Barbara Doris Kuhn

Lady of Glencoe & Lochaber

 

 

 

 

 

Fremde

Geschöpfe

 

 

Strange creatures

 

 

 

 

 

 

 

Fremde Geschöpfe

 

 

Alle Personen

sowie die Handlung

selbst

sind frei erfunden.

 

 

 

 

Widmung

 

 

Für meine Kinder

und Isabel M.

 

 

 

 

 

Inhalt

 

 

Kapitel 1 Aufbruch

Kapitel 2 Der Fremde

Kapitel 3 Verwunschener Garten

Kapitel 4 Söhne des Windes

Kapitel 5 Wahrheit

Kapitel 6 Erwachen

Kapitel 7 Ankunft

Kapitel 8 Fragen

Kapitel 9 Verwirrung

Kapitel 10 Unerwünscht

Kapitel 11 Verdacht

Kapitel 12 Rana

Kapitel 13 Verlorenes Reich

Kapitel 14 Beschwerlicher Weg

Danksagung / Weitere Bücher

Autorin

Impressum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Feenreich der Natur

 

Seit gewogen zu den Geschöpfen des Himmels,

der Erde sowie des Wassers.

Bedenket, ohne die reine Natur,

schwindet dieses Leben,

die Kraft sowie die allgegenwärtige Energie.

 

 

 

 

 

 

 

 

Eins - Aufbruch

 

Heute war es soweit, ich würde endlich in den Urlaub fliegen. Mein Koffer war gepackt und meine gute Freundin Patricia, hatte mich gut gelaunt, an den Flughafen Düsseldorf gefahren. Dort wartete ich ungeduldig darauf, dass mein Flug endlich aufgerufen wurde. Zum ersten Mal würde ich alleine in ein anderes Land fliegen.

Zweieinhalb Wochen Urlaub in England, genaugenommen in Cornwall/ Penzance. Meine Tante Daria, hatte mir tatsächlich zu meinem achtzehnten Geburtstag, der war vorgestern, den Urlaub geschenkt. Sie hatte mir nicht nur ein Hotelzimmer gebucht, sondern auch eine Eintrittskarte für den `Trengwainton Garden´ reserviert. Warum ich mir dort keine Karte kaufen sollte, blieb allerdings ihr Geheimnis.

Tante Darias Freundin, Sarah, wohnte ganz in der Nähe von Penzance. Leider war sie im Moment auf einem Seminar, aber ihr Sohn George wollte mich am Flughafen abholen. Er war Zwanzig, hatte ein Auto und sollte mich ein wenig begleiten.

Meine Tante hatte tatsächlich an alles gedacht. Bloß nichts dem Zufall überlassen, immerhin war ich ja noch nie alleine in England gewesen. Die Idee war ja ganz nett, aber ich war doch kein kleines Kind mehr. Sicher würde dieser George ein Langweiler sein, der nur alles nach Vorschrift machen würde.

Schlimm genug, dass sie mich Zuhause schon nervte. Aber in diesem Fall, hatte ich keine andere Wahl. Meine Eltern kannte ich nicht, selbst wie sie aussahen blieb weitgehend im Dunkeln. Meine Mutter war kurz nach meiner Geburt gestorben und mein Vater ein Jahr später bei einem Autounfall. So blieb mir wohl oder übel nur Tante Daria, die mich wie ihren Augapfel beschützte.

Wenigstens hatte ich mittlerweile zwei Zimmer für mich allein. Dort konnte ich mich ungehindert ausbreiten. Patricia und ihr Bruder Viktor, kamen mich oft besuchen. Was ehrlich gesagt auch notwendig war.

Tante Daria hatte ein sehr altes Haus auf dem Land. Eigentlich war es nicht nur auf dem Land, sondern schon abseits von jedem noch erdenklichen Ort. Ich musste immer eine dreiviertel Stunde mit dem Fahrrad fahren, ehe ich den nächsten Ort überhaupt erreichte. Nicht nur, dass das lästig war, sondern auch noch recht einsam. Vor allem, als ich noch klein war.

