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Peter Herrmann

Konflikte überwinden, Blockaden bewältigen

Inhalt

Vorwort

1 Einleitung

1.1  Warum systemisch?

1.2  Schulen sind (in) ein komplexes System (eingebettet)

1.3  Konfliktfelder in Schulen

1.4  Das Auftragsmultilemma

2  Grundlagen des systemischen Denkens und Handelns in der Pädagogik

2.1  Quellen des systemischen Denkens

2.2  Die Konstruktion von Wirklichkeit: Was und wie wir wahrnehmen

2.3  Das, was ich bei dem anderen beobachte, sagt etwas über mich aus

2.4  Will man ein Verhalten verstehen, so ist es wichtig, es im jeweiligen Kontext zu betrachten

2.5  Wechselwirkungen in der Interaktion

2.6  Ich habe keine Kontrolle über das, was andere denken und fühlen

3  Lernen und Bindung

3.1  Menschen als geschlossene, autonome Systeme

3.2  Lernprozesse als Grundlage für Veränderungen

3.3  Was sagen die Neurowissenschaften zu den Lern- und Veränderungsmöglichkeiten des Menschen?

3.4  Denk- und Verhaltensblockaden als Folge unbewusster Prozesse

3.5  Einen sicheren Rahmen schaffen: Konsequenzen für Unterricht, Gesprächsführung und Beratung

3.6  Bindungen und Resonanz: Voraussetzungen für den guten Kontakt zu Schülerinnen und Schülern

4  Neue Wege finden: Wie neue Verhaltens- und Haltungsmuster aufgebaut werden können

4.1  Warum einfache Veränderungen oft nicht ausreichen

4.2  Woran man nachhaltige Veränderungen erkennen kann

4.3  Probleme nicht »wegmachen«, sondern ergänzen

4.4  Nicht jeder Teil ist mit der Veränderung einverstanden – Gegenregulationen des Bezugssystems

4.5  Von erfolgreichen Strategien lernen: Ausnahmen vom Problem und die Lösungsorientierung

5  Wie wir Informationen verarbeiten und Probleme bzw. Lösungen produzieren

5.1  Wahrnehmung, Bedeutungsgebung und Wahrnehmungstrübungen

5.2  Wahrnehmungsstrategien

5.3  Was unser Verhalten und unsere Einstellungen bestimmt

6  Motivation und Ziele

6.1  Wie Motivation entsteht

6.2  Pädagogische Aspekte der Kommunikation und Motivation

6.3  Der systemische Umgang mit herausforderndem Verhalten

6.4  Andere für Veränderungen gewinnen – Sinnstiftung und Nutzenargumentation

6.5  Wie sinnvolle Ziele gut konstruiert werden können

7  Trancephänomene in der Schule: Die unbewussten automatisierten Regelprozesse der Interaktion

7.1  Ich nehme nur noch wenig wahr: Tunnelblick

7.2  Das Vergessen der eigenen Fähigkeiten: Amnesie

7.3  Ich stehe neben mir: Dissoziation

7.4  Ich bin tief emotional beteiligt: Assoziation

7.5  Ich bin inkompetent und hilflos: Altersregression

7.6  Ich kann alles besser: Altersprogression

7.7  Die Grenzen werden aufgelöst: Identifikation

7.8  Befürchtungen entwickeln: negative Halluzinationen

8  Die systemische Schule

8.1  Was ist Systemische Pädagogik?

8.2  Die Funktionen von Schule aus systemischer Sicht

8.3  Schule systemisch leiten: Die systemische Schulleitung

8.4  Zusammenfassung: Prinzipien einer systemischen Schule

9  Systemische Schulpädagogik als kokreativer Prozess

9.1  Wer ist in Schule und Unterricht für was verantwortlich

9.2  Die Haltung der systemischen Pädagoginnen und Pädagogen

9.3  Prinzipien für systemische Pädagoginnen und Pädagogen

9.4  Zusammenfassung: Zehn Aspekte einer systemischen Pädagogik

10  Werkzeuge der systemischen Pädagogik als Einladungen zur Veränderung

10.1  Die Kunst der Problem- und Konfliktkonstruktion

10.2  Die systemische Lösungshaltung aufbauen

10.3  Wie ich andere zur Kooperation einladen kann

10.4  Systemische Werkzeuge für besondere Problemsituationen in Schulen

11  Blockaden in Schulen lösen – die Ebenen des Lernens

11.1  Die Ebenen des Lernens in der Organisation Schule

11.2  Begleitung von Schülerinnen und Schülern mithilfe der Lernebenen

11.3  Weitere Systemische Checklisten für die Schulentwicklung und die Begleitung von Schülerinnen und Schülern

Literatur

Online-Material

Vorwort

