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Er band sie fest, mit den Handgelenken am Stahlgitter über ihrem Kopf. Ihre Beine fesselte er an die Seiten des Bettgestells. Ihr Körper wurde brutal gestreckt. Ihre Scham und ihre Brüste waren schutzlos preisgegeben. Sie hatte diesen Mann mal geliebt. Sie konnte sich kaum noch daran erinnern. Er sah ihr in die Augen, als er sie würgte. Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Sie spürte Todesangst. Sie spürte seine Hand in ihrer Scham. Er rieb ihre Schamlippen und ihre Klitoris schnell und hart. Das hatte er schon immer so gemacht. Wieso kapieren Männer nicht, dass sie Frauen auf diese Weise keine Lust schenken? Irgendwann hatte sie es aufgegeben, ihm das zu unterbreiten. Da war er schon brutal geworden, hatte vor allem Spaß daran, sie zu quälen. Sie spürte, wie er versuchte, mit dem Mittelfinger in sie einzudringen. Das tat weh. Sie war noch gar nicht feucht. Jetzt ließ er von ihr ab, richtete sich auf. Sie sah seine Erektion unter dem Stoff seiner Jeans, spürte seine Erregung. Die Erektion würde sich sofort verflüchtigen, wenn er versuchen würde, mit ihr Liebe zu machen. Sie wusste das aus quälend vielen gescheiterten Versuchen. Wenn er sie schlug, stand sein Schwanz wie ein Stehaufmännchen. 

Wann hatte das angefangen? Dass sie ihn verachtete? Sie durfte ihm das auf keinen Fall zeigen. Nie. Sie würde das nicht überleben. Jetzt hatte er die Reitgerte in der Hand. Er schlug sie rhythmisch auf die Brüste und zwischen die Beine. Er versuchte, ihre Brustwarzen und ihre Klitoris zu treffen. Mit jedem dritten Schlag. Darauf konnte sie sich ein wenig einstellen. Sie versuchte jedes Mal, wenigsten ein paar Millimeter auszuweichen. Wenn er ihre Klitoris direkt traf, wurde ihr schlecht vor Schmerz. Sie atmete schnell, spürte ihre wachsende Erregung. Sie hasste ihren Körper dafür. 

Jetzt nahm er den Elektroschocker vom Nachttisch. Als er ihr dieses Ding beim ersten Mal gezeigt hatte, hatte sie zuerst geglaubt, es sei ein Mikrofon. Er drückte ihr den Schocker tief in ihre mittlerweile weit geöffnete nasse Möse. Sie spürte die schnellen heißen Stromstöße. Sie breiteten sich von ihrer Scham über den ganzen Unterleib aus. Sie sah wieder sein Gesicht über sich. Er sah ihr triumphierend in die Augen. Ihr Körper bebte vor unfreiwilliger Lust. Er drückt das Gerät so weit wie es ging in sie rein. Mit der anderen Hand drückte er ihren Kopf in die Matratze. Er hielt ihr Mund und Nase zu. Sah sie direkt an. Wollte den Augenblick in ihren Augen wahrnehmen, wenn ihr Körper zum Orgasmus kam. Weinend wurde sie von der Lustwelle überrollt. Er schlug sie ins Gesicht, bevor er sie losband. „Hast deinen Spaß gehabt, Fotze!“


Der Wagen war jetzt direkt neben ihr. Sie sah das Martinshorn und den silbergrau-blauen Anstrich des Fahrzeugs. Die neue Aufmachung des Hamburger Polizei-Fuhrparks. Mist, die Bullen. Sie spürte ihr Herz im Hals schlagen. Sie sah nochmal genau hin. Der Wagen war nur einfach besetzt. Sie beendete den Überholvorgang und kontrollierte den Tacho. 150 Sachen. Hatte es eine Geschwindigkeitsbegrenzung gegeben? Sie hatte nichts gesehen. Sie sah schon seit einer Stunde kaum noch was, seit ihr sein Schlag die Lippe gespalten hatte. Sie hatte auf der Zunge den Messing-Geschmack des Blutes geschmeckt hatte. Ihr eigenes Blut. 

Sie hatte nicht gesehen, dass das ein Polizeiwagen war. Sie hatte einfach draufgehalten. Wahrscheinlich viel zu hohe Geschwindigkeit. Idiotisch. 

Sie hörte die Sirene, sah das Blaulicht im Rückspiegel. Das Fahrzeug kam schnell näher. Sie drückte das Gaspedal durch. Wenig Hoffnung. Sie wusste, was Piets Karre hergab. Nein, sie würde ihn nie wiedersehen. Piets Karre. Schlägerschwein Piet. Scheißtyp, Mistkarre. Sie sah in den Rückspiegel. Der Polizeiwagen war neben ihr. Sie wurde ruhig. Gefährlich ruhig. Kein Entschluss. Die Bewegung kam von selbst. Der Kotflügel des Polizeiwagens war knapp hinter ihrem. Der Bulle war abgelenkt. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie er mit der Hand auf dem Beifahrersitz rumsuchte. Sie riss den Wagen nach links. Sie traf ihn unvorbereitet. Mit voller Wucht. Sie riss das Lenkrad wieder zur anderen Seite und gab Gas. Es hatte gereicht. Sie hörte das Kreischen der Reifen. Das splitternde Krachen. Sie sah im Rückspiegel, wie der Wagen gegen die Straßenbegrenzung knallte. Sich seitwärts überschlug. Das Martinshorn röhrte weiter. Es wurde rasch leiser. Ein letzter Blick zurück. Der Wagen lag auf der Seite. Das Bild war unwirklich.