Als ich schließlich in die Schule ging, war ich immer ein Außenseiter. Was sich bis heute eigentlich nicht viel verändert hatte. Klar, meine Tante wollte dieses Leben, mit Garten, Tieren und der Ruhe, aber ich nicht. Ich war noch jung und wollte etwas erleben.

Allerdings, als sie mir die Reise schenkte und von Cornwall erzählte, war ich doch ein wenig erstaunt. Wahrscheinlich wäre sie selber gerne dorthin hingeflogen? Aber Tante Daria mochte die großen Vögel, wie sie sie immer nannte, nicht. Ich fand dagegen Flugzeuge faszinierend.

 

***

 

Mittlerweile war ich beim Check-in und hatte meinen Koffer aufgegeben. Patricia und Viktor waren bereits gegangen und so saß ich allein im Wartesaal und beobachtete die Leute. Ihr Bruder arbeitet in einer Bank und hatte nur ein paar Stunden freibekommen. Patricia dagegen machte eine Ausbildung als Anwaltsgehilfin. Na wenigstens war ich jetzt hier.

In diesem Moment tippte jemand auf meine Schulter. Vielleicht hatte es sich Kara doch noch anders überlegt und wollte mir Auf Wiedersehen sagen?

Kara war die Vierte im Bunde. Ständig am Essen, ständig am Nörgeln, aber doch irgendwie lieb. Wir Vier machten einiges zusammen, nur mitfliegen konnte leider keiner. Erstens hatten sie nicht so viel Geld, obwohl bei Kara war ich mir nicht so sicher und zweitens hatte keiner von ihnen Urlaub.

Lächelnd drehte ich mich um. Doch sofort erstarrte ich, als ich das Gesicht erkannte. Franko. Ein absoluter Draufgänger, stand mit einer langbeinigen Blondine und einer Reisetasche vor mir. Ich musterte die Blonde, die ebenfalls eine Tasche auf den Boden stellte.

„Hey Flora! Ich dachte, deine Oma hat kein Geld für einen Urlaub? Bist du hier der Kofferträger oder was? - Ines, sieh dir das perfekte Mauerblümchen an. Geht nie aus, ist nur am Lesen und hockt mit den anderen Versagern ständig rum.“

Fassungslos starrte ich ihn an. Was hatte dieser Sprücheklopfer gesagt? Überrascht von meiner Ruhe, atmete ich tief aus und zog ihn ein wenig zur Seite. „Nur damit du es weißt, ich fliege nach England und meine sogenannte Oma ist meine Tante.“

„Oh, deine Tante? Wie dumm von mir. Sicher hat sie ihren Sparstrumpf geplündert, damit du einmal in deinem jämmerlichen Leben ein anderes Land siehst. Kann halt nicht jeder so reiche Eltern haben, wie ich. - Komm Ines, wir geben uns nicht mit dem armseligen Fußvolk ab. Sieh es endlich ein, Flora du bist und bleibst ein Nichts, eine Null. Ein kleiner Loser, der es zu nichts bringen wird. “

Die junge Frau, mit ihrem knallroten Lippenstift, musterte mich von oben bis unten. Plötzlich fing sie laut an zu lachen. „Vielleicht solltest du dich schminken? Dann sieht man wenigstens nicht deine hässliche Visage.“

Jetzt kriegte sich Franko vor Lachen fast nicht mehr ein. „Baby, der war echt gut! Viel Spaß im nebligen England. Wir fliegen nach Marokko, natürlich erste Klasse. Für mich nur das Beste, versteht sich. Tschau Loser, bis irgendwann einmal.“ Er nahm seine Tasche, umarmte besitzergreifend die Blondine und küsste sie.

Verlegen schaute ich zur Seite, was er natürlich wahrnahm. „Schau nur Baby, sie wird ganz rot. Dich hat wohl noch niemand geküsst? Tja, hässliche Kröten küsst man eben nicht.“ Er drehte sich um und ging lachend davon.

