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BLITZ-Vorschau:


Band 13


Das Gesetz der

Schwarzen

Fledermaus


von

G. W. Jones


Deutsche Erstveröffentlichung


DIE SCHWARZE FLEDERMAUS
Band 12


In dieser Reihe bisher erschienen:


6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones



Die Hauptfiguren des Romans:

Die Schwarze
Fledermaus


Carol Baldwin


Silk Kirby

Butch O'Leary


Inspector McGrath


G. W. Jones


Die Spur des Drachen


Aus dem Amerikanischen
von Swantje Baumgart





Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag, www.blitz-verlag.de, in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt bis zu einer Höhe von 23 %.

© 2017 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Fachberatung: Dr. Nicolaus Mathies
Illustrationen: Dorothea Mathies
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN 978-3-95719-012-3

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels.

Nicht so beim vorliegenden Roman, der von Norvell W. Page (1906-1961) geschrieben wurde. Neben diesem und weiteren Ausflügen ins Krimi- und Superhelden-Genre verfasste der in Virginia geborene ­Autor Science-Fiction- und Fantasy-Romane. Zwischen 1933 und 1943 brachte Page unter dem Pseudonym Grant Stockbridge einen großen Teil der Krimireihe The Spider zu Papier, bis er seinen Beruf als ­Autor, Journalist und Redakteur für eine Karriere beim amerikanischen ­Geheimdienst an den Nagel hängte.

Das Abenteuer Die Spur des Drachen erschien im Januar 1941 unter dem Titel The Black Bat‘s Dragon Trail in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.




Kapitel 20 – Wieder Schachmatt


Keine zehn Minuten später saß die Schwarze Fledermaus noch immer in der Tür des Flugzeuges und sprach mit Chivor, Belmont, Dr. Ling und McGrath. I-tso Ling, die mit Wang zum Flughafen gekommen war, war aufgetaucht und saß mit ihm im Pilotensitz.

„Also, meine Herren, so ist es geschehen“, sagte die Schwarze Fledermaus und beendete damit seinen langen, detaillierten Bericht. „Dugros Asiation Export-Verein hat Flugzeuge an Kriegsteilnehmer aus Kalifornien exportiert. Er sah, dass es Probleme geben würde, und brachte Belmont durch einen Trick dazu, ihn auszuzahlen, während er nach China übersetzte, bis sich die Lage beruhigt hatte. Später kehrte er zurück und brachte Mr. Belmont dazu, ihn bei seinem jetzigen Unternehmen zu unterstützen. Doch der Bomber war ein Misserfolg, und Dugro wusste das. Er hatte in China Kontakt zu Duke Kasini gehabt, und als er hörte, dass die Kunstsammlung hergebracht werden sollte, kam ihm die Idee, all seine Probleme mit einem großen Coup zu lösen. Er organisierte die Drachengesellschaft eigentlich nur als Fassade für seine Aktivitäten.“

Die Schwarze Fledermaus schaute Paul Chivor an, der bei den Anderen stand.

„Ich weiß noch immer nicht, wie Sie da reinpassen, Mr. Chivor“, sagte die Schwarze Fledermaus. „Aber irgendwie bin ich doch davon überzeugt, dass Sie nicht so ein Schurke sind, wie ich geneigt war zu glauben.“

„Danke“, erwiderte der Pilot. „Tatsächlich gehöre ich zur Behörde für Betäubungsmittel. Bevor ich zu der Behörde stieß, war ich Pilot. Ich flog für einen kalifornischen Konzern – Asiation Export – als meine Vorgesetzten sagten, dass ein Bezirksstaatsanwalt dieser Stadt namens Anthony Quinn Hinweise habe, die dafür sprechen, dass Duke Kasini Opium in großen Mengen aus China schmuggelt. Wir waren jahrelang hinter ihm her. Mein neuer Auftrag bestand darin, nach China zu gehen und zu versuchen, ihn dort aufzuspüren.