»Ich vertrete eine systemische und konstruktivistische Perspektive für die Pädagogik generell und die Schulpädagogik speziell, die eine mögliche Richtung von vielen anderen ist. Jede(r) mag gleich für sich sehr genau prüfen, inwieweit diese Sichtweise und die hier dargestellten Strategien, Methoden und Haltungen für sie/ihn Relevanz haben, für das eigene Denken und Handeln Sinn macht, hilfreich und nützlich sind. Wenn Sie alles gut geprüft haben, dann kann es wertvoll sein, das eine oder andere Angebot in Ihr eigenes Kompetenzrepertoire zu übernehmen. Sollte dies nicht der Fall sein, dann vergessen Sie es einfach.«

So beginne ich in der Regel meine Seminare in Schulen zu unterschiedlichen systemischen Themen oder auch die 2-jährigen Ausbildungen zum »Systemischlösungsorientierten Berater« des ISIS-Instituts (Institut für systemische Lösungen in der Schule) und so möchte ich auch dieses Buch beginnen, das auf meiner jetzt dreißigjährige Lehr- und Dozententätigkeit in vielen Bereichen der Schulwelt beruht.

Als ich mit dieser Tätigkeit begann, war es reine »Pionierarbeit«: Zu dieser Zeit (Ende der 80er-Jahre) dachte man schnell einmal, dass »systemisch« eine Verwechslung mit dem Wort »systematisch« wäre, und es brauchte bis zu den Anfängen der 2000er-Jahre, dass das systemische Denken so langsam auch in der Lehrerausbildung ankam. Heute ist es meist so, dass viele Junglehrerinnen schon einmal etwas davon gehört haben, wenngleich die universitäre Ausbildung jemandem nur ein theoretisches Rüstzeug mitgeben kann, nicht aber das praktische Handlungswissen, was man sich im Laufe der Jahre – häufig auch schmerzhaft – aneignen muss.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weiterbildungsveranstaltungen des Instituts erleben das systemische Denken im Schulbereich als außerordentlich öffnend (für den Kopf und die Seele). Und wenn sie es nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser anwenden können, auch als angenehm unterstützend und ermutigend – sowohl für sich selbst wie auch für die Menschen, mit denen sie arbeiten und kommunizieren (Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen, Eltern). Diese Rückmeldung habe ich im Laufe der Jahre von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer wieder bekommen. Besonders freut es mich dann auch von Lehrerinnen und Lehrern aus Schulen zu hören, in denen ich kleinere Curricula zur systemischen Pädagogik durchgeführt habe, dass sich nach und nach das Klima verändert hat und man jetzt miteinander, mit Schülerinnen und Schülern und Eltern ganz anders kommuniziere.

Gerade in einem Kontext wie Schule macht die systemische Haltung einen wesentlichen Unterschied. Sie ermöglicht neue Denkweisen und Handlungsstrategien, indem sie für andere Sichtweisen öffnet. Da, wo oft eher auf Defizite anstatt auf Stärken, Ressourcen und Kompetenzen bei anderen geschaut wird, kommt man als weiterführenden positiven Effekt nicht daran vorbei, diese Haltung, sobald sie etabliert ist, auch auf sich selbst anzuwenden (dies bezeichnet man als sogenannten »Tranceeffekt«). Die systemische Haltung bewirkt im ganzen Kontext also etwas Positives. So ist es im Gegenteil auch nicht verwunderlich, dass sich wenig achtsame Lehrerinnern und Lehrer häufig schon frühzeitig ausgebrannt fühlen, wenn die systemische Perspektive keine Rolle spielt. Der ständige Fokus auf andere, die Komplexität der Interaktion und der ständigen Ziel- und Zeitdruck sind ohne einen bewussten Umgang und eine nachvollziehende Haltung große Stressoren, denen sich wenige entziehen können, zumal zunehmend auch noch genuine Erziehungsaufgaben der Familien an Schulen delegiert werden. In diesem sehr komplexen Kontext kommt es immer wieder auf allen Ebenen der Beziehungen und Interaktionen zu Konflikten und Blockaden, die ich in dem Buch beschreiben und dazu gerne Lösungen aus systemischer Perspektive anbieten möchte, um im Kontext Schule eine Klimaveränderung durch eine bewusste andere Haltung erreichen zu können.