Ich stand dort, wie vom Donner gerührt. Ich war nicht hässlich. Ich hatte eben noch nicht den Richtigen gefunden, das war alles. Und überhaupt, warum ärgerte ich mich über diesen Franko? Gut, seine Eltern hatten Geld. Viel Geld, wenn man es genau nahm, aber dafür hatte ich eine Tante, die mich liebte!

Jetzt erst erkannte ich, dass sich schon eine kleine Menschenansammlung gebildet hatte. Manche tuschelten, andere zeigten mit dem Finger auf mich und lachten. Ich spürte, wie ich plötzlich rot wurde und beschämt auf den Fußboden sah. Oh, wie peinlich. Die Reise fing ja gut an.

Diese Demütigung vor all den Leuten, hätte ich mir gerne erspart. Franko, war eben ein verwöhntes Einzelkind und ließ das jeden spüren.

Ohne noch einmal auf die Menschenmenge zu schauen, ging ich zu einer Wartebank und setzte mich. Schwer atmete ich aus und blickte zu einem jungen Mann, der hinter einem Schalter stand. Dieser nickte mir freundlich zu und sprach mit einer Frau, die ihm gerade ein Ticket reichte.

Nach etwa einer Stunde wurde endlich mein Flug aufgerufen. Erleichtert stand ich auf und ging den Gang entlang, der für meinen Flug ausgeschildert war. Nun begann ein neuer Abschnitt meines Lebens. Ich würde erstmalig in ein Flugzeug steigen. In ein fremdes Land fliegen und dort fremde Menschen kennenlernen. Also, wenn das mal nichts war, wusste ich es auch nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwei - Der Fremde

 

Ich war ganz schön aufgeregt. Ob mir die Ohren wehtaten, wie Viktor es mir erzählt hatte? Oder war dafür das Essen mies und ich musste darauf verzichten? Egal, ich setzte mich auf meinen Platz. Gott sei Dank hatte ich einen Fensterplatz und schnallte mich an. Meine Nerven waren vollkommen angespannt und dann ging es auch schon los.

Allerdings waren meine Ängste völlig umsonst gewesen. Keine Ohrenschmerzen beim Start und selbst die Stewardessen waren sehr nett. Da ich einen Fensterplatz hatte, schaute ich irgendwann gedankenversunken hinaus. Dort konnte ich unter uns einzelne Wolkenfetzen entdecken. Sie sahen aus wie ein fliegender Teppich, nur nicht so bunt.

Von Düsseldorf konnte ich direkt zum Flughafen Newquay fliegen, der lag an der Nordküste von Cornwall. In ungefähr fünf Stunden wäre ich da, dann würde ich ja sehen, wie dieser George tatsächlich war. Tante Daria hatte ihn zwar als sehr zuverlässig beschrieben, aber das behauptete sie auch von mir.

Allerdings wusste sie nichts von meinen heimlichen Ausflügen, in die nahe Stadt, natürlich mit meinen Freunden. Offiziell lernten wir zwar immer oder sahen uns einen Film im Fernsehen an. Aber, ich wollte noch etwas erleben und nicht ständig im Haus hocken, wie meine Tante. Ob sie immer schon so menschenscheu war?

Der Flug war nicht sonderlich anstrengend, ja, ich schlief sogar kurz ein. Als ich aus dem Flugzeug stieg musste ich mich erst einmal an diese Hitze gewöhnen. Bei uns war es so kalt, dass ich eine dicke Jacke anziehen musste. Hier ging man bald ein vor Hitze.

Ich stellte mich an der langen Schlange vom Check-out an und wartete geduldig, bis ich an die Reihe kam. Vor mir war eine vierköpfige Familie. Wo die Kinder, so um die acht und zehn Jahre, vor sich hin quengelten. Eigentlich hatte ich nichts gegen Kinder, aber diese beiden nervten doch ziemlich. Ständig zankten sie sich, schubsten oder brüllten herum. Ich hoffe nur, dass ich nicht auch so war.