Um es also gut aussehen zu lassen, habe ich ein Flugzeug beschädigt, mich feuern lassen, und wir arrangierten es, dass mir meine offizielle Lizenz entzogen wird. Danach habe ich den Säufer gespielt und bin nach China gegangen. Es dauerte Monate, aber schließlich verfolgte ich Kasinis Lieferungen zu europäischen Häfen und am Ende hierher auf einem Tanker. Wir erwischten Letzteren, aber er war zu clever, um sich selbst auszuliefern. Wir stellten ihm eine Falle. Ich ließ Kasini wissen, dass seine beschlagnahmte Drogenlieferung in einem alten Lagerhaus sei, in der Hoffnung, dass er versuchen würde, sie zu stehlen. Außerdem kontaktierte ich Chow Setos Wäscherei als Kunde, um meine Beweise zu untermauern.

Wir warteten und warteten in dem Lagerhaus auf Kasini, damit er seine Karte ausspielte. Beinahe drei Wochen. Es schien, als würde er den Köder niemals schlucken. Dann endlich, letzte Nacht, rief einer unserer Geheimagenten an, dass die ganze Bande in der Nähe von Chow Setos Wäscherei gesehen worden war, rund um das Hotel nebenan. Wir beschlossen, das Risiko einzugehen, sie dort zu schnappen und mit den Beweisen zu überführen, die wir bereits hatten. Also eilten wir zu dem Ort, aber wir sahen nur noch, wie er in Flammen aufging. Als wir wieder am Lagerhaus ankamen, hatte die Bande zugeschlagen, ein Zufallstreffer, den es in hundert Jahren nicht wieder geben würde.“

„Und nun haben wir sie alle umzingelt unten unter den abbruchreifen Gebäuden“, sagte Commissioner Warner grimmig. „Wenn sie nicht rauskommen, holen wir sie mit Tränengas.“

„Nein ... nein, Commissioner!“, rief die Schwarze Fledermaus und berichtete eilig, dass Flash Mega den Ort mit Nitro verkabelt hatte. Ein erschrockener Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Commissioners, als er sich zu McGrath umwandte.

„Gehen Sie zum Telefon und sagen Sie ihnen, dass sie stoppen sollen!“, herrschte er ihn scharf und eindringlich an. „Schnell!“

I-tso Ling ging schnell hinüber zur Schwarzen Fledermaus und beugte sich zu ihm hinunter, bis ihre Lippen dicht an seinem Ohr waren. Sie flüsterte ihm etwas zu. Er wandte sich zu Warner und den Anderen um.

„Offensichtlich wurde Miss Ling, bevor sie mit dem Schatz zu Tony Quinns Haus ging, von dem Drachenmeister – Dugro – darüber informiert, dass er Flash Mega angewiesen hatte, irgendeine teuflische Vorrichtung anzubringen, die man in die Luft jagen konnte, wenn Dugro auf einer unbenutzten Frequenz funken würde. Ich gehe selbstverständlich auch davon aus, dass der Drachenmeister nach meinem Aufbruch zurückkehrte und die Leichen von Mega und dem Schläger holte, damit von den Anderen niemand Verdacht schöpfte, wenn sie sich dort versammelten, um sich auszahlen zu lassen.“


*


McGrath war mit unbeholfenem Trab davongelaufen, kehrte jedoch kurz darauf zurück. Er ging zu Warner und schüttelte den Kopf.

„Zu spät, Boss. Eines von diesen abbruchreifen Häusern ist vor ungefähr zehn Minuten hochgegangen. Es hat sich erst ein wenig gehoben und fiel dann zusammen zu einem Haufen Backsteine, das hat mir das Hauptquartier gerade mitgeteilt. Feuerwehrleute graben gerade in den Ruinen nach Leichen. Dugro muss dafür gesorgt haben, dass das gleich nach seinem Abflug mit dem Flugzeug passiert. Er war ein schlauer Kerl, gerade schlau genug, damit wir niemals rausfinden, wie er’s geschafft hat, mich beinahe ins Jenseits zu blasen. Und diese beiden armen Kerle, Fitz und Murphy ...“

Die Schwarze Fledermaus erhob sich in dem Durchgang, auf dem Rücken noch immer den Fallschirm.