Anja war nicht da. Oliver stieg die Wendeltreppe hoch. Die hatte es in sich. Oliver erinnerte sich: Julia war hier mal alle dreiundzwanzig Stufen runtergekegelt. Ferien mit Verena. Das war jetzt schon zehn Jahre her. Nicht zu fassen. Genau in diesem Haus. Als Verena und er noch ein Liebespaar waren. Julia musste damals drei Jahre alt gewesen sein. Ein glattes Wunder, dass ihr bis auf die dicke Beule an der Stirn nichts passiert war. Da konnte man pusten. Schnell ein kaltes Messer holen. Mit beruhigender Stimme eine Geschichte erzählen, während das Kind schrie wie am Spieß. 

Zum Beispiel die Geschichte von dem Hengst Kasimir und seiner kleinen Pferdeschwester Annika. Die wollte unbedingt weg, weg, abhauen, weg. Alleine die Pferdewiese verlassen, wo sie zu Hause war. Die gefährliche Straße allein überqueren. Weil sie jetzt schon groß war. Annika war dann auf einen Baum geklettert, um die Landschaft besser überblicken zu können. Was für ein Fohlen ihres Alters eine große Leistung war. Wie ging das weiter? Annika wusste nicht mehr, wie sie wieder runterkommen sollte. Deshalb musste sie von der guten Hexe Esmeralda gerettet werden. Kasimir kannte die gute Hexe von früher. Er ist schnell zu ihr hingelaufen: „Du bist doch eine gute Hexe! Bitte komm und rette meine kleine Schwester. Sie sitzt oben auf der großen Buche und weiß nicht, wie sie wieder runterkommen soll.“ 

Am Schluss der Geschichte hatte Julia Schrecken und Schmerz schon vergessen. Sie hatte Oliver mit großen verweinten Augen angeguckt und nur noch wissen wollen, ob alles gut ausgeht. Oliver hatte ein großes weißes Stofftaschentuch geholt. Und Julia musste mit aller Kraft schnauben. Damit der Schnodder und die Tränen weggingen.

Heute war Julia dreizehn, und schon eine Andeutung solcher Kindergeschichten war ihr peinlich. 

Und Oliver und Verena waren kein Liebespaar mehr. 

Anja war wirklich nicht da. 

Oliver war auf der Dachterrasse angekommen. Wie jedes Mal blieb er unwillkürlich stehen. Der Blick war überwältigend. Von hier aus konnte man den Küstenstreifen kilometerweit überblicken. Sanft geschwungene Hügel, die von Jahr zu Jahr mehr von Gewächshäusern überwuchert waren und sanft zum Meer hin abfielen. Hinter dem Haus stiegen sie an bis hoch zum Monte Faudo. Ihr „Hausberg“. Unter alpinen Gesichtspunkten uninteressant. Aber eben ihr Hausberg. Sogar Julia konnte damals motiviert werden: Es gab „Edelsteine“ auf dem Schotterweg, weiße Kiesel, die in der Sonne glitzerten. Julia sammelte Berge davon ein. Nach dem Urlaub waren sie schnell wieder vergessen. Aber für einen langen Nachmittag waren sie ein unbeschreiblich wertvoller Schatz. Weiter unten, auf halbem Weg zum Küstenstreifen, die Autobahn. Der Wind stand günstig. Man konnte nichts hören. Ohne den Lärm der singenden Reifen sah auch die Autobahn beinahe malerisch aus in der hereinbrechenden Dämmerung. Eine Kette von roten Bremsleuchten der LKWs, die im Tunnel Richtung Imperia verschwanden. Eine Kette, die sich endlos erneuerte.

Oliver reckte sich. Er zündete sich eine Zigarette an. Ungefähr die vierzigste heute. Die Luft im Wagen war selbst ihm zum Schluss zu dick geworden. Er war durchgefahren. Das „Stattauto“, das er sich für den kurzen Urlaubstrip geliehen hatte, war technisch in Ordnung. Aber eben reichlich klein für gut 1300 Kilometer Strecke in einem Rutsch. Er hatte den Polo genommen. Im Rückblick hätte er besser ein paar Euro mehr investiert. 

Er fühlte sich zerschlagen. Es lag nicht nur an der Autofahrt. Er hatte zu viel gearbeitet in den letzten Wochen. Sofort war der innere Druck wieder da, als er daran dachte. Selbst hier noch, weit über tausend Kilometer von Hamburg entfernt. Er hatte sich so oft geschworen, niemals an zwei größeren Projekten gleichzeitig zu arbeiten. Und jetzt war er doch wieder reingeraten. 

