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Marxistischer Blätter 1_2017

Kommentar

Ein gesundheitspolitisches Zukunftsmodell

Dr. med. Klaus Piel

In gemeinsamer Sache

Die Abo-Entwicklung …

Buchverkauf

Team verjüngt und verstärkt

Schwerpunktheft »Arbeitswelt 4.0«

Die Nächste Ausgabe

Terminhinweis

Aktuelles

»Wir schickten Ärzte und nicht Soldaten«

Fidel Castro Ruz

Nach der Trump-Wahl

John Bachtell

Das Ceta-Drama geht weiter

Jürgen Maier

Wie man die Schlacht der Ideen gewinnt

Robert Griffiths

»Blau ist das neue Rot«

Phillip Becher

Das Bundesteilhabegesetz aus sozialpolitischer Sicht

Wolfgang Trunk

Kommunismus im Kapitalismus?

Anne Rieger

Zu Besuch bei Gesundheitsbewegten

Lothar Geisler

Thema: Gesundheitsreform

Editorial

Lothar Geisler

Markt, Wettbewerb und Medizin

Hans-Ulrich Deppe

Der Ausverkauf der Daseinsvorsorge

Von der Daseinsvorsorge zur Fabrik

Thomas Kunkel

Armut macht krank und Krankheit macht arm

Nele Kleinehanding / Gerhard Trabert

»Mehr von uns ist besser für alle«

Jan von Hage

Das Menschenrecht auf Gesundheit verwirklichen

Kathrin Vogler, MdB

Krankheit und Gesundheit bei Marx und Engels

Manfred Scharinger

Positionen

Demokratische Medizin als soziale Bewegung

Hans-Ulrich Deppe

Warum Marx kein ökonomisches Modell konstruiert hat

Holger Wendt

Selbstermächtigung und sozialistischer Staat

Kai Köhler

Begegnungen mit Peter Weiss

Manfred Haiduk

Leserzuschrift

Leserzuschrift zu dem Artikel »Linker Populismus statt Klassenpolitik« von Phillip Becher, in: Marxistische Blätter 6_2016

Andreas Wehr

Rezensionen

Wolfgang Albers: Zur Kasse, bitte! Gesundheit als Geschäfts-Modell (Ursel Möllenberg)

Antonio Gramsci: Briefe aus dem Kerker. Reprint der Ausgabe von 1972 (Phillip Becher)

Dieter B. Herrmann und Volker Mueller (Hrsg.): Die Evolution des Kosmos (Nina Hager)

Erich Hahn, Thomas Metscher, Wern Seppman: Kritik des gesellschaftlichen Bewusstseins (Klaus Wagener)

Günter Benser: Ulbricht vs. Adenauer. Zwei Staatsmänner im Vergleich (Jürgen Hofmann)

Es schrieben diesmal

Impressum

Kommentar

Ein gesundheitspolitisches Zukunftsmodell

Dr. med. Klaus Piel

Am 25. November 2016 starb Fidel Castro Ruz im Alter von 90 Jahren. Millionen in aller Welt trauerten mit dem kubanischen Volk um den großen Revolutionär, dessen Werk und Wirken auch im 21. Jahrhundert nachhallen wird.

In der »Erklärung von Havanna« am 2. Sep­tember 1960 benannte Fidel Castro als ethische Grundprinzipien jeder wirklichen Revolution das Recht auf Befriedigung elementarer Bedürfnisse wie Ernährung, Obdach und Versorgung mit essentiellen gesellschaftlichen Ressourcen wie Bildung, Arbeit, Alters- und Gesundheitsversorgung.

Vor der Revolution, konnten nur 30% der Bevölkerung in Kuba eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen. 60% der praktizierenden Ärzte und 80% der Krankenhausbetten konzentrierten sich auf Havanna. Fast die Hälfte der Bevölkerung litt unter Hunger. Es existierte nur ein Landhospital, der größte Teil der Landarbeiter hatte keinen Zutritt zum Gesundheitssystem. Viele Menschen starben, ohne je einen Arzt gesehen zu haben.

Heutzutage hat Kuba eine größere Dichte an Ärzten und Zahnärzten als die USA oder die BRD. Die ärztliche Versorgung ist flächendeckend. Selbst in den abgelegenen Berg- und Urwaldregionen finden sich neben Zwergschulen Familienarztpraxen mit Strom aus Wasser- oder Solarenergie. Die Lebenserwartung entspricht der entwickelter Länder. Allerdings hat Kuba verglichen mit den USA pro Person und Jahr nur den 20. Teil der Gesundheitsausgaben. Dank der präventiven und nicht kommerziellen Ausrichtung seines Gesundheitssystems hat Kuba dennoch bessere Gesundheitsdaten: Die Kindersterblichkeit ist geringer und nur halb so hoch wie die der Farbigen in den USA. Und das trotz der immer noch anhaltenden völkerrechtswidrigen Blockade und der Politik des Braindrain.

Dabei war die kubanische Politik nie von »Cuba first« geprägt. Während früher auch Freiheitsbewegungen und -kämpfe unterstützt wurden, ist Kuba heute nur noch humanitär unterwegs – und zwar gewaltig: Über 25 Prozent der medizinischen Kräfte Kubas arbeiten derzeit auf internationalen »Missionen«. Bis 2014 waren 325.710 kubanische Gesundheitsexpert*innen in 158 Ländern, davon 76.744 in 39 Ländern Afrikas tätig. (Siehe dazu auch den Beitrag von Fidel Castro auf Seite 5)

Die globalen Gesundheitsdiskussionen im Westen beklagen das Fortbestehen von chronischen und ansteckenden Krankheiten in den armen Ländern. Internationale Gesundheitsorganisationen ringen die Hände über die hohe Kindersterblichkeit und die in großen Teilen der Welt fehlenden Ressourcen, um mit Naturkatastrophen umzugehen. Aber sie nehmen das eine Gesundheitssystem nicht zur Kenntnis, das in einem armen Land wirklich funktioniert, das für die Gesundheit aller seiner Bewohner sorgt und darüber ­hinaus ein Zukunftsmodell für die Gesundheit von Millionen anderer Menschen rund um die Erde ist.

In gemeinsamer Sache

Die Abo-Entwicklung …

…unserer Zeitschrift ist nach dem erfolgreichen Jubiläumsjahr 2013 mit seinem Zuwachs an z.T. auf zwei Jahre befristeten Abos in 2015/16 wieder leicht rückläufig (ca. 2–3%) Abo-Rückgänge werden nur zum Teil durch den – sehr unterschiedlichen- Einzelheftverkauf aufgefangen. (siehe Grafik) Die abonnierte Auflage lag in 2016 bei 1850 Exemplaren, die verkaufte Auflage bei durchschnittlich 1972 Exemplaren pro Heft. Wir bitten alle Leser*innen, das »Revolutionsjahr 1917/2017« zu nutzen, um mehr Werbung für Marxistischen Blätter zu machen und mehr Abonnent*innen zu gewinnen.

