Eine Chance für die Zukunft

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Love in Boothbay Harbor - 1

Kerry Greine

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Eine Chance für die Zukunft

1

Mist, das ist ja mal wieder typisch. Ich will gerade den Coffeeshop verlassen, als ich gegen etwas pralle. Meine morgens so lebensnotwendige Dosis Koffein ergießt sich über meine neue Jacke. Zum Glück ist es jetzt im Juni schon so warm draußen, dass ich auch ohne Jacke nach Hause gehen kann. Ansonsten würde jeder mein peinliches Missgeschick bemerken. Nachdem ich mich kurz gesammelt habe, sehe ich erst, gegen was ich da eigentlich gelaufen bin. Ein breiter, sehr männlicher Rücken. Ein enges, dunkelgraues T-Shirt schmiegt sich um die schlanke Taille, die sich nach oben hin in einem kräftigen Kreuz verbreitert.

„Oh, Entschuldigung, ich war in Gedanken …“, sage ich automatisch und gucke kurz zu dem Gesicht hoch, das sich mir in diesem Moment zudreht und gehe an ihm vorbei auf die Promenade am Hafen.

Als ich schon ein paar Meter weiter gegangen bin, hält mich plötzlich jemand am Arm fest.

„Annie …?“

Irgendwo in meinem Unterbewusstsein regt sich etwas, noch bevor ich mich umgedreht habe. Ich kenne diese männliche Stimme, den Klang, wie sie leise meinen Namen ausspricht. Ich drehe mich um und schaue hoch.

Für einen Moment ist mir, als bliebe die Zeit stehen. Ich werde zurückkatapultiert in einen heißen Sommerabend vor vier Jahren.


Vier Jahre zuvor


Mein Bruder Chris hat mich zu einer Wohltätigkeitsparty mitgenommen. Nicht, dass ich mir jemals auch nur den Eintrittspreis hätte leisten können. Seine IT-Firma war eine der Sponsoren dieser Party, daher bekam er zwei Eintrittskarten, um sich auf der Feier, auf der von den Reichen unserer Stadt Gelder für soziale Kinderprojekte gesammelt werden sollten, zu zeigen.

Man hatte für diese Veranstaltung ein altes Herrenhaus mit weitläufigen Gärten ausgesucht und ein Zelt für mehrere hundert Personen aufstellen lassen. Im Zelt standen lange Reihen mit Tischen, wunderschön dekoriert mit teuer aussehenden Leinentischdecken, edlem Porzellan und echtem Silberbesteck.

Ein Streichquartett spielte ruhige Klassik im Hintergrund, während wir ein mehrgängiges, köstliches Menü verzehrten. Nach dem Essen wurde eine Reihe von Reden gehalten, die die wohlhabenden Gäste zum Spenden animieren und über die geplanten Projekte informieren sollten.

Nachdem der offizielle Teil des Abends beendet war, wurde auf einer kleinen Tanzfläche zum Tanzen aufgefordert. Daneben befanden sich eine kleine Bar und einige Stehtische mit cremefarbenen, glänzenden Hussen. Kellner gingen mit Tabletts voll Champagner zwischen den Leuten umher.

Mir war warm, es war stickig im Zelt und ich wollte mich draußen ein bisschen abkühlen. Ich nahm mein Abendhandtäschchen, das ich mir, genau wie das kurze weinrote Cocktailkleid, extra für heute Abend gekauft hatte und ging nach draußen.

Die Gartenanlagen waren mit Fackeln geschmückt, die die verschlungenen Wege in ein flackerndes Halbdunkel tauchten. Ich wanderte langsam durch die Gärten und die warme, sommerliche Brise spielte mit meinem kurzen Kleid.

Ich wollte diesen Abend in vollen Zügen genießen und mich endlich einmal wieder richtig amüsieren. Ein paar Wochen vorher hatte ich erfahren, dass mein Freund mich mit meiner vermeintlich guten Freundin und Arbeitskollegin betrogen hatte. Okay, es war jetzt nicht die große Liebe, sondern vielmehr die Bequemlichkeit, die uns die letzten zwei Jahre zusammengehalten hatte, trotzdem tat der Verrat mir weh und mein Selbstbewusstsein war doch stark angeknackst. Nachdem der Schmerz und die Wut jetzt abgeklungen waren, wollte ich mir heute Abend beweisen, dass ich auch als Single auf einer Party, über die morgen noch dazu die ganze Stadt sprechen würde, meinen Spaß haben kann.

