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DIE SCHWARZE FLEDERMAUS
Band 10


In dieser Reihe bisher erschienen:


6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones



Die Hauptfiguren des Romans:

Die Schwarze Fledermaus


Carol Baldwin



Silk Kirby

Butch O'Leary


Inspector McGrath


G. W. Jones


Der Sieg der
Schwarzen Fledermaus


Aus dem Amerikanischen
von Harald Gehlen





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag, www.blitz-verlag.de, in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt bis zu einer Höhe von 23 %.

© 2017 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Fachberatung: Dr. Nicolaus Mathies
Illustrationen: Dorothea Mathies
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN 978-3-95719-010-9

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels, so auch beim vorliegenden Roman.

Daniels wurde am 3. Juni 1905 in Connecticut geboren, brach sein Studium aus finanziellen Gründen ab und begann 1931 eine beispiellos produktive Karriere als Autor. Allein in den folgenden drei Jahrzehnten veröffentlichte er über 2.000 Geschichten: Comics, Bücher, Radio­hörspiele, aber vor allen Kriminal- und Superheldenromane. Für den Chicagoer Verlag Thrilling Publications erschuf er die Figur der Schwarzen Fledermaus und verfasste einen Großteil ihrer 62 ­Abenteuer, die zwischen 1939 und 1952 in den USA erschienen. Daniels starb am 19. Juli 1995 im Alter von 90 Jahren in Kalifornien.

Das Abenteuer Sieg der Schwarzen Fledermaus erschien im September 1940 unter dem Titel The Black Bat‘s Triumph in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.




Kapitel 22 - Die Schwarze Fledermaus rechnet ab


Mit zitternder Waffenhand und vor Angst weit aufgerissenen Augen stand Pierce wie versteinert da. McGrath holte aus und schlug die Waffe aus Pierces steifem Griff. Pierce drehte sich um, schluckte und bekam noch nicht mal ein Wort raus, um seine Unschuld zu beteuern.

Die Schwarze Fledermaus stand direkt hinter ihm und gab McGrath einen Wink.

„Öffnen Sie die Plüschkiste vollständig“, schlug er vor. „Das ist die größte Juwelenschatulle, die mir je begegnet ist.“

McGrath hantierte mit der Schatulle und sechs Steine kullerten auf den Schreibtisch und ließen Reflexionen in allen Regenbogenfarben im ganzen Raum erstrahlen. Die Schwarze Fledermaus nickte zufrieden.

„Sieht aus, als würde dieses Beweismittel Sie überführen, Pierce“, sagte er.

„Ich ... ich weiß nichts darüber“, heulte Pierce. „Ich habe diese Steine noch nie in meinem Leben gesehen. Warten Sie! Ich weiß, wie die da reingekommen sind. Die Buckligen. Die haben mich ausgeraubt. Sie müssen die Steine dort versteckt haben.“

„Ihre Gedankengänge sind schnell, aber unausgereift“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Setzen Sie sich, Pierce, und lauschen Sie der Geschichte, die Ihr Ende besiegelt. Hollis und Kilpatrick haben gewisse Gegenstände vom Radscha von Bahawal erhalten. Genau wie Sie und andere Männer, die zu Opfern in diesem Fall wurden. Hollis und Kilpatrick entdeckten, völlig zufällig, dass sich in den Gegenständen Edelsteine befanden, die sich zum Kranz der Shiva zusammensetzen lassen, wahrscheinlich die wertvollste Edelsteinsammlung der ganzen Welt.“

„A-aber das wusste ich nicht“, jammerte Pierce. „Wie hätte ich das wissen sollen?“

„Sie hätten durch Zufall darauf stoßen können, so wie Hollis und Kilpatrick. Aber Sie entdeckten es durch die Heimtücke von Jim Downing. Kilpatrick versteckte, nachdem er die Entdeckung gemacht hatte, den gefundenen Diamanten im Geheimzimmer seines Hauses, wo er sicherer war. Dann erzählte er Downing davon. Kilpatrick hatte den Kranz zu Gesicht bekommen, als er in Bahawal war, und erkannte nun den einzelnen Stein wieder. Downing wusste von dem Geheimzimmer und entwendete den Stein.