Oliver lehnte sich über die Brüstung der Dachterrasse. Nicht nur die Berge waren zu sehen, auch das Dorf lag ihm zu Füßen. Die aneinandergeschmiegten Gemäuer waren in der Dämmerung kaum noch zu erkennen. Bis auf den Kirchturm, der von drei Seiten angestrahlt wurde und den Ort um sich versammelte wie eine Glucke ihre Küken. 

Zuerst hatte er Mahnke regelrecht überreden müssen. Allerdings nicht lange. Die Wahlerfolge und die massive Präsenz der rechten Szene in der Jugendkultur in Ostdeutschland beunruhigten die eher liberale Leserschaft des Hamburger Kuriers. Was war in diesem Feld in Hamburg los? Es lief gut. Vier Essays für die Wochenendausgaben waren inzwischen fertig. 

Oliver rauchte. Mittlerweile war es stockdunkel. Ligurien lag natürlich eine ganze Ecke weiter südlich als Hamburg. Die roten Rücklichter verschwanden immer noch im Tunnel der Autobahn. Von der Landschaft ringsum war fast nichts mehr zu sehen. 

Langsam konnte er sich entspannen. Bis auf eine Folge war die Artikelserie abgeschlossen. Über weite Strecken hatte das Spaß gemacht. Im Mittelpunkt stand jeweils ein Hamburger Viertel: die Schanze, St.Georg, Eimsbüttel, Altona, Ottensen. Der Alltag. Das Zusammenleben vor Ort. Integration und Abgrenzung. Alltagsnerv und Beispiele glückenden Zusammenlebens. Er wollte mit seinen Beiträgen der Präsenz von Neonazis in den Medien positive Beispiele eines gelungenen Alltags in der multikulturellen Stadt entgegenstellen. Die rechte Szene bekam in den Medien zu viel Aufmerksamkeit. Er hatte mit türkischen Gemüsehändlern in Altona gesprochen. Mit einer Kirchengemeinde, die sich für den Bau einer zentralen Moschee in St.Georg eingesetzt hatte (das Projekt war gescheitert). Der folgende Artikel handelte von einer Initiativgruppe an der Universität. Es ging um interreligiösen Dialog. Eine „Akademie der Weltreligionen“ sollte begründet werden. Schließlich hatte er mit Vertretern von türkischen Fußballvereinen gesprochen, mit deutschen und türkischen Spielern. Und mit den Fans. Dieser letzte Artikel würde am nächsten Wochenende rauskommen. 

Das Problem war das andere Projekt: Die Situation der Hamburger Polizei. Die Atmosphäre war vom ersten Recherchegespräch an völlig anders gewesen. Bisher waren zwei größere Artikel erschienen. Zwei weitere waren geplant. Manchmal schien es wie zum Verrücktwerden. Oliver hatte auf Granit gebissen, wenn er um ein Hintergrundgespräch gebeten hatte. In vielen Bereichen der Hamburger Polizei hatte man die Führungskräfte aus alten SPD-Zeiten mittlerweile entmachtet. Reden wollten die wenigsten darüber. Fast immer eisiges Schweigen. Besonders dann, wenn er mit Vertretern der neuen Polizeiführung über die Stimmung in der Kollegenschaft gesprochen hatte. Seltsamerweise auch dann Schweigen, wenn seine Gesprächspartner auf der Verliererseite standen. Was er trotzdem wusste, hatte er von Verena erfahren. Er konnte sich nicht auf sie berufen, wenn er sie nicht bloßstellen wollte. Für jede Information, die er von ihr bekam, brauchte er mindestens eine weitere Quelle.


Oliver stieg die Treppe wieder runter und machte sich auf den Weg durchs Dorf. Mit Einbruch der Dunkelheit war es empfindlich kühl geworden. Tagsüber war es im Oktober noch manchmal richtig warm. Jetzt kroch ihm die Kälte den Rücken hoch. Zu blöd, dass er die Strickjacke im Wagen gelassen hatte. Der stand am Friedhof. Oliver hatte keine Lust, jetzt nochmal hinzulaufen. Obwohl es schön aussah, wenn abends die Lichter vor den Grabstellen brannten. Eine große weiße Wand voller kleiner Öffnungen mit Urnen. Davor wurden in der Dämmerung von Hinterbliebenen Lichter angezündet. Oliver stand unschlüssig am Weg zum Friedhof. Eine schwarz gekleidete Frau mit schwarzem Kopftuch und groben schwarzen Schuhen kam ihm entgegen. Oliver sah kurz ihr Gesicht. Sie konnte nicht älter sein als dreißig Jahre. Kaum hielt man sich ein paar Kilometer von der Küste weg in den Bergen auf, schien die Zeit stillzustehen.

Er ging den gewundenen Fußpfad zur Piazza. Zündete sich wieder eine Zigarette an. Die Schachtel war bedrohlich leer. 