„Ich glaube, ich kann Sie aufklären, Captain“, sagte er. „Sie werden sich erinnern, dass die Polizeiexperten direkt nach der Explosion auf Quinns Rasen nur winzige Holzsplitter gefunden haben. In dem Moment erinnerte ich mich auch, dass Flash Mega ein Nitro-Experte war. Mein Verdacht nahm Form an, als ich einen kräftigen Bogen und mehrere Pfeile in dem unterirdischen Zimmer von Ohmo, dem chinesischen Schläger, fand. Als ich die metallene Pfeilspitze abschraubte, kam ein kleines Fläschchen mit Nitro zum Vorschein, aus dessen Spitze ein Nagelbolzen herausschaute.

Da ein Pfeil aus einer Entfernung von mehreren Hundert Yards abgeschossen worden war, war es ein Leichtes, einen auf Quinns Rasen zu schießen, als Warnung an Eight Incorporated. Auf dieselbe Weise wurde der Polizeiwagen in Stücke gerissen. Morgen werden Sie durch einen Boten diese seltsame Bogenwaffe erhalten, Captain, zusammen mit der Pistole, die ich heute Nacht in ihrem unterirdischen Besprechungsraum aus der Hand des Drachenmeisters geschossen habe.“

Aus seiner Tasche nahm er die Hülsen, die er in der Nacht, als Dugro mit Harrison geflogen war und auf ihn geschossen hatte, am Flughafen aufgehoben hatte. Verglichen mit Kugeln, die aus Dugros Waffe abgefeuert worden waren, würden sie den endgültigen, den abschließenden Beweis liefern.

McGrath nahm sie an sich und steckte sie in seine eigene Tasche. Automatisch zog er eine Zigarre hervor und biss ein Ende ab.

„Alles klar, Schwarze Fledermaus, damit hätten wir alles“, sagte er. „Alles, was wir noch tun müssen, ist, Mr. Belmont und seine verbliebenen Partner den Schatz mit dem ganzen Geld, das sie zurückbekommen, kaufen zu lassen – und vielleicht eine neue Tür für den Tresorraum für das Museum besorgen – und dann ist alles geklärt. Alles bis auf die Sache zwischen Ihnen und mir. Ich schieße nicht vom Ansitz aus. Aber nichts hält mich davon ab, genau jetzt mit einem Polizeiwagen bei Tony Quinns Haus vorbeizufahren und selbst ein paar Dinge zu regeln.“

Und so eilte der tapfere Officer davon. Belmont hatte sich kaum an dem Gespräch beteiligt. Er war zu erleichtert darüber, dass man das Geld wieder eingetrieben hatte. Nun schaute er die Schwarze Fledermaus an.

„Kann ich Sie in die Stadt mitnehmen?“, fragte er höflich.

Die Schwarze Fledermaus schüttelte lächelnd den Kopf.

„Nein danke. Aber ich werde Colonel Wang bitten, dafür Sorge zu tragen, dass ich nach Hause komme. Ich bin sicher, er wird nichts dagegen einzuwenden haben.“

Er stieg in das Flugzeug und schloss die Tür. I-tso Ling übersetzte für Wang schnell in Kantonesisch, wobei sie die gestenreichen Befehle ihres Vaters ignorierte, sofort mit ihm zu kommen. Wang nickte und drückte den Starter für die beiden Motoren. Der flinke Bomber rollte dröhnend die Start- und Landebahn hinunter und erhob sich in die Nacht. Die Schwarze Fledermaus wies Wang an, in einer Höhe von weniger als tausend Fuß über einen bestimmten Teil der Stadt zu fliegen. Selbst das chinesische Mädchen, verwirrt, weil es in der Luft war, wusste nicht, wo er landen würde.

Als Wang die Motoren nur wenige Minuten später abstellte und die Schwarze Fledermaus sich bereit machte, durch die Tür zu springen, tat I-tso Ling etwas, was absolut amerikanisch war. Sie beugte sich kurz zu ihm hinüber und presste ihre Lippen auf seine Wange.