Er brachte ihn in Ihr Juweliergeschäft und bat Sie, eine Kopie davon anzufertigen. Er erzählte Ihnen, dass Kilpatrick den Edelstein geschenkt bekommen und festgestellt hatte, dass er zu wertvoll war, um ihn zur Schau zu stellen. Daher wollte er eine Kopie, die er offen zeigen konnte. Da wurde Ihnen zum ersten Mal bewusst, was vor sich ging. Sie fanden einen der Edelsteine in dem Tand, den Ihnen der Radscha geschickt hatte. Sie heckten den Plan aus, alle Edelsteine für sich selbst zu ergattern. Es fiel Ihnen leicht, Männer anzuheuern, die Ihre Anweisungen befolgten, sogar bis hin zu Mord.“

„Hören Sie nicht, wie verrückt sich diese Geschichte anhört?“, fragte Pierce McGrath und Warner. „Ich bin ein angesehener Juwelier und habe nichts mit Mördern und Dieben am Hut.“

„Nichts, abgesehen davon, dass Sie wahrscheinlich der größte Hehler des Landes sind“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Sie veranlassten, dass Ihre Männer sich als Bucklige verkleiden sollten, um sicherzugehen, dass jeder wusste, dass eine Bande hinter allen Verbrechen steckte. Sie töteten Hollis und Kilpatrick, weil die beiden wussten, wohinter Sie her waren.

Die anderen, die nicht wussten, was sich in den Geschenken des Radschas versteckte, glaubten, dass diese Gegenstände zufällig zusammen mit allen anderen Dingen gestohlen wurden. Sie wollten diese Reihe von Verbrechen aussehen lassen wie das Werk einer Bande, die einfach auf Beute aus war.“

Pierce sprang auf. Die Waffe der Schwarzen Fledermaus zuckte in seine Richtung und er setzte sich wieder hin.

„Dr. Norden wurde misstrauisch“, fuhr die Schwarze Fledermaus fort. „Er untersuchte den Gegenstand, den ihm der Radscha geschickt hatte, fand darin den Stein und bekam solche Angst, dass er zur Bank eilte und ihn in einem Schließfach deponierte. Ihre Männer hatten ihn im Auge und Sie ordneten einen Überfall auf die Bank an. Sie wollten sein Haus ausrauben, aber hatten zu lange gewartet. Dann wollten Sie ihn töten, aber die Sache wurde zu heiß.“

„Aber ich habe ein Alibi für die Tatzeit, als Hollis und Kilpatrick getötet wurden“, protestierte Pierce heftig. „Ich wurde sogar selbst von diesen Buckligen bedroht.“

„Eine Täuschung“, antwortete die Schwarze Fledermaus. „Ihre Identität war keinem der Bande bekannt, außer Monk. Sie gaben lediglich den Befehl, dass sie bei Ihnen einbrechen sollten und der Einbruch echt aussehen sollte. Sie ließen Downing am Leben, da er wirkte, als könnte er einen guten Sündenbock abgeben.“

„Aber Sie haben immer noch keine Beweise gegen mich“, schrie Pierce aggressiv. „Ich kann beweisen, dass ich zuhause war, als die Diebstähle stattfanden. Sie können mich mit dieser Gang nicht in Zusammenhang bringen.“

„Doch, das kann ich“, sagte die Schwarze Fledermaus ruhig. „Oben, in einem Ihrer Räume, befindet sich ein Kurzwellensender. Sie haben ihn benutzt, um Ihre Männer zu steuern. Die Buckel auf ihren Rücken dienten noch einem anderen Zweck denn als bloßes Wiedererkennungsmerkmal. Ein paar der Gauner hatten Empfangsgeräte in ihren Buckeln versteckt. Sie benutzten einen kleinen Kopfhörer, der mit dem Empfänger verbunden war und von dem großen Hut und dem Schal verdeckt wurde, mit denen Sie sie ausgestattet hatten.

Als Sie dem Treffen in Downings Haus beiwohnten, sind Sie der Buckelbande problemlos entkommen, da Monk, der Anführer, Sie kannte und zuließ, dass Sie entkamen. Keiner von Ihnen hatte daran gedacht, dass ich ziemlich gut im Dunkeln sehen kann. Ich beobachtete Monk dabei, wie er Ihnen das Zeichen zur Flucht gab. Sie rannten nach Hause, kontaktierten Ihre Männer über Funk und erzählten ihnen von dem Geheimzimmer, von dem ein paar Ihrer buckligen Komplizen von Kilpatrick erfahren hatten. Sie hatten aus ihm rausgequetscht, dass sein Stein dort versteckt war. Natürlich handelte es sich bei diesem Stein um die Kopie, die Downing hatte anfertigen lassen. Doch bis dahin hatte ich immer noch keinen konkreten Beweis.“