Nach einer weiteren Stunde, hatte ich meinen Koffer und ging suchend in die Eingangshalle. Doch ich konnte weder ein Schild, noch einen jungen Mann entdecken, der nach mir suchte. Doof nur, dass Tante Daria mir kein Foto gegeben hatte. Wie sollte ich ihn unter den vielen Menschen bloß erkennen? Kurz entschlossen rief ich meine Tante an. Nachdem ich ihr erzählte, dass der Flug ganz in Ordnung war, kam ich zum wesentlichen Teil. „Tante Daria, sag mal wie sieht George denn aus? Ich habe noch niemanden gesehen, der mich sucht oder irgendein Namensschild trägt. Soll ich noch warten oder was?“

Meine Tante beschrieb mir George als groß, dunkelblonde Haare, ungefähr zwanzig. Super, das konnte hier jeder Zweite sein. Ich legte auf und wartete noch eine ganze Stunde, doch niemand kam. Kurz entschlossen ging ich zur Information und bat diese ihn auszurufen. Wenigstens hatte ich seinen vollständigen Namen und die Adresse von dem Hotel.

Aber auch das blieb ohne Erfolg. So ein Mist, jetzt musste ich mir auch noch ein Taxi nehmen und wusste nicht einmal, wie viel das kostete. Der Urlaub fing ja wirklich schon gut an.

Nachdem ich mir am Flughafen ein Taxi genommen hatte, fuhr ich durch die fremde Landschaft. Neugierig schaute ich aus dem Fenster und freute mich trotz allem darauf. Sicher würde George zum Hotel kommen. Wahrscheinlich war ihm etwas dazwischengekommen und immerhin war ich ja auch kein kleines Kind mehr. Mit meinen achtzehn Jahren konnte ich nun endlich beweisen, wie selbstständig ich wirklich war.

Nachdem ich zähneknirschend das Taxi bezahlt hatte, stand ich vor meinem Hotel. Von außen sah es gemütlich aus. Hoffentlich war es auch drinnen so? Ich wollte nur noch duschen, auspacken und dann George suchen. Wenigstens mein Zimmer war reserviert, das war immerhin etwas.

Ich ging in den ersten Stock und betrat ein kleines Einzelzimmer, mit einem Badezimmer und sogar einem Fernseher. Erst nach einer langen Dusche und mit neuen Klamotten, ging ich zur Rezeption. Erneut fragte ich, ob eine Nachricht für mich abgegeben wurde, aber Fehlanzeige. Als ich mein Zimmer wieder betreten hatte, rief ich erneut meine Tante an. Hektisch erzählte ich ihr, dass George nicht aufgetaucht war und ich mir ein Taxi genommen hätte.

Erst war sie geschockt, dann aufgeregt und schließlich sagte sie ganz ruhig: „Flora, das ist nicht so schlimm. Du nimmst einfach den Bus und vergiss nicht das Ticket vom `Trengwainton Garden´. Den Park darfst du unter keinen Umständen vergessen. Dort musst du nach einer Lichtung und einem Stein Ausschau halten. Das Gesicht befindet sich jedoch auf einem Stein und ist… ist sehr alt. Uralt sogar. Genau das Richtige für deine Recherchen im Altertum. Ruf mich morgen wieder an, ob sich George gemeldet hat. Viel Spaß Flora, bis morgen.“

Sie hatte einfach aufgelegt und mich noch nicht einmal zu Wort kommen lassen. Was war in diesem Park, dass sie so erpicht darauf war, das ich dort hinkam?

Zugegeben, ganz wohl fühlte ich mich auch nicht dabei. Aber jetzt war ich nun einmal hier und würde das Beste daraus machen. Ich ging aus meinem Hotelzimmer und machte mich zu Fuß auf, in die Stadt. Es war herrlich hier. Nicht nur das Wetter war fantastisch, nein, auch der Ort war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte.

Gut, ich hatte mich vorab schon über die Grafschaft selbst informiert und wollte auch einiges sehen. Aber, ob ich das auch in die Tat umsetzten konnte, war dahingestellt. Immerhin wollte George mit mir herumfahren und jetzt schien ein Taxi mir einfach zu teuer.