„Das ist von der zukünftigen Mrs. Wang als Dank dafür, dass Sie das Gesicht meines Ehemannes gerettet haben“, murmelte sie. „Ja, ich kehre mit ihm nach China zurück. Ich bin sicher, wenn ich meinem ehrenwerten Vater erzähle, dass ich vielleicht eines Tages als Drache festgenommen werde, wird er nichts dagegen haben.“

Dann sagte sie noch etwas, was für ihn wie Tangtze klang.

„Wie bitte“, sagte die Schwarze Fledermaus.

„Das ist eine Art, auf Chinesisch Auf Wiedersehen zu sagen“, sagte I-tso Ling zu ihm.

Er presste seinen Körper gegen die Tür, die von dem Druck des Windes zugehalten wurde, und fiel hinaus. Plötzlich war er gefangen in einer Welt voller Dunkelheit. Er zählte bis fünf, zog, und dann fing ihn der große Schirm vierhundert Fuß über dem Boden ab. Als er landete und eilig den Fallschirm zusammenrollte, erklang in der Ferne eine Sirene.


*


Glücklicherweise war die Schwarze Fledermaus nur zwei Blocks von seinem eigenen Grundstück entfernt auf einer unbebauten Fläche gelandet. Er rannte zum Pförtnerhaus, den Fallschirm zusammengeknüllt in seinen Armen, ließ sich in den Tunnel fallen und eilte ins Haus, gerade als Captain McGrath davor anhielt.

„Tony, wo bist du gewesen?“, rief Carol.

„Erklär ich später“, sagte er lachend, während er sich die Kleider vom Körper riss, die er über seinem Pyjama trug, und ins Bett sprang.

„Hier, gib mir die Bandage, und schaff diese Klamotten weg. McGrath ist draußen.“

Der große Officer platzte herein. Carol hatte kaum die Zeit, die Schlafzimmertür zu öffnen, als er an ihr vorbeidrängte und angesichts Quinns bandagiertem Kopf plötzlich stehen blieb.

„Also, ver... ver... verflucht soll ich sein!“, sagte Captain McGrath in einer Weise, die einem Officer absolut nicht würdig war.

Tony Quinn schaute mit seinen leblosen Augen zu ihm hinauf und fragte mit schwacher Stimme:

„Sind Sie das, McGrath? Haben Sie den Drachenmeister gefangen?“

„Sie wissen verdammt gut, dass ich das habe, dass ich aber die Schwarze Fledermaus nicht gekriegt habe!“, schrie der missgelaunte McGrath zurück.

„Den Eindruck hatte ich schon aufgrund der Art, wie Sie hier hereingestürmt sind. Ich glaube, das heißt, Sie haben eine Wette gegen mich gewonnen, nachdem Sie sagten, dass die Schwarze Fledermaus in dem Drachenfall auftauchen würde. Aber Sie haben auch eine verloren, indem Sie ihn nicht gefangen haben. Also sind wir quitt, schätze ich.“

„Keine Sorge, wir werden uns wiedersehen“, kam die Antwort, als der entrüstete Captain McGrath zur Tür ging. „Eines Tages kriege ich Sie. Bis dann!“

„Tangtze“, sagte Tony Quinn kühl.

„Häh?“, fragte McGrath misstrauisch und drehte sich im Türrahmen plötzlich um.

„Das ist eine Art, auf Chinesisch Auf Wiedersehen zu sagen“, klärte Quinn ihn lakonisch auf.

„Bah!“, schnappte Captain McGrath und schlug im Hinausgehen die Tür hinter sich zu.



Kapitel 1 - Der Drache schlägt zu


Es hatte leicht geregnet. Unten in Chinatown spiegelten sich die Lichter aus Tausenden Fenstern und die Neonreklamen auf den nassen Bürgersteigen und Kopfsteinpflastern. Sie schimmerten auf betagten Chinesen, die Hände in altehrwürdiger Erhabenheit in ihren Ärmeln verborgen, gemeinsam mit einer jüngeren, amerikanisch gekleideten Generation. Sie leuchteten hinab auf Dutzende weiterer Personen, die in den Cafés ein und aus gingen und eins wurden mit dem rastlosen Strom von Menschen; ein wohlhabendes Volk auf der Suche nach Nahrung und exotischen Vergnügungen, Bettler aus den Slums auf der Suche nach Almosen und scharfsichtige und dunkelhäutige Männer, die Kragen ihrer Regenmäntel hochgeschlagen, die Krempen ihrer Hüte tief über die Augen gezogen.

