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Wolfgang Klauke, geboren 1951 in Hannover wuchs in Oldenburg auf. Nach seinem Medizinstudium in Göttingen arbeitete er als Anästhesist und Schmerztherapeut in Northeim bei Göttingen bevor es ihn im Jahr 2006 als Schmerztherapeut nach Basel zog. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Lörrach. Er hat zwei erwachsene Töchter und eine Enkelin. Rauchmord ist sein Debüt.

Für meine drei Mädels –

Ihr seid die Besten

... und für Emilia, die Allerbeste

Wolfgang Klauke

Rauchmord

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© 2018 Wolfgang Klauke

Umschlaggestaltung: Wolfgang Klauke

Foto: © 2016 Wolfgang Klauke

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN
Paperback: 978-3-7469-3531-7
Hardcover: 978-3-7469-3532-4
e-Book: 978-3-7469-3533-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1

An einem warmen Morgen im August lernte Richard Sandra kennen. Sie war keine Frau, die ihn auf den ersten Blick interessierte. Die Haare mittellang ohne besondere Fasson herunterhängend, dunkelblond. Die Figur unter einem weiten Sweatshirt und Jeans nicht recht zu erkennen. Was ihn jedoch aufmerksam werden ließ, war ihre dunkle Stimme, deren Timbre die Luft bei jedem ihrer Worte vibrieren ließ. Die Schwingungen erreichten Richard. Berührten ihn. Nahmen ihm den Atem.

Sie stand am Zeitungskiosk und unterhielt sich lachend mit Lorenzo, dem Kioskbesitzer. Soweit Richard es beurteilen konnte, war sie Lorenzos Typ. Sie lachte über eine Bemerkung von ihm. War ganz auf ihn konzentriert, so dass sie Richard nicht bemerkte, als er neben sie trat.

„Buon giorno, Dottore“, begrüßte ihn Lorenzo. „Schon ausgeschlafen?“

Mit einem wissenden Grinsen schob er Richard die taz und seine derzeit tägliche Zigarettenration – zwei Päckchen Gauloises – über den Tresen. Während Richard das Wechselgeld achtlos in seine Hosentasche steckte, betrachtete er Lorenzo, der sich seinerseits wieder der jungen Frau zugewandt hatte. Ihre Stimme war wirklich faszinierend.

„Lorenzo, was ist mit der sprichwörtlichen italienischen Höflichkeit? Willst du mich der Dottoressa nicht vorstellen?“

Der sonst immer freundliche, fröhliche Lorenzo sah Richard nur für einen kurzen Augenblick an. Verschwinde und mach diese Frau nicht an, du Provinz-Casanova. So oder ähnlich lautete seine Botschaft. Richard hob entschuldigend die Hände, wobei ein Päckchen Gauloises zu Boden fiel. Im Bücken sagte er seinen täglichen Spruch: „Ciao, Lorenzo, a domani.“

Richard sprach nur Touristen-Italienisch, aber er hatte immer den Eindruck, er könne Lorenzo eine Freude machen, wenn er ihn in seiner Muttersprache begrüßte und verabschiedete.

Während er sich zu seinem Gauloises-Päckchen bückte, merkte Richard, dass er nicht allein war. Auch die Dottoressa hatte sich gebückt. Unter Lorenzos gestrengem Blick her getaucht hockten sie nun für einen Moment Auge in Auge über einer Zigarettenschachtel. Sie kicherte leise über die Grimasse mit der Richard versuchte, Lorenzos Gesichtsausdruck nachzuahmen, die Augen in seine Richtung verdreht.

Dann trafen sich ihre Hände bei den Gauloises. Elektrisierendes Blind Date. Sie sahen sich weiter in die Augen. Die Hände mussten schon allein zurechtkommen. Sie kamen. Aufeinander zu, übereinander, untereinander, in einander verschlungen. Beide erhoben sich aus der Hocke. Stießen fast mit Lorenzo zusammen, der sich – mittlerweile irritiert durch das Abtauchen der beiden – über seinen Tresen gebeugt hatte.

„Was habt ihr denn da gemacht?“ fragte er, auf eine traurige Art zornig.

„Zigaretten aufgehoben“, erwiderte Richard. Ein Blick, der gleichgültig wirken sollte.

„Das ging dann aber gründlich daneben!“ Lorenzo sah man an, dass ihn dieses kurze, aber intensive tête-à-tête ärgerte.

„Wieso?“ Richard schaute zu Boden und sah, was Lorenzo meinte. Die Zigaretten lagen vor seinen Füßen.

Jetzt stand er da. Traute sich kaum, die Frau ihm gegenüber anzusehen. Erinnerungen an die Untermieterin der Nachbarn, die ihn damals als Vierzehnjähriger so verunsichert hatte, die seine Fantasien damals anfachte – und ihn dann mit seinem vehement aufkeimenden Sexualtrieb allein ließ. Wenn sie sich begegneten, bekam er kaum einen Gruß über die Lippen. Die Stimmbänder plötzlich geschwollen. Die Luft eine zähe Masse, nicht in der Lage, irgendetwas zum Schwingen zu bringen.

Richard kehrte aus der Vergangenheit zurück. Schaute weiter auf den Auslöser dieses Szenarios. Bückte sich erneut. Dieses Mal ohne Zwischenfall. Hob die Zigaretten auf.

„Wenn Lorenzo mich nicht vorstellt, mach ich’s halt selbst. Ich heiße Sandra.“

Er schickte ein Dankgebet an wen auch immer, froh über die Entspannung dieser seltsamen Situation. Lorenzo war ihm lieb und teuer. Sie hatten manche Nacht durchgesoffen. Sich wechselseitig über Liebeskummer und andere Fährnisse des Lebens hinweggeholfen. Und jetzt das. Diese Frau. Sie hatte ihn elektrisiert. Rücksichtnahme auf Lorenzo war da fehl am Platze. Er reichte ihr seine Hand und sagte: „Richard.“

Wieder sahen sie sich an. Hielten die Hand des anderen länger als es in der Situation nötig gewesen wäre. Lorenzo knallte einen noch gebundenen Stapel Zeitschriften auf den Tresen. Begann ihn aufzuschneiden. Sortierte die Blätter in ihre Fächer an einem Ständer.

Richard ließ Sandras Hand los.

„Komm, gehen wir frühstücken.“

Lorenzo war auf der Rückseite des Kiosks mit dem Einsortieren der neuen Zeitschriften beschäftigt. Sie drückten sich beide vor einer Verabschiedung und gingen.

Sandra lief rechts von ihm. So wechselte er taz und Gauloises in die linke Hand, um die rechte frei zu haben. Nur für den Fall, dass ihre Hände wieder ein Date hätten. Sie beobachtete sein Tun. Grinste ihn verschmitzt von unten an. Sie reichte ihm bis zur Schulter, so dass ein Auge in Auge wirklich nur sitzend möglich war. Oder eben in der Hocke. Gedanken an weitere Möglichkeiten vertagte er auf später.