Buchverkauf

Bis 2009 betrug der Jahresumsatz unseres Versandhandels bei ca. 80–100 T€ (in Pressefest-Jahren). Seitdem ist der Umsatz bis 2014 etappenweise auf 40 T€ gesunken. Diese Talfahrt konnte in 2015/16 (mit ca. 43 T€ Umsatz) gestoppt werden, vor allem durch zwei Maßnahmen: 1. Die bereits in 2014 beschlossene Orientierung auf die vermehrte Produktion eigener Bücher (und offensivere Vermarktung unserer Digitalarchive auf USB-Stick) 2. Durch einen professionelleren Online-Shop und die Profilierung unseres »Bestellservice«, was in 2017 verstärkt werden soll/muss, damit der Buchversand wieder ein starkes, zweites Standbein der MBl-Finanzierung wird. (Siehe Beileger in dieser Ausgabe.)

Team verjüngt und verstärkt

Die Gesellschafter des Neue Impulse Verlages haben – mit voller Zustimmung der Redaktion »Marxistische Blätter« – beschlossen, dass die Anteile der verstorbenen Gesellschafter/Redakteure Gerd Deumlich (2014) und Robert Steigerwald (2016) an die ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende und UZ-Chefredakteurin Nina Hager, Berlin, und den Genossen Raimund Ernst, Münster, übertragen werden. Die Gesellschafter beschlossen des Weiteren die Aufnahme von Rainer Perschewski, Berlin, und Phillip Becher, Siegen, als Gesellschafter des NIV. Statt bisher fünf hat die GmbH demnach zukünftig sieben Gesellschafter. Das sind neben den oben genannten: Lothar Geisler (seit Gründung), Manfred Idler, Walter Herbster.

Die Gesellschafter bestätigten Gerrit Brüning, Bremen, als neues Mitglied der ehrenamtlichen Redaktion Marxistische Blätter.

Schwerpunktheft »Arbeitswelt 4.0«

Da kommt Freude auf, wenn unsere Arbeit gewürdigt wird. Unser Schwerpunktheft »Arbeitswelt 4.0« (3_2016) war nicht nur eins der gut verkauften des vergangenen Jahres. (Auch wenn da noch Luft nach oben ist.) Es hat unseren belgischen Genoss*innen so gut gefallen, dass sie das komplette Thema übersetzt und in ihrer Theoriezeitschrift »Études Marxistes«/»Marxistische Studies« (Heft 115) nachgedruckt haben.

Die Nächste Ausgabe

Die nächste Ausgabe der Marxistischen Blätter erscheint Anfang März und hat das Schwerpunktthema: »USA heute«. Autor­Innen werden vorrangig US-amerikanische Linke sein, die sich zur Situation ihres Landes und absehbaren Politik nach der Trump-Wahl äußern.

Terminhinweis

Die nächste »Marxistische Studienwoche« der Zeitschrift »Z« findet vom 13.–17. März 2017 in Frankfurt/M. statt. Thema: »1917–2017«, u.a, mit Stefan Bollinger, Frank Deppe, Georg Fülberth, Wladislaw Hedeler, Sabine Kebir, Ingar Solty und Kerstin Wolter. Rückfragen/Anmeldung unter:

redaktion@zme-net.de.

Aktuelles

»Wir schickten Ärzte und nicht Soldaten«

Fidel Castro Ruz

In der am 14. Januar verfassten Reflexion – zwei Tage nach der Katastrophe von Haiti, die jenes benachbarte Bruderland zerstört hat – habe ich Folgendes geschrieben: »Im Gesundheitswesen und auf anderen Gebieten leistet Kuba – trotzdem es ein armes und unter Blockade stehendes Land ist – seit Jahren dem haitianischen Volk Hilfe. Circa 400 Ärzte und Fachleute im Gesundheitswesen leisten dem haitianischen Volk kostenlos Hilfe. In 127 der 137 Gemeinden des Landes arbeiten täglich unsere Ärzte. Andererseits wurden mindestens 400 junge Haitianer in unserem Vaterland zu Ärzten ausgebildet. Sie werden jetzt zusammen mit der gestern dorthin gereisten Verstärkung arbeiten, um in dieser so kritischen Situation Leben zu retten. Sodass bis zu eintausend Ärzte und Fachleute im Gesundheitswesen mobilisiert werden können, die schon fast alle dort und bereit sind, mit jeglichem anderen Staat zusammenzuarbeiten, der Leben von Haitianern retten und Verletzte rehabilitieren möchte.«

»Die Leiterin unserer Ärztebrigade hat informiert: ›Die Situation ist schwierig, aber wir haben schon begonnen, Leben zu retten.‹«

Die Mitarbeiter des kubanischen Gesundheitswesens haben begonnen Stunde für Stunde, fortwährend und ununterbrochen zu arbeiten, sowohl in den wenigen nicht zerstörten Einrichtungen als in Zelten oder in Parks und auf offenen Plätzen, da die Bevölkerung Angst vor neuen Erdbeben hatte.

Die Situation war schlimmer, als anfänglich gedacht worden war. Zehntausende Verletzte flehten um Hilfe auf den Straßen von Port-au-Prince und eine unbezifferbare Anzahl von Menschen lag tot oder lebend unter den Ruinen aus Lehm bzw. Luftziegeln, aus denen die Wohnungen der größten Mehrheit der Bevölkerung gebaut waren. Sogar solidere Gebäude waren zusammengefallen. Außerdem war es notwendig, inmitten der zerstörten Wohnviertel die haitianischen Ärzte, Abgänger der Lateinamerikanischen Medizinschule (ELAM), ausfindig zu machen, von denen viele direkt oder indirekt durch die Tragödie betroffen waren.

Funktionäre der Vereinten Nationen waren in verschiedenen ihrer Unterkünfte verschüttet worden und es waren mehrere Dutzend Menschenleben zu bedauern, einschließlich die einiger Befehlshaber der MINUSTAH, einer Streitkraft der Vereinten Nationen, und das Schicksal von hunderten weiteren Mitglieder ihres Personals war unbekannt.

Der Präsidentenpalast von Haiti war zusammengefallen. Viele öffentliche Einrichtungen, einschließlich einigen des Gesundheitswesens, waren zu Ruinen geworden.