Er war bei seiner Recherche auf einige politisch ärgerliche und persönlich schmerzliche Schicksale gestoßen. Fast die gesamte Polizeiführung aus SPD-Zeiten hatte nichts mehr zu melden und verwaltete jetzt technisch-organisatorische Jobs. In der Polizei herrschte Verunsicherung, teilweise latenter Widerstand. Der richtete sich auch gegen den von der neuen Polizeiführung angeordneten Einsatz bei den Demos gegen den Abriss der Bambule-Bauwagen-Siedlung. Die Polizeiakademie war ausgedünnt worden. Politisch missliebige Lehrende wurden versetzt. Mittlerweile traf die Umstrukturierung auch die örtlichen Kommissariate. Manche von den Beamten hatten ihm regelrecht leidgetan. Aber so waren die Spielregeln. Oliver war genügend Profi in seinem Beruf, um zu wissen, dass er nach der nächsten Wahl ähnliche Gespräche mit Polizeibeamten führen würde. In umgedrehter Konstellation, sollte die SPD wieder mal eine Wahl gewinnen. Manche, die jetzt gehen mussten, waren ihm sympathischer als die Kollegen mit dem jetzt angesagten Parteibuch. Das stand auf einem anderen Blatt. 

Die Wege in Costa Rainera waren so eng, dass bestenfalls die unvermeidlichen Piaggio-Roller durchfahren konnten. Das war typisch für die Dörfer hier. Irgendwann zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert musste es in dieser Gegend einen regelrechten Bauboom gegeben haben. Im Wesentlichen schien die Bausubstanz in den Ortskernen unverändert. Über den Wegen waren gegenüberliegende Häuser oft durch Bögen verbunden. Einige malerische Häuser präsentierten sich verfallen. In den letzten Jahren wurden sie teilweise wieder aufgebaut und bewohnt. Oft von Deutschen, die sich hier billiges Wohneigentum verschafft hatten. Oliver hatte diesen Prozess über Jahre hin verfolgt. Zuerst wenig begeistert, dann zunehmend mit ambivalenten Gefühlen. Auch Einheimische kehrten jetzt nach und nach in ihre Dörfer zurück, die sie vor Jahren auf der Suche nach Jobs verlassen hatten.

Anja war nicht da. 

Oliver zog erbittert die Nase hoch. 

Er rechnete nicht im Ernst damit, dass er sie auf dem Weg treffen würde. Aber er wusste auch nicht, was er sonst tun sollte. Es gab in diesem Dorf kein Restaurant, nicht einmal eine Bar. Auf der Piazza schräg gegenüber der Kirche war der Lebensmittelladen noch geöffnet. Oliver warf einen Blick rein, aus alter Gewohnheit. Nicoletta ließ ihre Kundinnen stehen. Sie hatte Oliver sofort erkannt, obwohl er schon Jahre nicht mehr hier gewesen war. Er hatte damals jeden Morgen Panini geholt. Und als Zugabe Dolce, kleine Gebäckstücke mit Schokolade oder Mandel. Julia war wild hinter ihm her gewesen. Oliver sprach so gut wie kein Italienisch und verstand nur einige Brocken. Trotzdem hatte er bei seinen Besuchen im Laden lange „Gespräche“ mit Nicoletta geführt. Mit Händen und Füßen. Unter Mitwirkung aller italienischen Kundinnen, die anscheinend endlos Zeit hatten und für die so ein Gespräch mit Händen und Füßen eine erfreuliche Abwechslung war. „Wo du gewesen? Du liebst uns nicht mehr?“ Nicoletta fuchtelte ihm scherzhaft mit der Faust unter der Nase rum. Anscheinend hatte sie inzwischen besser Deutsch gelernt als er Italienisch. Wahrscheinlich für die Touristen. Oliver lachte und versprach, am nächsten Morgen wiederzukommen.

Im Dorf weiterzusuchen war sinnlos. Oliver konnte jetzt unmöglich allein ins Haus gehen. Er machte sich auf den Weg nach Cipressa. Da gab es mehrere Läden, eine Bar und zwei Restaurants. Die Straße bewegte sich parallel zur Küstenlinie. Das Meer, das etwa zweihundert Meter weiter unten träge an den Strand schwappte, verschwand langsam im Dunst. In der Ferne glimmten die Lichter eines Kreuzfahrtschiffes. 

Im Grunde entpuppte sich die ganze Aktion als schwachsinnig. Zum Scheitern verurteilt. Ein Hirngespinst, von Anfang an. Nicht erst, als Anja am verabredeten Treffpunkt nicht erschienen war. 

An der U-Bahnhaltestelle Schlump. Oliver hatte mit Mühe und Not einen Parkplatz ergattert. Er war den dreistöckigen Bau Rolltreppe für Rolltreppe in die Tiefe gefahren, vom Bahnsteig der U3 zur U2 und dann wieder rauf. Sie hatten verabredet, dass Anja den Flieger nach Genua nehmen würde. Sie wollte sich dann mit der Küstenbahn bis San Lorenzo al Mare und von dort mit dem Taxi durchschlagen. Falls sie es nicht schaffen würde, bis Samstag frühmorgens 5.30 Uhr am Schlump zu sein. 

