: »Weiß gar nicht, wie meine Tochter zu solchen Ideen kommt – in die Küche gehört ein Mädel, an den Herd – und nicht in den Seziersaal!«

»Ja, früher, Vaterchen,« erwiderte Hilde eifrig. »Wir Mädel wählen uns doch jetzt genau so unsern Beruf wie die Jungen. Fast zu jedem Beruf wird das Abiturium verlangt. Und du hast doch immer gesagt, ich hätte eine weiche, sichere Hand und solle einmal deine Assistentin werden. Nun sei doch auch mein einziges, süßes, allerallerbestes Vaterchen und sage ›ja‹ – ja?« Ihre kleinen Hände strichen glättend über des Vaters gefurchte Stirn.

»Nein!« sagte der Vater mit Nachdruck, »ganz ausgeschlossen!«, und griff nach seiner Zeitung. »Wer so wenig in der Schule geleistet hat wie du, der gehört nicht aufs Gymnasium. Erst wünsche ich mal für dich ein Haushaltungsjahr unter Mutters Anleitung. Und dann können wir weiter von Berufen reden. So – und nun geh, Kind, ich will endlich meine Ruhe haben!«

Hildes Augen begannen zu tropfen. Sie sah, wie der Vater sich in die Reichstagsverhandlungen vertiefte. Nun war nichts mehr zu wollen. Für heute mußte sie die Waffen strecken. Weinend schlich Hilde in ihr Stäbchen.

Ach, das war ein trauriger Nachmittag! Zu Daisy durfte sie auch nicht, um ihr Herz zu erleichtern. Sie mußte der Mutter beim Blauen und Stärken der Wäsche zur Hand gehen. Mit todestraurigem Gesicht drehte Hilde die Wringmaschine.

Der Mutter fiel schließlich die Einsilbigkeit ihres sonst so munteren Töchterchens auf.

»Hilde, du drehst ja wie im Schlaf – sei doch bei der Sache, Kind! Flink und gewandt muß ein junges Mädchen sein. – Nanu, Tränen? Aber was ist denn los, Hildchen, du bist doch sonst nicht so dicht am Wasser gebaut?«

Hilde schluchzte, daß es einen Stein hätte erbarmen können. Vergeblich suchte die erschreckte Mutter durch sanften Zuspruch ihr Kind zu beruhigen. Nach und nach erst kam es heraus – stoßweise – das ganze große Elend – ihr heißer Wunsch, zu studieren, der Überfall heute nachmittag auf den ahnungslosen Vater und ihre jämmerliche Niederlage.

»Ach, Muttchen, hilf du mir doch bloß,« schloß Hilde mit verzweifelter Miene, »vielleicht kannst du Papa noch umstimmen.«

Die kluge Mutter, die im Herzen ihres Kindes zu lesen gewöhnt war, zeigte absolut keine Überraschung. Längst schon hatte sie den geheimen Wunsch ihrer Hilde erkannt, und im Grunde war sie demselben durchaus nicht abgeneigt. Hilde hatte ihrer Ansicht nach auf der Schule blutwenig gelernt, es schadete ihr gar nichts, wenn sie noch ein paar Jahre gewissenhaft arbeitete, vielleicht nahm sie sich auf dem Gymnasium mehr zusammen. Lauter Dummheiten und lustige Streiche spukten der Hilde im Kopfe herum; ernstes, zielbewußtes Streben konnte ihrer geistigen Entwicklung nur förderlich sein. Und mit dem Studium, da hatte es ja noch gute Wege, das konnte man sich ja dann immer noch überlegen.

So versprach die Mutter, selbst noch einmal mit dem Vater zu reden, und ein klein wenig getröstet, half Hilde beim Aufhängen der Feinwäsche. Allerdings erschien sie beim Abendbrot immer noch mit verheulten Augen. Richard, der scharfsichtige Jurist, hatte es natürlich gleich entdeckt.

»Was ist's, daß du so traurig bist.
Wo alles froh erscheint.
Ich seh' dir's an den Augen an.
Gewiß – du hast geweint!«

deklamierte er mit pathetischer Stimme.

Hilde warf dem älteren Bruder einen bitterbösen Blick zu und zerknudelte nervös ihr Mundtuch – die Tränen stiegen ihr schon wieder heiß in die Augen.

»Na, weine man nicht, na, weine man nicht –
In der Röhre stehn Klöße, du siehst sie bloß nicht!«

begann jetzt Max in höchst unmelodischen Tönen das Schwesterlein anzuulken. Das nahm Hilde nun aber gewaltig krumm. Heftig sprang sie von ihrem Stuhl auf.