Aber leider war das Ganze doch eher eine dumme Idee. Ich gehörte nicht auf dieses gesellschaftliche Parkett der Reichen und Schönen. Ich war nur eine kleine Journalistin in der Presseabteilung eines Pharmakonzerns. Ich würde hier nie dazugehören und war mir nicht mal sicher, ob ich das überhaupt wollen würde.

Völlig in meine Gedanken versunken stolperte ich auf einmal über einen Stein am Boden, den ich in der Dunkelheit nicht gesehen hatte. Ich machte einen Schritt nach vorne, aber in den ungewohnt hohen Schuhen zu meinem schicken Kleid fand ich so schnell keinen Halt auf dem Kies des Gartenwegs. In dem Moment, als mir noch durch den Kopf schoss, na super, jetzt leg ich mich auch noch lang, wurde mein Fall von zwei starken Armen aufgehalten. Ich wurde abrupt mit dem Rücken an eine breite Brust gedrückt, sodass mir einen Moment die Luft wegblieb und ich mich nicht rühren konnte.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Haben Sie sich wehgetan?“ fragte eine tiefe, raue Stimme und ich wurde sanft umgedreht. Ich musste den Kopf in den Nacken legen um meinen Retter anzusehen. Geschätzte 1,90 Meter groß, schwarze Haare, die ein bisschen zu lang waren und Augen, deren Farbe ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, obwohl sie mich intensiv musterten. Er trug ein schwarzes, weiches Hemd zu einer ebenfalls schwarzen Anzughose. Beides sah aus, als wäre es maßgeschneidert und sehr teuer. Das Jackett, Pflicht auf so einer Veranstaltung, hatte er anscheinend auf Grund der Wärme irgendwo abgelegt. Er war umwerfend. Ich spürte, wie mir beim Blick in seine Augen die Röte ins Gesicht schoss und ich instinktiv den Atem anhielt, nachdem ich den Duft seines Aftershaves tief in mich eingesogen hatte. Ich merkte erst, dass er mir eine Frage gestellt hatte, als er wieder fragte: „Sind Sie okay? Oder haben Sie sich verletzt?“

Ich konnte nur nicken. Noch immer hielt er mich fest an seinen unglaublichen Körper gepresst. Ich konnte seine harten Bauch- und Brustmuskeln durch das Hemd an meinem Oberkörper fühlen. Mir wurde ganz heiß und mein Hals war trocken.

„Kommen Sie, da drüben habe ich eine Bank gesehen. Setzen wir uns erst einmal und dann erzählen Sie mir, was Sie hier so ganz allein in der Dunkelheit machen.“

Ich kam nicht auf die Idee, ihn zu fragen, was ER denn hier allein machte. Er legte seinen Arm um meine Taille und führte mich zu der Bank. Langsam erwachte ich aus meiner Starre und konnte endlich wieder sprechen.

„Danke! Sie haben mich gerade vor einer riesigen Peinlichkeit bewahrt. Ohne Sie wäre ich wahrscheinlich hingefallen und hätte mir hier die Blöße gegeben.“

Oje, hatte ich das wirklich gerade gesagt? Das war ja noch schlimmer als mein atemloses Schweigen vorhin.

„Ich glaube, dass Sie unter dem Kleid durchaus sehenswert sind …“

Was war denn das jetzt? Flirtete er etwa mit mir? Nein, er wollte bestimmt nur einen Scherz machen. Was sollte jemand wie er ausgerechnet an mir finden? Nicht, dass ich hässlich wäre. Ich selbst finde mich einfach nur … unauffällig. Mit meinen 1,67 Meter eher normal klein, lange, dunkelbraune, lockige, normale Haare und eine schlanke, normale Figur. Das Einzige, was an mir ungewöhnlich ist, sind meine hellen, grün-blauen Augen mit langen, schwarzen Wimpern. Richtig geschminkt und zurechtgemacht bin ich, glaube ich, durchaus ansehnlich. Aber eigentlich bin ich eher so ein sportlicher Typ in Jeans und Pulli und mit einem einfachen Pferdeschwanz.

„Meinen Sie nicht, dass es hier hinten im Garten ein wenig zu dunkel ist, um das zu beurteilen?“

Meine Antwort war ausgesprochen, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte.

„Das stimmt, hier wäre es zu dunkel, wenn Sie mir nicht schon den ganzen Abend über aufgefallen wären. Sie sind mit dem dunkelhaarigen Mann im grauen Nadelstreifenanzug hier und haben bisher nicht so ausgesehen, als würden Sie sich besonders wohlfühlen. Ihr Freund?“

Ich war ihm den ganzen Abend über aufgefallen? Okay, er flirtete tatsächlich mit mir.