Die Katastrophe hat die Welt bewegt, die über die wichtigsten internationalen Fernsehkanäle bildlich miterleben konnte, was geschah. Von überall her kündigten die Regierungen die Entsendung von qualifizierten Rettungstrupps, Nahrungsmitteln, Arzneien, Geräten und anderen Ressourcen an.

In Übereinstimmung mit der öffentlich von Kuba formulierten Haltung haben medizinische Fachkräfte aus anderen Nationen in den von uns improvisierten Einrichtungen an der Seite unserer Ärzte hart gearbeitet, zum Beispiel Spanier, Mexikaner, Kolumbianer und aus anderen Ländern. Solche Organisationen wie die Panamerikanische Gesundheitsorganisation und befreundete Länder wie Venezuela und andere haben uns mit Medikamenten und verschiedenartigen Mitteln versorgt. Völliges Fehlen von Geltungssucht und Chauvinismus kennzeichnete das untadelige Verhalten der kubanischen Fachleute und ihrer Leiter.

Kuba hat so gehandelt, wie es das Land bei ähnlichen Situationen immer getan hat, wie zum Beispiel, als der Hurrikan Katrina große Schäden in der Stadt New Orleans angerichtet hatte und das Leben von tausenden US-Amerikanern gefährdet war, und Kuba die Entsendung einer kompletten Ärztebrigade zur Hilfe für das Volk der Vereinten Staaten anbot, einem Land, das wie bekannt über immense Mittel verfügt, aber was in jenem Augenblick benötigt wurde, waren Ärzte, die dafür ausgebildet und ausgerüstet waren, Leben zu retten. Aufgrund der geographischen Lage des Landes waren über eintausend Ärzte der Brigade »Henry Reeve«, ausgerüstet mit den entsprechenden Medikamenten und Ausrüstungen, vorbereitet und bereit, jederzeit, bei Tag oder bei Nacht, in jene US-amerikanische Stadt loszufahren. Es ist uns überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass der Präsident jener Nation das Angebot zurückweisen und zulassen würde, dass eine Anzahl von US-Amerikanern umkäme, die hätte gerettet werden können. Der Irrtum jener Regierung bestand vielleicht in ihrer Unfähigkeit zu begreifen, dass das kubanische Volk im US-amerikanischen Volk weder einen Feind sieht, noch diesem die Schuld an den Aggressionen gibt, die unser Vaterland erlitten hat.

Jene Regierung war ebenfalls nicht in der Lage zu begreifen, dass es unser Land auch nicht nötig hat, bei jenem Land um Hilfe zu betteln, das ein halbes Jahrhundert lang erfolglos versucht hat, uns auf die Knie zu zwingen.

Unser Land hat im Fall Haiti ebenfalls sofort den Anträgen zum Überfliegen von Kuba im Ostteil entsprochen und anderen Erleichterungen zugestimmt, um welche die US-Behörden ersuchten, um so schnell als möglich den vom Erdbeben betroffenen US-amerikanischen und haitianischen Bürgern Hilfe zu leisten.

Diese Regeln haben das ethische Verhalten unseres Volkes gekennzeichnet, was zusammen mit seiner Gelassenheit und Standhaftigkeit die ständigen Merkmale unserer Außenpolitik waren. Das wissen diejenigen sehr gut, die auf internationaler Ebene unsere Gegner gewesen sind.

Kuba wird standhaft die Meinung vertreten, dass die in Haiti, der ärmsten Nation der westlichen Hemisphäre, stattgefundene Tragödie eine Herausforderung für die reichsten und mächtigsten Länder der internationalen Gemeinschaft darstellt.

Haiti ist ein reines Ergebnis des kapitalistisch-imperialistischen Kolonialsystems, das der Welt auferlegt wurde. Sowohl die Sklaverei in Haiti als auch die darauf folgende Armut wurden vom Ausland her aufgezwungen. Das schreckliche Erdbeben geschah nach dem Gipfel von Kopenhagen, wo die elementarsten Rechte der 192 UNO-Mitgliedsstaaten mit den Füßen getreten wurden.

Nach der Tragödie hat sich in Haiti ein Wettstreit um die voreilige und illegale Adoption von Jungen und Mädchen entfesselt, was die UNICEF dazu gezwungen hat, Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Entwurzelung vieler Kinder zu treffen, welche nahe Verwandte von ihnen solcher Rechte berauben würde.

Die Zahl der Todesopfer übersteigt schon einhunderttausend. Eine sehr hohe Anzahl von Bürgern hat Arme bzw. Beine verloren, oder Brüche erlitten, die einer Rehabilitierung zur Arbeitsaufnahme oder zum Zurechtkommen im Leben bedürfen.

80% des Landes muss neu aufgebaut werden und es muss eine Wirtschaft geschaffen werden, die ausreichend entwickelt ist, um die Bedürfnisse gemäß ihrer Produktionskapazitäten zu befriedigen. Der Wiederaufbau in Europa oder Japan war ausgehend von der Produktionskapazität und der fachlichen Qualifizierung der Bevölkerung eine relativ einfache Aufgabe im Vergleich zu den in Haiti zu unternehmenden Anstrengungen. Dort ist es – wie in vielen Teilen Afrikas und in anderen Gebieten der Dritten Welt – unerlässlich, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. In nur 40 Jahren wird die Menschheit aus über 9 Milliarden Erdbewohnern bestehen und sie steht vor der Herausforderung eines Klimawechsels, den die Wissenschaftler als eine unvermeidbare Realität akzeptieren.

Inmitten der haitianischen Tragödie, ohne dass irgendjemandem das Wie und Warum bekannt ist, haben tausende Soldaten der Marineinfanterie-Einheiten der Vereinigten Staaten, lufttransportierte Truppen der 82. Division und andere militärische Kräfte das Gebiet von Haiti besetzt. Schlimmer noch, weder die Organisation der Vereinten Nationen noch die Regierung der Vereinigten Staaten haben der Weltöffentlichkeit eine Erklärung über diese Streitkräfteentfaltung abgegeben.

Mehrere Regierungen beschweren sich, dass ihre Luftfahrzeuge die nach Haiti geschickten menschlichen und technischen Ressourcen nicht landen und befördern konnten.

Verschiedene Länder kündigen ihrerseits die zusätzliche Entsendung von Soldaten und militärischen Ausrüstungen an. Solche Tatsachen würden, meiner Meinung nach, dazu beitragen, die internationale Hilfe chaotischer und schwieriger zu machen, welche an sich schon recht schwierig ist. Es ist notwendig, das Thema ernsthaft zu diskutieren und der Organisation der Vereinten Nationen die führende Rolle zuzuweisen, die ihr bei dieser heiklen Angelegenheit zukommt.