Sie war mit irgendeiner brisanten Recherche beschäftigt. Sie hatte Oliver nicht viel drüber erzählt. Aber immerhin so viel, dass er kapiert hatte: Es schien einiges für sie auf dem Spiel zu stehen. 

Oliver hatte sich in der Eingangshalle aufgebaut. Es hatte nach Lakritzbonbons gerochen, die hier tagsüber von der Verkäuferin gekocht wurden. Sie dufteten verführerisch. An diesem Morgen war nur ein Hauch davon zu spüren, vermischt mit dem Geruch von Urin und Reinigungsmitteln. Durch die großen Glasfenster hatte er das türkische Restaurant sehen können, das seltsamerweise eine der besten Currywürste mit Pommes und Majo der Stadt anbot. Besser als die ebenfalls leckeren „Curry am Grindel“-Würste mit scharfer Soße und gebratenen Zwiebeln. 

Frühmorgens war es noch geschlossen. 

Oliver hatte eine Stunde gewartet. Sicherheitshalber. Anja war nicht gekommen. 

Ihre Handy-Mailbox hatte gequakt, sie sei „not available“. Das hatte sich während der elend langen Tour durch Deutschland, durch die Schweiz und Norditalien nicht geändert. 

Oliver hatte ärgerlich das Knöllchen zur Kenntnis genommen, als er in diesen endlosen Tag gestartet war. Kein Stau. Immerhin. Er konnte glatt durchfahren. Bis auf einige unvermeidliche Halts zum Pinkeln und Kaffeekaufen. 

Einmal hatte er sich einen Hamburger geholt. Einige Raststätten auf dem Weg nach Süden waren an die großen Fast-Food-Ketten vermietet. An manchen Stationen gehörten die Klos jetzt „Mc Clean“. Es gab Schranken vor dem Einlass. Pinkeln kostete jetzt Geld. Oliver hatte zu spät kapiert, dass er den Bon im Restaurant hätte einlösen können. Er hatte seinen Kaffee bereits hinter sich.

Mittlerweile wurde es stockdunkel. Als Oliver in Cipressa ankam, merkte er, wie hungrig er war. 22 Uhr, das Restaurant an der Piazza hatte schon geschlossen. Die kleine Wirtschaft im Unterdorf erst recht. Da musste er nicht mehr nachsehen. 

Die Bar war zum Glück noch offen. Er bestellte einen Campari, zehn Minuten später einen trockenen Rotwein. Das tat gut. Er war leicht benebelt. Er orderte noch einen. 

Oliver konnte sein Bild in der gegenüberliegenden Fensterscheibe sehen. Müde sah er aus. Er guckte an sich runter. Immerhin schlank und gut trainiert. Das war ewig her, dass er am Anfang seines Studiums Karate trainiert hatte. Er hatte mit neunzehn angefangen und mit zweiundzwanzig aufgehört. Seitdem hatte Karate in seinem Leben keine Rolle mehr gespielt. Die täglichen Fahrradfahrten durch Hamburg hielten ihn in Form. 

Oliver fuhr sich durch die kurz geschnittenen Haare. An den Schläfen wurden sie grau. 

Er hörte auf, sein Spiegelbild zu betrachten, als er merkte, dass der Mann hinter der Theke ihn belustigt beobachtete.

In der Bar war nicht viel los. Einige Nachtgestalten an der Theke, vom Aussehen her Einheimische. Er blieb der einzige Tourist an diesem Abend. In der Ecke stand ein Zigarettenautomat. Wenigstens das größte Problem gelöst. Oliver nahm seinen Wein mit und setzte sich an den kleinen Tisch mit Blick zum Meer. Man konnte es jetzt nicht mal erahnen. 

Er wollte mit seinen Gedanken allein sein. Er versuchte nochmal, Anja über Handy zu erreichen. Er wusste eigentlich schon, was kommen würde. Die Mailbox verkündete weiterhin „not available“. Auf den Anrufbeantworter hatte er dreimal gesprochen. Anja war nicht da. Hier nicht und zu Hause auch nicht. 

Oliver bestellte zum nächsten Glas Rotwein drei Packungen Erdnüsse. Das einzige, was es um diese Zeit noch gab. Es musste reichen. Das würde eine üble Nacht werden.

Mit jedem Glas Wein fühlte sich der Körper leichter an. Oliver fühlte sich nicht mehr deprimiert. Er hatte das geahnt. Schon als sie sich auf diese Fahrt verständigt hatten, nach einem zerstrittenen und verweinten und dann beim Griechen nach dem sechsten Ouzo wieder versöhnten Abend. Ein letzter Versuch, Klarheit zu bekommen in Gefühle und in die Beziehung. 

Eigentlich wusste er das da schon. Das hatte nichts werden können.