Gerne möchten Lehrerinnen und Lehrer schnell Rezepte und Werkzeuge für die Vielzahl der Anforderungen haben, das ist sehr verständlich, weil man immer wieder sehr schnell lösend eingreifen muss. Für mich ist es so, dass Methoden und Strategien immer auch aus einer inneren Haltung heraus angewandt werden müssen, sonst sind sie nicht kongruent und wirksam. Die im ISIS-Institut ausgebildeten Beraterinnen und Berater geben immer wieder die Rückmeldung, dass gerade die spezifische Haltung der systemisch-lösungsorientierten Pädagogik für sie den entscheidenden Unterschied gemacht habe. Wenn Sie also gerne schnelle Lösungen für Probleme haben wollen, wäre es gut, die hierzu passende Haltung zu lernen und zu internalisieren, dann wird es wirklich leichter. Die Anwendung von Methoden und Strategien ohne die dazugehörige Haltung ist eher ein weiterer Stressor für Sie, weil er Machbarkeit vorgaukelt, fußend auf einer heute nicht mehr haltbaren Sichtweise, dass man Menschen (und anderen lebenden Organismen) nur Instruktionen geben muss, damit sie sich verändern. Also nehmen Sie sich die Zeit, die eigene Haltung zu überprüfen und lassen Sie sich anregen von anderen Sichtweisen.

Das Buch will zunächst einführen in die wichtigsten Aspekte des systemischen Denkens unter Einbeziehung zentraler Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der Bindungstheorie.

Danach werde ich typische Blockaden im Schultag beschreiben und hierzu Lösungen herausarbeiten, die das systemische Denken generell und die systemisch-lösungsorientierte Pädagogik speziell anbietet. Diese Lösungen stellen hilfreiche Konstruktionen dar, die in der Interaktion mit und zwischen Teilnehmenden unserer Institutsweiterbildungen entstanden sind. Sicherlich kann man die Wirklichkeit auch ganz anders beschreiben – die hier gewählte Beschreibung soll nur eine – möglichst hilfreiche – Facette abbilden. Ziel des Buches ist es, Lehrerinnen und Lehrer und andere Interessierte einzuladen, die eigene Haltung zu überprüfen und – wenn gewünscht – auch teilweise zu verändern. Aus einer anderen Haltung heraus können Konflikte anders gesehen und auch anders als bisher »gelöst« werden.

Dieses Buch will das systemische Denken und die Haltung bei Lehrerinnen und Lehrern anregen und Instrumente liefern, nach denen man dieses Denken an sich ausprobieren kann. Das hat aber immer Grenzen und es braucht an Stellen, wo Lehrerinnen und Lehrer sehr verstrickt sind, die Metaperspektive, die allein eine andere Kundige/ein anderer Kundiger sein kann. Daher richtet sich dieses Buch ebenso an die immer mehr werdenden Berater/innen, Moderator/innen und Schulentwickler/innen unter den Lehrkräften wie auch Schulleiter/innen. Die nachfolgend erläuterten Checklisten dienen gerade auch zu ihrer Prozessbegleitung.

Neben allen theoretischen Grundlagen möchte ich den Leserinnen und Lesern ein systemisches Instrumentarium an die Hand geben, mit dem sie das, was von mir niedergeschrieben wurde, sofort auch ausprobieren können. Ich habe dazu zwei verschiedene Kategorien von Anwendungsmethoden entwickelt:

1.
Programme zum Selbstcoaching, die Sie dabei unterstützen können, bei Blockaden oder Verstrickungen wieder klare Sinne und ein gutes Bauchgefühl zu bekommen. Diese Übungen können Sie je nach dem für sich alleine oder mit anderen durchführen.
2.

Checklisten, die komplexere systemische Methoden darstellen. Ich habe diese Checklisten entwickelt und sie »Systemische Checklisten für Lösungen in Schulen (SCLS)« genannt. Checklisten 1 und 2 sind aufgrund ihrer hohen Bedeutung hier im Buch vollständig beschrieben, zu den Checklisten 3 bis 8 finden Sie im Buch Verweise und die Checklisten selbst nur als Online-Material. Alle Checklisten stehen zum vereinfachten Ausdrucken als Online-Material auf der Produktseite zum Buch auf www.beltz.de zur Verfügung (Passwort siehe am Ende des Buches).