Unser Land erfüllt eine strikt humanitäre Aufgabe. Im Maße seiner Möglichkeiten wird es mit ihm zur Verfügung stehenden Humanressourcen und Materialien seinen Beitrag leisten. Der Wille unseres Volkes – stolz auf seine Ärzte und Entwicklungshelfer bei vitalen Tätigkeiten – ist groß und es wird den Umständen gewachsen sein.

Jegliche wichtige Zusammenarbeit, die unserem Land angeboten wird, wird nicht zurückgewiesen werden, aber ihre Billigung wird vollkommen der Wichtigkeit und Transzendenz der von den Humanressourcen unseres Landes geforderten Hilfe untergeordnet sein.

Nach der Trump-Wahl

Es gibt Chancen für den weiteren Kampf

John Bachtell

Der Weg zu Freiheit, Frieden, Gleichheit und Bewahrung des Lebens auf der Erde ist lang, voll von Umwegen, unerwarteten Wendungen und Rückschlägen. Die Wahl von 2016 ist einer davon.

Da ist nichts zu beschönigen. Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten zusammen mit dem von den Republikanern beherrschten Senat und Repräsentantenhaus war eine enorme Niederlage mit weitreichenden Konsequenzen, die sich in den kommenden Jahren auswirken werden.

Niederlagen sind Teil des Lebens und des Kampfes. Aber sie sollten nicht zur Lähmung führen. Das ist nicht das Ende des Weges.

Erinnern wir uns an jene, die Rückschläge erlitten während der finstersten Tage des Kampfes gegen die Sklaverei, die Bürgerrechtsbewegung, die Suffragetten- und die Arbeiterbewegung, die niemals aufgeben haben.

Wir können nicht weniger tun. Wir müssen uns selbst aufrappeln, Fehler einschätzen und ungebrochen auf den langen Marsch für die Freiheit zurückkehren.

Immerhin kann das politische Glück rasch umschlagen. Nachdem er 2004 die Wiederwahl knapp gewonnen hat, versuchte George W. Bush in seiner Überheblichkeit eine Privatisierung der Sozialversicherung. Eine riesige Massenbewegung entstand, um sie zu blockieren, und die Zerbröselung seiner Administration begann.

Dies im Gedächtnis zu behalten, ist heute besonders wichtig, weil Trumps Wahl kein Mandat für seine Politik darstellt. Die Mehrheit der Wähler lehnt diese ab. Das widerspiegelt sich in der Jugend, die unverzagt ist und sich bereits in den »Not-my-President«-Protesten selbstorganisiert.

Was jetzt dringend nötig ist, ist Einheit. Jede denkbare Bewegung und alle Verbündeten, die bereit sind, soziale Fortschritte und demokratische Normen zu verteidigen, müssen mobilisiert werden, beginnend mit der arbeitergeführten Volksbewegung, Black Lives Matter, Gruppen für Klima-Gerechtigkeit, den Dreamers (»Träumer«, Bewegung für Einbürgerung von illegalen Immigranten, Übers.), den LGTBQ-Gemeinschaften (Schwulen-Lesben-Transsexuellen-Gruppen), Frauenbewegungen im Bündnis mit der Demokratischen Partei und allen Teilen dessen, was in der Wahlkoalition für Hillary Clinton war, ebenso wie jene, die von der Bernie-Sanders-Kampagne inspiriert sind.

Das ist die Basis für das Zusammenbringen von Bevölkerungsmehrheiten, die sich gegen Trump stellen an zahlreichen Fronten. Niemand sollte an den Seitenlinien stehen gelassen werden.

Diese Bewegung ruft zur breitesten Solidarität und Aktion auf, um den Ansturm der kommenden reaktionären Gesetzgebung und Angriffe auf die demokratischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten zu blockieren. Sie ruft auf zum Schutz des Lebens, der Wohnungen und Gemeinschaften jener, die anvisiert werden, und zur Verteidigung von politischen Maßnahmen, die sich gegen die existenzielle Gefahr durch den Klimawandel wenden. Wir müssen jetzt Vorbereitungen für den Wahl-Zyklus von 2018 beginnen.

Es beginnt mit der ausgeweiteten Solidarität für Familien, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen und Mitstudenten.

Es kann Widerstand gegen die Bundespolitik durch ganze Gemeinden und Bundesstaaten einbeziehen.

Es ist unerlässlich, dass diese Bewegung die »roten Staaten« und »roten Distrikte« einschließt und Trump-Wähler mitbeteiligt. Denn sie werden auch die Peitsche zu spüren bekommen, einschließlich jener, die soziale Leistungen verlieren werden, wenn Obamacare und Medicare abgeschafft werden.

Es führt kein Weg daran vorbei, diese Wähler direkt anzusprechen. Während der Wahl hat Working America, die der AFL-CIO angeschlossene Vereinigung, genau dies getan. Sie hat effektiv geworben in großenteils weißen Gemeinschaften, indem sie es ablehnte, weißen Arbeitern zu erlauben, sich der Umarmung der Rechten hinzugeben.

Die von Reverend William J. Barger geführte Moral-Monday-Bewegung in Nordcarolina (Protestbewegung mit Aktionen an Montagen gegen reaktionäre Maßnahmen des republikanischen Gouverneurs, die sich von Nordcarolina auf andere Bundesstaaten ausgedehnt hat, Übers.) hat eine Koalition von Arbeitern, Bürgerrechtlern und religiösen Gläubigen zusammengebracht, die weit in die Landgebiete des Bundesstaates hineinreichte. Sie wurde geformt nach der Idee, dass eine vereinigte multiethnische Arbeiterklasse und Bevölkerung notwendig ist für jegliche soziale Fortschritte.

Der Wolf an der Haustür

Dutzende von Millionen Menschen wachten am 9. November erschrocken auf mit der Wahrnehmung, dass der Wolf nicht nur vor der Tür steht, sondern schon in das Haus eingedrungen ist. Rechte Extremisten werden alle Zweige der Regierung beherrschen und eilig dazu übergehen, ihre Agenda durchzusetzen. Die Kräfte des Hasses und der Bigotterie sind ermutigt. Die Gefahr von Anschuldigungen, Diskriminierung und Gewalt gegen Muslime, Immigranten, Farbige, LGBTQ-Gemeinschaften, Frauen, Gewerkschaften und andere demokratische Organisationen wird sich vergrößern.