»Ihr sollt mich in Ruhe lassen – ihr dummen Jungs!« rief sie laut weinend und wollte aus dem Zimmer.

»Aber hier geblieben!« rief Papa, der die ganze Zeit über schon unbehagliche Blicke auf das verstörte Gesicht seines Lieblings geworfen hatte.

»Laßt mir das Kind in Frieden, verstanden!« wandte er sich an die Herren Söhne – »und du, Hildchen, komm, sei vernünftig, sie meinen es doch nicht böse. Hier hast du ein schönes, zartes Stück Schinken; so, nun iß, Kind,« er legte dem Töchterchen eigenhändig das Fleisch auf den Teller.

»Eklige kleine Kratzbürste!« brummte Max, während Richard etwas von »empfindsamem Backfisch« murmelte.

Hilde aber würgte und würgte, sie konnte nicht essen. Bald nach dem Abendbrot sagte sie gute Nacht und suchte ihr Lager auf. Ach, was würde Daisy bloß sagen! Und all die andern in der Schule – wie schadenfroh würden sie sein, daß sie sich so blamiert hatte! Oh, wie schämte sie sich – ruhelos wälzte sich Hilde in ihren Kissen hin und her.

Mit bleichem Gesicht erschien sie am nächsten Morgen am Kaffeetisch. Hatte Mama schon mit dem Vater gesprochen?

»'n Morgen,« sagte sie mit müder Stimme.

Der Vater blickte prüfend in Hildes blasses, trauriges Gesichtchen.

»Ja, sag' mal, Hilde, soll das nun etwa so weitergehen, diese Jammermiene und das miesepetrige Wesen? Ich will mein frisches Mädel wieder haben – verstanden! – nicht solche Tranfunzel!«

Hilde schwieg verstockt.

»Ihr werdet ja nicht eher klug, ihr junges Volk, als bis ihr selbst Lehrgeld bezahlt habt,« meinte der Vater seufzend – »also denn meinetwegen – wirst mich bald genug quälen, meine Erlaubnis wieder rückgängig zu machen. Und nun bitte ich mir ein anderes Gesicht aus!«

Hilde glaubte ihren Ohren nicht zu trauen.

»Was – du – erlaubst – es?« stieß sie zweifelnd heraus und blickte fragend auf die Mutter. Diese nickte ihr lächelnd zu. Laut jubelnd fiel Hilde dem Vater um den Hals. Dann kam die Mutter an die Reihe, glückselig sprang sie von einem zum andern.

»Aber das sage ich dir gleich, du Strick,« sagte der Vater ernst, »Bälle und sonstigen Firlefanz gibt's dann nicht, nun wird stramm gearbeitet – entweder – oder!«

So meldete sich Hilde an einem der nächsten Tage zur Aufnahmeprüfung in dem Gymnasium. – – –

Es fiel ein Reif

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Natürlich – die Familie stand kopf! Sämtliche alten Tanten der Familie schüttelten das Haupt. Unglaublich – gar nicht zu verstehen – die Eltern waren doch sonst so vernünftige Leute, warum gaben sie die Tochter nicht lieber in eine Haushaltungsschule – na, sie würden es ja sehen, wohin es führte, was sie sich für einen Blaustrumpf damit erzogen! Hilde, das unweibliche, wilde Ding, hatte es doch gewiß nötig, mädchenhafter und häuslicher zu werden!

Hilde aber kümmerte sich nicht um alle rückständigen Tanten der Welt, sie strahlte, nichts war imstande, ihre gute Laune zu trüben. Selbst die ständigen Neckereien der Brüder ertrug sie mit ungewöhnlicher Sanftmut. Sie lehnte höflich die Zigarren ab, die sie ihr jeden Mittag nach dem Essen anboten, fuhr nicht wütend los, als sie in ihrem zierlichen Mädchenzimmer an der Wand eines Tages eine lange Pfeife und ein Rapier entdeckte, und stopfte die blauen Strümpfe Richards, die dieser extra für sie heraussuchte, mit wahrer Todesverachtung.

Max redete nur noch Lateinisch oder in Hexametern zu ihr, sandte ihr mit der Post Einladungen zu seinen Studentenkneipen und zum Katerfrühstück und lehrte sie mit Stöcken kunstgerecht fechten und seinen Hieben parieren. Aber als die erste Fensterscheibe daran glauben mußte, machte die Mutter ein für allemal diesen Mensuren ein Ende. –

So kam der Tag der Aufnahmeprüfung heran.