Zärtlich war Piet nie gewesen. Als er sie das erste Mal genommen hatte, hatte er sie an der Kletterwand festgeschnallt, an der er sich fit hielt. Sie wusste von Anfang an nicht recht, ob sie verliebt war. 

Sie fand ihn erregend. 

Er handelte kompromisslos. Er zeigte immer, was er wollte. Er blieb uneingeschränkt der Boss. Und sie wollte zu seiner Gang dazugehören. 

Das war nicht das Wichtigste, wenn sie ehrlich war. Am Anfang hatte es ihr Lust bereitet, ausgeliefert zu sein. Vollkommen schutzlos hingegeben. Er konnte mit ihr machen, was er wollte. 

So sehr sie das später abgestoßen hatte, mit jedem Mal mehr: Zuerst hatte ihr es Lust bereitet. Mindestens das erste Vierteljahr. Bevor er mit dem Messer anfing.

Das war jetzt ein Jahr her. Sie hatten den ganzen Abend getrunken und heiß diskutiert. Nein: Eigentlich hatte Piet geredet, und die anderen hatten zugestimmt. Nach und nach waren alle aufgebrochen. Als sie mit Piet allein blieb, hatte er sie gefragt, ob sie noch mitkommen wolle.

Es war stockdunkel und regnete. Sie war angetrunken und ein bisschen erregt. Piet hatte ihr das ganze Anwesen gezeigt und dann den Teil des Gehöfts aufgeschlossen, den er als Trainingsraum ausgebaut hatte. Überall lagen Gewichte rum, Hanteln, Bälle. Der hallenähnliche Raum war mit Sportmatten ausgelegt. In der Ecke lag ein Medizinball vor einem Schränkchen.

Piet schloss die Tür von innen zu. „Ist besser so“. Er hielt sie am Handgelenk fest. „Ich lauf schon nicht weg.“ Sie kicherte, hatte ein bisschen Angst. Mit der freien Hand rollte Piet den Medizinball weg und öffnete das Schränkchen. Es quoll über von Werkzeugen, deren Funktion ihr unklar war. Viel Leder, viel Stahl. Piet nahm ein paar Lederriemen aus dem Schrank. „Komm!“ Er zog sie zum Klettergerüst und schnallte eins ihrer Handgelenke so weit oben fest, dass sie auf Zehenspitzen stehen musste. „Lass das!“ Er kitzelte sie mit beiden Händen in den Hüften. Blöderweise hatte sie ihm vorhin beim Bier erzählt, wie kitzelig sie dort war. Sie krümmte sich, keuchte vor Lachen. „Bitte! Nein!“ Sie brüllte vor Lachen, schluchzte, bekam kaum Luft. 

Er schnallte ihr das andere Handgelenk fest. Ihr Rumpf war jetzt weit ausgespannt. Ihre Brüste traten raus. Er zerriss ihre Bluse und schob ihr den BH tiefer, so dass die Büste hochgedrückt wurden. Sie versuchte, nach ihm zu treten. Er schnappte sich einen Fuß und schnallte ihn an einer unteren Holzstrebe fest. Dann den anderen. Die Beine waren weit gespreizt. Ihr Körper wurde fast überdehnt. Ihr war übel. Zugleich spürte sie, dass sie erregt war. 

Er öffnete ihre Jeans, holte das Stilett raus, das sie schon in der Kneipe an seiner Seite gesehen hatte. Er zerschnitt ihr Höschen. „Du bist ganz feucht.“ Er masturbierte ihre Möse schnell und roh. Mit der anderen Hand drückte er ihr Mund und Nase zu, ließ nur ab und zu ein wenig Luft durch. Sie bekam Panik. Versuchte zu atmen. Und gleichzeitig wurde ihr Körper von einer Welle von Lust überrollt. Sie schrie auf dem Höhepunkt ihrer Lust. Piet lachte. Er holte eine Gerte aus dem Schränkchen, wie sie sie aus der Zeit kannte, als sie noch ein Reitermädchen war.  Er schlug sie auf die Brustwarzen und zwischen die Beine. Er lachte über ihre kurzen Schreie, jedes Mal, wenn er ihre Klitoris traf. „Du willst das, Fotze!“ Sie weinte und konnte nichts dagegen machen, dass ihre überreizten Schamlippen, ihre Klitoris, schließlich ihre Vagina und ihr ganzer Unterleib unter seinen Schlägen in einem neuen langanhaltenden Orgasmus erzitterten. 

Danach fehlten ihr ein paar Minuten. 

Sie wachte neben ihm auf, in einem großen Wohnzimmer, das Piet anscheinend für sich allein hatte. Er schnarchte laut. Sie hätte jetzt gehen können. Vorsichtig. Heimlich. 

Sie blieb. 

2


Oliver hatte Herzrasen. Wie so oft, wenn er zu viel Wein getrunken hatte. Er war plötzlich wach geworden. Sein Mund war ausgetrocknet bis in den Rachenraum rein.  Er hatte keinen Schimmer, wie er in die Ferienwohnung zurückgefunden hatte. 