Im Gegensatz zu seinen Behauptungen ist Trump kein schurkiger Outsider (Außenseiter). Hinter ihm stehen rechtsorientierte Milliardäre, die Heritage Foundation und ihresgleichen – all die Gruppen, die politische Blaupausen und Namenslisten für die ­Besetzung von Ministerien und der Justiz auf allen Ebenen liefern. Diese Kreise kontrollieren jetzt 31 Gouverneursposten und zwei Drittel der gesetzgebenden Kammern der Bundesstaaten. Da waren sie lange rücksichtslos dabei, ihre zerstörerische Agenda umzusetzen.

Wir haben höchstwahrscheinlich tiefe Einschnitte in die Sozialprogramme, ein nationales »Recht-auf-Arbeit«-Gesetz, größere Einschränkungen des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch, ein nationales Halt-und-Filzen-Gesetz, Rückschritte bei den Rechten der LGBTQ, Streichung von Wählern, Aufhebung von Vorschriften für das Business, Abschaffung der Umweltagentur, Steuerkürzungen für die Reichen und massive Privatisierungen zu erwarten.

Eines der ersten Dinge, die rechtsgerichtete Regierungen oft tun, ist es, auf die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung zuzugreifen. Wegen ihrer Organisation und Fähigkeit, kollektive Kämpfe zu initiieren, sind Gewerkschaften eines der ersten Ziele. Während einige Medien berichteten, dass die Hälfte der Gewerkschafter-Haushalte für Trump gestimmt habe, liegt die aktuelle Zahl von Gewerkschaftsmitgliedern, die Stimmzettel für ihn abgaben, nur bei 37 Prozent. Wir sollten einen größeren Ansturm auf Arbeiterrechte erwarten.

Reaktionäre Politik wird sich auch in der Außenpolitik ergeben, einschließlich des Rückzugs vom Pariser Klima-Abkommen und dem Nuklear-Abkommen mit dem Iran. Ausländische Interventionen und die nukleare Bedrohung werden sich voraussichtlich verstärken.

Die neue Kräftebalance wird in mehr Instabilität und Unvorhersehbarkeit münden, während sie Klassen-, Rassen- und soziale Spannungen außerordentlich verstärkt.

Alles für die Verteidigung der Demokratie

Ohne einen breiten und kraftvollen Widerstand von allen denkbaren Sektoren ist ein weiterer Abfall in Autoritarismus oder Schlimmeres möglich.

Faschismus kommt nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt. Um ihn zu stoppen, muss der Bestie widerstanden werden bei jeder Wendung.

Die Türen des Weißen Hauses sind nun offen für die am meisten extremen politischen Kräfte, einschließlich der äußersten Rechten, des Ku-Klux-Klans, den Predigern der Überlegenheit der Weißen usw. Trump beförderte sie alle vom Rand in den politischen Mainstream.

Diese Kräfte haben nun vergrößerten Zugang zum Sicherheitsapparat des Staates, den sie schon im Wahlkampf wirkungsvoll benutzten, als sie mit dem FBI zusammenspielten. Ihnen wurde auch geholfen durch die noch nie da gewesene ausländische Einmischung von Leuten um Julian Assange, ebenso wie von russischen Hackern und Geheimdiensten.

Die breite Wahlkoalition, die hinter Clinton stand, sollte nicht verzweifeln. Clinton bekam die Mehrheit der Stimmen. Wir kämpften einen guten Kampf und sie nicht allein. Trump bekam nicht nur weniger Stimmen als Clinton, er bekam auch weniger Stimmen als John McCain und Mitt Romney (die vorhergehenden republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Übers.).

Allerdings erhielt Clinton 6,5 Millionen Stimmen weniger als Präsident Obama 2012 und 10 Millionen weniger als 2008. Obwohl sie viele von der Koalition vereinte, die Obama zweimal zum Sieg trugen, stimmten sie in geringerer Zahl ab.

Wenn sie angeregt und organisiert wird, sich in Gang zu setzen, ist die ganze Obama-Koalition die Mehrheit. Diese Mehrheit ist noch da, aber sie muss mobilisiert, aktiviert und ausgeweitet werden.

Was ist passiert?

Millionen Arbeiterfamilien – schwarze, braune und weiße – erleben wirtschaftliche Probleme, sinkenden Lebensstandard, Schulden, Beschäftigungslosigkeit, Armut, Diskriminierung und bigotte Engstirnigkeit. Sie sind verängstigt und suchen verzweifelt nach Änderung und jemanden, der ihren Nöten zuhört.

Und während viele diese Änderung durch das Geschichte machende Vehikel der Clinton-Kampagne anstrebten, waren andere Wähler überzeugt, dass ein »Washington Outsider« nötig sei, der »die Dinge aufschütteln« würde. Trump, der Insider-Milliardär, beutete ihre Leiden, Angst und Unsicherheit in demagogischer und betrügerischer Weise aus durch die Nutzung von Rassismus, Sexismus und Anti-Immigranten- und Anti-Muslim-Hass.

Während Millionen Weiße mit ihren schwarzen und braunen Schwestern und Brüdern zusammenstanden, stimmten rund 58 Prozent für Trump, viele davon gegen ihre eigenen Klasseninteressen. Brüder und Schwestern der Arbeiterklasse wurden gegen einander ausgespielt, und viele erlagen der Angst.

Die Frage ist: warum?

Die Politik des Hasses und der Bigotterie war zentral für den Aufstieg der Rechten zur Macht. Die rechtsorientierten Massenmedien beeinflussten weite Landstriche. Millionen erhielten ihre Nachrichten und Meinungen, viele davon gegründet auf Lügen und Verschwörungstheorien, von Fox-News, dem Hass Radio, und weißen Überlegenheitspredigern und Hassgruppen. Dies gilt besonders für jene, die in ethnisch getrennten Gemeinden und Landgebieten leben.

Rechtsgerichtete religiöse Einrichtungen und Netzwerke, besonders rechtsgerichtete Evangelikale, sind Lieferanten reaktionärer Ideologie.

Die Republikanische Partei inspirierte rassistische Verunglimpfungen und Obstruktion der Obama-Administration für Jahre. Sie förderte eine Anti-Immigranten-Hysterie. Islamophobie, Homophobie, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit taten ihre Wirkung, was Menschen denken.

Die kapitalistische Globalisierung, unfaire Handelspakte, Auslagerung und Automation produzierten Deindustrialisierung, zerstörten Gemeinschaften und hinterließen Millionen Opfer in ihrem Kielwasser. An einigen Orten waren der einzige wachsende Wirtschaftszweig die Crystal-Meth-Labors (Droge, Übers.). Wirtschaftliche Stagnation, sinkende Reallöhne und eine zunehmende Reichtums-Kluft haben Millionen veranlasst, sich ausgeschlossen, ängstlich und ohne Hoffnung zu fühlen.