Hilde hatte Mühe, ihr zuversichtliches Wesen den düsteren Prophezeiungen der Brüder gegenüber, daß sie niemals die Prüfung bestehen würde, aufrecht zu erhalten, denn sie war ihrer Sache selbst mehr als unsicher.

»Du sollst sehen, Daisy,« sagte sie zur Freundin, die ebenfalls sehr erregt war, als sie beim Eintritt in die fremden Klassenräume, in denen die Prüfung stattfand, sich all den neugierig musternden Augen der Konkurrentinnen ausgesetzt fühlte, »paß bloß auf, Mathematik bricht mir den Hals!«

Direktor Richter, ein liebenswürdiger Herr, ermutigte die Schüchternen. Hilde fand ihre Unverfrorenheit wieder.

Kinderleicht war es ja – die schriftlichen Arbeiten in Deutsch, Französisch und Englisch glücklich vorüber, in Mathematik allerdings hatte sie trotz eifrigen Schielens auf Daisys Heft die letzte Ausrechnung nicht genau entziffern können – warum schrieb Daisy auch so undeutlich!

Nun nahm der Direktor sie natürlich noch extra scharf beim Mündlichen heran, eklig zwiebelte er sie, aber Hildes frische, dreiste Art machte ihm augenscheinlich Spaß.

Und als sie in Literatur, ihrem Lieblingsfach, einige treffende Antworten über die schlesische Dichterschule gegeben, ließ Direktor Richter ein vernehmliches »Gut« hören.

Hilde hatte bestanden.

Daisys Aufnahme war ja über jeden Zweifel erhaben gewesen, selbst deutscher Aufsatz, die Achillesferse der jungen Ausländerin, war zur Zufriedenheit ausgefallen.

»Mächtiges Schwein hab' ich gehabt,« berichtete Hilde frohlockend daheim ihrem Intimus Max, während Mama über die derb burschikose Ausdrucksweise ihres Töchterchens erschrocken den Kopf schüttelte.

»Natürlich hab' ich gleich Schillerlocken aus Dankbarkeit spendiert, da, Max, hast du noch ein paar. Ach, Daisy war auch ganz glücklich.«

Ja – Daisy war fast noch glückseliger über Hildes Aufnahme als die Freundin selbst. Das elternlose Mädchen, das im Hause der reichen Verwandten ihrer Mutter nur ungern Aufnahme gefunden und dort ein trauriges, freudloses Leben führte, hatte sich mit ihrem liebebedürftigen Herzen fest an die impulsive, warmherzige Hilde angeschlossen. Das Elternhaus der Freundin war ihr eine zweite Heimat geworden, und Frau Doktor Dahlen nahm sich Daisys wie eine Mutter an. Hilde, mit ihrem flattrigen, übermütigen Wesen, konnte durch den innigen Verkehr mit der um ein Jahr älteren und bedeutend reiferen Freundin nur gewinnen.

Sie saßen beide auf dem niedlichen hellen Sofa, ihrem Lieblingsplatz in Hildes Zimmer.

Heute hatte das große Ereignis stattgefunden, die Pforten des Lyzeums hatten sich für immer hinter ihnen geschlossen.

»Sag' mal, Daisy, warum hast du denn bloß wie ein Schloßhund geheult, als dir der Direks die feine Prämie mit den anerkennenden Worten überreichte, totgefreut hätte ich mich an deiner Stelle!«

»Ach, red' nur nicht, Hilde,« verteidigte sich Daisy, »wer hat denn ein Tränchen nach dem andern im Auge zerdrückt, als der Chor das Abschiedslied ›Ihr lieben Schulgenossen‹ anstimmte? Ich denke, du freust dich so, daß du die Schulzeit hinter dir hast?«

»Tu' ich auch,« Hildes Augen strahlten, »gottlob, daß ich aus dem langweiligen ledernen Bildungsstall heraus bin, nun sind wir doch keine Schulmädel mehr – Gymnasium – ja, das ist doch etwas ganz anderes!«

»I don't think so,« meinte Daisy, sinnend vor sich hinblickend, »Schule bleibt Schule, die Hauptsache ist, daß man etwas Ordentliches lernt und bald sein Ziel erreicht. Aber wir werden schon tüchtig miteinander arbeiten, nicht, darling?«, sie schlang den Arm zärtlich um Hildes zierliches Figürchen. »Ich bin ja so froh, daß ich mit dir gemeinsam studieren darf.«

»Natürlich werden wir büffeln – Ehrensache im Gymnasium. Will doch mal sehen, ob der dumme Günter Berndt jetzt nicht ›Fräulein‹ zu mir sagt.«

Daisy schwieg, herzklopfend dachte sie an ihre letzte Begegnung mit Richards Freund; war es treulos von ihr, daß sie Hilde Günters Zweifel an ihrer Eignung für das Studium verheimlichte? Aber es war ihr nicht möglich, davon zu sprechen.

