ISBN:

9783961187478


Gunter Pirntke

 

Der Tod des Juan Borgia

14. Band der Reihe „Historisches“

 

Impressum

Covergestaltung: Gunter Pirntke

Illustrationen: Gunter Pirntke

Digitalisierung und Druckvorbereitung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke


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Inhalt

Impressum

Einleitung

Die Borgias

Das Opfer

Der Mord

Mordverdächtige

Theorien

1. Theorie: Attentat im Auftrag Cesare Borgia

2. Theorie: Attentat im Auftrag Jofré Borgia

3. Theorie: Attentat im Auftrag der Orsini

Schlussbemerkungen

Quellen

Weitere Bücher der Reihe

 

Einleitung

Mein Name ist Juan Borgia. Ich bin Zweitgeborener Sohn von keinem geringeren als Rodrigo Borgia, den kennt man auch unter dem Namen Papst Alexander VI. Bereits früh hat mein Vater entschieden, dass ich die Laufbahn eines Soldaten einschlagen soll. Gefallen hat mir das nicht, ich hatte keine Wahl, ich bin Vaters Lieblingssohn, was soll man in einer solchen Situation auch anderes machen? Meinem Bruder Cesare hätte dieses Leben sicher besser gefallen. Ich hingegen bevorzuge einen Krug guten Wein und ein Weib auf meinem Schoß, schließlich soll man die Geschenke des Lebens genießen. Das Volk hält mich im Allgemeinen für verzogen, eifersüchtig, hitzköpfig und sadistisch. Manche behaupten gar, meine Stellung als Adliger sei unrechtmäßig. Aber ich habe Mittel und Wege, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Eine kurze Sitzung mit den Daumenschrauben hat bereits Wunder bewirkt und wenn die nicht ausreichen, habe ich noch andere, wundervolle Argumente. Vielen missfällt dies, ist mir aber egal, ich kann mir das erlauben. Sollen sie mir doch den Tod an den Hals wünschen, ich bin davon überzeugt, ein langes Leben vor mir zu haben.

***

Rom, im Jahre 1497. Ein brutal zugerichteter Leichnam wird aus dem Tiber gezogen. Bei acht Stichwunden und einer durchgeschnittenen Kehle kann es sich um keinen natürlichen Tod handeln.

Doch wer den Mord verübt hat, bietet seit 500 Jahren Anlass zu Spekulationen.

Manche vermuten, er sei aus Eifersucht getötet wurden, auf Geheiß seines jüngeren Bruders Jofré. Dieser hat eindeutig ein Motiv. Seine Frau hat eine Affäre mit dem Opfer, ein erster Grund für einen Mord. Hinzu kommt, dass er in der Familienhierarchie ziemlich weit unten steht. Durch die Beseitigung eines Höherstehenden winkt ihm eine Art Beförderung.

Andere verdächtigen die Familie Orsini, die Rivalen der Borgias. Die Orsinis sind den Borgias mit Hass verbunden. Der Papst war in den Tod ihres Familienoberhauptes verwickelt, da denkt man doch an Rache.

Schließlich gibt es die Auffassung, der ältere Bruder des Opfers, Cesare Borgia, habe den Anschlag geplant. Er ist neidisch auf die Würden und Titel, die sein Vater Rodrigo Borgia, den Opfer verliehen hat. Cesare war klar, dass er seinen Bruder nur auf die gute alte Borgia-Art, durch Mord, loswerden wird.

Was also geschah mit Juan Borgia?

Die Borgias

Im 15. Jahrhundert wird das Italien der Renaissance von reichen und mächtigen Familien beherrscht. Einer dieser Familien sind die Borgias. Sie stammen stammen aus dem Königreich von Valencia, im Süden der Konföderation der Krone Aragón, vor allem aus València und Xàtiva und haben sich einen Namen gemacht, seitdem sie im Vatikan zu Amt und Würden gelangt sind. Dabei haben sie sich immense Reichtümer angehäuft und einen furchteinflößenden Ruf erworben. Sie sind also eine der mächtigsten Familien, die es ja gab. Heute setzen wir Macht mit Geld gleich, doch damals waren Religion, Politik und Geld nicht voneinander zu trennen. Wenn man ganz oben sein wollte, musste man Papst werden, denn als Papst war man der mächtigste Mann seiner Zeit. Die Borgias stellten zwei Päpste und waren so was wie der Vorläufer der Mafia. Sie waren der Inbegriff für Habgier, Hochmut, Intrigen, Mord und Verkommenheit. Also nicht gerade die Eigenschaften, die man von religiösen Anführern erwartet.