Es hätte in direkter Nachbarschaft des Kiosks einige Cafés zum Frühstücken gegeben, doch die mochten sie beide nicht nutzen. Ohne ein Wort darüber zu verlieren gingen sie die Hauptstraße hinunter und landeten bei Leder & Frantzen. Wie immer war hier kaum ein Platz frei. Doch sie hatten Glück. Gerade als sie sich nach einem leeren Tisch umsahen, standen zwei Männer auf und gingen.

„Arme Schweine“, sagte Richard mehr zu sich selbst, während er sich setzte und ihnen nachsah.

„Was meinst du?“ fragte Sandra.

„Na, diese beiden Bankertypen. Müssen dunkle Anzüge und Schlipse tragen bei dem Wetter.“

Sandra antwortete nicht. Sie sah ihn kurz an. Bestellte bei der Bedienung ein Frühstück Nr.2 mit Kaffee. Ohne zu überlegen oder zu wissen, was sich hinter diesem Kürzel verbarg, bestellte er das gleiche. Ihn beschäftigte viel mehr die Frage, welche Farbe eigentlich Sandras Augen hätten. Die mussten wenigstens einen Touch von grün haben. Da war er sich sicher. Oder doch blau? Er war diesen Augen so nah gewesen und hatte doch nichts gesehen. Wenn das kein Blind Date war.

„Was treibst du eigentlich so, wenn du nicht gerade mit Zigaretten wirfst?“ fragte Sandra.

„Meinst du beruflich?“

„Ja, auch.“

„Da bin ich vielseitig. Eigentlich bin ich Arzt, schreibe zurzeit aber als freier Journalist für die Zeitung, die mein Geschreibsel kauft. Und notfalls bin ich Sohn.“

„Wow, der arme Vater“, grinste Sandra.

Sie schnitt eines der mit Frühstück Nr.2 gekommenen Brötchen auf. Er wandte sich seinem Gedeck zu und stellte fest, dass weder Wurst noch Käse zu Frühstück Nr.2 gehörten. Er musste also nachbestellen. Oder aber Marmelade und Honig essen. Irgendwie gefielen ihm beide Varianten nicht. Da passiv zu bleiben in einem solchen Fall von selbst geht, aß er Erdbeermarmelade und Honig. Inbegriff eines guten, deutschen Frühstücks.

Sandra war ganz auf Brötchen und Kaffee konzentriert. Schenkte ihm keine Beachtung. Nachdem er seine Aversion gegen Süßes zum Frühstück erst einmal überwunden hatte, konnte er sich auch, abwechselnd Brötchen und Kaffeetasse in der Hand, zurücklehnen und den Moment genießen.

„Studierst du?“

Die Frage war durchaus auch als geschickt getarntes Kompliment gedacht. Wenn er ehrlich war, schätzte er Sandra auf Ende zwanzig. Sie wäre also den üblichen Studiengängen normalerweise schon entwachsen.

„Quatsch“, sagte sie mit einem Zucken um die Mundwinkel, wohl einem Lächeln entsprungen. „Ich bin arbeitslos, verdiene etwas mit Nachhilfeunterricht und Babysitten.“

„Und was hast du vorher gemacht?“

„Dies und das. Zuletzt hab ich dem Bühnenbildner beim Jungen Theater assistiert.“

„Was macht man da eigentlich genau, als Bühnenbildner?“

Die Frage interessierte ihn wirklich. Sandra begann ausführlich zu beschreiben, wie ein Bühnenbild entsteht. Von der Idee über die Tischler- und Malerarbeiten, Recherche in der Requisite bis zum Realisieren eines fertigen Bildes. Es war greifbar, wie sie auch in Gedanken in dieser Welt lebte. Ihm wurde schmerzlich die Leere bewusst, die ihn ergriff, wenn er an Arbeit dachte.

Als er mit dem Schreiben begann, erschien es ihm als der große Schritt in die unendliche Freiheit. Kein Chefarzt, kein Oberarzt, der ihn kujonieren konnte. Kein Verwaltungsgremium, das sein Glaubensbekenntnis hinterfragte. Und vor allem keine Patienten, die ihm mit ihren überzogenen Ansprüchen an ärztliche Kunst und komfortable Behandlung auf den Geist gehen konnten, nachdem sie ein Leben lang alles dafür getan hatten, ihre Gesundheit möglichst gründlich zu ruinieren. Wenn das dann gelungen war, musste die Medizin herhalten – Ärzte als Trümmerfrauen. Nein, danke.

Bald schon stellte sich allerdings die Erkenntnis ein, dass es in der Arbeitswelt überall Abhängigkeiten gibt, die zu umschiffen einem kleinen Licht wie ihm nicht möglich ist. In seinem Fall als freier Journalist waren dies die Zeitungsredaktionen, meistens in Gestalt mitleidig und müde lächelnder Chefredakteure.

„Ich geh dann mal“, sagte Sandras Stimme neben ihm.

Er schrak aus seinen Träumen hoch. Sah in ein ernstes Gesicht, das ihm noch viel anziehender erschien als das lächelnde von vorhin.

„Entschuldige, ich war ein wenig abgedriftet. Kennst du das, wenn plötzlich die ganzen Widrigkeiten deines Lebens in dein Bewusstsein treten?“

Sandra legte den Kopf ein wenig schief. Sah ihn weiterhin ernst an. Der Gesichtsausdruck changierte langsam in ein leicht spöttisches Lächeln.

„Ich dachte nicht, dass du eine solche Masche brauchen würdest. Schade.“ Sie stand auf, legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und sagte: „Danke fürs Frühstück.“ Sie wandte sich zum Gehen.

„Hey, warte. Das war keine Masche. Ich hab nur gesagt, was ich grad dachte.“

Er sprang auf, stieß gegen den Stuhl, auf dem er taz und Gauloises geparkt hatte. Beides segelte vor Sandras Füße. Sie zögert einen Moment im Weitergehen. Dann stand er vor ihr. Hielt sie an den Schultern fest. Wieder trafen sich ihre Blicke, stieben Funken von Wissen um mögliche Lust. Der blaugrüne Blick Sandras ein wenig trotzig vielleicht, aber eindeutig auch mit dem Wunsch nach mehr. Da war er sich sicher.

„Ich muss jetzt los. Um elf hab ich einen Termin.“ „Ich denke, du bist arbeitslos.“

„Meinst du Arbeitslose haben keine Termine?

Man merkt doch deutlich, dass du hauptberuflich Sohn bist.“

Richard schaute Sandra an. Suchte in ihrem Blick ein Widerspiegeln der Aggression ihrer Worte. Versuchte zu verstehen, was den Stimmungsumschwung bewirkt hatte.

„Entschuldigung, Sie müssen noch bezahlen, bevor sie gehen.“ Die Aufforderung wurde durch eine Berührung an Richards linker Schulter unterstrichen.

Er drehte sich um und sah in das rundliche, jetzt eher unfreundliche Gesicht der Bedienung.

„Ja, klar“, murmelte er, während er in seinen Taschen nach Geld suchte. Ein Portemonnaie benutzte er nie. Es beulte die engen Jeans über Gebühr aus. Während der Suche rekonstruierte er den Verlauf des Vormittags. Ihm wurde klar, dass er kein Geld finden würde, außer den paar Cent, die er von Lorenzo als Wechselgeld herausbekommen hatte. Er wollte ja nur Zigaretten und Zeitung einkaufen.