»Daisy, willst du ein Stückchen Torte essen?« Hilde zog zu Daisys Erstaunen ein arg zerquetschtes, in ein französisches Extemporalblatt gewickeltes Paket aus ihrer Kleidertasche. Es sah nicht sehr vertrauenerweckend aus.

»Woher hast du es?« erkundigte sich Daisy vorsichtig.

»Ach, Daisy, das war ja gestern zum Brüllen, es ist ja mein zweites Stück von unserer Abschiedstorte. Und gerade, als ich unter den Tisch gekrochen war, um heimlich abzubeißen, gab mir Ehlert mein französisches Extemporale zurück. Ich glaubte, ich müßte an dem großen Happen ersticken, kein Wort konnte ich herausbringen, während er mir noch zu guter Letzt eine Standpauke hielt wegen der vielen Flüchtigkeitsfehler. Da hab' ich den Rest der Torte dann lieber gleich in das Extemporale hineingewickelt ...« Sie begann eifrig zu schmausen und Daisy half ihr.

»Was haben sie denn zu Hause zu deiner Prämie und dem glänzenden Abgangszeugnis gesagt, Daisy?« fragte Hilde mit vollem Munde.

Ein Schatten huschte über das holde Gesicht der jungen Amerikanerin.

Sie schwieg.

»Was, waren sie heute etwa wieder eklig zu dir, deine liebe Tante und Fränze, das hochnäsige Ding?« fuhr Hilde auf.

Daisy nickte traurig.

»Kein freundliches Wort haben sie für mich gefunden,« klagte sie leise, »Tante Malwine sagte bloß: ›Na, da haben wir das viele Geld doch wenigstens nicht umsonst für dich ausgegeben‹ und Fränze meinte: ›Gott, solche Prämie ist doch gar nichts Besonderes!‹«

»Möchte wissen, ob der Affenschwanz jemals eine bekommen hat. Das ist doch sicher wieder der pure Neid von ihr; sei doch bloß nicht immer so schafmäßig sanft, Daisy, wenn sie so gemein gegen dich ist; zeig' ihr doch die Zähne – na, ich sollte mal in deiner Haut stecken, ich wäre schon längst aus dem Hause geflogen.«

»Yes indeed,« lachte Daisy, »das glaube ich selbst,« und fügte dann gleich wieder ernst werdend hinzu: »Ja, siehst du, Herzchen, wenn man abhängig ist, lernt man den Mund schon halten; kannst mir's glauben, schwer genug wird's mir manchmal. Aber was soll ich anfangen, wenn sie die Hand von mir ziehen? Onkel Wilhelm tut, was seine Frau will. Ich glaube, das einzige Mal, daß er sich gegen ihren Willen aufgelehnt, war vor fünf Jahren, als er mich trotz ihres Widerspruchs in sein Haus nahm. Na, und oft genug hat sie's ihm seitdem anzuhören gegeben. Onkel Wilhelm ist gut, der würde mir gewiß gern manches im Hause erleichtern, aber er darf nicht. Als ich ihm heute mein Abgangszeugnis gab und er freundlich sagte: ›Schade, Kind, daß deine Mutter, meine gute Schwester, das nicht erlebt hat,‹ hielt sich die Tante gleich beide Ohren zu und rief: ›Um Himmels willen, werdet bloß nicht gefühlvoll, sentimentale Menschen passen nicht in die Welt. Daisy hat doch wohl allen Grund, energisch und tatkräftig zu sein und sich möglichst bald auf eigene Füße zu stellen.‹ – Siehst du, Hilde, deshalb will ich arbeiten, und arbeiten und wenn ich die Nächte zu Hilfe nehmen muß; ich werde den Tag segnen, an dem ich nicht mehr das Gnadenbrot dort im Hause zu essen brauche.«

Hilde ballte ihre Hände.