Warner trat einen Schritt nach vorne. „Haben Sie denn jetzt einen? Der Sender wird helfen, aber er reicht nicht, um die Geschworenen zu überzeugen.“

Die Schwarze Fledermaus lachte. „Im Haus von Jim Downing werden Sie den Rest von Pierces Bande finden. Einige von ihnen haben die Empfangsgeräte, die auf die Wellenlänge eingestellt sind, die zur Frequenz von Pierces Sender passt. So wussten diese Verbrecher schon im Voraus, wenn die Polizei im Anmarsch war. Pierce hörte einfach den Polizeifunk ab und gab die Informationen an seine Männer weiter.

Die Buckligen arbeiteten immer zu zweit. Einer der beiden hatte ein Empfangsgerät. Der andere sollte jeden abhalten, der sie fangen wollte. So konnte sein Kumpel der Gefangennahme entgehen und die Empfangsgeräte konnten nicht gefunden werden. Daher fanden wir bei den Buckligen, die wir gefangen nahmen, nie einen Empfänger.“

„Das reicht“, sagte Warner. „Wir haben Pierce genau dort, wo wir ihn haben wollen.“

„Moment“, unterbrach die Schwarze Fledermaus. „Noch ein kleines Detail. Zwischen den Edelsteinen auf dem Schreibtisch befindet sich ein Diamant. Das ist eine Fälschung! Der Stein stammt aus Kilpatricks Geheimzimmer. Downing hat ihn dort deponiert und sich den echten angeeignet. Der Radscha hat diesen Stein jetzt.

Der falsche Stein wurde in Pierces Geschäft angefertigt, von einem seiner Mitarbeiter. Ich habe ihn bereits untersucht, während Pierce eben in seinem Laden beschäftigt war. Jeder Kunsthandwerker, der mit Edelsteinen arbeitet, markiert gefälschte Steine. Pierces Angestellter hat das ebenfalls getan. Sie können den Fälscher jederzeit einbuchten. Sie werden außerdem Downing in Fenners Haus finden – gefesselt und mehr als bereit, zu plaudern. Downings Aussage wird Pierce ebenfalls belasten. Fenner ist ebenfalls dort.

Pierce wusste, dass Fenner ein zwielichtiger Typ war und zwang mit Hilfe von Monk Fenner zur Mitarbeit. Aber Fenner weiß bis heute nicht, dass Pierce hinter allem steckt. Nur Monk, der Anführer der Buckligen, hatte mit Fenner zu tun. Ich schätze, dass Pierce sich Fenner als Sündenbock hielt, der den Kopf hinhalten sollte, wenn etwas schieflief, genauso wie er noch Downing aus dem gleichen Grund in Reserve hatte.“

McGrath ließ die Handschellen um Pierces Handgelenke einrasten. Er riss den Mann auf seine Füße.

„Was Downing betrifft“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Fassen Sie ihn nicht zu hart an. Im Herzen ist er kein so schlechter Kerl. Er hat versucht, dem Radscha seinen Diamanten zurückzuverkaufen. Von dessen Ankunft wusste er durch eine sehr genaue Überprüfung der ankommenden Schiffe. Was Pierce angeht, hat er kein Mitleid verdient. Er hat seinen Männern befohlen, Kilpatrick zu foltern, wenn sie den Diamanten nicht finden konnten. Er hat sich den ganzen Fall hindurch unbarmherzig gezeigt. Lieutenant, haben Sie Ihren Gefangenen sicher im Griff?“

„Er könnte sich nicht befreien, selbst wenn er Tarzan hieße“, grunzte McGrath.

Plötzlich erlosch das Licht. Keiner bewegte sich. Drei Minuten vergingen, bis Warner das Licht wieder einschaltete. Die Schwarze Fledermaus war verschwunden!


*


Es war bereits helllichter Tag, als Tony Quinn in seinem Arbeitszimmer saß und an seiner Pfeife paffte. Carol und Butch waren nicht mehr da. Silk wuselte fleißig umher, als würde der Tag gerade für ihn beginnen. Weder er noch Quinn zeigten das leiseste Anzeichen von Müdigkeit.