„Nein, mein Bruder Chris. Seine Firma ist einer der Sponsoren heute Abend.“

„Oh, gut …!“

Während ich mich noch fragte, was er mit „gut“ meinte, merkte ich schon wie er seinen Arm hinter mich auf die Rückenlehne der Bank legte und dann weiter mit mir über den Abend und die Party plauderte. Ich war auf einmal ganz entspannt und fühlte mich gleichzeitig kribbelig.


Der Wind hatte ein paar Strähnen aus meiner schicken Hochsteckfrisur gelöst, die mir ums Gesicht wehten. Während wir uns weiter über alles Mögliche unterhielten, spielte er mit meinen umher wehenden Haaren und strich sie mir ganz sanft hinter die Ohren. Dabei streifte er leicht mit dem Daumen über meine Wange. Nur der Hauch einer Berührung, aber mich durchfuhr ein Schaudern. Ich schaute hoch und sah direkt in seine beeindruckenden Augen. Er musterte mich mit einem intensiven Blick, der mir eine Gänsehaut verursachte. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund, während seine Augen über mein Gesicht glitten und an meinem Mund hängen blieben. Ich war schon wieder außer Atem und mir wurde heiß.

Er beugte sich zu mir herüber und ich schluckte trocken, als ich in seinen Augen sah, was er vorhatte. Ich hörte einen leisen Seufzer. Als mir gerade klar wurde, dass ich es war, die geseufzt hatte, berührte sein Mund auch schon meine Lippen. Ganz sanft und vorsichtig strich er darüber, als wollte er mir Zeit geben mich an das Gefühl zu gewöhnen. Immer wieder streichelte er meinen Mund mit seinen Lippen, dann mit seiner Zunge. Mit einem weiteren Seufzen öffnete ich meinen Mund ganz leicht. Darauf hatte er anscheinend nur gewartet. Seine Zunge tauchte, vorsichtig erst, dann immer weiter in meinen Mund und verwöhnte ihn. Er strich mir mit der Zunge über die Zähne und wagte sich weiter vor, bis meine Zunge ihn fand.

Der Kuss wurde drängender, immer leidenschaftlicher. Ich hörte sein leises Stöhnen und legte meine Hände auf seine Schultern. Sein Arm war von der Rückenlehne zu meiner Taille gerutscht und streichelte mich ganz leicht, während er mich dichter an sich zog. Den anderen Arm hatte er auf meinen Oberschenkel gelegt. Ich spürte, wie sich seine Finger in mein kurzes Kleid gruben. Ich wollte mehr, so viel mehr. Mit einem letzten Kosten seiner Zunge auf meinen Lippen zog er sich langsam zurück. Sein Atem ging abgehackt, als er flüsterte.

„Was machst du mit mir …? Du schmeckst so wunderbar, ich kann nicht aufhören. Vielleicht sollten wir eine Runde gehen, um uns etwas abzukühlen.“

Er nahm mich bei der Hand und zog mich auf den Gartenweg zurück. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wie lange war es her, dass er mich aufgefangen hatte? Zehn Minuten? Eine Stunde? Ich wusste es nicht und es war mir auch eigentlich egal. Ich wollte nur wieder seinen Mund auf meinem spüren. Seine Hände auf meinem Körper. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Bisher kannte ich jeden Mann, der mich küsste zumindest ein paar Dates lang. Aber auch das war mir egal. Ich kam mir vor wie in einem Traum, als wir in der lauen Sommernacht Hand in Hand durch die Gärten des Herrenhauses spazierten. In der Ferne konnten wir die Musik der Feier hören, aber wir waren so weit weg, dass uns keiner der anderen Gäste begegnete.

Die Wege mit den Fackeln hatten wir lange hinter uns gelassen und nur der Vollmond am wolkenlosen Himmel erhellte uns den Weg. Er legte den Arm um mich und zog mich dicht an seinen harten Körper, ich legte meinen Kopf an seine Schulter. Wir sprachen nur wenig und hin und wieder schauten wir uns einfach nur an. Vor uns tauchte ein kleiner See in der Dunkelheit auf. Das Mondlicht spiegelte sich im Wasser und leichte Wellen kamen mit leisem Plätschern an das grasbewachsene Ufer. Wir blieben stehen und sahen uns lange in die Augen. Dann beugte er sich zu mir herunter und flüsterte: „Ich kann nicht anders, ich muss dich wieder küssen.“

Mir stockte der Atem.

„Ja …!“, keuchte ich, da lagen seine Lippen auch schon auf meinen. Seine Hand grub sich in meine Haare als er meinen Kopf an sich zog, während die andere meinen Rücken streichelte. Ich ging auf die Zehenspitzen um ihm noch näher zu sein und legte meine Hände auf seine Brust. Durch sein Hemd konnte ich seine Muskeln spüren, die sich unter meinen Fingern zusammenzogen. Er küsste mich voller Leidenschaft, ließ seine Zunge mit meiner spielen, während er mit der Hand tiefer wanderte und meinen Hintern umfasste. Er stöhnte auf, als er mich dichter zog und mein Unterleib sich an seine beeindruckend harte Männlichkeit presste. Ich merkte, wie sich die Feuchtigkeit immer mehr zwischen meinen Beinen sammelte. Ich wollte mehr. Ich wollte alles.

„Wenn wir nicht gleich aufhören, gibt es kein Zurück mehr. Wenn du nicht bis zum Ende bleiben willst, solltest du jetzt schleunigst das Weite suchen“, presste er zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.

Da wurde ich mutig. In der Anonymität der Nacht fragte ich: „Und wenn ich bleiben will …?“

Ich hörte, wie er scharf Luft holte. Dann war sein Mund auch schon wieder auf meinem und seine Zunge teilte meine Lippen. Ich versank in seinem Kuss, schmeckte wie sehr er mich wollte. Da hob er mich hoch. Ich schlang meine Beine um seinen Bauch und spürte seine Erregung an meiner sensibelsten Stelle. Ich merkte, wie der Reißverschluss meines Kleides an meinem Rücken geöffnet wurde. Das Oberteil rutschte über meine nackten Brüste hinunter. Ich trug keinen BH, weil das Kleid ihn nicht verbergen würde. Eine kühle Brise strich über meine bereits harten Brustwarzen. Er stöhnte auf und küsste sich einen Weg zu meinem Ohr. Als er das Ohrläppchen in den Mund nahm keuchte ich vor Erregung auf und begann, mich auf seinem Arm zu bewegen. Ich rieb meinen Unterleib an seiner Männlichkeit bis er laut stöhnte: „Wenn du so weitermachst, ist das Ganze beendet, bevor wir richtig anfangen.“

Ich versuchte still zu halten, aber ich wollte mehr. Sanft legte er mich in das kühle Gras, fuhr mit der Hand unter mein Kleid und streichelte meine Oberschenkel. Sein Mund bahnte sich einen Weg meinen Hals hinunter bis er meine Brust erreichte. Vorsichtig küsste er meine rechte Brustwarze und nahm sie in den Mund, während seine Hand sich meinem Hintern näherte. Er legte sie auf meine Pobacke und drückte leicht zu. Dann wanderte er weiter zu meinem empfindlichen Zentrum und schob seine Finger unter meinen Slip. Ich keuchte und meine Hüften fingen an zu zucken. Seine Lippen verwöhnten meinen Busen, saugten an der harten Knospe. Mir schoss die Leidenschaft wie ein Blitz in den Unterleib, während er die andere Brust mit der Hand streichelte.

Ich wand mich unter ihm und stöhnte. Mit zitternden Fingern griff ich nach ihm und knöpfte sein Hemd auf. Er half mir, es über seine kräftigen Schultern zu streifen und zog es aus. Im Mondlicht bewunderte ich seinen gestählten Oberkörper. Er war so schön. Die harten Brustmuskeln, der flache Waschbrettbauch. Ich erkundete ihn mit den Händen, fühlte seine leichte Brustbehaarung unter meinen Fingerspitzen. Dann folgte ich dem Weg der Haare, die sich über dem Bauch zu einer schmalen Linie verjüngten und in seiner Anzughose verschwanden. Seine Hände wanderten über meinen Körper, während er mich bewundernd ansah. Mein Kleid hing verknotet um meine Taille. Er zog es mir aus und mein Slip folgte. Ich öffnete seine Hose und zog sie ihm samt der engen Boxershorts über die Hüfte. Weiter kam ich nicht, da strichen seine Hände schon über meinen Bauch und zwischen meine Beine. Er küsste mich wieder voller Verlangen und legte sich vorsichtig auf mich, sein Gewicht auf die Unterarme gestützt. Dann schob er sein Knie zwischen meine Schenkel und ich spreizte sie. Behutsam drang er in mich ein und bewegte sich langsam in mir. Ich hob ihm meine Hüften entgegen und er steigerte das Tempo. In meinem Bauch ballte sich die Lust zusammen, ich stand kurz vor der Klippe. Er küsste mich wieder, drang mit der Zunge in meinen Mund und stürzte mich so über den Rand. Während ich noch kam, stieß er noch ein paar Mal keuchend hart in mich, dann spürte ich, wie er sich in mir ergoss.


Er rollte sich neben mich und zog mich dabei in seine Arme. Während unser Atem sich langsam beruhigte, strich er sanft über meinen Rücken und hielt mich fest. Es war unglaublich, ich hatte noch nie zuvor einen One-Night-Stand gehabt und jetzt ausgerechnet hier, nachts an einem See, auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung mit einem Mann, vom dem ich nicht einmal den Namen wusste. Allmählich klärte sich mein Bewusstsein und mir dämmerte, was ich da gerade getan hatte. Jetzt, wo wir so still nebeneinander lagen, hörte ich auch die Musik und die Stimmen der Party wieder. Wir waren anscheinend einen Bogen gelaufen und der Feier näher, als wir gedacht hatten.

Oh nein, was, wenn uns jemand erwischte. Ich entwand mich seinem Arm und stand auf. Mit schläfrigem Blick sah er mich erstaunt an.

„Wo willst du hin?“

Schnell schlüpfte ich in mein Kleid, zog den Reißverschluss hoch und griff nach meinem Abendtäschchen, das im Gras lag.

„Ich muss gehen …“

Ich drehte mich um und ging in Richtung der Stimmen.

„Sehen wir uns wieder? Wie kann ich dich erreichen? Ich weiß noch nicht einmal deinen Namen.“

Ich ging schneller und sah über die Schulter, dass er aufgestanden war und sich in seine Hose kämpfte.

„Annie. Ich heiße Annie“, beantwortete ich nur noch seine letzte Frage, bevor ich auf den Weg zum Herrenhaus einbog. Ich warf noch einen Blick zurück auf ihn, wie er da am See stand, nur in seiner Hose, mit dem gemeißelten, nackten Oberkörper vom Vollmond beschienen. Der Wind trug noch einmal leise seine Stimme zu mir: „Annie …“

2

Er ist es. Vor mir steht der Mann, den ich eben im Coffeeshop umgerannt habe. Ich habe ihn nur kurz aus dem Augenwinkel gesehen, aber er ist eindeutig derselbe, wie in jener verhängnisvollen Sommernacht auf der Wohltätigkeitsveranstaltung. Der Mann, von dem ich seit vier Jahren immer wieder träume und mich frage, wer er ist. Zum ersten Mal sehe ich ihn im hellen Sonnenlicht. Ich bewundere sein schönes markantes Gesicht. Die schwarzen Haare sind noch immer eine Spur zu lang, seine schiefergrauen Augen sehen mich gerade so intensiv an, als könnte er in meinen Gedanken lesen, wie in einem Buch. Sein muskulöser Oberkörper zeichnet sich deutlich unter dem engen T-Shirt ab, seine langen Beine stecken in einer schwarzen Cargohose. Seine Haut ist leicht gebräunt, als käme er gerade aus dem Urlaub. Langsam kehrt mein Verstand in die Wirklichkeit zurück und ich merke, dass ich ihn noch immer anstarre.


„Annie? Geht es dir gut? Du bist ja kalkweiß!“

Er klingt besorgt. Seine Hand liegt noch immer auf meinem Arm. Ich sehe, wie er die andere zu meinem Gesicht hebt, als wolle er mir über die Wange streichen. Ich zucke zurück und er lässt mich sofort los.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagt er.


Ich bin zu geschockt, ich kann es nicht glauben, dass er tatsächlich vor mir steht. Er sieht noch besser aus, als in meiner Erinnerung. Was macht er hier, in meiner Kleinstadt, hier am Hafen. Ich muss hier weg ... ist mein einziger Gedanke.


„Sie müssen mich mit jemandem verwechseln“, kann ich grade noch herausbringen, bevor mir die Stimme versagt. Schnell drehe ich mich um und gehe weiter. Sehr glaubhaft, nachdem ich ihn gerade gefühlte zehn Minuten lang angestarrt habe. Er muss bemerkt haben, dass ich ihn genauso erkannt habe, wie er mich. Ich reiße mich zusammen, um nicht loszurennen. Zum Glück steht mein Auto nur ein paar Meter entfernt. Ich springe hinein und fahre los. Im Rückspiegel sehe ich ihn auf dem Fußweg stehen. Sieht er enttäuscht aus? Oder bilde ich mir das nur ein?


Ich zittere am ganzen Körper nach dieser Begegnung, fühle seine Hand noch auf meinem Arm, als hätte ich mich verbrannt.