In dem schmalen Zugang zu einer schummrigen Gasse bewegte sich eine der Regenmantel tragenden Gestalten lässig darauf zu und blieb dann stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Das gab ihm die Möglichkeit, den Blick in beiden Richtungen über die Straße gleiten zu lassen, wobei er über seine hohlen Hände schaute und die diamantenbesetzte Armbanduhr wenige Zoll vor seinen Augen betrachtete. Eine große diamantene Krawattennadel steckte in seiner Krawatte, ein weiterer Stein glitzerte an einem Finger seiner linken Hand.

„Elf dreißig“, murmelte der Mann im Flüsterton. „Die Andern müsst’n jeden Moment auftauchen, wenn se nich’ schon hier sind. Jepp, da iss schon einer.“

Er wandte sich um und betrat zügig die Gasse, sodass er mit der finsteren Nacht verschmolz. Der zweite Mann zögerte einen Moment und sah sich verstohlen um, dann verschwand auch er, als hätte ihn eine unsichtbare Hand fortgewischt. Ein unterdrückter Fluch erklang, als er über ein auf dem Boden liegendes Stück Unrat stolperte. Dem Kraftausdruck folgte ein leises Lachen von irgendwoher weiter vorn.

Binnen zehn Minuten tauchten weitere Männer in der Gasse auf. Nun näherten sich auch einige stämmige Chinesen und folgten den Amerikanern. Sie bahnten sich ihren Weg entlang der Gasse, die so eng war, dass kaum genug Platz war für zwei große, glänzende Wäschereiwagen, die auf der Rückseite eines zerstörten Gebäudes geparkt waren. Das Gebäude besaß im oberen Bereich keine Fenster. Weiße Werbeplakate einer Abbruchfirma hingen an den roten Backsteinwänden.

Irgendwo aus der Dunkelheit neben den Lieferwagen sprach eine Stimme in Kantonesisch und beorderte die Orientalen zum vorderen der beiden Wagen. Die amerikanischen Gangster, die sich versammelt hatten, bestiegen den zweiten Lieferwagen. Als der letzte Mann eingestiegen war, streckte ein chinesischer Fahrer seinen Kopf aus dem hinteren Wagen und flüsterte erneut Instruktionen.

„Wenn du die beiden hinteren Türen des Lieferwagens öffnest, Drache“, sagte er zu einem der Gangster, „dann findest du da drin deinen Freund.“

Der Mann gehorchte. Er kroch hinein und tastete nach einem Sitz. In der Dunkelheit im vorderen Bereich beschwerte sich jemand knurrend.

„Es gefällt mir überhaupt nicht, gemeinsame Sache mit einer geheimen chinesischen Gesellschaft zu machen. Das ist das erste Mal, dass der Boss uns zu einem Job geschickt hat, ohne uns zu sagen, worum es geht. Wenn du mich fragst, ich glaube, er ist verrückt.“ Er schnüffelte hörbar. „Außerdem arbeite ich gerne mit Leuten aus meinem eigenen Volk.“


*


Der bebrillte Chinese, der am Steuer saß, wandte sich in der Dunkelheit um. Er sprach in kultiviertem Englisch ohne den Hauch eines Akzents.

„Die chinesischen Mitglieder des Drachen fühlen ebenso, Flash, abgesehen von mir selbst“, sagte er. „Aber ihnen ist klar, dass das, was wir gerade tun, vollkommen unmöglich wäre ohne eure speziellen Talente. Ich denke noch immer, dass es unklug vom Duke ist, das einträgliche, äh, Wäschereigeschäft, das mein kleines Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut hat, zu gefährden, indem wir uns mit dem Drachen zusammentun. Aber wie alle Amerikaner kann er einer schnellen Aufräum­aktion nicht widerstehen. Eine große Summe in bar, die vom Drachenmeister für einen einzigen Job heute Nacht geboten wurde, hat die Geldgier des Duke angeheizt. Es ist wirklich bedauerlich.“

„Wann werden wir diesen Kerl treffen, den wir mit Meister ansprechen sollen?“, fragte der Mann quengelnd, der Flash genannt worden war.