McGrath und Warner schauten um zehn Uhr vorbei. Quinn hörte zu, als Warner die Ereignisse der Nacht rekapitulierte. McGrath verhielt sich seltsam ruhig, bis die beiden wieder aufbrachen. Dann wandte er sich zu Quinn und schaute tief in seine leeren Augen.

„Ich bin ein gutmütiger Einfaltspinsel“, sagte er mit einem seltsamen Lächeln. „Ich hatte die Schwarze Fledermaus in die Ecke gedrängt und habe ihn laufen lassen. Natürlich hat es sich ausgezahlt, da wir die ganze Bande erwischt haben und ich die Lorbeeren dafür ernte. Werfen Sie mal einen Blick hierdrauf.“

Er hielt ein funkelndes goldenes Abzeichen hoch. Quinns Ausdruck veränderte sich kein bisschen, seine Augen schienen das Abzeichen nicht wahrzunehmen. ­McGraths Blick ging zu Boden und er steckte das Abzeichen in seine Tasche zurück.

„Entschuldigen Sie, ich hab nicht daran gedacht, dass Sie nicht sehen können. Ich bin nun Captain McGrath. Was halten Sie davon?“

Quinn streckte seine Hand aus.

„Ich finde das großartig. Es ist sehr viel angenehmer, von einem Captain beschuldigt zu werden, die Schwarze Fledermaus zu sein, als von einem Lieutenant.“

„Finden Sie?“, blaffte McGrath. „Die Schwarze Fledermaus einzubuchten wird mich zum Inspector machen, vergessen Sie das nicht.“

Als sie den Raum verließen, blickte Warner über seine Schulter und winkte Quinn bewusst zu. Doch der blinde Mann zeigte keinerlei Reaktion.

Silk half den beiden Polizeibeamten in ihre Mäntel. Sie verließen das Haus und gingen zum Auto. McGrath setzte sich hinters Steuer und räusperte sich.

„Sagen Sie, Commissioner, ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mich für die Beförderung zu bedanken. Mensch, ich habe diese Ganoven nur zum Reden gebracht. Die Schwarze Fledermaus hat sie geschnappt.“

„Ich weiß“, sagte Warner. „Die Beförderung haben Sie nicht für Ihre Bemühungen erhalten, den Verdächtigen Geständnisse zu entlocken. Sie sind zum Captain aufgestiegen, weil Sie dieses eine Mal Ihren Kopf benutzt habe und die Schwarze Fledermaus fliehen ließen.“

Silk sah zu, wie der Wagen mit den beiden Polizeibeamten wegfuhr. Ihm schien ein Stein vom Herzen zu fallen, als das Auto aus seinem Sichtfeld verschwand. Auch Tony Quinn wirkte entspannter.

„Wir ruhen uns am besten ein bisschen aus“, sagte er.

„Ja, Sir“, stimmte Silk ihm zu. „Aber im Ernst, Sir, ein paar Stunden Erholung sollten reichen, falls wieder etwas passieren sollte ...“

„Das wird es“, antwortete Quinn, als er langsam durch den Raum ging. „Wir wissen noch nicht, was es sein wird, aber das Verbrechen kocht immer wieder hoch. Und wenn es überkocht, muss die Schwarze Fledermaus hellwach sein.“ Er gähnte. „Ich hoffe nur, dass es vorher noch ein paar Tage vor sich hin köchelt.“



BLITZ-Vorschau:

Band 11

Das trojanische

Pferd

von

G. W. Jones

Deutsche Erstveröffentlichung




Kapitel 1 - Bucklige Killer

Es war weit nach Mitternacht. Peitschender Regen trommelte gegen die Fenster von Grant Hollis’ vornehmem Herrenhaus. Im Haus flackerte das Kaminfeuer fröhlich vor sich hin und Hollis hatte es sich in einem gemütlichen Sessel bequem gemacht. Er war ein Mann um die fünfzig und wirkte zwischen all den Jagdtrophäen an den Wänden gut aufgehoben.

Ein Grizzlybär aus Alaska, ein Leopard aus dem afrikanischen Dschungel, ein riesiger Elchkopf, ein gigantischer Eber aus Indien.

Grant Hollis war sein Leben lang gereist und dabei zahllosen Überraschungen begegnet, aber keine davon war annähernd so ungeheuerlich wie das, was ihm gerade durch den Kopf ging.