Dieses Angstgefühl. Nicht zu wissen, wo du bist. Nach einer Weile erinnerte sich sein Körper. Er stolperte aufs Klo. Der Kopf hämmerte. Er sollte nicht so viel trinken. Vor allem nicht so viel rauchen. 

Er ging auf die Dachterrasse. An der Stelle, wo im Himmel die Sonne aufgehen würde, ließ sich schon die leichte Dämmerung erahnen. Der Horizont über dem Meer lag in einem dunklen Grau. 

Oliver holte sich seine Decke und kuschelte sich auf dem Liegestuhl ein, der auf der Terrasse stand. Drinnen würde er keinen Schlaf finden, wenn erstmal die Fliegen aufgewacht waren.

Anja hatte sich angespannt gezeigt bei der letzten Begegnung. Irgendwas schien sie zu beunruhigen. Schon bevor sie auf ihre Beziehung zu sprechen kamen. Sie hatte ihm Andeutungen von einer Recherche gemacht. Gemeinsam mit Runi, ihrem Kollegen von der Sportredaktion. Mit vollem Namen Rudolf Nikolaus Manzer. Jeder in der Redaktion nannte ihn Runi. Netter Mensch. Sie forschten irgendwelchen undurchsichtigen finanziellen Transaktionen hinterher. Im Hamburger Fußball. 

Bei dieser Recherche ging es um Fangruppen mit Kontakten zur politisch rechten Szene. Oliver hatte nicht genau zugehört. Obwohl ihn das Thema interessierte. Es hatte schon lange kein Gespräch mit Anja mehr gegeben, das ihn gefesselt hätte. Wenn der Sex nicht wäre, hätten sie sich längst nichts mehr zu sagen. 

Oliver hatte an diesem Abend wieder dieses leere Gefühl gespürt. Vom Bauch bis rauf in die Kehle. „Lass mal. Macht mir keinen Spaß mehr.“ Er hatte Anja vorgeschlagen, dass sie aufhören sollten, miteinander Sex zu haben. Zunächst hatte ihm das eine eigenartige Befriedigung verschafft: Mit einer Frau zu schlafen, mit der er sich nicht länger als eine Viertelstunde unterhalten konnte, ohne sich zu langweilen. Lange hatte er nicht geschafft, mit Anja darüber zu reden. An diesem Abend war es aus ihm rausgekommen, ohne dass er das geplant hätte. 

Anja hatte sich steif gemacht. Ein bisschen geweint. Er war sofort zurückgerudert. Hatte ein verlängertes Wochenende in Ligurien vorgeschlagen: Das Wasser ist noch warm. Wenn die Sonne scheint, können wir sogar noch am Strand liegen. 

Oliver hasste sich für seine Unklarheit. Er konnte sich nicht erklären, was Anja dazu gebracht hatte, sich auf diesen abstrusen Vorschlag einzulassen. Es war an diesem Abend gekommen wie immer. Natürlich hatten sie miteinander gevögelt. Natürlich war es körperlich befriedigend gewesen. Er hatte sich danach hohl und elend gefühlt. 

Sie wahrscheinlich auch. 

Oliver wachte davon auf, dass ihm Tropfen den Hals runterliefen. Fluchend packte er sein Bett zusammen. Es war klitschnass. Drinnen zündete er sich die erste Zigarette an. Zum Glück hatte er den Fön eingepackt. Oliver fröstelte. Selbst drinnen war es feucht. Er versuchte, den Gasofen in Gang zu bringen. Wenn es sich jetzt einregnen würde, dann würde es den ganzen Tag lang regnen. Nach dem fünften Versuch breitete sich endlich die bläuliche Flamme aus. Es stank im ganzen Raum nach Gas. Es gab nur diesen einen lang gestreckten Raum. Am einen Ende die Bettstatt, am anderen die Küchenzeile mit der Tür zum Klo dahinter. In der Mitte der rustikale Tisch. Eine Schnapsidee, an einem solchen Ort eine Beziehung klären zu wollen. Bei diesem Wetter. Und überhaupt. 

Oliver stellte Kaffeewasser auf den Gasherd. Zum Glück wurde es langsam warm. Aber es gab weder Kaffeetüten noch Kaffee. Und auch sonst nichts. Oliver fluchte. Er hatte kein Regenzeug dabei. Er hatte mit Sonne gerechnet. Er fand eine alte Plastiktüte. Er hielt sie sich über den Kopf und joggte durch die regennassen Gassen. Als er in Nicolettas Laden angekommen war, war er klitschnass.

Nicoletta traf er dort nicht. Auch keine Kundin. Der Laden war sonntagvormittags geöffnet, immerhin. Nicolettas Mutter bediente. Eine schwarz gekleidete, vielleicht fünfzigjährige Frau. Sie sah erheblich älter aus. Wieso werden die Frauen in dieser Gegend so schnell alt und so schnell korpulent, sobald sie verheiratet sind und Mütter? Bis zur Heirat sind junge Frauen schön und verführerisch. Sobald das erste Kind da ist, sind sie Matronen und tragen schwarze Kleidung.