Zur gleichen Zeit bringen demographische Veränderungen, die wachsende Rolle von Frauen, die politische Aktivität der LGBTQ-Gemeinschaften und andere Faktoren eine neue multi-ethnische, multi-nationale, multi-geschlechtliche, multi-kulturelle, multi-sprachige Bevölkerung und Nation hervor.

Viele Weiße, besonders Männer, gehören zu den Opfern von Betriebsschließungen, Lohnkürzungen, Zwangsversteigerung von Wohnungen und Betriebsverlagerungen. Sie sehen ihre Würde und ihren Selbstwert verschwinden und die Welt und ihren Platz in ihr sich rasch verändern. Sie und ihre Gemeinschaften sind mit mächtigen globalen Wirtschaftskräften konfrontiert, die sie nicht verstehen könne und gegen sie sich hilflos fühlen. Sie sehnen sich nach stabileren und florierenden Zeiten.

Statt sich auf die neuen demographischen und sozialen Realitäten einzustellen – und Corporate America (die US-Großkonzerne) für die Ruinierung ihres Lebensstandards und ihrer Gemeinschaften die Schuld zu geben – richten besonders jene, die in (ethnisch) separierten Gebieten leben, ihre Ressentiments gegen Menschen, die sich weder kennen noch verstehen.

Trump »sagt, wie es ist«. Für viele spricht er ihren Ärger und ihre Ressentiments an und ist er ihr Champion gegen »das Establishment«. Er legte viele herein, indem er ihre Ängste, Unsicherheit und ihre Ressentiments gegen Muslims, mexikanische Einwanderer, Afroamerikaner, Juden und Frauen fehl­leitete.

Durchschlagende Frauenfeindlichkeit

Als öffentliche Person war Hillary Clinton eine führende Persönlichkeit der Bewegung für das Voranbringen von Frauenrechten. Sie verkörperte den neuen, sich ändernden Status von Frauen in der Gesellschaft. Infolgedessen war sie das Ziel jeder Art von Frauenfeindlichkeit und Hass längs der Linie des Fortschritts.

Millionen Frauen und Männer waren inspiriert von ihrer geschichtemachenden Wahlkampagne. Nicht überraschend gewann Clinton mit den höchsten Gender-Vorsprung in der Geschichte, auch wenn 55 Prozent der weißen Frauen für Trump stimmten, ebenso viel wie für John McCain.

Sexismus und Frauenfeindlichkeit standen im Zentrum dieser Wahl und hielten Millionen Männer und Frauen davon ab, für die erste Frau als Präsidentin zu stimmen. Es gibt keine andere plausible Erklärung für den tiefen Hass und die Gehässigkeit, die gegen Clinton gerichtet wurde – bekundet in sensationellen Behauptungen, dass ihr »nicht getraut« werden kann, sie eine »reihenweise Lügnerin« und von »kaltblütigem Ehrgeiz« sei.

Clintons Kandidatur bleibt historisch, und trotz ihrer Niederlage wurden viele andere Frauen in den Kongress gewählt. Das ist das erste Mal, dass die Nation so eine breite öffentliche Diskussion über Frauenfeindlichkeit und die weite Verbreitung von sexuellen Angriffen hatte. Sie hat geholfen, zu verändern, wie Millionen denken, einschließlich des Abscheus gegen Trump, der von so vielen zum Ausdruck gebracht worden ist.

Verunglimpft durch die Rechte

Hillary Clinton war ein Leuchtmast des Rechts seit Bill Clintons Administration. Sie vergaß ihre eigene Rolle, stand auf gegen die rechtsgerichteten Bemühungen, seine Präsidentschaft zu Fall zu bringen und wurde eine Politikerin aus eigener Kraft. Als eine führende öffentliche Persönlichkeit ist sie von diesen gleichen Kräften für die letzten 30 Jahre verunglimpft worden. Die Republikaner nahmen Clintons Nutzung eines privaten e-mail-Servers und verwandelten dies in den Köpfen ihrer Unterstützer in einen kriminellen Akt. Lieder wie »Lock her up« (»Sperrt sie ein«) begleiteten Clinton bei jedem Schritt auf ihrem Weg.

Hillary Clinton ist auch das Gesicht des Establishments, Teil der politischen und ökonomischen Machtstruktur. Obwohl sie sich letztendlich gegen TTP (Transpazifisches Handelsabkommen mit ostasiatischen Staaten ohne China, Übers.) stellte, wegen der Befürwortung des Paktes durch Präsident Obama, wurde die Demokratische Partei als Ganzes als ein Unterstützer unfairer Handelsdeals gesehen. Im Denken von vielen ist sie Teil des Problems, bestätigt durch ihre bezahlten Reden bei Goldman Sachs.

Der Wahlkampf sprach die Nöte der Arbeiter und ihrer Gemeinschaften nicht effektiv an, besonders in den ländlichen Gebieten. Er baute nicht effektiv auf Senator Bernie Sanders Appell zur Änderung des »aufgeblasenen Wirtschaftssystems« und sprach nicht radikal genug die große Ungleichheit des Reichtums an. Dieser Appell sprach das Denken der Massen an, gab Millionen Wählern Antrieb und war hilfreich für die Formulierung der Demokratischen Plattform.

Obwohl sie mit einer der fortschrittlichsten Plattformen von irgendeiner Partei in der Geschichte auftrat, trat Clinton nicht effektiv in Verbindung mit den Nöten von Arbeiterfamilien.

Alle diese Faktoren wirkten nicht allein als Grundlage für die Unterstützung von Trump, sondern auch zur Unterminierung der Wahlbeteiligung bei der Obama-Koalition.

Nicht verzweifeln!

Die Nation ist tief polarisiert. Trump übernimmt das Amt als der am meisten beschimpfte und unpopuläre Präsident der Geschichte. Mehr als die Hälfte der Wähler stimmten gegen ihn.

Die öffentliche Meinung ist in allen Schlüsselfragen gegen ihn. Tiefe interne Spaltungen und Widersprüche bedrängten die Republikanische Partei. Die Welt steht vor einer existenziellen Krise, die angegangen werden muss und die durch Trumps Politik nur verschärft wird.

Was benötigt wird, ist die breiteste Einheit zur Verteidigung demokratischer Normen, Institutionen und Rechte. Wir müssen im Kampf bleiben für jene hochgeschätzte Vision eines inklusiven, gerechten und friedlichen Amerika und einer Welt, wie sie uns so teuer ist.

Verzweifelt nicht! Kämpft!

Behalten wir unser Ziel im Auge!