„Äh, Sandra ...“ Im Umdrehen stockte er. Sandra war gegangen. Er sah sich um und entdeckte sie. Sie bog gerade in die Berthastraße ein.

„Tja, jetzt haben wir ein Problem.“

Er wandte sich wieder der Bedienung zu, die ihn nun endgültig verärgert ansah.

„Ich habe nicht genügend Geld bei mir. Und Sie haben ja gesehen, wie meine Bekannte mich hat stehen lassen.“

„Dann kommen Sie bitte mit zum Chef.“ Versuch eines gestrengen Blickes. „Der wird schon wissen, was zu tun ist.“

Richard folgte der energisch in den Verkaufsraum stapfenden Bedienung, die zielstrebig auf ihren Chef zu steuerte, der wie meistens seitlich hinter der Kasse stand und gelegentliche Honneurs machte. Einen kurzen Augenblick lang überlegte Richard, ob er nicht einfach verschwinden solle. Er verwarf den Gedanken schnell wieder. Die Bedienung und er waren schon zu sehr ins Rampenlicht der ringsum sitzenden Gäste geraten.

„Herr Schubert!“ Gleichzeitig atemlos und empört verträgt sich nicht, grinste Richard. „Dieser Herr hier hat zwei Frühstück Nr.2 bestellt und kann sie jetzt nicht bezahlen!“ Fasziniert beobachtete Richard weiter die Frau. Nach diesem langen Satz schnappte sie mit aufgerissenen Augen nach Luft. Wie eine Kaulquappe, dachte er.

„Mein Name ist von Dernberg“, sagte Richard. Zu Schul- und Studienzeiten war ihm das „von“

immer peinlich gewesen. Da hatte Dernberg gereicht. In der Arbeitswelt hatte es sich schon manchmal als hilfreich erwiesen. Jetzt hatte er es bewusst ein wenig betont.

„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten mache. Natürlich werde ich das Frühstück bezahlen. Ich muss nur mein Geld holen. Ich wohne um die Ecke, in der Röntgenstraße.“

Kaum hatte er es ausgesprochen, da war Richard klar, der Von-Bonus wurde reichlich belastet. Die Röntgenstraße war nun wirklich nicht die erste Adresse in dieser Stadt.

Herr Schubert sah ihn von oben bis unten an, als wolle er seinen Wert taxieren. Suchte nur den passenden Platz für den Kuckuck.

„Haben Sie einen Ausweis oder Ähnliches dabei?“ Immerhin war die Frage freundlich gestellt. Der Blick allerdings ruhte weiterhin streng auf dem Delinquenten.

Richard überlegte.

„Außer der Zeitung und meinen Zigaretten habe ich nur achtzig Cents dabei.“

Eine bekannte Stimme an der Kasse ließ Richard aufblicken. Da stand wahrhaftig Annika. Seine dea ex machina.

„Hallo, Annika, kannst du mir mal helfen?“ Überrascht betrachtete sie die Szene, erfasste schnell den möglichen Grund für Richards Hilferuf. Sie zögerte. Sollte sie ihm helfen? Trotz allem?

„Die Dame kennt Sie doch gar nicht.“ Diese als Tatsache in den Raum gestellte Behauptung von Herrn Schubert gab den Ausschlag. Annika wandte sich kopfschüttelnd zum Gehen.

„Entschuldigen Sie die Belästigung, gnä‘ Frau!“ rief Herr Schubert ihr dienstbeflissen hinterher.

Für den Moment fiel Richard nichts mehr ein. Was ist denn bloß mit Annika los. Die Aktion war doch allenfalls billig. Nicht ihr Niveau, dachte er. Das Ende ihrer Beziehung war nicht von ausgefeilter Dramaturgie gewesen, zugegeben. Andererseits. Kommt auf den Film an, dachte er schmunzelnd.

„Also lächerlich finde ich die Situation nun überhaupt nicht“, ereiferte sich indes Herr Schubert, Richards Miene fehlinterpretierend.

„Was soll ich tun?“ Richard hob die Schultern. „Zum Tellerwaschen haben Sie doch sicher eine Maschine.“ Unschuldiger Blick, mit Mühe ein weiteres Lachen unterdrückend. Schon zu Schulzeiten entzog sich Richard dem Ernst mancher Situationen durch Lachen. „Childish behavior in class“, hatte ihm ein amerikanischer Austauschlehrer im Klassenbuch attestiert. Konnte Kind-Bleiben bis ins hohe Alter nicht auch ein Lebensziel sein?

„Herr von Dernberg“, Schubert hatte sich seinen Namen gemerkt! „Ich will hier kein weiteres Aufhebens machen. Geben Sie mir die zwei Zigarettenschachteln und holen Sie ihr Geld. Oder lassen Sie’s.“

Der Nachsatz erreichte die Außenwelt von einem Seufzer getragen.

Richard übergab die Zigaretten und wandte sich zum Gehen. „Bin gleich wieder da.“

Draußen erst dachte er an Sandra. Er wollte sie wiedersehen. Das Missverständnis ausräumen, von dem er nicht wusste, wie es zustande gekommen war. Sie hören, sehen.

Richard hastete zurück ins Café und zahlte dem sehr überraschten Herrn Schubert den ausstehenden Betrag. Nahm seine Zigaretten in Empfang. Ging ohne ein weiteres Wort. Lorenzo war seine einzige Hoffnung.

2

Abgehetzt und verschwitzt erreichte Sandra das Polizeipräsidium. Da sie erst seit einigen Tagen hier ihren Dienst verrichtete, musste sie sich jedes Mal ausweisen, da immer neue Beamte den Zugang zu den Diensträumen überwachten. Lästig, aber eine Frage der Zeit. Wahrscheinlich hatte sie ihren Auftrag längst erledigt, bevor sie alle kannten.

Sie ging direkt ins Besprechungszimmer im zweiten Stock. Nahm die Treppe, um nicht auf den Fahrstuhl warten zu müssen. Mit Schweißflecken auf dem dunklen T-Shirt und außer Atem betrat sie den Raum. Alle drehten sich zu ihr. Sie zögerte einen Moment, bevor sie zu einer Entschuldigung ansetzte.

„Guten Morgen Frau Straub. Auch wenn das hier nicht Berlin ist, haben wir doch Regeln, an die sich alle halten sollten. Solange sie also bei uns Dienst tun, seien Sie bitte pünktlich. Das erspart Ihnen dann auch hässliche Schweißflecken.“

Kriminaldirektor Hesse hatte, wie schon bei ihrer Begrüßung vor drei Tagen, eine strenge Miene aufgesetzt. Kugel-Hesse, wie er von den Kollegen wegen seines imposanten Bauchs genannt wurde, meinte wohl, sich so Respekt verschaffen zu können. Sandra gehörte nicht zu denen, die sich so schnell durch derartige Faxen beeindrucken ließen. Sie schätzte es, wenn ihr ein Vorgesetzter sachlich und kompetent begegnete. So war der Herr Kriminaldirektor schon in den ersten fünf Minuten bei ihr durchgefallen.