Er nahm den Regen vor dem Fenster schon gar nicht mehr wahr, hätte aber sicher im Traum nicht gedacht, dass in dieser ungemütlichen Nacht ein paar seltsame Gestalten um sein Haus schlichen. Und doch, hätte in diesem Moment ein Beobachter mit guten Augen die Rückseite von Hollis’ Haus beobachtet, ihm wären zwei unheimlich aussehende Gestalten aufgefallen, die von einem pitschnassen Busch zum nächsten flitzten, ohne dabei den Schutz der Dunkelheit aufzugeben.

Hätte dieser Beobachter die beiden im Profil betrachtet, wäre ihm ein überraschendes Detail aufgefallen: Beide Gestalten hatten einen Buckel. Sie trugen Hüte mit breiten Krempen, von denen der Regen in Bächen herunterfloss. Ihre Gesichter wurden durch schwarze Schals verdeckt, die sie eng um ihre Köpfe gewickelt hatten und hinter denen nur ihre listigen Augenpaare hervorschauten.

Einer der beiden gab seinem Kumpan Zeichen, in Deckung zu bleiben. Dann schlich er näher ans Haus heran, kletterte auf eine niedrige Brüstung und bewegte sich vorsichtig seitwärts, bis er durch die Terrassentür gucken konnte. Seine behandschuhten Finger tasteten nach der Klinke, aber die Tür war verriegelt.

Seine Hand fuhr in seine Hosentasche, fand ein schlankes Werkzeug darin und steckte dies so vorsichtig ins Schloss, dass der Mann am Kamin keinen Schimmer haben konnte von der nahenden Gefahr. Das leise Klicken wurde vom prasselnden Regen verschluckt. Aus dem Dunkeln näherte sich der zweite Bucklige, mit gezogener Waffe.

Hollis fühlte den kalten Windhauch an seinem Hinterkopf und nahm das Geräusch des Regens nun stärker als zuvor wahr. Schnell erhob er sich und wandte sich der Terrassentür zu.

Dann blieb er stehen. Seine Augen verengten sich zu dünnen Schlitzen, seine Lippen verhärteten sich. Hollis war kein Feigling. Sogar diese beiden unheimlichen Gestalten, die ihm mit gezogenen Waffen gegenüberstanden, ließen sein Herz nur leicht schneller schlagen.

„Einbrecher, eh“, sagte er kalt. „Okay, was wollen Sie?“

„Setzen Sie sich“, befahl einer der Männer barsch. „Seien Sie klug und Ihnen passiert nichts. Wenn Sie irgendwelche Tricks versuchen, blasen wir Ihnen die Birne weg.“

Hollis wich langsam zurück, vorbei an zwei oder drei Sesseln, bis er am Drehstuhl hinter seinem Schreibtisch angekommen war. Wenn die beiden ihn an einen Stuhl fesseln sollten, sollte es dieser sein. In Hollis’ Kopf arbeitete es blitzschnell. Ihm war nicht entgangen, dass beide Eindringlinge einen Buckel hatten und er kalkulierte mit kühlem Kopf, dass gleich zwei Einbrecher mit einem solchen Gebrechen einen fast zu großen Zufall darstellten. Vor allem, da es sich um einen so offensichtlichen Makel handelte.

Sie benutzten die seidenen Bänder, mit denen die Vorhänge arretiert werden, um ihn zu fesseln, und leisteten dabei ganze Arbeit. Einen Knebel verpassten sie ihm nicht. Einer der Einbrecher berührte mit der Mündung seiner Waffe Hollis’ Schläfe.

„Verraten Sie uns die Kombination Ihres Safes, Bruder, und wo er sich versteckt.“

Hollis verriet ihnen die Kombination und zeigte in die Richtung, wo sie den Safe finden würden. Er sah ihnen beim Öffnen zu, wie sie den Schrank ausräumten und einen samtenen Sack mit Aktienscheinen, Bargeld und Schmuck füllten.

Die gesamte Beute belief sich wahrscheinlich auf 10.000 Dollar, alles versichert. Hollis beging nicht den Fehler, zu versuchen, nach Hilfe zu rufen. Etwas am Auftreten der beiden Männer verriet ihm, dass er es mit geborenen Killern zu tun hatte, mit nicht einmal einem Quäntchen Erbarmen hinter ihrem vermummten Äußeren.