Zwar hatte ich noch genug Geld auf der Bank, aber ich wollte nur im äußersten Notfall an meine Reserven gehen. Deshalb kaufte ich mir in einem Shop einen Fahrplan, ein Busticket und machte mich eben langsamer auf den Weg.

Zwei Tage war ich mittlerweile hier und hatte immer noch nichts von George gehört. Auch meine Tante wusste sich keinen Rat. Ihre Freundin Sarah, hatte sie auch nicht erreicht, was in ihren Augen sehr merkwürdig war.

In der Zwischenzeit hatte ich mir die nahe Umgebung angeschaut. Heute wollte ich aber den Ausflug zum `Trengwainton Garden´ machen. Der sollte sich nach meiner Information, bei der Gemeinde Madron in Cornwall befinden. Auch wenn ich nicht wusste, was mich dort wirklich erwartete, freute ich mich regelrecht darauf. Gestern hatte ich mir deshalb vorab ein Lunchpaket im Hotel bestellt.

Entschlossen stand ich heute Morgen an der Bushaltestelle, der zum `Trengwainton Garden´ fuhr. Schade eigentlich, dass George immer noch nicht aufgetaucht war oder mir wenigstens eine Nachricht geschickt hatte.

Meine Tante hatte mich gestern noch einmal angerufen und mir gesagt; dass ich auf jeden Fall in den Park sollte. Immerhin hatte sie extra die Eintrittskarte reserviert. Warum sie mich ständig daran erinnerte, wusste ich nicht. Aber wahrscheinlich waren die Karten teuer oder meistens ausgebucht? Aber, das konnte ich mir auch nicht vorstellen. Es gab auch Leute, die spontan dort hinfuhren. Also, warum die Eile?

Ich verwarf den Gedanken und hielt mich an einer Stange fest. Der Bus war zwar ziemlich überfüllt, aber das machte mir nichts aus. Ich hatte ja ein wunderbares Ziel, dieser sagenhaften `Trengwainton Garden´. Angeblich sollten die ummauerten Gärten, die Abmessungen der Arche Noah entsprechen. Naja, da war ich mal gespannt, ob ich dort auch einen Hinweis darüber fand.

Was in der Broschüre über diesen `Trengwainton Garden´ stand, klang sehr vielversprechend. Es sollte ein zehn Hektar großes Gebiet sein. Mit Baumfarn, Magnolien, Rhododendren und üppigen Bananenstauden. Anscheinend hatten sie auch einen kleinen Bach und einen Teich. Kleine Brücken und sonnige Terrassen. Außerdem ummauerte Küchengärten, mit Obst und Gemüse. Toll, das war ganz mein Ding.

Ich liebte Gärten, mit denen man sich selbst versorgen konnte. Sicher würde sich Tante Daria über andere Anbauarten freuen. Natürlich war sie, wie erwartet, nicht begeistert, dass ich nun alleine in England herumirrte. Trotz der Bedenken wünschte sie mir irgendwann doch viel Spaß. Allerdings bestand sie darauf, dass ich mich jeden Abend bei ihr meldete. Auch wenn ich etwas von George hören würde.

In diesem Fall war die Organisation ein Reinfall gewesen. Weder George noch seine Mutter hatten sich bei mir gemeldet. Vielleicht hatten sie es auch vergessen oder dachten, ich komme erst nächste Woche?

Nachdenklich sah ich aus dem Fenster und konnte plötzlich einen Wegweiser erkennen. Ohne jede Vorwarnung stoppte auch schon der Bus. So wie es aussah, waren wir angekommen. Alle verließen, mit ansteigender Lautstärke, den Bus, um sich an der langen Schlange der Kasse anzustellen.

Nach einer Weile hatte ich es auch geschafft und ging durch den ersehnten Eingang. Jetzt würde ich das tun, wozu ich hergekommen war, um Urlaub zu machen. Zu Hause in Deutschland war mein Leben eher langweilig, ja, direkt spießig.

Jeden Tag fuhr ich in die nächstgelegene Kleinstadt, um dort meiner Arbeit nachzugehen. Ich verbrachte meinen ganzen Tag in einer Bücherei und sortierte Bücher oder andere Schriften. Zugegeben die Sache machte auch Spaß. Zwischendurch konnte ich lesen und mich weiterbilden. Aber mein Traum, war es nicht gerade.