Doch der bebrillte Wäschereimann am Steuer antwortete nicht. Er war zu beschäftigt. Der vordere Lieferwagen, den der Chinese fuhr, rollte auf das andere Ende der Gasse zu, und er folgte ihm eilig.

Die beiden glänzenden Lieferwagen rollten auf die Straße. Eine dreiviertel Stunde lang bahnten sich ihre Fahrer ihren Weg über dunkle Seitenstraßen durch die Stadt, bis sie schließlich zu einem Gebäude kamen, das einsam am Rande eines kleinen Stadtparks stand. Vor Jahren waren der Park und das Gebäude das Privatgrundstück und Museum eines Multimillionärs gewesen. Nach seinem Tod war es der Stadt vermacht worden.

Es war dunkel in der mitternächtlichen Einsamkeit rund um das Gebäude, neben dem die Lieferwagen nun hielten. Weiter vorn stieg einer der Chinesen aus und verschwand in der Nacht. Zehn Minuten später kehrte er so leise, wie er gekommen war, zurück und stieg neben dem Fahrer wieder ein.

„Alles ist ruhig“, teilte er in singsang-artigem Chinesisch mit. „Ich habe niemanden gesehen. Im Kämmerchen des Wachmanns auf der Rückseite ist Licht. Fahr ohne Licht direkt ran und halte neben dem großen Tor auf der Rückseite.“

Innerhalb des Marmorsaals des Gebäudes machte ein älterer Wachmann im gestreiften Overall seine Runden und drückte an den Regelpunkten entlang der spärlich beleuchteten Flure seine Uhr. Es war ungefähr 12 Uhr 30 und Zeit für seine Mahlzeit. Er drückte an der letzten Station, ging entlang der verglasten Kästen zurück zu seinem Räumchen auf der Rückseite, setzte sich auf eine Bank in einer Ecke und öffnete seinen Henkelmann.

Während er aß, erklang plötzlich ein neues Geräusch. Der Wachmann hielt inne und neigte den Kopf, um zu lauschen. Da war es wieder, ein leises Klicken aus dem hinteren Innenbereich. Es war ihm nicht möglich, das Geräusch zu erkennen, denn er konnte nicht ahnen, dass es von Flash erzeugt wurde, der das Innenleben der verschlossenen Tür mit einem Instrument prüfte, welches so empfindlich und spezialisiert war wie jene, die ein Gehirnchirurg verwendete. Flash hatte bereits die Drähte des Alarmsystems lokalisiert und mit einer Lötlampe durchgebrannt.

Der Wachmann stellte sein Essen beiseite, eilte zurück ins Hauptgebäude und tappte mit einem Revolver in der Hand umher. Er huschte durch einen Raum, dessen Wände mit modernen Malereien behängt waren, und dann in den Gang, der zum rückwärtigen Teil führte. Er hatte die Hintertür beinahe erreicht, als irgendwo hinter ihm eine drohende Stimme erklang.

„Lass einfach die Knarre fallen, Kumpel, sei ein guter Junge.“

Der Wachmann fuhr herum und machte eine einzige Bewegung, um seine Waffe zu heben. Er sollte sie nie wieder heben. Die große 38er Police Special in der Hand des entschlossenen Mannes, der gesprochen hatte, hob sich und fuhr auf den Kopf des Mannes nieder. Der unterdrückte Schrei des Wachmanns erstarb, und der Mann, der ihn angegriffen hatte, fing ihn auf, als er in sich zusammensackte.

Er schob den blutenden Wachmann zu zwei weiteren Männern hin, die schemenhaft aus den Schatten auftauchten.