Sie setzte sich auf den nächsten freien Stuhl und nickte Rolf Krüger zu. Der war als Kollege und direkter Ansprechpartner eher ihr Fall. Ruhig hatte er sie eingewiesen und ihr die Situation in seiner Stadt, wie er sagte, umfänglich dargestellt.

Sie war vor kurzem zur Oberkommissarin befördert und direkt danach vom Bundeskriminalamt hierher abgestellt worden. Für eine Ermittlung, die ein unverbrauchtes Gesicht benötigte, wie ihr Chef in Berlin es formulierte. Mit anderen Worten, sie sollte verdeckt ermitteln. Sie hatte sich für diese Tätigkeit schon früh beworben, da sie ungebunden war und Lust darauf hatte, herum zu kommen. Auf diese Weise Deutschland kennen zu lernen.

Immer wieder war sie auf die Gefahren hingewiesen worden, die eine solche Tätigkeit über das normale Maß polizeilicher Arbeit hinaus mit sich brachte. Aber sie hatte alle Bedenken weggelächelt und zuletzt ihre Mutter herzlich umarmt und ihr versichert, sie werde schon auf sich aufpassen.

Toll, dachte sie jetzt, und sich dann gleich erst mal so anmachen lassen, dass fast die Deckung auffliegt. Bei einem Journalisten. Bin ich denn total bescheuert. Aber dann dachte sie an Richard. Wieder spürte sie dieses Kribbeln in der Magengegend. Sie schaute aus dem Fenster und fragte sich, ob sie ihn irgendwie wiedersehen könnte, wenn das hier alles vorbei wäre.

Kugel-Hesse riss sie aus ihren Träumereien.

„Ich würde mich freuen, wenn die Kollegin Straub dann auch geistig bei uns ankäme. Wir sitzen hier nämlich nicht, um das schöne Wetter draußen zu beobachten. Können sie schon etwas zum Fall Ziege sagen, Frau Kollegin? Oder soll ich da heute Nachmittag noch einmal um eine Audienz bitten? Wie ist das so üblich im großen Berlin?“

Einige Kollegen lachten oder schmunzelten zumindest. Sandra ärgerte sich noch mehr über sich selbst und lief jetzt doch rot an. Vor allem diese Ironie mit der mühsam dahinter versteckten Aggressivität konnte sie so gar nicht leiden. Aber sie hatte das ja selber provoziert.

„Ich habe in den beiden letzten Tagen Kontakt mit dem Chef des Fuhrunternehmens Drewes hier in der Stadt und mit zwei Tabakwarenhändlern im Zentrum aufgenommen. Im ersten Fall habe ich mich um eine freie Stelle als Disponentin beworben. Die erforderlichen Zeugnisse habe ich mir aus Berlin schicken lassen. Ich werde die Stelle am nächsten Dienstag antreten.“

„Und was machen sie bis dahin? Warum fangen sie da nicht gleich an?“ Hesse konnte es nicht lassen. Er provozierte weiter.

„Also in Berlin tritt man Stellen zum ersten oder fünfzehnten eines Monats an. Bei Drewes ist das auch so. Aber wir hatten Glück, dass am Dienstag der Erste ist.“

Sie sah den Kriminaldirektor ausdruckslos an. Dem hatte es für den Moment die Sprache verschlagen. So referierte sie weiter, als ob nichts gewesen wäre.

„Der eine Tabakhändler, ein Shmuel Krakowski in der Röntgenstraße, könnte eine Quelle sein. Ich habe mich von ihm wegen Zigarren für meinen Vater beraten lassen. Dabei sind wir ins Gespräch gekommen und haben uns dann über alles Mögliche unterhalten. Ich hatte eine Zeitung dabei, in der ein Artikel über Zigarettenschmuggel als Aufmacher stand. Als er die Überschrift sah, kam er von sich aus auf das Thema und schimpfte wie ein Rohrspatz über diese Verbrecher, die ihm sein Geschäft ruinierten. Irgendwie hatte er mit denen Kontakt. Da bin ich mir ziemlich sicher.“

Bevor Kugel-Hesse wieder Gift verspritzen konnte, stand Rolf Krüger auf und lobte die Initiative der neuen Kollegin. Sie solle dranbleiben, war seine Anweisung. Die Sitzung war beendet.

3

„Ciao, Lorenzo. Come stai?“

Lorenzo schaute Richard aus müden Augen an.

„Ciao, Ricardo. Bist du schon fertig mit ihr?“

„Hör mal. Sie ist gegangen. Einfach so. Ich habe sie geärgert, weiß nur nicht wie. Ich will sie finden.“

„Ich kenne nicht mal ihren Namen. Du weißt, wie das ist. Kunden kommen, freuen sich über netten Italiener, quatschen, hauen ab. Ich lerne sie nie kennen. Auch die Dottoressa nicht. Leider.“

Nachdem Lorenzo eine Kundin mit zwei Zeitschriften versorgt hatte, fragte Richard: „Wann kommt sie denn immer?“

„Was heißt immer? Heut hab ich sie zum ersten Mal gesehen. Lass uns heut Abend was trinken. Mir ist danach.“

„Okay. Hol mich ab wenn du fertig bist. Ich bin zuhause.“ Im Weggehen winkte er mit der rechten Hand. Rief „Ciao“. War in Gedanken schon am Computer. Das Junge Theater musste doch eine Homepage haben, auf der auch die Mitarbeiter verzeichnet waren. Vielleicht hatten sie die ja noch nicht aktualisiert.

Die Hoffnung trog. War eigentlich auch vorher klar. Die Webseite eines Theaters wirbt schließlich für kommende Veranstaltungen. Nicht für die von vor zwei Jahren. Unwillig wechselte er zu Google. Dachte – noch unwilliger – an den Artikel, für den er noch recherchieren musste.

Insidergeschäfte. Mit ein bisschen Glück ein Knüller der ein wenig Geld in die Kasse brächte. Und danach Zeit für Sandra.

Das Schreibprogramm startete. Richard kochte einen Kaffee. Nahm Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Setzte sich so ausgerüstet an den Schreibtisch.

Von der Straße drang ein Raunen. Die Röntgenstraße war während der Geschäftszeiten stark frequentiert. Die Ablenkung vorprogrammiert. Von nebenan drang zu allem Überfluss das Stakkato eines Schlagbohrers herüber. Man kann in diesem Irrenhaus wirklich nur nachts arbeiten, dachte er. Eine Erkenntnis, die nicht neu war. Aber immer wieder gut als Grund taugte, nicht zu arbeiten. Ein wenig Recherche kann ich ja wenigstens machen.

Die Bilanz des Artemis-Konzerns war problemlos zu finden. Allerdings die für das aktuelle Jahr. Die von den Vorjahren fand er auf der Artemis-Homepage nicht. Es gab natürlich Recherche-Datenbanken, doch die ließen sich ihre Dienste teuer bezahlen. Richard fuhr den Rechner runter. Trank den Kaffee aus. Dann machte er sich auf den Weg zur Uni-Bibliothek.

Nachdem man ihn durch Zwangsexmatrikulation aus der medizinischen Fakultät ausgeschlossen hatte, hatte er sich zu wechselnden Studiengängen immatrikuliert. Das Studenten-Dasein hatte Vorteile. Bei der Krankenkasse ebenso wie bei der Nutzung der Bücherei. Auf seinem Weg musterte Richard die Tische bei Leder & Frantzen auf der Suche nach Sandra.