Eigentlich hätte ich gerne in einer Bank gearbeitet, aber meine Tante war dagegen. Zu viel verrückte Leute, meinte sie nur kurz zu dem Thema. Also, gab ich irgendwann nach, fand den Job in der Bücherei und ging brav zur Arbeit. Okay, als ich nach Urlaub gefragt hatte, gab es keinerlei Schwierigkeiten. Doch wenn es nicht gerade so familiär wäre, hätte ich auch kein Problem damit gehabt. Jetzt sollte ich natürlich viel Infomaterial mitbringen, was sie sicher ausstellen wollten. Kleinstadt eben.

Gut, ich hatte zwar einiges über die englische Geschichte gelesen, über ihre Denkmäler und so, aber das im Original zu sehen, war schon irgendwie anders. Mit Runen hatte ich allerdings keine Schwierigkeiten. Mit dieser Schrift hatte ich mich bereits sehr früh beschäftigt. Auch die keltische Mythologie und ihren heidnischen Glauben, hatte ich Bücherweise verschlungen. Mal sehen, was das mir hier bringen würde?

Auf jeden Fall wollte ich mir einige Steinkreise, die alten Gärten und vielleicht die drei berühmten Steinkreuze auf dem Friedhof in St. Buryan ansehen. Hoffentlich tauchte George bald auf, denn mit einem Auto wäre das bestimmt leichter.

Falls er sich bis morgen immer noch nicht gemeldet hatte, würde ich schon einen anderen Weg finden. Es gab immerhin Taxis und Busse, aber wer weiß, wann die wieder zurückfuhren? Doch genug überlegt, dachte ich mir. Jetzt war ich erst einmal in diesem atemberaubenden Garten oder doch eher Park.

Etwas verloren sah ich mich um. Ich wusste überhaupt nicht wohin ich als Erstes schauen sollte, so groß war die Vielzahl. Neugierig vertiefte ich mich gerade in meine Broschüre, als eine Horde Kinder laut schreiend an mir vorbeilief.

Einige der Kinder zankten sich, schupsten und rempelten mich schließlich an, wodurch mein Prospekt aus der Hand fiel. Natürlich bückte ich mich, und wurde tatsächlich noch einmal umgerannt. Jetzt war es vorbei. Ich kam ins Straucheln, worauf ich das Gleichgewicht verlor. Eine junge Frau eilte aufgeregt zu mir, sah aber verzweifelt der rennenden Kinderhorde nach.

Ich sagte ihr sie könnte ruhig den Kindern hinterhergehen, bevor sie noch mehr Unfug machten. Toll, der Tag fing schon gut an.

Nachdem ich vom Boden aufgestanden war und meine Sachen abgeklopft hatte, wollte ich mein Informationsblatt wieder aufheben. Aber eine andere Hand war schneller.

Verwundert richtete ich mich auf und blinzelte in die Sonne. War es wirklich die Sonne oder eher das Gesicht, was mich so reagieren ließ? Ich wusste es wirklich nicht.

Vor mir stand ein junger Mann. Vielleicht um die fünfundzwanzig, mit seinem dunklen Dreitagebart war er schwer einzuschätzen. Er hatte schwarze, kurze Haare, die etwas strubbelig aussahen. Der Unbekannte trug eine helle Kaki Hose und ein kurzärmliges, weißes Hemd. Er hatte sonnengebräunte Haut, dass ich an seinen Armen gut erkennen konnte. Sicher war er viel draußen oder doch eher der Solarium Mensch?

„Haben Sie sich verletzt?“, fragte er in einem Englisch, das irgendeinen Akzent aufwies. Allerdings konnte ich diesen nicht einordnen. Lächelnd reichte er mir die Broschüre und schaute mich neugierig an. Ich sollte etwas sagen und ihn nicht so anstarren. Flora, das ist mehr als nur unhöflich.