„Bringt ihn an seinen Platz zurück und bleibt bei ihm“, befahl er barsch. „Wenn er aufwacht, gebt ihm noch eins auf den Kopf. Flash, hol’ ein paar von diesen Chinesen, damit sie dir mit deinem Schneidwerkzeug zur Hand gehen. Laut einem der Jungs, die die Gaffer rumführen, ist der Tresor unten. Los.“

Die beiden Gangster packten jeweils ein Handgelenk des Wachmannes und begannen, seinen schlaffen Körper über den polierten Boden zu zerren. Flash befahl zweien der stämmigen Chinesen, die großen, schweren Koffer aufzuheben, die seine Acetylen- und Sauerstofftanks enthielten. Er selbst trug die Lötlampe, und es war keine gewöhnliche Lötlampe. Er hatte exakt zweitausend Dollar dafür bezahlt.

Zwei finstere Treppen weiter unten bewegte sich die Gruppe leise und vorsichtig. Die Nachhut bildeten einige Chinesen, die gewöhnliche Leinenbahren trugen. Einmal blieben sie stehen und hielten Taschenlampen, während Flash vor einer Tür kniete und ein Instrument in das Schloss einführte. Nach einer kurzen sachkundigen Manipulation klickte es. Sie gingen eine weitere Treppe hinunter in einen Tresorraum tief unter der Erdoberfläche.

Einer der Chinesen, die eine Hälfte der seltsam gemischten Gruppe ausmachten, schaute zweifelnd drein angesichts der massiven Tresortür aus kaltem Stahl. Flash bemerkte den Blick und kicherte tief in seiner Kehle.

„Klar, das ist diebstahlsicher, Kumpel, aber mach dir keine Sorgen“, sagte er und grinste breit. „Man braucht Hitze, um Stahl diebstahlsicher zu machen, das weißt du vielleicht. Alles, was man also braucht, um es zu zerschneiden, ist etwas noch heißeres. Deshalb hat mich diese Lötlampe zweitausend Kröten gekostet. Sie wurde in Berlin von einem verrückten, kleinen Professor hergestellt. Einer von diesen wissenschaftlichen Vögeln.“

„Bist du ganz sicher, dass das Alarmsystem unterbrochen wurde?“, fragte der Chinese, der offensichtlich der Kopf seiner Gruppe war, unsicher.

„Er versteht sein Handwerk, mein Freund“, grollte ein kräftiger Gangster ungeduldig. „Beeil dich, Flash, und schmeiß dein Spielzeug an.“

Der Experte setzte eine Schutzbrille auf, stopfte Baumwollpfropfen in seine Ohren, stellte die zwei Pegel an den kurzen roten und grünen Schläuchen auf mehr als das Vierfache des normalen Drucks und hielt ein Feuerzeug mit Feuerstein an die Lötlampe. Eine gelbe Flamme schoss hervor, wurde kürzer und machte einem blauen Licht mit einem solch heftigen Zischen Platz, dass es schmerzhaft an den Trommelfellen rieb, wie Stahl, der auf Glas kratzt.

Während die Anderen die Hände auf die Ohren pressten, machte sich Flash Mega, der sich schon vor langer Zeit bei der Polizei den Ruf eingehandelt hatte, hervorragend mit solchen Situationen umgehen zu können, an die Arbeit mit der Lötlampe. Stahl, der einer gewöhnlichen Flamme standhalten würde, so als wäre sie nichts als ein brennendes Streichholz, gab bald nach, während sich die Lötlampe unerbittlich in das Metall fraß. Das weißglühende Material brodelte und schäumte, lief hinab und verteilte sich in flüssigen Tropfen auf dem Betonboden. Fünf Minuten lang arbeitete der Panzerknacker mit der Lötlampe in einer kreisenden Bewegung, die ein drei Zoll breites Loch tiefer und tiefer in das Metall fraß.

Wegen der Hitzeentwicklung, welche die Spitze der Lötlampe zum Schmelzen brächte, hätte nur ein erfahrener Schweißer ein solches Loch mehr als sechs Zoll tief in das Metall schneiden können. Und doch fraß sich die Flamme nun hindurch und begann, einen kreisförmigen Schnitt um die Speichen des Tresortürgriffes zu schneiden und vervollständigte schließlich das Loch. Flash schaltete die Lötlampe aus, nahm ein winziges Stemmeisen, beinahe eine Brechstange, zur Hand, brach den Mechanismus ab und ließ ihn krachend zu Boden fallen, wobei er ein zwei Fuß breites Loch hinterließ.