Das Buch ist so aufgebaut, dass die Leserinnen und Leser sich von den Fragen leiten lassen können, die sie aktuell beschäftigen, um hierfür Lösungen zu finden. Ich wünsche mir sehr, dass das, was Sie hier finden können, für Sie sinnvoll und nützlich wird, da mir im Laufe der vielen Jahre durch meine Besuche in zahlreichen Schulen und meine Dozententätigkeiten in den Weiterbildungsgruppen mit einer großen Zahl von Lehrerinnen und Lehrern das Thema »Systemische Pädagogik« ein großes Anliegen geworden ist.

Köln, im August 2017

Peter Herrmann

1 Einleitung

1.1 Warum systemisch?

In Schulen kann man u. a. folgende Missverständnisse antreffen:

In Schule ist der Fokus der Aufmerksamkeit auf das Individuum gerichtet: die einzelne Schülerin/den einzelnen Schüler, die einzelne Kollegin/den einzelnen Kollegen, die Schulleiterin/den Schulleiter oder die Eltern (vertreten durch entweder Mutter oder Vater). Was oft übersehen wird, ist das Zusammenspiel der Teilnehmenden im Feld Schule.

Stellen Sie sich vor: Ein Besucher aus einem fernen Land, der noch nie ein Fußballspiel gesehen hat, sitzt als Zuschauer auf den Rängen eines Fußballstadions. Er sieht elf rote und elf grüne Männchen hinter einem Ball herlaufen und dazwischen ein schwarzes Männchen, das mal hierhin, mal dorthin läuft, mit einem Pfeifchen pfeift, wild mit den Armen gestikuliert, einzelnen Spielern gelbe und rote Karten zeigt. Genaue Beobachtung befähigt den Unkundigen nach einiger Zeit, Regeln des Spiels zu erkennen. Betritt man als Außenstehende/r eine Schule – dies gilt im Übrigen auch für kleinere und größere Wirtschaftsbetriebe – so bekommt man auch oft intuitiv einen Eindruck von der spezifischen Atmosphäre, die in diesem System herrscht, die aber interessanterweise die dortigen Akteure bzw. Arbeitenden überhaupt nicht mehr bewusst wahrnehmen. Diese Logik lässt sich auf alle Systeme übertragen, denn in jedem System, egal ob es Familien, Fußballmannschaften oder Schulen sind, nehmen die dort Handelnden genau definierte und doch nicht offen benannte Rollen ein, nach denen sie sich verhalten, die ihnen jedoch nicht bewusst sind. Zwischen den Personen in ihren Rollen – auch, wenn sie diese Rollen wechseln (z. B. manchmal ganz »privat« da sind) – entwickeln sich Beziehungen und Interaktionen, die von diesen Rollen geprägt sind, aber auch nicht bewusst erfasst werden.

Mein erstes, zunächst irritierendes, danach erhellendes Erleben mit Rollen und Zuschreibungen hatte ich als junger Therapeut in einer Klinik. In dieser Klinik kam es zu häufigen Personalwechseln. So gingen (bzw. mussten gehen) etwa nach einem halben Jahr immer wieder Kollegen, die anfangs hoffnungsvoll ihre Arbeit aufgenommen hatten. Regelmäßig kamen diese neuen Kollegen, die die Regeln der Kommunikation in diesem System nicht genau kannten (z. B. »Der Leiter hat immer Recht«) nach einiger Zeit in Schwierigkeiten. Dem Team gelang es so nie, sich in einer verlässlichen Weise zu stabilisieren; die Spielregel war »Einer ist das Problem und der muss dann gehen«. Erst nach einiger Zeit wurde mir klar, dass dieses Spiel einen bestimmten Sinn hatte, der sich aber erst dann zeigte, wenn man nach den Spielregeln der Kommunikation in diesem System schaute. Möchte man sich also adäquat im System bewegen, muss man dessen Kommunikationsregeln verstehen. Das systemische Denken möchte deshalb dazu einladen, auch auf das zu achten, was in den Räumen zwischen den Personen geschieht, auf das, was sie in der Interaktion miteinander kreieren.

Beispiel

Ich vermute, dass Sie das kennen: In der Gesamtkonferenz kommt es an bestimmten Stellen dazu, dass sich immer wieder die gleichen Personen zu einem ganz bestimmten Thema äußern. Jeder, der in dieser Konferenz sitzt (die/der Agierende natürlich nicht), kennt genau diesen Ablauf, bei dem wie in einer Choreografie festgelegt ist, an welcher Stelle wer, wie und mit wem in den Konflikt geht und was sie/er dann genau sagt. Die Zuschauenden sind ebenfalls involviert: Sie verziehen das Gesicht, geben Seufzer von sich und sacken manchmal resignierend in sich zusammen, weil es schon wieder in die gleiche Richtung geht.

