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© Lotta Landbeck

Barbara Landbeck studierte Illustration und Kommunikationsdesign. Sie ist freischaffende Malerin, Illustratorin, Autorin, Konzepterin und Dozentin. Seit Januar 2015 unterrichtet sie Klein und Groß in ihrer „Kunstschule im Elbe“.

Mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrer Katze lebt sie in Hamburg.

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© 2018 JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH, Hamburg
Alle Rechte vorbehalten
Text und Illustrationen: Barbara Landbeck
Redaktion: Corinna Windeck
Grafische Bearbeitung: Julia Almstedt
eISBN: 978-3-8337-3890-6

Das gleichnamige Buch (ISBN 978-3-8337-3832-6)
sowie das Hörbuch (ISBN 978-3-8337-3833-3), gelesen von
Katja Danowski, sind im JUMBO Verlag erschienen.

Die deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
www.jumboverlag.de

Barbara Landbeck

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Robby

aus der Räuberhöhle

Abenteuer am Badesee

Inhalt

Donnerwetter, was ist das?

Der Holzkopf und der Blödmann

Falsches Geld

In der Zoohandlung

Zurück im Paradies

Abgestürzt

Das alte Bootshaus

Ein schwimmendes Sofa

Eine geheimnisvolle Tasche

Max

Die Villa im Wald

Sternenklare Nacht

Ein reparierter Zaun

Floßfahrt bei Nacht

Wer geht zur Polizei?

Konstantin, der geschickte Verbrecherfänger

Der Holzkopf-Untergang

Ein Strandfest mit Musik

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Donnerwetter, was ist das?

Es ist noch früh am Morgen. Robby schlägt die Bettdecke zurück und steigt aus seiner Hängematte. Die wilde Hilde, seine Räuber-Oma, schnarcht zufrieden in ihrem Bett. Gleichmäßig bewegt sich die karierte Bettdecke auf und ab. Robby schleicht auf Zehenspitzen zur Tür und öffnet sie gerade so weit, dass er hindurchschlüpfen kann. Draußen empfängt ihn strahlender Sonnenschein. Momo, der dicke Kater, döst auf einem Klappstuhl. Robby streichelt ihm das warme, schwarze Fell. Er läuft über die taunasse Wiese, die hohen Gräser kitzeln an seinen Beinen. Er steckt einen großen Zeh in den klirrend kalten Bach, der durch das Paradies plätschert. Ja, Paradies – so nennt er das wunderbar verwilderte Grundstück, auf dem er mit seiner Oma in der gemütlichsten Räuberhöhle der Welt wohnt.

Karla, die Krähe, kommt angeflogen und landet auf Robbys Schulter. Er pflückt eine Handvoll Blaubeeren und gibt ihr einige davon ab. Die restlichen Beeren stopft er sich in seinen Mund und setzt sich auf die Schaukel im Kirschbaum. Er schwingt leicht hin und her. Nachdenklich betrachtet er das Ungetüm aus Blechdosen, Kochtöpfen, Kartons und Blechdeckeln, das neben der Räuberhöhle steht. Seit Tagen bastelt Oma an diesem Ding herum und verrät ihm einfach nicht, was es werden soll. „Baust du eine Spülmaschine?“, hat Robby gefragt. „Oder … eine Alarmanlage?“

„Warts ab“, hat Oma nur gelacht, „das wirst du schon noch sehen!“

Eine grüne Eidechse huscht durchs Gebüsch, zwei Schmetterlinge flattern umeinander herum. Hin und wieder ist ein ungeduldiges Autohupen zu hören. Aber nur ganz leise, denn die Stadt Jottwede befindet sich hinter der hohen, mit Efeu bewachsenen Mauer, die um Robbys Paradies herumführt.

Plötzlich hört Robby noch etwas anderes. Es ist ein feines, hohes, schnelles Klicken – etwa so, als ob ein Zwerg mit einer klitzekleinen Nadel gegen ein hauchdünnes Glas klopfen würde. Und dann sieht er auch, woher dieses seltsame Geräusch kommt. Ein paar Schritte vor ihm, in dem Fischernetz, das er zum Trocknen zwischen den Bäumen aufgehängt hat, klebt ein kleines braunschwarzes Fellbündel. Es bewegt sich. Robby rutscht von der Schaukel und betrachtet das seltsame Ding aus der Nähe. Zwei dunkle Äuglein blinzeln ihn ängstlich an. Das Ding hat riesige schwarze Ohren und hängt verkehrt herum im Netz. Sein Körper ist in eine Art schwarzen, faltigen Mantel eingewickelt.