Das Ceta-Drama geht weiter

Jürgen Maier

2016 war ein hartes Jahr für die Freihandels­politiker der EU. Weiter vom neoliberalen Geist vergangener Jahrzehnte beseelt, planen EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten nach wie vor, weite Teile der Welt mit bilateralen »Freihandels«-Abkommen zu überziehen. Sie sollen die WTO-Abkommen ersetzen, die am Widerstand der Entwicklungsländer gescheitert sind. Die Mittel ändern sich, die Ziele bleiben dieselben: weitestgehende Marktöffnung und Abschaffung der Zölle und »Handelshemmnisse« aller Art, sprich Deregulierung, Kommerzialisierung weiter Bereiche öffentlicher Dienstleistungen, und eine umfassende Paralleljustiz für multinationale Konzerne. Das ganze Globalisierungs-Paket, ohne Abstriche.

Als das Verhandlungsmandat für Ceta 2009 in geheimen Brüsseler Sitzungen beschlossen wurde, war diese Politik unumstrittener Mainstream der europäischen Politik. So interessierte es kaum jemanden, was für Verhandlungen mit Kanada – ebenfalls geheim – aufgenommen wurden. Aber die Zeiten haben sich geändert. Mit der TTIP-Kontroverse wurden die Menschen auch auf Ceta aufmerksam – und damit geriet Ceta in das Fahrwasser der TTIP-Kritik. »TTIP ist böse«, gegen diese öffentliche Stimmung in immer mehr Ländern Europas kommt keine Politik mehr an. Wenn Regierungen beiderseits des Atlantiks ihrer Öffentlichkeit immer wieder versprechen (müssen), bei den TTIP-Verhandlungen keinesfalls nachzugeben, werden die anvisierten Deals schnell unmöglich, und so waren die TTIP-Verhandlungen lange vor Trump festgefahren.

Im Sommer 2016 war für die flexibleren unter den Entscheidungsträgern der EU klar: aus TTIP wird nichts mehr, jedenfalls nicht in nächster Zeit. Sigmar Gabriel verkündete öffentlichkeitswirksam den Tod von TTIP – um damit Ceta zu retten. Es wurde eine Scheinkontroverse zwischen dem »bösen TTIP« und dem »guten Ceta« aufgebaut. Ceta musste noch die Hürde des SPD-Parteikonvents am 19. September passieren. Wochenlang war vor dem Konvent nicht wirklich klar, wie es ausgehen würde. Die Kritiker in der SPD bekamen Oberwasser, ganze Landesverbände sprachen sich gegen Ceta aus. Zwei Tage vor dem Konvent demonstrierten über 300.000 Menschen in sieben deutschen Städten – und auch 25.000 in fünf österreichischen Städten – gegen Ceta und TTIP.

Dennoch gelang es Gabriel und der Parteiführung, im Verbund mit EP-Präsident Schulz und dem Vorsitzenden des EP-Handelsausschusses Lange die Partei auf Linie zu bringen. Alles, was aus dem nichtöffentlichen Konvent nach außen drang, deutet darauf hin, dass es Gabriel durch Rücktrittsdrohung gelang, die Wortführer der Ceta-Kritiker zu einem »Kompromiss« zu bewegen, der dennoch nur 60% der Stimmen bekam.

Der größte Teil dieses SPD-»Kom­pro­misses« war schon Schall und Rauch, als darüber abgestimmt wurde. Eine »Stunde der Parlamente« wurde angekündigt, um weitere »Klarstellungen« zu erbringen: »CETA soll neue Standards in der parlamentarischen Befassung mit Handelsabkommen setzen und ein Signal für einen starken europäischen Parlamentarismus setzen«. Das Gegenteil war später der Fall, die EP-Mehrheit unterdrückte jeden Versuch einer ernsthaften Befassung mit Ceta.

Zu allem Ungemach verhandelte kurz vor dem EU-Kanada-Gipfel auch noch das Bundesverfassungsgericht über drei Klagen gegen Ceta aus der Zivilgesellschaft bzw. der Linksfraktion im Bundestag. Eine einstweilige Anordnung, dass die Bundesregierung im EU-Rat Ceta nicht zustimmen dürfe, lehnte das Verfassungsgericht unter Auflagen ab. Laut Bundesregierung waren diese Auflagen »leicht zu erfüllen«.

Damit war zwar die Bahn frei für ein deutsches Ja im EU-Rat zu Ceta, aber eine Reihe Länder hatten immer noch Vorbehalte. Eine Regierung nach der anderen gab nach.

Niemand hatte aber mit dem Courage der belgischen Region Wallonien gerechnet. Seitdem Flandern eine umfassende Verfassungsreform und Dezentralisierung des belgischen Staates durchgesetzt hat, muss die belgische Bundesregierung vor jeder Unterzeichnung eines internationalen Vertrags die Zustimmung von Regionen und Sprachgemeinschaften einholen. Das wallonische Parlament hatte bereits im April mit großer Mehrheit beschlossen, Ceta in dieser Form abzulehnen. Gemeinsam mit der Hauptstadtregion Brüssel blieb es stur und bestand darauf, dass Ceta geändert wird. Ein Machtkampf eines halben Landes gegen 27,5 andere EU-Länder begann. Am Ende erreichte Wallonien nicht nur die Absage des EU-Kanada-Gipfels, sondern einige inhaltliche Zugeständnisse.

Wenn das Parlament einer belgischen Region beschließt, Ceta definitiv nicht zu ratifizieren, verpflichtet sich die belgische Regierung, binnen Jahresfrist dies an den EU-Rat zu melden und damit die Beendigung von Ceta einzuleiten. Wallonien und die Hauptstadtregion Brüssel erklären bereits jetzt, Ceta in dieser Form nicht zu ratifizieren. Belgien wird beim EuGH die Klärung der Vereinbarkeit der Investitionsschiedsgerichte mit EU-Recht verlangen; den Text dafür schreibt Wallonien. Dies sind die wichtigsten Konzessionen, die Wallonien gemacht wurden, damit es die belgische Unterschrift unter Ceta zulässt.