Der Wäschereimann, der so sehr gezweifelt hatte, starrte ungläubig drein. Flash hatte durch achtzehn Zoll dicken, massiven und diebstahlsicheren Stahl geschnitten! Der Panzerknacker grinste Chow Seto an, der eigentlich als harmloser Wäschereimann bekannt war, aber er sagte nichts.

Die Tresortür schwang auf und der Meisterpanzerknacker packte seine Ausrüstung zusammen. Chow Seto betrat den Tresor, gefolgt von den Anderen. Mehrere kleine Kisten waren in einer Ecke gestapelt. Der bebrillte chinesische Wäschereimann warf einen einzigen Blick auf den Inhalt einer der Kisten und nickte den Anderen zu.

„Das sind sie, meine Herren“, erklärte er. „In diesen Kisten haben wir einen Schatz im Wert von schätzungsweise zehn bis elf Millionen Dollar.“

Ein großer Gangster, der Joe genannt worden war – Joe Mega, der Bruder des Experten Flash –, lachte rau auf, während er sich bückte und ein grünes Ding aus einer Kiste nahm. Es war aus verrosteter Bronze.

„Eine zeremonielle Vase aus der Shang-Dynastie, 1766 bis 1122 vor Christus“, teilte Chow Seto ohne Regung mit. „Eines der wenigen Dinge, die ich an der Columbia-Universität gelernt habe, bevor ich herausfand, dass das – äh – Wäschereigeschäft ertragreicher ist als das Wissen über den Wert uralter Dinge.“

„Willst du mir etwa erzählen, dass Idioten Millionen für dieses Zeug bezahlen?“, fragte Joe ungläubig, während er das wertvolle Gefäß mit beiden Händen nach oben warf und wieder auffing. „Na ja, es war gut, dass der Duke mich nicht informiert hat, als ich mir diesen Laden für ihn angesehen habe, sonst hätt’ ich ihm noch gesagt, dass er bekloppt ist!“

Chow Seto zuckte beinahe zusammen, als er den Schatz aus den achtlosen Händen des Ganoven nahm. Er gab hastige Anweisungen auf Kantonesisch, und die Männer brachten die Tragen herein. Schnell und effektiv hoben die Orientalen die kleinen Kisten auf und legten sie auf die Tragen, um sie zu den wartenden Lieferwagen zu bringen. Unter den Schätzen waren Altarstücke aus dem 6. Jahrhundert, eine filigrane T’ang-Krone aus Gold, die einst von einer Herrscherin getragen worden war, Sung-Bilder auf Seide, die sich wie Papyrus zusammenrollen ließen, zarte weiße Ting-Yao-Keramiken und andere Antiquitäten, für die ein Sammler seine Seele verkauft hätte. Eine Kiste nach der anderen wurde die Treppen hinauf und nach draußen getragen, wo sie in die bewachten Lieferwagen geladen wurden.

Zwei der Gangster kamen als Letzte aus dem Gebäude. Sie stiegen in den Lieferwagen, und Joes Stimme erklang scharf aus dem vorderen Teil:

„Was ist mit dem Wachmann, Manni?“

„Du warst dir deiner eigenen Kraft noch nie bewusst, Joe“, kam die lakonische Antwort von dem Gangster namens Manni, der bei seinen Vertrauten – und bei der Polizei – als Manni Torrio bekannt war. „Der Kerl ist tot, Joe. Das war’s.“

Die Lieferwagen setzten sich in Bewegung und ließen eine weit offenstehende Tür zurück. Stille legte sich über den Ort, der zur Leichenhalle für einen älteren Wachmann geworden war, dessen einziges Verbrechen darin bestanden hatte, dass er versucht hatte, seine Pflicht zu erfüllen. Der Drache hatte zugeschlagen!