„Hier muss noch mehr zu holen sein“, sagte einer der beiden. „Lass uns das ganze Haus durchsuchen. Pass auf, dass der Typ gut verschnürt ist.“

Hollis hätte den beiden bestätigen können, dass sie ihn perfekt verschnürt hatten. Aber sie überprüften seine Fesseln sowieso, und als sie sich von deren festem Sitz überzeugt hatten, nahmen sie die erste Etage des Hauses in Augenschein, auf der Suche nach noch mehr Beute. Nach einigen Minuten kehrten sie zurück, mit wertvollen Souvenirs in den Händen, die Hollis von seinen Reisen mitgebracht hatte. Er zuckte zusammen, als die Andenken im Samtsack verschwanden.

Daraufhin machten sich beide Männer auf den Weg in den ersten Stock. Sie schienen sich ihrer Sache so sicher zu sein, dass Hollis klar wurde, dass sie sich sein Haus nicht zufällig ausgesucht hatten. Die beiden wussten genau, dass an diesem Abend keine Diener da waren und Hollis sich alleine im Haus aufhielt. Dieser Raub war genau geplant. Er hörte ihre Schritte im Flur der oberen Etage und wartete keine Sekunde länger.

Er drehte seinen Stuhl, bis seine Hände die oberste Schublade des Schreibtisches erreichen konnten. Er zog die Schublade leise auf. Ein Telefon kam zum Vorschein. Als pingeliger Mensch hasste Hollis es, wenn das Telefon auf seinem Schreibtisch herumstand, und hatte es deshalb in die Schublade eingebaut. Er lehnte sich mit dem Stuhl nach vorne und nahm einen Bleistift mit den Zähnen auf. Dann lehnte er sich wieder zurück, bewegte sich mit dem Drehstuhl in Richtung Telefon und balancierte den Bleistift in die Löcher der Wählscheibe.

Er hatte das Gerät bereits aus seiner Halterung entfernt und drückte es nun gegen die Seitenwand der Schublade. Es war schmerzhaft, die Fesseln waren eng und er musste seinen ganzen Körper dagegen anspannen, wobei die Blutzufuhr zu seinen Gliedern abgeschnitten wurde.

Er wählte die letzte Nummer und vernahm eine Stimme durch den Hörer:

„Polizeihauptquartier.“

„Geben Sie mir Commissioner Warner, schnell“, flüsterte Hollis.

Er hörte ein Klicken und dann war Commissioner Warner an der Strippe.

„Hier spricht Grant Hollis“, flüsterte das Einbruchsopfer. „Zwei bewaffnete Diebe sind in mein Haus eingedrungen. Schicken Sie Hilfe, aber bitte leise. Die beiden wissen nichts von dem Anruf. Ihre Männer können mein Haus umstellen und sie dingfest machen, wenn sie rauskommen. Beeilen Sie sich!“

„Ich schicke Ihnen die Funkstreife mit ausgeschalteten Sirenen“, teilte Warner mit. „Halten Sie durch, Hollis. Hilfe wird in vier bis fünf Minuten eintreffen.“

Grant Hollis entfuhr ein langer Seufzer der Erleichterung. Da hörte er, wie die Männer die Treppe runterkamen. Er schob die oberste Schublade zurück, bis sie nur noch zwei, drei Zentimeter offenstand. Als die Diebe ins Zimmer zurückkehrten, saß er aufrecht im Stuhl und beäugte die beiden mit offener Verachtung.

„Sie sind ein kluger Kerl“, sagte einer der Buckligen. „Also, haben Sie noch irgendwo Knete im Haus – oder Schmuck? Verdammt, Mister, Sie sind doch komplett versichert. Sie können uns das Leben wirklich erleichtern, damit wir es Ihnen auch leichter machen. Sie haben doch nichts zu verlieren, daher ...“

Plötzlich blieben beide Einbrecher wie angewurzelt stehen, als hätte ihnen jemand ein unsichtbares Zeichen gegeben. Für eine geschlagene halbe Minute bewegten sie sich nicht. Dann stieß einer der beiden einen Fluch aus.

„Sie haben also die Bullen gewarnt, heh? Die schicken Hilfe, nicht wahr? Nun denn, Mister, das bedeutet Gute Nacht für Sie.“

Der zweite Bucklige eilte zur Couch, ergriff ein dickes Kissen und drückte seine Waffe tief hinein. Hollis’ Augen weiteten sich vor Schrecken, als der Killer auf ihn zu trat und das Kissen an seinen Kopf drückte. Durch den Stoff hindurch konnte er die Mündung der Waffe spüren und wusste, was die beiden vorhatten. Das Kissen sollte den Lärm des Schusses dämpfen. Hollis bäumte sich entsetzt auf.