„Miss? Haben Sie sich verletzt?“, fragte er erneut. Endlich fand ich meine Stimme wieder und nahm ihm schließlich das Informationsblatt aus der Hand. „Es geht schon wieder, danke. Ich war nicht darauf gefasst im Dreck zu landen. - Vielen Dank, für ihre Hilfe. Mein Name ist Flora… Flora Germondalh.“

„Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zumachen. Mein Name ist Liam… Liam Dorran. Möchten Sie sich einen Moment setzen?“ Er zeigte auf eine nahe Parkbank und wir gingen langsam darauf zu. Als wir uns hingesetzt hatten, bemerkte ich, dass mein linkes Bein brannte. Verdammt, auch das noch.

Anscheinend hatte ich mir bei dem Sturz eine tiefe Schnittwunde, oberhalb des Knöchels, zugezogen. Jetzt sah ich, dass die Wunde auch noch stark blutete. So ein Mist, schlimmer konnte es nicht mehr werden.

Entschlossen, mich davon nicht unterkriegen zulassen, nahm ich meine große Umhängetasche, öffnete diese und suchte verzweifelt ein Päckchen Taschentücher. Doch der Fremde war abermals schneller.

„Darf ich?“ Verwundert sah ich ihn an und nickte wortlos. Vorsichtig nahm er mein Bein und drückte sanft ein Stofftaschentuch auf die Wunde. Verlegen schluckte ich laut und schaute auf den gegenüberstehenden Magnolienbaum.

Kleinlaut erwiderte ich: „Vielen Dank, aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Sie haben bestimmt etwas Besseres zu tun, als mir zu helfen?“

Plötzlich hob er seinen Kopf und unsere Blicke trafen sich erneut. Wie versteinert schaute ich den Fremden an. Ob es an seinem äußerst attraktiven Gesicht lag, oder an seinen grünen, ja, fast schon katzenhaften Augen, wusste ich nicht. Seine Pupillen verengten sich ein wenig und ich spürte, ein seltsames Knistern zwischen uns.

Von meiner Reaktion selbst überrascht, hielt ich den Atem an. Ich hörte ein seltsames Rauschen in meinen Ohren und die Umgebung, fing bedenklich an zu schwanken. Vorsichtig nahm der junge Mann meinen rechten Arm und strich besonnen über meine Hand. Ich rang erheblich nach Luft, worauf der geheimnisvolle Fremde schweigend lächelte.

„Sie sollten das Atmen nicht vergessen. Sie möchten sicher nicht noch einmal umfallen oder? - Es hat aufgehört zu bluten.“ Sofort blickte ich auf mein Bein, wo noch immer seine Hand lag. Vorsichtig nahm er das Taschentuch beiseite und steckte es wortlos in seine Hosentasche. Irgendwie hatte es mir völlig die Sprache verschlagen. Warum auch immer.

„Würden Sie mit mir einen Kaffee oder Tee trinken? Der bringt sicher Ihren Kreislauf wieder auf Trab.“ Der Fremde schenkte mir ein weiteres Lächeln, worauf ich tief einatmete. Hatte er mich wirklich gefragt, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken wollte?

Zu Hause fragten mich die meisten nur nach den neusten Büchern oder wollten mir die Weisheit von Schach, stundenlang erklären. Doch einen Kaffee trinken, kam eher selten vor. Hör auf, an so etwas zu denken. Ermahnte ich mich innerlich.

Okay, ich war eher die schweigsame, lesebegierige Einzelgängerin. Hatte rotblonde, lange Haare und trug diese ständig, als geflochtenen Zopf. Zugegeben mein Gesicht war standardmäßig. Ich hatte blaugraue Augen und war mit meinen eins siebzig nicht gerade die Größte. Meine Haut war im Sommer leicht mit Sommersprossen übersäht und Make-up verwendete ich überhaupt nicht.

Zu manchen Anlässen nahm ich einen Augenbraunstift, aber heute war kein besonderer Tag. Was ich jetzt allerdings bereute. Aber das hatte mich dieser Fremde ja nicht gefragt. Er wollte mit mir tatsächlich einen Kaffee trinken.