Doch trotz ihres Rufes ist der Einfluss so groß, dass Rodrigo Borgia schon als zweites Mitglied der Familie zum Papst gekürt wird. Sein Onkel, Alfonso Borgia, besser bekannt als Papst Kalixt III., ernannte im Februar 1456 Rodrigo Borgia und seinen Neffen Luis Juan de Milà zu Kardinälen. Bald zeigte sich, dass Kalixt III. in übergroßem Maß Verwandte und katalanische Landsleute förderte, was den ohnehin wenig volksnahen Spanier in Rom geradezu verhasst machte. Bereits 1457 wurde Rodrigo zum Vizekanzler der Kurie ernannt − einem Amt auf Lebenszeit, das als das wichtigste Amt nach dem Papst gilt und jedenfalls als das einträglichste der Kurie. Dazu wurde er zum Hauptmann der päpstlichen Truppen bestellt, während Pedro Luis die Kommandantur der Engelsburg und zahlreiche kirchliche Lehen übertragen erhielt.

Rodrigo ist ein geschickter Verhandlungsführer und Politiker. Er hat Recht studiert und man sagte, er habe sich die Stimmen durch Erpressung und Bestechung erkauft, was freilich nicht bewiesen ist.

Heute stellen wir uns den Papst wie einen Heiligen vor, darum ist er schließlich Papst. Doch die Päpste jener Zeit waren brutal und grausam. Sie waren von unübertroffenen Ehrgeiz. Damals war der Papst der mächtigste Mann auf Erden. Von der Macht korrumpiert, waren sie außergewöhnlich korrupt. Im Jahr 1492 wird Rodrigo der Papst Alexander VI., Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Seine Amtszeit ist geprägt von Skandalen. Er ist verschwenderisch und dafür bekannt, Beziehungen zu mehreren Frauen zu haben. Als Papst galt man als unfehlbar. Er konnte sich alles erlauben. Argument: Es sei Gottes Wille!

Diese kirchlichen Herren waren keine Vorbilder für das fromme Volk. Sie lasen nicht aus dem Evangelium, sondern verschacherten Ämter, verkauften den Himmel und die göttliche Gnade. Manch einer, an dem die Sorge um sein Seelenheil nagte, leerte angstvoll sein ganzes Erspartes in die Ablasskasse, um dem Fegefeuer zu entgehen. Die römische Kurie machte Gott zum Bürgen des Sündengeschäfts, schamlos verstrickte sie den Herrn in ihre vor Dreck strotzenden, irdischen Geschäfte.

Meines Wissens nach hatten ein Drittel des Kardinalskollegium Mätressen, ein weiteres Drittel war schwul und das letzte Drittel zu alt, um die beiden vorgenannten Drittel zu erfüllen. Eine heilige Dreifaltigkeit. Alle vorherigen Päpste hatten ihren unrechtmäßigen Nachwuchs als Nichten und Neffen ausgegeben. Rodrigo bekannte sich freimütig dazu, mindestens acht Kinder gezeugt zu haben. Das zeigt, aus welchem Holz der Mann geschnitzt war. Ihm kümmerte es nicht, was andere von ihn dachten. Er war schließlich allmächtig, er war der Papst!

Noch als Kardinal hatte er ein illegitimes Verhältnis mit einer Frau, namens Vanozza de’ Cattanei, mit der er vier Kinder zeugte. Eine Tochter mit Namen Lucrezia und drei Söhne, Juan (Giovanni), Cesare und Jofré.

Er hatte also nicht nur uneheliche Kinder wie andere Päpste, sondern stand auch noch offen dazu. Das zeigt, welche Macht der Papst besaß. Aus heutiger sollten Päpste natürlich keuch leben und erst recht keine Kinder haben. Man erkennt daran, welche Korruption in jener Zeit innerhalb der Kirche um sich griff.

Der Papst war allmächtig, er war von Gott als Statthalter auserwählt über uns hier auf Erden zu herrschen. Alexander VI. war sich dieser Macht bewusst und bediente sich ihrer nicht mit den besten Absichten. Er nutzte seine Stellung als Papst, um sich und seine Familie zu begünstigen. Alle seine Kinder stattet er mit Titeln (Juan, später Herzog von Gandía, Cesare, später Herzog der Romagna, Lucrezia, später Herzogin von Ferrara), Ländereien und großen Reichtümern aus. Das meiste davon geht an Juan. Der Papst wollte seine acht Kinder auf jede möglich Weise privilegieren und das tat er ganz offen. Er setzte sie gewissermaßen ganz oben auf die Rangliste und wehe dem, der ihn in die Quere kam. Er hatte einen besonderen Liebling, er hieß Juan. Eigens für ihn schuf er ein päpstliches Herzogtum und überließ ihm die Führung der päpstlichen Garden.