„Das ist Mord! Dafür werdet ihr hingerichtet, ihr Idioten! Wenn ihr jetzt abhaut, könnt ihr euch noch retten.“

„Wir haben noch zwei Minuten, bevor die Funkstreife hier ist“, schnauzte einer der Männer. „Sie werden nur noch Ihre Leiche finden. Verstehen Sie, wir machen das nicht nur, weil Sie die Bullen alarmiert haben. Wir hatten das sowieso vor. Mach’s gut, Trottel.“

Hollis schrie noch ein letztes Wort:

„Kranz!“

Dann ging die Waffe los. Hollis hörte den Schuss gar nicht mehr, die Kugel hatte bereits seine Sinne ausgeschaltet, bevor das Donnern der Kanone seine Trommelfelle zerplatzen ließ. Der Mörder trat zurück und warf das Kissen auf den Boden. Sein Komplize ergriff noch schnell mehrere wertvolle Einrichtungsgegenstände und verstaute sie im Samtsack. Dann warf er ihn sich auf den Rücken und die beiden Männer rannten zur Tür.

Sie sprangen über das niedrige Geländer und versuchten, mit schnellen Schritten das Anwesen hinter sich zu lassen. Das Scheinwerferlicht eines Streifenwagens bewegte sich um die Ecke und hüllte die beiden Gestalten in einen hellen Schein. Ein Schuss fiel. Die beiden Buckligen wirbelten herum, zielten mit ihren eigenen Waffen und bedachten die Funkstreife mit einem tödlichen Bleihagel.

Ein Mann schrie. Die Tür des Polizeiautos öffnete sich. Ein uniformierter Polizist sprang heraus und richtete seine Waffe auf die Diebe. Er kam noch dazu, zwei Schüsse abzufeuern, bis ein ganzer Batzen überraschend gut gezielten Bleis seine Brust perforierte. Sein Körper erschlaffte und fiel in die vom Regen angeschwollene Gosse.

Für ein paar Sekunden herrschte betroffenes Schweigen. Dann schrillte eine Polizeipfeife durch die Stille und jemand bellte Befehle für einen schnellen Angriff auf die beiden Killer.

Lieutenant McGrath, klein, untersetzt, glatzköpfig und pitschnass, leitete den Einsatz. Er gab seine Befehle und eilte daraufhin ins Haus. McGrath verzog das Gesicht beim Anblick dessen, was er auf dem Drehstuhl vorfand. Seine Augen entdeckten die halb offene Schublade und das Telefon darin. Er nahm den Hörer und stellte fest, dass Commissioner Warner immer noch in der Leitung war.

„Hollis ist tot, Sir“, berichtete McGrath. „Schuss in den Kopf von zwei miesen, kaltblütigen Mördern, während er an seinen Stuhl gefesselt war. Aber die kriegen wir. Ich habe jede Menge Männer um den Häuserblock herum postiert und Sergeant Wolfe gibt Anweisungen über das Funkgerät in seinem Wagen. Funkstreifen kommen aus allen Richtungen dazu. Wir haben die beiden Täter gesehen – beide hatten Buckel. Ja, ich sagte: Buckel. Zwei unserer Männer sind verletzt, einer ziemlich schwer.“

McGrath legte auf und begab sich zurück nach draußen in den Regen, um weitere Anweisungen zu geben. Aber eine halbe Stunde später musste er feststellen, dass die beiden Killer seinem Einsatzkommando entkommen und geflüchtet waren. Eine weitere halbe Stunde verbrachte er damit, das Haus zu durchsuchen, fand jedoch nichts. Die Spurensicherung untersuchte die naheliegenden Stellen im Haus, aber entdeckte keine auffälligen Fingerabdrücke.

McGrath dämmerte der Gedanke, dass die beiden Mörder genauso clever wie skrupellos vorgegangen waren. Seine einzige Chance bestand darin, zu überprüfen, was gestohlen worden war und alle Pfandhäuser und Hehler zu überwachen.

In diesem Moment kehrten zwei von Hollis’ Dienern zurück. Nachdem sie sich vom Schock erholt hatten, ihren Arbeitgeber tot vorzufinden, fingen sie an zu reden. ­Mc­Grath erstellte eine Liste der Sachen, die fehlten.

„Beute im Gesamtwert von zwölf Riesen“, rechnete er laut vor.