Bog in die Berthastraße, so wie sie vor eineinhalb Stunden. Kindisch die Hoffnung, sie plötzlich vor sich zu sehen. Und dennoch.

In der UB legte er seinen Ausweis vor. Erntete wie immer bei dieser Mitarbeiterin einen erstaunten, zweifelnden Blick. Dann das bedeutungsvolle Hochziehen der Augenbrauen. Es sollte Richard wohl ihre Missbilligung angesichts der langen Studienzeit zeigen. Er lächelte nur weiterhin freundlich. Nahm seinen Ausweis wieder entgegen. Wandte sich dem Katalog zu.

Die Artemis-Bilanzen waren schnell gefunden. Er füllte die Anforderungsscheine für Kopien aus. Jetzt noch die Namen der Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder. Auch diese Suche konnte er schnell erfolgreich abschließen. Hier genügten Notizen.

Der Kern des Problems war wie immer der Nachweis illegaler Praktiken. Da wurde es brisant. Unter den Namen der Aufsichtsräte fanden sich ein Bundes- und ein Landesminister sowie ein hoher Gewerkschaftsfunktionär. Wenn sein Informant recht hatte, waren sie alle mit von der Partie, als es darum ging, bei der Fusion einen Anteil zu ergaunern. Wie hatten sie das angefangen? Unter eigenem Namen natürlich nicht. Das Unverfänglichste war, zwei oder drei Gesellschaften zu gründen, über die die Geschäfte schön verschachtelt abgewickelt wurden. Eine Bank im Ausland. Die erledigte die Transfers unauffällig, unter dem Schutz des Bankgeheimnisses. Luxemburg bot sich angesichts des Ministers aus Rheinland-Pfalz geradezu an.

Richard nahm seine Unterlagen und ging. Am Schalter gab er der Dame, sie wieder mit bedeutungsvollem Blick, seine Kopieranforderungen. Erhielt die Mitteilung, sie seien morgen früh fertig. Am Ausgang schlug ihm die feuchtwarme Hitze des Sommers entgegen. Sie führte augenblicklich zu einem Abfall jeglicher Energie auf Nullniveau.

Die zwanzig Meter ins nächste Straßencafé kamen ihm deutlich länger vor. Er ließ sich auf einen der sonnenbeschirmten Stühle vor dem Lokal fallen. Bestellte einen Espresso und ein Mineralwasser. Während er sich eine Gauloises anzündete schaute er auf das Rinnsal im Stadtkanal. Nach sechs Wochen Sonne, nur unterbrochen durch ein paar Wärmegewitter ohne viel Regen, kam all das zum Vorschein, was in einigen Haushalten übrig gewesen war. Bewundernswert die Enten, die sich zwischen Schlamm und Schlamassel das Bisschen Wasser teilten und offenbar sogar noch Nahrung fanden.

Richard trank in kleinen Schlucken vom Espresso. Dazwischen ein wenig Mineralwasser. Mittlerweile rauchte er die zweite Zigarette. Betrachtete dabei die Passanten, in der Hoffnung, Sandra zu entdecken. Auf seiner Stirn begann Schweiß zu perlen, wie immer, wenn er bei Hitze etwas Warmes trank. Das T-Shirt klebte an Bauch, Brust und Rücken. Er hoffte, keinen nassen Fleck auf den dunklen Stuhlpolstern zu hinterlassen. Rasch zahlte er. Wollte so schnell wie möglich unter die kalte Dusche.

Auf dem Weg zurück – er ging denselben, den er gekommen war – winkte er Lorenzo zu. „A presto!“

4

Sandra hatte sich nach der unerfreulichen Sitzung noch unter vier Augen mit Rolf Krüger über den Fall, aber auch über den Kriminaldirektor unterhalten. Krüger meinte, da sie hier ja nicht Karriere machen wolle, solle sie ruhig weiter gegenhalten. Wenn Hesse merke, dass die Arbeitsergebnisse stimmen, würde er Ruhe geben.

„Du musst wissen, der wollte selbst gern nach Berlin. Ist aber irgendwo an einer Ecke hängen geblieben, die man auf dem Weg nach oben besser umgeht. Nun sitzt er hier und hadert mit seinem Schicksal.“

Sandra speicherte das als wichtige Hintergrundinformation ab. Sie konnte sich im Allgemeinen gut auf Menschen und Situationen einstellen. Bis auf heute Morgen. Sie merkte, wie der Ärger wieder zu brodeln begann. Sie machte sich auf den Weg in die Röntgenstraße. Der Kontakt mit dem Tabakwarenhändler schien ihr aussichtsreich.

Sie betrat den Laden. Zwei Kunden sprachen gerade mit dem Inhaber und verstummten, als die Tür aufging. Beide drehten zu sich zu Sandra um, musterten sie von Kopf bis Fuß. Der Blick des kleineren passte zu seinem kantigen Gesicht, das unterhalb der Wangenknochen in ein fliehendes Kinn überging. Er erinnerte Sandra an einen Pitbull. Auf dem Sprung zuzubeißen. Der zweite Mann sah sie bemüht gelangweilt an.

Der Händler begrüßte Sandra und fragte: „Wie immer?“ Dabei machte er eine Kopfbewegung in Richtung des Zigarettenregals, das eine ganze Wand des Ladens ausfüllte. Sandra nickte. Sie erhielt eine Packung Marlboro light, bezahlte und verließ das Geschäft mit einem schlechten Gefühl. Zügig ging sie in Richtung Rathaus und bog in eine kleine Gasse ab, ohne zu wissen, wohin die führte. Sie wollte zunächst nur verschwinden und darauf warten, dass die beiden merkwürdigen Kunden den Laden wieder verließen. Den alten Mann mit den beiden allein zu lassen gefiel ihr gar nicht.

Sandras Unruhe wuchs. Sie ging zurück. Als sie den halben Weg zurückgelaufen war, sah sie, wie die beiden Männer das Geschäft verließen. Sie drückte sich in einen Hauseingang. Die Tür war nur angelehnt. So konnte sie im Flur des Mehrfamilienhauses verschwinden. Durch die vergitterten Scheiben der Tür sah sie die beiden vorbeigehen. Sie versuchte, sich vor allem die Gesichter einzuprägen. Vielleicht waren die ja aktenkundig.

Der Pitbull war vielleicht zehn Zentimeter kleiner als sie. Seine dunkelblonden Haare waren gegelt. Er trug sie nach hinten gekämmt, was dem Kopf zusammen mit dem fliehenden Kinn etwas Stromlinienförmiges gab. Sein Begleiter war sicher knapp einen Meter neunzig groß und hatte leicht gewellte, schwarze Haare. Das Gesicht mit einer fein geschnittenen Augen- und Nasenpartie, die an griechische Statuen erinnerte, zierte ein Drei-Tage-Bart. Wäre nicht die Narbe unter dem rechten Auge gewesen, hätte Sandra ihn als gutaussehend beschrieben. Sie würde beide problemlos wiedererkennen, wenn sie in einer der Karteien zu finden wären.