„Na, Robby, was beobachtest du da?“, fragt die wilde Hilde und stellt sich hinter ihn. Er war so vertieft in dieses merkwürdige Wesen, dass er seine Oma gar nicht hatte kommen hören.

„Weiß noch nicht“, flüstert Robby. „Was glaubst du?“

„Halleluja!“, ruft Oma freudig. „Das ist doch klar wie Kloßbrühe! Das ist eine Fledermaus! Hat sich wohl in deinem Fischernetz verfangen und kann sich nicht befreien, die Ärmste!“

Ganz vorsichtig umschließt ihre große Hand den winzigen Körper und löst ihn aus dem Netz. Robby hält seine Hand auf und Oma Hilde übergibt ihm das kleine flauschige Tierchen. Es will davonfliegen, aber es klappt nicht. Immer wieder sackt es in sich zusammen. „Wie schnell das Herz pocht!“, staunt Robby. Oma Hilde rückt ihre Brille zurecht und betrachtet die Kleine sorgfältig.

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„Schätze, das Fledermäuschen hat Durst. Vielleicht ist eine Kralle oder ein Flügel verletzt. Fledermäuse können nachts zwar Bäumen und anderen Hindernissen ausweichen, aber so feine Netze wie dein Fischernetz können sie nicht wahrnehmen. Wir päppeln sie in ein paar Tagen wieder auf. Einverstanden, Robby?“

„Aber … wenn die Kleine eine Mama hat? Die sie sucht?“, fragt Robby.

„Nee, die Kleine hier ist schon ausgewachsen“, beruhigt ihn Oma Hilde. „Die braucht bestimmt nur ein bisschen Wasser und Ruhe.“

„Ich könnte ihr ein Zuhause bauen!“, schlägt Robby vor.

„Gut! Eine Fledermaus muss es warm und trocken haben. Und sie muss sich irgendwo anhängen können“, erklärt Oma Hilde. „Aber zuallererst geben wir ihr etwas Wasser.“

Robby hat schon eine super Idee für seine Fledermaus-Pflegestation.

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Der Holzkopf und der Blödmann

Gegen Mittag macht sich Robby auf den Weg zum Bahnhof. Er will seine Freundin Thea abholen, die wieder einmal ihre Sommerferien in Jottwede verbringt. Diesmal darf sie sogar den gesamten Urlaub bei Robby und Oma Hilde im Paradies sein. Eigentlich besucht sie in den Ferien immer ihre Tante Dora, die Künstlerin. Aber die ist gerade in Südamerika und stellt dort ihre berühmten Dackel- und Käferbilder aus.

Thea ist nicht nur klug und hübsch, sie ist auch das mutigste Mädchen, das es gibt, findet Robby. Mit Thea kann man in Baumhäusern übernachten, durch fremde Gärten schleichen, Diebe fangen, Bürgermeister ärgern und wunderbar dem Holzkopf eins auswischen. Der Holzkopf heißt eigentlich Rüdiger und ist ein gemeiner Schnüffler. Der Sohn vom Bürgermeister möchte immer herausfinden, wo Robby wohnt, ob er ordentliche Eltern und ein vernünftiges Zuhause hat und ob er auch in die Schule geht, so wie ein ganz normales Kind. Aber Robby ist kein ganz normales Kind. Bei ihm ist da so einiges anders gelaufen. Seine Eltern sind gestorben, als er noch ein Baby war. Oma Hilde hat ihn damals zu sich genommen und ihm alles beigebracht, was ein kleiner Junge können muss: Fische fangen, auf Bäume klettern, Baumhäuser bauen, Lagerfeuer machen, ungesehen durch die Stadt schleichen, sich Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt besorgen und natürlich lesen, schreiben und rechnen. Die wilde Hilde ist eine Räuber-Oma durch und durch, das lässt sich nicht anders sagen. Hin und wieder überfällt sie eine Bank. Das Geld, das sie dann erbeutet, gibt sie denen, die es nötig brauchen. Zum Beispiel Menschen, die kein Zuhause haben, Kinderheimen und Tierheimen. Ja, Oma Hilde ist eine Urenkelin von Robin Hood.