»Ach – ich möchte – könnte ich doch der geizigen, eingebildeten Gesellschaft, die auf nichts weiter pocht, als auf ihren Geldbeutel, mal ordentlich eins auswischen. Ins Gesicht möcht' ich's ihnen mal sagen, wie lieblos und häßlich sie sich zu dir benehmen; ich wünsche keinem Menschen was Schlechtes, aber ...«

»Schscht,« machte Daisy und legte Hilde die Hand auf den vorschnellen Mund, »nichts sagen, was einem nachher leid tut. Tante Malwine kann es eben meiner armen Mutter selbst im Tode noch nicht verzeihen, daß sie damals ihren reichen Vetter ausschlug und meinem verstorbenen Vater, einem armen Künstler, in die weite Ferne folgte. Trotzdem sie mich doch möglichst bald los sein möchte, hätte sie es doch nie zugegeben, daß ich Lehrerin, Erzieherin oder Tippfräulein geworden wäre, ›plebejisch‹ nennt sie das. Aber studieren, ja, das ist etwas anderes; da braucht sie sich doch vor ihren vornehmen Bekannten meiner nicht zu schämen.«

»Ja, und nebenbei hat es noch den Vorteil, daß sie dich doch noch ein paar Jahre in die Schulstube steckt, da stichst du wenigstens ihre häßliche Fränze auf den Gesellschaften nicht aus,« lachte Hilde boshaft.

»Pfui, Hildchen, sei nicht so mokant!«

»Na, findest du sie vielleicht hübsch mit ihrer plumpen kleinen Gestalt und dem breiten bäuerischen Gesicht? Ich gönne es der gnädigen Frau von Staven, daß ihre Tochter so wenig aristokratisch aussieht.«

»Hilde, ans Telephon, du wirst verlangt,« rief die Mutter zur Tür hinein.

Daisy blieb allein.

Sie sah sich in dem behaglichen Raum, den Mutterliebe so traulich wie möglich gestaltet hatte, um – wie gut hatte es doch die Hilde!

Und so selbstverständlich nahm sie all die Liebe der Ihrigen hin – Daisy seufzte – ja, man weiß immer erst zu schätzen, was man nicht mehr besitzt.

Aus dem Nebenzimmer, der Stube der Brüder, klangen Stimmen herüber, Daisy wollte nicht lauschen. Sie schlug ein Buch auf, das auf dem Tische lag, und begann zu lesen.

»Nein, Richard, du hast nicht recht,« hörte sie jetzt eine deutliche Stimme – Daisy fuhr empor – war das nicht ... Das Buch entsank ihren bebenden Fingern.

»Warum soll deine Schwester nicht noch etwas Tüchtiges lernen,« hörte sie Günter Berndt weiter sprechen, »besser, als wenn sie die Zeit totschlägt und herumflaniert. Das Frauenstudium hat durchaus seine Berechtigung – ach Unsinn, Mensch, rede doch nicht von den paar Gramm Gehirn, die der Frau fehlen, sie haben ohne dasselbe doch schon genug geleistet. Ich habe alle Achtung vor diesen tüchtigen Frauen, ich verehre sie – aber lieben – nie könnte ich ein studiertes Mädel lieben oder sie gar begehren. Ein Mädchen mit dem Seziermesser in der Hand ist mir immer nur Studiengenosse; es geht ihr in meinen Augen jeder weibliche Reiz dabei verloren.«

Daisy zuckte zusammen – sie hätte aufschreien mögen vor Weh – aber sie war es gewöhnt, sich zu beherrschen. Fest preßte sie die Hand gegen das wild schlagende Herz, mit Gewalt schluckte sie die Tränen hinunter, und als gleich darauf Hilde zurückkam, konnte sie schon wieder mühsam lächeln.

»Daisy – was ist dir, du siehst ja so blaß aus?« sie sah die Freundin besorgt an.

»Ach – nichts – darling– es ist schon vorüber, mir war nur im Augenblick nicht ganz wohl – ich glaube, das beste ist, ich gehe nach Hause.«

»Nein, auf keinen Fall,« protestierte Hilde lebhaft, »du hast mir doch versprochen, zum Abend zu bleiben – Papa ist leider noch nicht zu Hause, aber halt – drin ist ja Günter Berndt, der ist doch auch Mediziner, der kann dir helfen – zu etwas wird er doch gut sein!« spornstreichs lief sie aus dem Zimmer.

»Hilde – Hilde!« rief Daisy beschwörend hinter ihr her, aber es war schon zu spät, sie hörte Hilde bereits im Nebenzimmer verhandeln.

»Nimm dich zusammen – nimm dich bloß zusammen,« Daisy grub fest die kleinen weißen Zähne in die Unterlippe und preßte die Fingernägel ins Fleisch, daß es sie schmerzte. »Er darf es nicht merken, daß ich etwas gehört habe, er soll es nie – nie erfahren!« sie flog wie im Fieber.

Es kamen Schritte.