Mit Ach und Krach passierte Ceta so den Europäischen Rat und wurde in einem extra angesetzten, eher peinlich wirkenden Mini-Gipfelchen EU-Kanada am 30. Oktober von Juncker, Tusk und Trudeau unterzeichnet. Kaum jemand hätte vor einem Jahr damit gerechnet, dass Ceta schon im Europäischen Rat um Haaresbreite scheitern würde. Die in Brüssel regierende De-facto-Große Koalition aus Christdemokratie, Sozialdemokratie und Liberalen gab sich im Europaparlament daraufhin wild entschlossen, schnellstmöglich Ceta durchzuwinken, um das Drama endlich einstweilen abzuhaken und die Vorläufige Anwendung zu ermöglichen. Möglichst wenig Debatte in Ausschüssen und Plenum war der Plan, gegen heftige Proteste der Oppositionsfraktionen wurde auch der Antrag von 89 Abgeordneten vieler Fraktionen abgelehnt, die Rechtmäßigkeit der Investitionsschiedsgerichte vor dem EuGH prüfen zu lassen. Die führenden EP-Politiker waren entschlossen, Ceta weit weniger intensiv zu beraten als das Parlament Walloniens. Der massive Druck vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen zeigte schließlich Wirkung, auch in den Regierungsfraktionen wollten immer mehr Abgeordnete nicht als bloße Jasager dastehen: etwas mehr Ausschussberatung als ursprünglich geplant wurde dann doch konzediert. Aus der »Stunde der Parlamente«, die der SPD-Parteikonvent gefordert hatte, wurde unter tatkräftiger Mithilfe der SPD-Abgeordneten Schulz und Lange eine Farce.

Die Mehrheitsverhältnisse sind klar: die Brüsseler GroKo wird Ceta durch das Europäische Parlament winken. Im Frühjahr wird dann die vorläufige Anwendung beginnen, von der allerdings der größte Giftzahn des Abkommens nicht betroffen sein wird: die Investitionsschiedsgerichte. Aber über Ceta schwebt schon jetzt das Damoklesschwert der nationalen Ratifizierungen. 40 Parlamente in den 28 Mitgliedsstaaten müssen Ja zu Ceta sagen, und eine niederländische Volksabstimmung. Jede einzelne Abstimmung muss die Ceta-Lobby gewinnen, sonst ist das Abkommen geplatzt. Die Ceta-Gegner müssen dagegen nur ein einziges Mal gewinnen. Das müsste eigentlich zu schaffen sein.

In den Niederlanden können 300.000 Bürger mit ihrer Unterschrift verlangen, dass die Regierung über ein Gesetzesvorhaben eine zwar nicht juristisch, aber sehr wohl politisch bindende Volksabstimmung durchführt, die ab 30% Wahlbeteiligung gültig ist. Mit diesem Instrument lehnte das niederländische Volk im April bereits das EU-Ukraine-Abkommen ab, dessen Schicksal seitdem ungeklärt ist. Es wird vorläufig angewandt, aber die Niederlande können nicht ratifizieren.

200.000 Unterschriften für ein Ceta-Referendum sind schon zusammen, und wie die Abstimmung ausgehen wird, kann man sich denken. Aber nicht nur die Niederlande sind ein Unsicherheitsfaktor. Wallonien und die Hauptstadtregion Brüssel haben bereits in ihrer Einigung mit der belgischen Bundesregierung festgelegt, dass sie nicht die Absicht haben, Ceta in dieser Form zu ratifizieren. Sobald das wallonische oder Brüsseler Parlament beschließt, die Nichtratifizierung amtlich an die belgische Bundesregierung zu übermitteln, muss diese dem EU-Rat amtlich die belgische Nichtratifizierung übermitteln, und dann ist Ceta amtlich tot. Belgische Regionalparlamente können also genauso wie jedes der anderen Parlamente jederzeit beschließen, Ceta insgesamt zu beenden.

In Deutschland wird Ceta voraussichtlich die nächsten zwei Jahre vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Eine Entscheidung über die drei Klagen in der Hauptsache wird sicherlich nicht vor der Bundestagswahl kommen. Dies bedeutet, die Bundesregierung wird einstweilen kein Ratifizierungsgesetz vorlegen – damit kann man auch versuchen, Ceta aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten. Und man kann versuchen, Ceta in eine Zeit zu verschieben, in der der Bundesrat aller Voraussicht nach anders zusammengesetzt ist. In zwölf Ländern regieren derzeit Grüne und Linke mit und können eine Enthaltung ihrer Landesregierungen im Bundesrat bei einer Abstimmung über ein Ceta-Ratifizierungsgesetz verlangen, womit es durchgefallen wäre. Allerdings vermeiden die Grünen eine derartige Festlegung trotz wachsenden öffentlichen Drucks wie der Teufel das Weihwasser, könnte dies doch Koalitionsoptionen mit der CDU erschweren. Angesichts des absehbaren Wechsels zumindest der bevölkerungsstarken Bundesländer NRW und Niedersachsen bei den Landtagswahlen 2017/18 von Rot-Grün zu Großen Koalitionen dürfte sich ab Januar 2018 diese Blockade­option im Bundesrat allmählich auflösen, so dass die Grünen gefahrlos (weil wirkungslos) gegen Ceta stimmen können.

Die Bewegungen gegen TTIP, Ceta und die dahinterstehende neoliberale Handelspolitik haben jetzt schon mehr erreicht, als realistisch erwartet werden konnte. Aber die Protagonisten dieser Handelspolitik werden nicht aufgeben, sondern ihre Politik aufs Neue versuchen. Ob das Projekt dann immer noch TTIP heißt oder einen neuen Namen trägt, spielt keine Rolle. Angesichts der rechtspopulistischen Wahlerfolge reden Politiker und Medien jetzt viel von einer neuen Politik, von einer anderen Gestaltung der Globalisierung, die auch die Verlierer mitnimmt. Aber die Entschlossenheit, neoliberale Projekte wie Ceta auf Biegen und Brechen durchzudrücken, zeigt, was davon zu halten ist: nämlich nichts. Es ist genau diese ideologisch motivierte Unfähigkeit, Alternativen zum Neoliberalismus überhaupt noch zu denken, die den Rechtspopulisten die Leute in die Arme treibt. Ein Bernie Sanders hätte gegen Trump gewinnen können, eine Hillary Clinton nicht. Europas politischer Mainstream denkt wie Clinton, handelt wie Clinton und braucht sich nicht zu wundern, wenn ihn nach und nach das Schicksal von Clinton ereilt. Europa hat zwar keinen Bernie Sanders, aber es kommt jetzt darauf an, dass die erfolgreichen Bewegungen der progressiven Zivilgesellschaft gegen TTIP und Ceta nicht bei den Symptomen TTIP und Ceta stehen bleiben, sondern sich noch stärker gegen die Ursache wenden: eine neoliberale Binnen- und Außen­wirtschaftspolitik. Die EU-Handelspolitik ist in einer veritablen Krise, es ist kaum noch vorstellbar dass wesentliche Abkommen mit den alten neoliberalen Inhalten durchgewunken werden – ein beeindruckender Erfolg einer progressiven Zivilgesellschaft.