Kurz nachdem die beiden den Eingang passiert hatten verließ sie das Haus und rannte zum Laden zurück. Als sie die Tür aufriss, erschrak der alte Herr. Er hatte sich auf einen Stuhl hinter dem Tresen gesetzt. Bleich war er. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Trotzdem lächelte er, als er Sandra sah.

„Ich danke Ihnen. Sie haben wirklich super reagiert.“

„Was war denn los?“

Sie war auf den Alten zugegangen und hatte automatisch seinen Puls gefühlt, so wie sie es im Spezialkurs für Ersthilfe bei Gewaltopfern gelernt hatte.

„Sie sind Polizistin, nicht wahr?“

Die Frage war eigentlich eher eine Feststellung.

Sandra erschrak und wusste in dem Moment nicht, wie sie reagieren sollte. Der Alte fuhr auch schon fort:

„Ich habe mir das gestern schon gedacht. Sie sind zwar wirklich sehr subtil vorgegangen“, er lächelte, „aber dem alten Shmuel macht so schnell keiner was vor. Zigarren für den Vater. Eine Zeitung von vor einem Jahr. Junge Frau, das war ziemlich dick aufgetragen bei einem, der immer noch auf der Hut ist. Oder vielleicht schon wieder.“

„Sarah Strauß“, stellte sich Sandra mit ihrem Alias vor. „Sie haben mich durchschaut. Da muss ich wohl noch üben, was?“

Sie lächelte jetzt auch. Trotz dieser Katastrophe. Der erste Einsatz und schon nach fünf Minuten enttarnt. Das ging ja wirklich gut los.

„Wissen Sie was, ich mache den Laden jetzt zu. Mittagspause. Und Sie leisten mir bei einem Kaffee Gesellschaft. Sie wollen doch noch viel von mir wissen, oder?“

Offenbar hatte sich Shmuel etwas erholt. Er lächelte nicht nur und zwinkerte ihr neckisch zu, während er sprach. Sein Gesicht hatte wieder Farbe angenommen. Er schloss die Ladentür ab. Dann zog er das Rollo herunter. Er ging in ein Hinterzimmer und bedeutete ihr, ihm zu folgen.

Sie betraten einen mit alten Möbeln bestückten Raum - gleichzeitig Büro und Wohnzimmer. Und wohl auch Küche. Auf einer Art Anrichte stand eine Doppelkochplatte. Shmuel setzte Wasser auf. Dann schüttete er Kaffee in einen Filter, setzte ihn auf die Kanne und begann zu erzählen.

Anfang Juli waren die beiden Männer, die sich nicht weiter vorgestellt hatten, in seinen Laden gekommen. Sie hatten ihm Zigaretten angeboten. Hatten gemeint, seinen Großhändler brauche er jetzt nicht mehr. Shmuel wollte wissen, wie sie auf ihn gekommen seien. Angeblich habe ihn sein Neffe aus Hamburg empfohlen. Shmuel hatte dort einen Neffen. Er konnte sich aber nicht vorstellen, wie es zu der Empfehlung gekommen war.

Er unterbrach seine Erzählung, um den Kaffee aufzugießen. Stellte Tassen und Untertassen auf den Tisch. Dazu eine Keksdose. Nachdem er eingegossen hatte, berichtete er weiter.

Er hatte das Angebot ohne zu diskutieren abgelehnt. Daraufhin seien die beiden ärgerlich geworden. Er solle es sich gut überlegen. Eine Drohung, kein Rat. Sie kämen wieder. Das hatten sie getan, etwa zwei Wochen später. Waren diesmal mit einer Art Musterkoffer erschienen. Boten ihm verschiedene Zigarettenmarken an. Schon aus der Ferne habe er gesehen, dass die Steuerbanderolen gefälscht waren. Genauso bei dem Pfeifentabak aus ihrem Sortiment. Als er darauf hinwies, hatten sie ihm unverhohlen gedroht. Hatten gemeint, ein solcher Tabakwarenladen würde doch sehr schön brennen. Dann hatte der eine ein Feuerzeug genommen und Papier angezündet, das auf dem Tresen lag. Es dann auf den Boden fallen lassen. Als Shmuel das Feuer austrat, bekam er einen Stoß in den Rücken. Er war gegen die Vitrine mit den Pfeifen und teuren Feuerzeugen gefallen und hatte sie umgeworfen. Das Glas der Vitrine war zu Bruch gegangen. Teile des Regals, gegen das sie gestürzt war, waren ebenfalls beschädigt. Der Inhalt auf dem Boden verstreut.

Shmuel nahm einen Schluck Kaffee. Das so sympathische Lächeln war schlagartig verschwunden. Sandra meinte Tränen in seinen Augen zu sehen. Sie drängte ihn weiter zu erzählen.

Sie waren dann gegangen und bis heute nicht wieder aufgetaucht. Zum Glück sei Sandra zur rechten Zeit in den Laden gekommen. Die beiden hatten gerade wieder begonnen ihn zu bedrohen. Als Sandra draußen war, hatten sie dann nur noch versichert, dass sie wiederkämen und dass ihre Geduld am Ende sei.

Shmuel setzte sich zurück und starrte auf seine Füße.

„Schon wieder Gewalt“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Ich habe das so satt.“

Sandra war irritiert. Fragte, ob er denn schon einmal Gewalt erlebt habe. Shmuel nickte, sah sie aus traurigen Augen an. Er wolle nicht darüber sprechen. Mehr sagte er nicht.

Sandra fragte, ob sie noch etwas für ihn tun könne. Als er verneinte und sie schon fast an der Tür war rief er sie noch einmal zurück.

„Als die beiden mit ihrem Musterkoffer hier waren, habe ich ein Päckchen Tabak in die Hand genommen. Dabei muss ein Streichholzbriefchen herausgefallen sein. Ich habe es später am Boden gefunden. Vielleicht ist das für sie interessant.“

Der alte Mann hatte aus einem Schubfach unter dem Tresen das Briefchen genommen und Sandra gegeben. Es stammte aus einer Bar in Krakau.

Sandra ging zurück zum Präsidium, das sie von nun an nur noch durch die Tiefgarage betrat. Die war mit einem elektronischen Codeschloss gesichert. Also keine lästige Ausweiskontrolle. Der Eingang lag in einer ruhigen Seitenstraße. Kaum Gefahr, hier beobachtet zu werden.

Sie fuhr den Computer hoch. In der Datei über organisierte Kriminalität gab es eine Unterdatei für Steuervergehen. Also auch für Zigarettenschmuggel.

Sandra sah die zahlreichen Bilder durch, die zumeist Männer zeigten, die in diesem Metier aktenkundig geworden waren. Es dauerte nicht lange und sie fand einen der beiden Kerle, die Shmuel bedroht und angegriffen hatten. Einen alten Mann. Was waren das für Helden.

Mikolaj Wröbel, geboren 12.11.1979 in Mieszkowice, polnischer Staatsbürger. Er war der Pitbull. Vorstrafen: gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen mit einmal 6 Monaten Jugendarrest und einmal 12 Monaten Haft in Frankfurt/Oder. Ermittlungen wegen Verdachts auf Zollhinterziehung, mangels Beweisen eingestellt. Zuletzt gemeldet in Berlin, Kienheideweg 30.

Sandra fand bei Google den Geburtsort direkt an der polnisch-deutschen Grenze. Das ist ja mal ein Omen, dachte sie. Zum Schmuggler geboren, quasi gezwungen. Was soll man in der gottverlassenen Gegend schon anderes machen.

Im Kienheideweg standen laut Internet kleine Mehrfamilienhäuser. Auf den ersten Blick eine der unverdächtigen Gegenden von Neukölln. Aber was heißt das schon, dachte sie.

Der zweite Mann war in der Kartei nicht zu finden. Sandra fertigte ein Phantombild an. Dann setzte sie ein Amtshilfegesuch an Europol auf und verschickte es online. Sie telefonierte mit ihrem Ansprechpartner in Wiesbaden und erklärte ihm den Grund der Anfrage. Bat ihn auch um weitere Informationen zu Wröbel, vor allem wegen der Zollhinterziehung. Er versprach, so rasch wie möglich zu antworten.

5

Lorenzo kam um halb acht. Mit seinem noch nassen schwarzen Haar, dem dunklen Teint und der schlanken Figur sah er aus wie der Vorzeigeitaliener in Lieschen Müllers Vorabendserie.

„Komm rein“, sagte Richard, „ich bin gleich so weit. Im Kühlschrank ist ein trockener Weißer, wenn du möchtest.“ Lorenzo brummte etwas und ging ins Wohnzimmer, das gleichzeitig als Arbeitszimmer diente.

Als Richard aus dem Bad zu ihm trat, sang Lorenzo ein italienisches Lied. Es klang ein wenig wehmütig, jazzig. War aber sicher kein Blues.

„Was ist das“, fragte Richard.

„Es heißt Se stasera sono qui, ist von Mina, Ende der Sechziger. Mein Vater hat die Platte mitgebracht. Keine CD. Eine echte Langspielplatte.“

„Und was heißt das, dieses se stasera?“

„Die erste Strophe heißt so viel wie, wenn ich heute Abend hier bin, weil ich dich will, weil du mich brauchst, auch wenn du es nicht weißt ...“

Lorenzo drehte Richard weiter den Rücken zu. Schaute durchs Fenster auf die Röntgenstraße.

„Bist du noch sauer?“

„Was soll das – sauer! Da steht diese Traumfrau, nimmt mich sogar wahr hinter meinen Zeitungen. Und dann kommst du. Scheiße. Nichts hat da gepasst.“

Richard sah Lorenzo einen Moment an. Dachte daran, wie gern er Sandra wiedersähe. Aber auch, dass er Lorenzo nicht verletzen wollte.

„Du, heute läuft im Scala noch mal Bella Martha. Wir könnten was essen und dann den Film ansehen. Ich hab dir von ihm erzählt. Dies schöne Märchen mit dir in der Hauptrolle.“

„Ricardo, Ricardo. Bandito. Natürlich wirst du sie wiedersehen.“

Lorenzo sah Richard kopfschüttelnd an.

„Lass uns essen gehen. Zu Carlo ins Vesuvio?“ Richard mochte weder Carlo noch sein Essen.

Aber Lorenzo fühlte sich wohl unter dem Bild des Vesuv. Nah der Heimat, so hatte er einmal nach dem fünften Viertel Pinot grigio gesagt. Lorenzo war in Hildesheim geboren. Seine Eltern stammten aus der Nähe von Neapel. Er hatte zwei Sommer bei den Großeltern verbracht. Seither genoss er es, in Deutschland leben zu können. Das soziale Elend der Heimat seiner Eltern hatte ihn tief beeindruckt. Richard vermied es, über soziale Probleme in Lorenzos Gegenwart zu reden. Das führte mit tödlicher Sicherheit zu Lorenzos persönlichem Blues. Der Versuch, den Blues zu ertränken, hatte schon viele Endpunkte erlebt. Wenn es Richard nicht gelang, auf ihn aufzupassen, endete er irgendwo im nächstgelegenen Bett. Aber auch die Ecke neben einem Kotzbecken und eine Parkbank hatten schon herhalten müssen.

Auch deshalb ging Richard nicht gern mit Lorenzo ins Vesuvio. Doch heute musste es sein. Um des lieben Friedens willen.

Sie teilten sich eine Portion Bruschetta. Tranken dazu einen nicht näher bezeichneten Weißwein. Als Hauptgang kamen in diesem Lokal für Richard nur calamari fritti con ajoli in Frage. Da konnte selbst dieser Koch nichts verderben. Der schaffte es ansonsten, klebrige Pasta und mehlstrotzende Soßen zu produzieren, zu denen dann fades Fleisch oder alter Fisch serviert wurden.

Lorenzo strahlte. Plauderte mit Carlo auf Italienisch. Richard verstand kein Wort. Nur dass Lorenzo momentan glücklich war. Als Richards calamari und Lorenzos sogliola serviert waren, wurde Lorenzo wieder ernst.

„Wirst du sie wiedersehen? Du hast mir noch nicht geantwortet.“

„Ich weiß nicht mehr als du. Sie ist nach dem Frühstück einfach verschwunden. Ohne noch etwas zu sagen. Irgendwas hat sie geärgert. Ich hab nicht mal eine Idee, was.“

Richard sah vor sich hin. Zog in Gedanken versunken seine Zigaretten aus der Brusttasche. Da stand Carlo neben ihnen.

„Ist etwas nicht in Ordnung, Dottori?“ fragte er besorgt.

„Doch, doch. Alles bestens.“ Aufgeschreckt aus seinen Erinnerungen an den verheißungsvollen Tagesanfang hatte Richard mechanisch seine Standardantwort gegeben. Selbst die Calamari kriegt ihr so hin, dass sie zäh sind, ihr Säcke - das wäre die korrekte Antwort gewesen. Richard schluckte sie mit den zähen Tintenfischringen. Wenigstens die Knoblauchsoße war genießbar.

„Komm, Lorenzo, lass uns ins Kino gehen. Der Film ist echt super. Und wir können beide andere Gedanken gebrauchen.“

Richard winkte Carlo. Bestellte für beide einen grappa und einen doppio.

Auf dem Weg ins Scala erzählte Richard von der Musik zum Film. Als er Via con me von Paolo Conte erwähnte, erwachte etwas in Lorenzo. Er begann das Lied zu summen. Nicht ganz so, wie Richard es in Erinnerung hatte. Trotzdem versuchte er, bei der Variation mitzuhalten. So gestimmt sahen sie Bella Martha, kamen summend und pfeifend aus dem Kino heraus. Von Volare über Attenti al lupo bis zu Keith Jarretts Country musste fast die gesamte Filmmusik herhalten. Die Variationen der beiden waren vielfältig. Selten schön. Nie dem Original ähnelnd. Doch sie wussten, was gemeint war.

„Ricardo, jetzt hätte ich Lust, Pasta zu kochen.“

„So wie ich. Ich hab den Film jetzt zum dritten Mal gesehn. Und jedes Mal wieder nehm ich mir danach vor, ordentlich kochen zu lernen. Der Anfall hält genau bis zum nächsten Morgen. Lass uns ins Irish Pub gehen. Mir ist nach Guinness.“

Jetzt war es an Lorenzo, das Gesicht zu verziehen. Das Irish Pub war für ihn, was für Richard das Vesuvio war. Aber heute war es egal. Sie hatten ihre Laune wieder. Sonst war nichts wirklich wichtig.

6

Am letzten Samstag im August wachte Richard mit quälenden Kopfschmerzen auf. Die Zunge schien von einem Pelz überzogen. Ihr Umfang auf das doppelte angewachsen. Der Hals trocken wie nach einem Marsch durch die Wüste. (Als ob er so was je gemacht hätte!) Im Bauch stritten zwei Gefühle um die Oberhand. Unten drückte die volle Blase. Weiter oben drückte der Magen zurück. Entschloss sich dann aber, der klügere zu sein. Drückte nach oben, Richtung Rachen.

Mit Mühe schaffte es Richard, die Streithähne im Zaum zu halten bis er das Klo erreichte hatte. Doch wer sollte jetzt den Vortritt haben. Ladies first? Also die Blase, dann der Magen? Zu spät. Er hatte sich erfolgreich vorgedrängelt. Fast zu groß die Anstrengung, ihren Protest zu ignorieren. Ihr die Position zuzuweisen, die ihr nun mal aufgrund der geschaffenen Realität zustand. Es gelang. Danach sank Richard völlig erschöpft zurück auf sein Bett.

An Schlaf war angesichts des Dröhnens in seinem Kopf nicht zu denken. Auch der Magen rumorte noch im Hintergrund, nicht zufrieden mit dem davon getragenen Sieg von eben. Jetzt drang neben dem Dröhnen noch ein anderes Geräusch in sein Bewusstsein. Vielmehr ein Gemisch verschiedenster Geräusche und Klänge. Der Begriff Kakophonie fiel ihm ein. Bereitete ihm selbst in diesem Zustand Freude. Das Stadtfest fängt an, dachte er.

Langsam kam die Erinnerung an den gestrigen Abend. Mach bloß langsam, dachte er, nimm Rücksicht auf den Magen ... Ein weiser Rat, wie er sogleich merkte. Mit der Erinnerung stellten sich Bilder ein. Das Gesicht einer Frau. Hübsch. Sie lachte viel. Ihre unteren Eckzähne, von den Nachbarn ein wenig nach vorn gedrängt. Zum Glück waren’s nicht die oberen, dachte er und musste lächeln. Unter normalen Umständen wäre mehr draus geworden. Aus ihr und ihm. Jedenfalls für den Abend, die Nacht. Aber Sandra stand zwischen ihnen. Er hatte immer weiter gesoffen. Bis er kein klares Wort mehr hervorbrachte. Irgendwann war Lorenzo aufgetaucht. Hatte zunächst die bekannte Situation, dann ihn erfasst und nach Hause gebracht.

„Leg dich hin, Alter. Wir sehen uns morgen.“ Richard machte einen vorsichtigen Versuch aufzustehen. Als er auf der Bettkante saß, sah er wie gewöhnlich zum Wecker. Die roten Digitalziffern alarmierten ihn. Fast ein Uhr. Nur noch wenig Zeit, für das Wochenende einzukaufen, wenn er auf den Markt wollte. Nur keine Hektik, Alter, dachte er. Ein Versuch im Einklang mit seinem Magen zu bleiben. Das Dröhnen im Kopf mutierte zu einem leisen Klopfen. Schon besser.

Vorsichtig tappte Richard ins Bad. Unvermeidlicher Blick in den Spiegel. Na ja. Zähneputzen? Besser wär’s, dachte er. Es ging. Duschen? Später. Er wusch die Hände. Legte sie dann zu einer Schale zusammen. Füllte diese mit Wasser. Klatschte es sich ins Gesicht. Mehrfach. Mochte damit gar nicht wieder aufhören.

Als er das Bad verließ, war ein Teil der Lebensgeister wieder zurückgekehrt. Eine Musik ging ihm durch den Kopf. Es dauerte eine Weile bis er draufkam, welche. Für Alina von Arvo Pärt. In Bella Martha untermalte es die Verzweiflung von Martha angesichts des Todes der Schwester. War Martha eigentlich wirklich verzweifelt, weil die Schwester tot war? Oder weil sie deren Kind am Hals hatte? Richard mochte Martha. Wollte ihr nicht Egoismus unterstellen. Wusste wohl, dass Trauer das Ego nicht abstellt. Es funktionierte weiter. Manchmal vielleicht sogar vermehrt. Wie soll man sich um andere kümmern, wenn man mit sich selbst beschäftigt ist!

Die Gedanken gingen, die Melodie blieb. Schaffte eine Melancholie, die Richard kannte. Morgens nach einem Totalabsturz fuhren die Systeme nicht gleichsinnig hoch. An der einen oder anderen Stelle hakte es.

Auf der Treppe traf er Benny von der WG in der Nachbarwohnung. Sie nickten sich zu. Zu sagen gab es nichts. Der Abstand ist mittlerweile riesig zwischen mir und diesen Studenten. Vierunddreißig! Scheiße. Richard versuchte den kleinen Teufel zu ignorieren, der seine schwarze Stimmung anfeuerte. Dir werd‘ ich’s zeigen, du Sack.

Fast schon am Markt angekommen fiel ihm ein, dass er sein Geld zuhause vergessen hatte. Schon wieder! Also noch mal zurück.

Wieder war Benny im Treppenhaus. „Na, das ging aber schnell.“

Richard schaute auf. Was will der von mir? Verteilt der gerade Almosen an Alte? Teufel, halt die Klappe!, dachte er. Richard lächelte Benny an, so gut ihm das möglich war.

„Hab was vergessen.“

Der Einkauf verlief ohne Komplikationen. Sogar an aceto balsamico hatte er gedacht. Heute gab’s erst mal nur ein paar Tomaten, etwas Mozzarella und dazu Toast. Vorsichtig etwas vom Essig, ein wenig Öl zu den Tomaten. Der Magen war’s zufrieden.

Das Telefon klingelte. „Ja?“

„Buon giorno, Ricardo. Come stai, wie geht’s dir?“ „Ciao Lorenzo. Danke für gestern Abend. Es geht.

Du weißt ja wie’s so ist, nach so ‘m Absturz.“

„Dich hat’s ja ganz schön erwischt, Alter. Es gab ja nur noch ein Thema, Sandra.“

Richard versuchte, sich zu erinnern. Aber der Heimweg war aus dem Gedächtnis verschwunden. Scotty-Lorenzo hatte ihn ins Bett gebeamt.

„Bist du noch da, Ricardo?“

„Ja, ja. Ich hab nur nachgedacht. Wie bin ich nach Hause gekommen? Ich weiß es nicht.“

„Ich habe dich fast schleifen müssen. Du wolltest nicht. Wolltest nach ihr suchen. Mann, Alter, das war ’ne Fata Morgana. Vergiss es. Heute ist Stadtfest. Die Jagd ist eröffnet.“

„Lorenzo, ich werde alt. Vergesse dauernd mein Geld, aber nicht diese Frau. Verdammt.“ Der Teufel machte wieder Feuer mit schwarzem Rauch.

„Was hast du heut’ Abend vor?“