Dieses Verhalten aller Akteure der Konferenz gleicht einem Ritual, einer festgelegten Interaktionsregel, die den Beteiligten aber nicht klar ist. Auf jeden Fall weiß aber jede/r wie in einem Spiel, was sie/er an welcher Stelle zu tun hat. So könnte man sagen, dass jede Schule für sich (das gilt für jede andere Organisation auch) ein Spielfeld ist, auf dem die beteiligten Mitglieder der Organisation eine spezifisches Interaktionsgeschehen kokreieren – eine ganz besondere Choreografie, eine Leistung des Systems, die einer sinnstiftenden Regel folgt. Dabei bringt jedes Systemmitglied (Schüler/innen, Lehrer/innen, Schulleitung) seine eigenen Themen mit ein – das sieht dann so aus (Abb. 1):

Abb. 1: Einflüsse auf Schule

Wir schauen also mit der systemischen Brille auf das, was Einzelne und Gruppen in einer Organisation, einem System machen und wissen dabei: »Jedes Verhalten bekommt seine Bedeutung durch die Regeln des Kontextes, in dem es gezeigt wird.«

1.2 Schulen sind (in) ein komplexes System (eingebettet)

Aus systemischer Sicht bekommen Handlungen und Verhalten ihre Bedeutung durch die Zuschreibungen des jeweiligen Kontextes, in dem sich die Handelnden aufhalten. So befindet sich jede Schule in einem bestimmten Systemfeld (Abb. 2), das auch von den Erwartungen der Anspruchsgruppen (Stakeholder) geprägt wird. Zu den Stakeholdern gehören aber nicht nur die Akteure außerhalb von Schule, sondern auch die Akteure im System. Jede/r hat dabei eigene Bilder, Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen usw., die sie/er an die Organisation richtet. Diese Aspekte sind nicht immer bewusst und kommuniziert, sondern fließen in die Interaktion ein. Wie wir später noch sehen werden, haben gerade diese unbewussten Aspekte der Kommunikation enormen Einfluss auf Entscheidungen.

Abb. 2: Das systemische Feld von Schulen

Schule steht im Fokus des öffentlichen Interesses. Sie hat eine enorm wichtige gesellschaftliche Aufgabe, weil sie sich mit der Entwicklung und Ausbildung junger Menschen beschäftigt. Schule hat daher eine zentrale Aufgabe für die Zukunftsfähigkeit und Zukunftssicherung der Gesellschaft, weil die jeweils nächste Generation die Zukunft der Gesellschaft darstellt. Da beinahe jede/r Erwachsene die Schule besucht hat, verfügt sie/er auch über individuelle Erfahrungen mit Schule.

Diese Erfahrungen sind meist sehr lebhaft und präsent, da sie in einer wichtigen Zeit der individuellen Entwicklung gemacht wurden. Individuelle Erfahrungen werden somit zu einem Bild von Schule oder zu einer individuellen »Schulwirklichkeitskonstruktion«, die für die allgemeine Wirklichkeit von Schule gehalten und dann entsprechend generalisiert wird. So reden also alle, die von Schule reden, von ihrem zunächst in der Schulzeit geprägten »Bild von Schule« und meinen doch von der Schule an sich zu sprechen. Da nun jeder von »seiner Schule« spricht, gibt es infolgedessen viele Missverständnisse über das, was Schule ist.

Gleichzeitig werden die eigenen Erfahrungen mit Schule in der Schulzeit – weil sie eben bedingt durch die Intensität des Erlebens in der Entwicklungsphase der Kindheit und Pubertät sehr intensiv und prägend ausgefallen sind – als Ausgangspunkt für einen mehr oder minder emotional geführten Diskurs benutzt. Alle sogenannten Stakeholder von Schule haben also ihre eigenen Schulerfahrungen und Schulbilder, an denen sie weiter arbeiten oder sie sogar abarbeiten, also bewältigen wollen und bringen diese Erfahrungen ein in die Ansprüche, die sie an Schule haben. Bevor Sie also weiterlesen: Was ist Ihr Bild von Schule? Oder: Woran würden Sie eine gute Schule erkennen?

Zusammenfassung

Das Systemfeld, das eine Organisation umgibt, hat gravierende offene und verdeckte Einflüsse auf das Fühlen, Denken und Handeln der Personen in einer Organisation.