„Ich helfe der Gerechtigkeit nur etwas nach. Was kann denn daran bitteschön verkehrt sein?!“, pflegt Oma Hilde zu sagen. „Und wenn der Holzkopf wüsste, dass wir beide hier in einer Räuberhöhle leben, ohne fließendes Wasser und Strom, ohne Schule und Nachmittagsbetreuung – mitten auf einem verwilderten Grundstück – dann wäre es mit unserem schönen Leben in Freiheit vorbei. Dann käme die Polizei und würde mich mitnehmen und du kämst vielleicht in ein Kinderheim. Lassen wir es also besser nicht darauf ankommen!“

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Ja, das findet Robby auch. Und deswegen darf der Holzkopf niemals erfahren, wo Robby wohnt!

Robby kennt viele Schleichwege, die ihn durch die Stadt bringen. Auch jetzt zwängt er sich geschickt durch Büsche und kleine Tannenwäldchen, klettert über Zäune und huscht durch die Hintergärten der alten Villen, vorbei an Schuppen und Garagen. Nun steht er vor dem Bahnhof. Gerade will er mit großen Sprüngen die Bahnhofstreppe hinaufstürmen, als er plötzlich innehält. Vor ihm steigt – mit gebeugtem Kopf und vollkommen in ein Handy-spiel versunken – Rüdiger die Treppe hinauf. Oh Mann! Ausgerechnet jetzt, wenn er Thea abholen will, muss ihm der blöde Holzkopf in die Quere kommen! Robby stöhnt und bleibt zehn Schritte hinter ihm. Der Holzkopf trägt heute ein grünes T-Shirt und knallblaue Shorts. An den Füßen leuchten kanariengelbe Sportschuhe. Wie ein Papagei, denkt Robby. Wenn er selbst so schreiend bunt herumlaufen würde, könnte er sich nicht so unsichtbar durch die Stadt bewegen.

Der Zug rollt ein und kommt quietschend zum Stehen. Ob auch der Holzkopf jemanden abholen will?

In der Mitte des Bahnsteigs befindet sich ein kleiner Kiosk. Rüdiger geht rechts daran vorbei, Robby links. Vorsichtig lugt er um die Ecke.

Die Zugtüren öffnen sich zischend. Sofort drängen viele Leute auf den Bahnsteig. Der Holzkopf hat nur Augen für sein Game. Zum Glück. Denn mitten im Gewimmel entdeckt Robby, wie ein blondes Mädchen mit einem roten Rollkoffer aus dem Zug hüpft und sich suchend umschaut. Robby rennt direkt auf Thea zu. Sie umarmen sich kurz. „Wir müssen aufpassen! Der Holzkopf ist hier! Da beim Kiosk!“, flüstert Robby Thea ins Ohr und zieht sie schnell mit sich hinter eine Wand. Thea entdeckt den Holzkopf, der immer noch auf sein Smartphone starrt. Dann deutet sie auf einen anderen Jungen, der gerade, ebenfalls in ein Handygame vertieft, aus dem Zug steigt. „Guck mal! Noch so einer!“, sagt sie. Der Junge ist etwa so alt wie der Holzkopf und schleppt eine riesige Tasche mit sich. Er trägt eine Brille, kurze schwarze Haare, eine blaue Hose und – wie ein Erwachsener – den dunkelroten Pullover locker über die Schultern geschlungen.

Ohne es zu wissen, steuern beide Jungen direkt aufeinander zu und stoßen – rumms! – gegeneinander.

„Aua!“, jault der Holzkopf.

„Alter! Kannst du nicht aufpassen?“, schimpft der andere Junge.

Dann blicken sie für einen Moment von ihren Spielen auf.

„Oh! Hallo Benedikt!“, sagt Rüdiger verlegen.

„Hey Rüdiger“, sagt Benedikt.

„Ganz schön große Tasche“, sagt Rüdiger. „Was hast du denn da drin?“

„Wirst dich wundern“, prahlt Benedikt.