Meine Güte, war er mies drauf. Glatter Chauvinismus. Keine Ahnung, was in diesem Land vorgeht, aber auf jeden Fall eine Meinung dazu haben. Nicolettas Mutter hatte keine Lust auf lange Mit-Händen-und-Füßen-Gespräche. Er war auch nicht in Stimmung. Nach drei Minuten stolperte er wieder raus in den Regen. Als er in der Wohnung angekommen war, hatte er keinen trockenen Faden mehr am Körper. 

Oliver sah in den Regen hinaus. Er saß den ganzen Tag vor dem Gasofen und trank Kaffee. Nach dem Mittag begann er mit Campari. Er rauchte. Die Luft im Raum war bald so hinüber, dass er auf die Dachterrasse rausging. Er ließ die Tür offen und drängte sich an die Wand. Der Regen lief ihm trotzdem in die Schuhe. Von der Küste war nichts zu sehen. Dicker Nebel kroch die Hügel hoch. Es dämmerte. 

Wieviel hatte er getrunken? Vielleicht vier Campari. Oder fünf. Er konnte hier nicht bleiben. Oliver joggte nochmal ums Dorf, um wieder klar zu werden. Er hatte noch drei Schachteln Zigaretten. Das musste reichen. Er würde die Nacht durchfahren. Wenn er die Straße nicht mehr klar sehen würde, würde er auf einen Parkplatz fahren und die Augen zumachen. 

Hier ging nichts mehr.


Sie hatte versucht, ihn zu verführen. Nicht nur einmal. Sie fand ihn so sexy. So dominant. Er war der uneingeschränkte Herrscher der Gruppe. King aller Bewohner des Camps. Und sie gehörte ihm. Wenn sie ihn bloß ansah, wurde sie erregt. 

Beim ersten Mal reagierte sie komplett überrascht. Sie lag neben ihm, hörte seinem Schnarchen zu. Sie hatte ihr Leben aufgegeben, um hier zu sein. Sie wollte ihn. Sie wollte nicht immer nur festgebunden und geschlagen werden.

Sie schmiegte sich an seine Seite. Nahm seinen Schwanz in die Hand. Rieb ihn sanft. Sobald sie erste Anzeichen merkte, dass er steif wurde, legte sie sich auf ihn. Piet wurde wach, sah sie erschrocken an. Er sah fast ein wenig weich aus. „Lass das!“ Sie wollte ihn nicht loslassen. Bewegte sich auf seinem Körper. Versuchte, seinen Schwanz zwischen ihren Beinen zu fangen. Sie merkte, dass da nichts war. Nur ein kleines Krümelchen, das unter ihrem Schenkel hin- und her rollte. Piet drehte sich unter ihr weg, schubste sie beiseite. Er zog sich die Unterhose an und ging raus auf den Innenhof eine rauchen.

Sie warf sich den Bademantel über und ging hinterher. „Das macht doch nichts. Das kann passieren. Für mich ist das nicht schlimm.“ Er antwortete nicht. Als er ihr das Gesicht zudrehte, sah sie ein gefährliches Glimmen in seinen Augen. Er packte sie am Hals und drückte sie brutal gegen die Wand, die den Innenhof ringsum nach außen abschloss. „Mach das nie wieder!“ Sie schluckte, versuchte Luft zu bekommen. Aus den Augenwinkeln sah sie die Erektion in seiner Unterhose.  


„Herr Kienbaum. Mir wäre es lieb, wenn Sie in der Lage wären, einen halbwegs klaren Satz rauszubringen.“

Mahnke war nervös, schon seit Beginn der Konferenz. 

Oliver war gleich in die Redaktion gefahren. Zwei Stunden Schlaf, kurz hinter Ulm. Die ganze A7 rauf. Zuerst Regen, dann ab und zu dichter Nebel. Er war insgesamt gut durchgekommen. Jedenfalls bis kurz vor Hamburg. Als er um zehn Uhr den Stau vor dem Elbtunnel hinter sich hatte, war es für Wohnung und Kaffee zu spät.

„Haben Sie den Eindruck, wir wären allein in der Stadt? Die Konkurrenz in stille Depression verfallen? Haben Sie das Abendblatt gelesen?“

Oliver hatte das Abendblatt nicht gelesen. Molz gegenüber feixte. Meinhard Molz. Seit einem Jahr neu in der Redaktion. Aufsteiger. Mitte dreißig. Clever. Ehrgeizig. Lokalredaktion, scharf auf Kriminal- und Gerichtsfälle, Olivers Ressort. 

„Molz, können Sie Herrn Kienbaum auf die Sprünge helfen?“

Das war gemein. Oliver sah Mahnke vorwurfsvoll von der Seite an. Mahnke wusste von der Konkurrenz zwischen ihnen. Oder ahnte es zumindest. Oliver hätte ihm nicht zugetraut, dass er sie gegeneinander ausspielen würde. 

Mahnke zwinkerte ihm zu. Oliver entspannte sich etwas.