 

Das Opfer

Juan Borgia wurde 1478 geboren. Der als arrogant und verzogen beschriebene junge Mann wurde 1493 von seinem Vater im Rahmen einer politischen Allianz nach Spanien geschickt, um Maria Enríquez i de Luna zu heiraten und das Herzogtum Gandia in Besitz zu nehmen, das er 1488 von seinem Halbbruder Pedro-Luiz Borgia geerbt hatte. Am spanischen Hof erregte das ungehörige Benehmen Juan Borgias allerdings Missfallen und 1496 wurde er nach Rom zurückgerufen.

Als uneheliches Kind eines Priesters, der die Papstwürde anstrebte, konnte er nicht öffentlich im Haus seines Vaters leben, auch wenn dieser seine Kinder geradezu abgöttisch geliebt haben soll und ihnen später jede erdenkliche Bevorzugung zukommen ließ. Einige Historiker vermuten, dass er daher mit seinen Geschwistern im Haus seiner Mutter an der damaligen Piazza Pizzo di Merlo aufwuchs, das nahe beim Vatikan und dem Palast seines Vaters lag. Möglich ist aber auch, dass er irgendwann zwischen 1483 und der Neuverheiratung seiner Mutter 1486 im Haushalt Adriana da Milas untergebracht wurde, einer adeligen Cousine seines Vaters, in deren Obhut auch seine Schwester Lucrezia lebte. Sicher ist nur, dass er und Cesare sich einen Haushalt teilten und er vom Vater umsorgt eine für die damalige Zeit umfassende Ausbildung von seinem Tutor, Jaime Serra, erhielt.

Die offizielle Vormundschaft und Vermögensverwaltung für Juan gab Rodrigo Borgia 1483 an seinen ältesten Sohn, Juans Halbbruder Pedro-Luis, Herzog von Gandía, der sich in Spanien aufhielt. Bei dessen Tod im August 1485 wurde der etwa zehnjährige Juan zum zweiten Herzog von Gandía, da Pedro-Luis ihn testamentarisch zu seinem Alleinerben gemacht hatte.

Juan war laut dem spanischen Chronisten Jeronimo Zurita ein „verzogener Junge“ gewesen und wuchs zu einem „gemeinen jungen Mann, voller großartiger Anwandlungen und schlechter Gedanken, hochnäsig, grausam und unvernünftig“ heran. Er galt als ausgesprochen gutaussehend, überdurchschnittlich groß und athletisch und anziehend für Frauen. Der Gemahl seiner Mutter beschrieb ihn als „Augapfel seiner Heiligkeit“, denn der Vater gab ihm jede denkbare Bevorzugung und ließ ihm nach seiner Wahl zum Papst die große Ehre zuteilwerden, bei öffentlichen Auftritten vor dem Papst herzureiten. Juan, der bekannt für seine extravagante Kleidung war, stolzierte dann in prächtigen, teuren Kleidern auf einem mit Silberglöckchen behangenen Pferd durch Rom, überaus stolz auf sein Erscheinungsbild. Oft kleidete er sich im türkischen Stil wie der im Vatikan als Geisel lebende Sultan Cem, mit dem er befreundet war.

Nachdem Juans Vater 1492 als Alexander VI. die Papstwürde erlangt hatte, bekannte er sich bald offen zu seinen Kindern und band sie in seine politischen Pläne ein, wie es damals eigentlich nur für weltliche Fürsten üblich war. Nachdem Cesare zum Kardinal ernannt und Lucrezia in einer politisch vorteilhaften Ehe verheiratet worden war, reiste schließlich Juan im Rahmen einer politischen Allianz zwischen dem spanischen Königspaar Isabella und Ferdinand und seinem Vater nach Spanien.

Im August 1493 schickten die für ihren Pomp bekannten Borgia den Siebzehnjährigen in Begleitung von vier Galeeren, prächtig ausgestattet mit einer unglaublichen Menge an Juwelen, Silber und luxuriösen Möbeln für seinen Palast in Gandía, auf den Weg. „Man sagt, er wird in einem Jahr zurückkommen, doch all seine Güter in Spanien lassen und für eine neuerliche Ernte zurückkehren", schrieb der Botschafter von Mantua.

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Juan Borgia

Am spanischen Hof wurde Juan offiziell mit dem Herzogtum Gandía belehnt und am 24. August fand in Barcelona die feierliche Eheschließung zwischen ihm und Maria Enríquez i de Luna statt, einer Cousine König Ferdinands, die zuvor schon mit seinem Bruder Pedro-Luis verlobt gewesen war. Schon vor seiner Abreise hatte Alexander seinem Sohn peinlich genaue Anweisungen gegeben, wie er sich gegenüber dem spanischen Königspaar benehmen solle, von dem er sich noch viele Lehen und Gunstbeweise für Juan erhoffte. Doch diese nahmen nicht an seiner Hochzeit teil und im November erreichten Berichte über Juans schlechtes Benehmen Rom. Sein Bruder Cesare schrieb in einem mahnenden Brief an ihn: