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Stimmen zu Product Leadership

Viele Geschichten rund um großartige Produkte drehen sich um die Idee, die Einfachheit und das Design. Nur selten erzählen sie, was tatsächlich im Produktteam während des Prozesses geschah. Dieses Buch bietet einen einzigartigen Einblick in die Arbeit starker Produktteams und Produktleiter. Wenn Sie Produkte bauen, brauchen Sie dieses Buch.

– Des Traynor, Mitbegründer und Chief Strategy Officer, Intercom

Richard, Nate und Martin liefern in Product Leadership eindrucksvolle Lektionen zu den Praktiken kundengetriebenen Produktmanagements. Sie haben alle schon anwenderorientierte Designprinzipien eingesetzt, was sich in ihrer Botschaft und in vielen nützlichen Beispielen aus der Wirklichkeit widerspiegelt. Als Technologie-Leader für Dutzende von Kunden eingesetzte NASDAQ-Anwendungen sehe ich mich tagtäglich der Aufgabe gegenüber, Produktinnovationen im großen Maßstab voranzutreiben, während die Stabilität nicht zu kurz kommen darf. Das Vorgehen in Product Leadership basiert auf echter Erfahrung in diesem Bereich und macht das Buch zu einer unverzichtbaren Referenz zum Schaffen und Weiterentwickeln großartiger Produkte für Hunderttausende Anwender!

– Heather Abbott, SVP Corporate Solutions, NASDAQ

Designer, Entwickler und Produktmanager, die über einen Wechsel in eine Führungsposition nachdenken: Sie brauchen nicht länger zu suchen. Product Leadership vereint das Wichtigste zu diesem Bereich aus Vergangenheit und Zukunft. Ergänzt um Einsichten von Koryphäen und Experten, erhalten Sie so einen Leitfaden, der Ihre Fähigkeiten und die Umsetzung zu verbessern hilft.

– Ryan Freitas, Design Director, Facebook

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Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren O’Reilly-Büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei oreilly.plus+:

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Product Leadership

Richard Banfield, Martin Eriksson
und Nate Walkingshaw

Übersetzung aus dem Amerikanischen
von Thomas Demmig

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Richard Banfield, Martin Eriksson und Nate Walkingshaw

Lektorat: Ariane Hesse

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

ISBN

1. Auflage 2018

Dieses Buch erscheint in Kooperation mit O’Reilly Media, Inc. unter dem Imprint »O’REILLY«.

Copyright © 2018 dpunkt.verlag GmbH

Authorized German translation of the English edition »Product Leadership«, ISBN 9781491960608 © 2017 Richard Banfield, Martin Eriksson & Nate Walkingshaw

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Die Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Verlag, Autoren und Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für eventuell verbliebene Fehler und deren Folgen.

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Inhalt

Vorwort

Einleitung

Danksagungen

Teil IDer Produkt-Leader

1Was ist Produktmanagement?

2Warum ist Product Leadership so relevant?

3Ein guter Produkt-Leader sein

4Gibt es eine Erfolgsformel?

5Produkt-Leader einstellen

Teil IIDer richtige Leader zum richtigen Zeitpunkt

6Die Start-up-Organisation

7Die wachsende Organisation

8Das Großunternehmen

Teil IIIMit Kunden, Agenturen, Partnern und externen Stakeholdern zusammenarbeiten

9Die Welt der Partner kartografieren

Abschließende Worte

Index

Vorwort

»Du entscheidest also in Zukunft, welche Farbe die Waschmittelbox haben soll?«

Das war vor vielen Jahren die Reaktion eines Silicon-Valley-Veteranen, als ich ihm erzählte, dass ich mich vom Entwickler zum Produktmanager umorientieren wollte. Es war in den frühen Tagen der Dot.com-Ära, und ehrlich gesagt hatte er Recht. Wie Sie in Kapitel 1 lernen werden, war es lange Zeit genau das, was Produktmanager taten. Als sich dann die Rolle des Produktmanagers in Richtung Hightech erweiterte, wurde sie angepasst und weiterentwickelt, sodass sie für unterschiedliche Leute irgendwann unterschiedliche Dinge beinhaltete. In manchen Firmen handelte es sich beim Produktmanagement vor allem um eine Funktion des Outbound-Marketings, in anderen war die Rolle eher technisch ausgerichtet. Manche Firmen nutzten den Begriff Programmmanager für ihre Produktmanager, während andere sie Projektmanager nannten, ihre Projektmanager aber als Programmmanager bezeichneten. (Noch verwirrender war, dass jeder sie sämtlich einfach als »PMs« bezeichnete.)

In den nahezu 20 Jahren, die seit diesem Gespräch vergangen sind, ist das Produktmanagement erwachsen geworden. Obwohl wir uns heutzutage in der digitalen Welt kaum auf etwas einigen können, ist sich doch so gut wie jeder darüber im Klaren, dass Produktmanager einen wichtigen Beitrag an der Schnittstelle von Business, Technologie und User Experience leisten. Dank erfolgreicher produktzentrierter Unternehmen wie Microsoft, Google und Facebook scheinen die Menschen endlich die gleiche Sprache zu sprechen. Jedes Jahr werde ich von Hunderten von College-Studenten kontaktiert in der Hoffnung, dass sie eine Karriere als Produktmanager beginnen können. Das ist Wahnsinn: Als ich noch ein College-Student war, wusste ich nicht einmal, was ein Produktmanager ist. (Ehrlich gesagt, war mir das noch nicht einmal ganz klar, als ich selbst einer wurde.)

Als die Technologiebranche das Produktmanagement einführte, tauchte ein neues Problem auf: Wie sollte man Produktteams leiten? Für mich war bereits der Sprung vom Softwareentwickler zum Produktmanager eine Herausforderung, aber es war noch schwieriger, von einem »normalen« Produktmanager zu einem Produkt-Leader zu werden. Der Wechsel vom Managen von Produkten zum Führen von Personen, die Produkte managen, fühlte sich wie ein Weg durch unerforschtes Land an. Sie müssen ein Kommunikator sein, der die Menschen an die erste Stelle setzt und dabei alle hinter einer Vision vereint, ohne allzu viel formale Autorität einzusetzen. Das Führen von Menschen ist schwer genug, aber das Führen von Produktmanagern? Sagen wir einfach, ich habe viele Fehler gemacht, und belassen wir es dabei.

Nun, es gibt gute Nachrichten. Egal ob Sie ein Produktmanager, ein neuer Produkt-Leader, ein Start-up-Gründer, ein CEO oder ein CTO sind – Sie können Ihren Weg viel einfacher gehen als ich. Das Buch, das Sie in Ihren Händen halten, wird Ihr Leitfaden sein – einer, den ich nie hatte. Viele der Bücher, die ich zum Führen gefunden hatte, enthielten gute Ratschläge, aber sie passten nie so richtig in die chaotische Welt der Produkte. Auf diesen Seiten werden Sie ganz unterschiedlichen Meinungen von den erfolgreichsten und respektiertesten Produkt-Leadern der Branche begegnen mit Einsichten, die Ihnen dabei helfen, Ihr Team zu leiten und außerordentliche Produkte zu liefern.

Es gibt nicht den einen richtigen Weg, um gute Produkte zu schaffen, aber wie wir anhand der vielen verschiedenen Produkt-Leader sehen werden, die für dieses Buch interviewt wurden, gibt es eine richtige Mentalität und einen richtigen Ansatz. Sie werden immer noch viele Fehler machen – die passieren jedem. Aber nach dem Lesen dieses Buchs werden Sie zumindest nicht die gleichen machen, die ich gemacht habe.

– Ken Norton
Mountain View, Kalifornien
27. März 2017

Einleitung

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In der heutigen schnelllebigen Technologiewelt ist ein gutes Produktmanagement unabdingbar für einen Wettbewerbsvorteil. Produkt-Leader werden für den Erfolg einer Firma zunehmend wichtiger, weil ihre Entscheidungen und Aktivitäten Erfolg oder Misserfolg im Business ausmachen. Produktmanagementteams werden schnell größer, trotzdem sind ihre Rollen und Verantwortlichkeiten noch immer nur schlecht definiert. Wie alle Resultate schnell wachsender Märkte ist das Entwickeln und Begleiten einer erfolgreichen Produktleitung eine große Herausforderung. Diese wird noch dadurch komplizierter, dass Produkt-Leader tendenziell die gesamte Verantwortung für Erfolg und Misserfolg haben, aber wenig Autorität über die Güter und Ressourcen besitzen, die für das Liefern dieser Ergebnisse notwendig sind.

Sie sehen, dass sich Product Leadership vom Produktmanagement unterscheidet, es aber auch beinhaltet. Wie wir in diesem Buch besprechen werden, geht die Führung oft mit einer Reihe von Executive-Verantwortlichkeiten einher, allerdings nicht immer mit der Autorität, die dafür eigentlich notwendig ist. Eine gute Führungskraft hat fast immer auch gute Managementfähigkeiten. Umgekehrt lässt sich Management auch ohne erkennbare Führungsqualitäten durchführen. Ein Produktmanager kann eine gute oder schlechte Führungskraft sein, aber ein guter Produkt-Leader muss auch ein guter Produktmanager sein.

Erfolgreiches Designen und Entwickeln von Produkten baut auf gutem Product Leadership auf. Organisationen nutzen Kombinationen aus internen Teams und Agenturpartnern, um erstklassige Produkte zu entwerfen und zu entwickeln. Das Managen von Mitarbeitern und das Steuern komplexer Produkt-Roadmaps ist keine leichte Aufgabe. Tatsächlich findet man nur sehr selten einen Produkt-Leader, der ein Produkt ohne größere Hindernisse vom Konzept bis zum Launchen begleiten kann. Warum haben dann manche Produkt-Leader Erfolg, andere hingegen nicht? In den Jahrzehnten unserer Tätigkeit im Produktdesign und in der Produktentwicklung haben wir gelernt, was einen guten Leader ausmacht. Wir hatten das Privileg, mit Dutzenden dieser hervorragenden Leader zusammenarbeiten zu dürfen, und dieses Buch fasst ihre Ansätze, Stile, Einsichten und Techniken zusammen, um als Leitfaden für andere Produktmanager zu dienen, die diesem Erfolg nacheifern wollen.

Viele der Einsichten in diesem Buch passen auch zu einer allgemeineren Definition einer guten Führung. Das ist unvermeidlich. Product Leadership ist keine Insel, und vieles von dem, was Sie hier lesen, kann auch für andere Führungsrollen relevant sein. Aber es gibt ein paar sehr spezifische Herausforderungen im Product Leadership, denen sich andere Führungsrollen nicht gegenübersehen. Diese versucht das Buch hervorzuheben, während gleichzeitig klar ist, dass allgemeinere Fähigkeiten und Eigenschaften alle großartigen Führungskräfte ausmachen.

Wer dieses Buch benötigt – und warum

Für einen nicht Eingeweihten scheint es so auszusehen, als sei der Produkt-Leader ein recht neuer Teilnehmer im Zirkus von Produktdesign und -entwicklung. Aber in Wahrheit ist er bereits seit Jahrzehnten im Hintergrund für den Erfolg digital ausgerichteter Organisationen verantwortlich. Neu ist die Popularität des Produkt-Leaders und die Aufmerksamkeit, die seine Arbeit erhält. Wir haben im Laufe der Jahre Product Leadership bereits in vielen Formen erlebt, aber erst vor Kurzem wurde die Rolle des Produkt-Leaders im Reich der digitalen Produkte anerkannt. Die Leadership-Rolle unterscheidet sich manchmal von der des Produktmanagers. Leader managen nicht immer andere Mitarbeiter, und häufig sieht ihr Beitrag sehr wie der von anderen Executives aus – sie leiten die größere Organisation auf ihrem Weg und kümmern sich dabei nicht so sehr um das Kontrollieren oder um die Aufgaben von einzelnen Gruppen. Leader haben nicht unbedingt ein Team, das sie managen. In manchen Fällen arbeiten sie sogar als Einzelpersonen. Wie bei der Executive Leadership haben die besten Produkt-Leader sehr unterschiedliche Vorgeschichten. Sie wurden durch ihre Umgebung geprägt und haben während ihrer Arbeit und aus den Erfahrungen ihrer Firma und des Markts gelernt.

Wir haben das Gefühl, dass auf Produkt-Leader die wahren Herausforderungen erst noch warten – die größte davon dürfte die der eigenen Identität sein. Wie schon erwähnt, ist Leadership nicht das Gleiche wie Management. In der aktuellen Produktwelt brauchen wir bessere Leader, nicht nur bessere Manager. Das gilt auch für die Produktrollen. Wir haben festgestellt, dass der Schwerpunkt zu sehr auf dem Aufbauen, Trainieren und Einstellen von Produktmanagern liegt und zu wenig auf Product Leadership. Das zeigt sich auch in der umfassenden Literatur und anderen Texten zum Aufstieg der Produktmanager, während gleichzeitig der Leadership-Rolle recht wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Technische Produktrollen sind gut beschrieben und dokumentiert, die Leadership-Rollen hingegen bleiben in Produktorganisationen unklar und schlecht definiert. Ziel dieses Buchs ist es, diese Unbestimmtheit aufzulösen und die Eigenschaften guten Product Leadership deutlich zu machen.

Diese Unbestimmtheit war nicht immer so stark vorhanden. Bevor Software allgegenwärtig wurde, war Product Leadership die Domäne der technisch orientierten Leute. Programmierer und Entwickler kümmerten sich um das Herz der Softwareprodukte, und daher war es sinnvoll, dass sie auch die Produktteams managten. Nachdem Software nun zunehmend weniger der Grund für die Existenz von Firmen ist und dafür mehr und mehr eine Plattform für Erfahrungen ist, kommen auch immer mehr Produktmanager aus Marketing, Business oder Design. Wir glauben nicht, dass der ideale Produktmanager einen bestimmten Hintergrund oder eine spezielle Ausbildung benötigt, aber wir sehen Muster bei erfolgreichen Produkt-Leadern. Abgesehen von branchenspezifischen Fähigkeiten geht es bei Product Leadership mehr darum, die Menschen zu führen, und weniger, Pixel zu verschieben, Code zu schreiben oder Projektzeitpläne zu betreuen.

Dieses Buch wurde für einen Produkt-Leader und sein Umfeld geschrieben, nicht nur für die Person, die diesen Titel trägt. Sie operiert niemals in einem Vakuum, daher soll dieses Buch dem Produkt-Leader, seinem Team und auch den Menschen dienen, die ihn einstellen wollen.

Dieses Buch beschreibt, wie der Produkt-Leader wesentlich zu dem Erfolg beitragen kann, den die Produktorganisation anstrebt – egal ob ein nagelneues Produkt entstehen oder eine sehr alte Suite aufgemöbelt werden soll. Die hier vorgestellten Einsichten basieren auf unserer Erfahrung mit Hunderten von Softwareprodukten und Interviews mit Dutzenden der weltbesten Produkt-Leader in Produktorganisationen wie zum Beispiel Adobe, YouTube, Uber, Google, Airbnb, Basecamp, Zipcar, Intuit, Intercom, Sonos, Drift, Rue La La, Transferwise, Upthere, Localytics, Cinch Financial und ProductPlan. Dabei enthält es Gedanken nicht nur von uns, sondern auch von erfahrenen Produktexperten wie Ken Norton, Marty Cagan, Mina Radhakrishnan, David Cancel, Vanessa Ferranto, Josh Porter, Janna Bastow, Josh Brewer, Melissa Perri und Colin Kennedy sowie von Produktpartnern wie GV (zuvor Google Ventures), Mind the Product, Pluralsight, Fresh Tilled Soil, Clearleft und Rocket Insight.

Wir wollten das Wissen in diesem Buch so zugänglich wie möglich gestalten, indem wir es für die verschiedenen Unternehmensgrößen separat aufbereitet und diese Teile dann nochmals für Manager, Teams, Organisationen und Kunden aufgeteilt haben. Egal ob Sie gerade erst beginnen oder sich schon in der Mitte Ihrer Karriere befinden – Sie können zu dem Teil des Buchs blättern, der für Ihre Bedürfnisse am besten passt, und dann später zu einem anderen Teil wechseln.

Dieses Buch ist kein Handbuch, das man einmal liest und dem man dabei buchstabentreu folgt. Auch ist es keine Schritt-für-Schritt-Anleitung dazu, wie man ein Produktmanager wird. Es handelt sich um einen Rahmen für Produkt-Leader, um die Herausforderungen des Jobs ein wenig einzugrenzen und Fehler zu vermeiden, die viele zuvor bereits gemacht haben. Diese Lektionen werden in den unterschiedlichsten Stadien der Karriere eines Produkt-Leaders relevant sein – beim Arbeiten in einem kleinen Start-up bis hin zum Leiten der Produktorganisation in einem internationalen Unternehmen – und auch für verschiedene Entwicklungsstufen der Firma passen. Die Geschichten können so gelesen, verinnerlicht und angewendet werden, wie sie für die Situation, die Anforderungen der Organisation und die Produktreife sinnvoll sind. Die Themen lassen sich auch nochmals anschauen, wenn sich die Umstände ändern – zum Beispiel nach dem Wechsel in einen neuen Job.

Es wird mit Sicherheit Aspekte geben, die Sie hier und heute anwenden können, aber nicht alles wird in diesem Moment nützlich sein. Trotzdem sind die meisten Einblicke, die dieses Buch gibt, zeitlos und unabhängig von Trends oder Technologien. Es handelt sich um Fähigkeiten, die Leader heute und in der Zukunft einsetzen können – unabhängig von der Plattform, dem Markt oder dem Jobtitel.

All die Verantwortung ohne entsprechende Autorität?

Viele Produkt-Leader empfinden ihr Arbeitsleben als ständige Zerreißprobe zwischen verschiedenen Anforderungen: Der einen Gruppe Werte liefern zu müssen, der anderen Gruppe aber zu kommunizieren, dass sie nicht das bekommen können, was sie haben wollen. Das Ausliefern eines Produkts und seines entsprechenden Nutzwerts ist der Grund, warum diese Produkt-Leader morgens aufstehen und zur Arbeit gehen. Das mag einfach klingen, birgt aber viele Herausforderungen – Herausforderungen, die im Allgemeinen nicht nur funktional, sondern auch konzeptionell sind. Dieses Merkmal unterscheidet den Produkt-Leader vom Produktmanager sind. Tatsächlich haben echte Produkt-Leader möglicherweise gar keine klassische Managementrolle. Wir werden diesen Unterschied zwischen der Arbeit eines Managers und der eines Leaders im Buch untersuchen.

Produkt-Leader stehen unter dem Druck, Werte zu liefern, während sie die Erwartungen mehrerer Stakeholder managen müssen. Auch wenn die Analogie »ProduktCEO« nicht perfekt sein mag, drückt sie doch das hohe Level an Verantwortung aus, das mit der Position des Produkt-Leaders verbunden ist. Aber obwohl sie viel von der Verantwortung eines C-Level-Executive besitzen, fehlt Produkt-Leadern die absolute Autorität eines CEO. Es gibt erwähnenswerte Ausnahmen in noch jungen Unternehmen, in denen der Produkt-Leader gleichzeitig auch der CEO ist, aber entscheidend ist, dass es bei Leadership nicht immer auch um Autorität geht. Tatsächlich ist der Besitz von Autorität in der modernen, konsensgetriebenen Arbeitswelt für echte Leader überhaupt nicht garantiert. Wie Matt Asay, VP of Mobile for Adobe Marketing Cloud, anmerkt: »Ich habe gar nicht die Autorität, Leuten zu befehlen, bestimmte Dinge zu tun. Ich kann beeinflussen und überzeugen, aber ich kann nicht in ein Büro gehen und meine Leute zwingen, etwas zu tun, weil sie sonst entlassen würden.« Autoritäre Leadership wird aussterben. Wie Asay zeigt, führen gute Produkt-Leader durch Einfluss und Vorbildfunktion.

Autorität ist oft durch den Job gegeben. Produkt-Leader haben die Autorität über bestimmte Aspekte des Produktlieferzyklus, aber sie haben nicht unbedingt die Autorität über einzelne Mitarbeiter oder Teams, wie sie ein klassischer Manager haben mag. Obwohl das, was Produkt-Leader tagtäglich tun, für den Erfolg ihrer Organisationen entscheidend ist, gibt es viel zu wenige Beispiele für Best Practices und durch den Markt gesichertes Wissen. Das liegt zum Teil daran, dass jede Firma andere Herausforderungen rund um ihre Produkte hat, aber auch daran, dass jede eine eigene Kultur pflegt. Trotzdem gibt es Best Practices und universelle Wahrheiten, die für alle Produktorganisationen gelten. Mithilfe der Sichtweisen und jahrzehntelangen Branchenerfahrungen unserer Experten versucht dieses Buch, die Lücken mit Einsichten zu füllen, die für alle Produkt-Leader nützlich sind.

Abgesehen vom Beschreiben der Best Practices für Produkt-Leader ist das Ziel dieses Buchs, Leadership in einem größeren Kontext zu betrachten. Kein Leader agiert im Vakuum, und das Abstimmen seiner Aktivitäten mit der Organisation ist für den Erfolg unerlässlich. Abhängig von der Reife der Organisation befindet sich die Arbeit von Produktverantwortlichen nicht immer in Übereinstimmung mit der Vision des Unternehmens, den Anforderungen der Kunden und den Fähigkeiten des Teams. Entscheidend für erfolgreiche Leadership ist, alle Beteiligten auf eine Seite zu bekommen. Dieses Buch dreht sich darum, die Herausforderungen und Brüche zu verstehen und einen Weg für den Produktverantwortlichen zu definieren, auf dem er Einblicke und das Wissen erlangen kann, die notwendig sind, um sich besser zu positionieren und dem Business den bestmöglichen Wert zu liefern.

Product Leadership beginnt mit folgenden Punkten:

Was macht Product Leadership einzigartig?

Es ist wichtig, zu verstehen, inwiefern sich Product Leadership vom klassischen Marketing sowie von Operations, Entwicklung und anderen Bereichen unterscheidet und wie es mit diesen zusammenarbeitet. Wie schon gesagt – Leadership ist nicht das Gleiche wie Management. Es mag Überlappungen geben, aber Leadership-Rollen unterscheiden sich deutlich von klassischen Managementrollen. Einzelpersonen können Leader sein. Leader müssen keine direkten Untergebenen haben. Manager haben hingegen per definitionem Managementverantwortlichkeiten – sie besitzen ein Team, um das sie sich zu kümmern haben. Dieser Unterschied wird in vielen Organisationen übersehen, und das ist ein Problem.

Produkt-Leader benötigen ebenfalls Businesswissen. Sie müssen Lösungen liefern, die die Bedürfnisse der Anwender und die der Firma berücksichtigen. Diese Schnittmenge wird durch alle Komponenten des Business definiert. Es gehört zu den Aufgaben des Produkt-Leaders, die finanzielle, operative und sogar rechtliche und regulative Situation zu verstehen, in der das Produkt agiert. Er muss kein Experte in diesen Bereichen sein, aber er muss deren Sprache sprechen und die Prioritäten jeder Rolle verstehen.

Wenn das richtig angegangen wird, kann die Position des Produkt-Leaders eine Quelle der Wahrheit und eine der reinsten Formen unvoreingenommenen Wissens in einer Organisation sein. Geht man es falsch an, kann die Rolle für eine Organisation allerdings auch außerordentlich problematisch sein – eventuell sogar fatal. Wir haben in vielen verschiedenen Organisationen viel Zeit verbracht und ein Muster erkannt, das schlechte Leader ausmacht. Viele haben von Anfang an einen Bestätigungsfehler (Confirmation Bias), verlassen sich nicht ausreichend auf Daten und verfallen immer wieder in Spekulationen. Ein schlechter Leader kann sein Gift stark verbreiten. Teams beginnen damit, seine Eigenschaften zu übernehmen, und ehe man sich versieht, bewegt sich die Organisation in eine völlig falsche Richtung.

Produktmanagement und Product Leadership sind in einer Organisation einzigartig, weil die Rollen mit so vielen Elementen des Business in Berührung kommen. Selbst wenn sich manche Aktivitäten auch mit wenig Interaktion mit anderen Abteilungen oder Teams erfolgreich erledigen lassen, ist das Produkt doch eng mit allen Aspekten eines Business verbunden. Daraus folgt, dass erfolgreiche Produkt-Leader ein ganzheitliches Vorgehen verfolgen und mit jedem Aspekt des Business verbunden sind, der das Produkt unterstützt. Jim Semick, CEO und Mitbegründer von ProductPlan, einem Tool zum Entwickeln von Roadmaps und Delivery-Zeitplänen, sagt: »Das Problem ist, dass das Produkt nicht einfach ein Satz von Features ist. Es ist die Art und Weise, wie Sie über das Produkt reden, wie Sie Kunden einwerben, es ist der Verkaufsprozess, den Sie durchlaufen, um tatsächlich einen Interessenten zu einem Kunden zu machen, die Erfahrung, die jemand macht, wenn er diesen Prozess durchläuft. Das alles ist Teil des Produkts – zumindest für den Kunden.«

Semicks Liste mit Verantwortlichkeiten macht die Komplexität der Rolle und die umfassenden Auswirkungen deutlich, die Produkt-Leader haben können, aber sie unterstreicht auch ihre fehlende Autorität. Zu wissen, welchen Hut man gerade zu tragen hat, ist Teil der Frage, ob Sie sich gerade im Produkt- oder im Businesslebenszyklus befinden. Es kann der anspruchsvollste Teil einer schnell wachsenden Organisation sein, auf jeder Entwicklungsstufe das beste Vorgehen zu kennen. Ein guter Produkt-Leader, der von der Organisation richtig unterstützt wird, kann die Quelle der Wahrheit sein, die Erfolg oder Misserfolg eines Produktbusiness ausmacht. Ohne Unterstützung durch die Organisation wird ein Produkt-Leader nicht den Effekt haben, den er sich wünscht. Das Aufbauen dieser Unterstützung ist ebenfalls ein Thema, das wir in diesem Buch behandeln.

Der ideale Stil des Produkt-Leaders für das Produktstadium

Wenn Sie verstehen, für welche Art von Produktmanagement und Product Leadership Ihre Organisation bereit ist, hilft Ihnen das, Ihr Team für den Erfolg vorzubereiten. Theoretisch bauen die richtigen Leader die richtigen Teams auf, was dann zu den richtigen Ergebnissen führt. Aber in der Praxis kann es schwer sein, die richtigen Leute zu finden – sehr schwer. Ihr Verhalten, ihre Erfahrung, die Fähigkeiten und Anpassungsmöglichkeiten entscheiden über Erfolg oder Misserfolg Ihrer Produktorganisation. Nicht jeder ist der geborene Leader. Nicht alle Leader sind in allen Stadien des Businesswachstums die richtige Person zur richtigen Zeit. Ein sehr guter Produktmanager für ein Großunternehmen wird nicht unbedingt auch ein sehr guter Start-up-Manager sein und umgekehrt.

Letztendlich ist es die Aufgabe des Managers oder Leaders, mithilfe anderer Personen zu Ergebnissen zu kommen. Wenn es etwas gibt, was Sie aus diesem Buch mitnehmen sollten, dann dies: Es geht nicht um den eigenen Erfolg, sondern darum, das Beste mithilfe von anderen zu erzielen. Das ist die Verantwortlichkeit des Leaders. Es gibt viele tolle Bücher darüber, wie Sie ein besserer Mitarbeiter oder ein besserer Mensch werden, aber dieses Buch dreht sich nicht darum. Der Fokus liegt hier darauf, das gesamte Team gut aussehen zu lassen. Es geht um die Ergebnisse, die Sie zusammen mit und durch andere erzielen können.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Das Buch ist in drei Teile unterteilt, um den Zugriff auf die relevanten Erkenntnisse für die jeweilige Situation einer Organisation zu erleichtern. In Teil I werden die Konzepte des Product Leadership vorgestellt und Eigenschaften herausgearbeitet, die die vielen verschiedenen Rollen und Stile des Product Leadership gemein haben. Zudem wird dort behandelt, welche Eigenschaften Leader und ihre Teams unterscheiden. In Teil II wird die Produktumgebung in die verschiedenen Stadien aufgebrochen. Den größten Teil dieses Abschnitts nehmen Erkenntnisse von Leadern in Organisationen unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Stadien ein. In Teil III werden schließlich die Herausforderungen untersucht, denen sich Produkt-Leader gegenübersehen, wenn sie mit externen Teams und Ressourcen zusammenarbeiten. Aus Gründen der Einfachheit wurden die Abschnitte des Buchs nach den üblichen Stadien benannt, die Organisationen durchlaufen: Startup, wachsende Organisationen und Großunternehmen. Diese Kategorien werden, trotz des Wissens um Graubereiche bei der Definition dieser Stadien, im Buch immer wieder genutzt. Aber ungeachtet einer zu starken Vereinfachung sind diese Kategorien nützlich, da sie es den Produkt-Leadern und denjenigen, mit denen sie zusammenarbeiten, erlauben, schnell zu erkennen, welche Eigenschaften und Strategien die größten Auswirkungen auf ihre Organisationen, Teams und Produkte haben.

Dieses Buch ist so organisiert, dass sich Produkt-Leader ihren eigenen Weg zusammenstellen können. Wir haben die Einblicke und Ratschläge nach Firmenstadium und Nähe zum Produkt-Leader angeordnet. Mit anderen Worten: Der Produkt-Leader steht im Mittelpunkt, dann kommen mit wachsendem Abstand Team, Organisation und Kunden. Das heißt nicht, dass die Kommunikation mit den Kunden nur über die Teams oder die Organisation ablaufen soll, vielmehr bedeutet es, dass das Hauptaugenmerk des Produkt-Leader darauf liegt, eine hochperformante Kultur, entsprechende Prozesse und das Produkt zu schaffen, indem er das bestmögliche Team entwickelt und mit den richtigen Influencern in der Organisation kommuniziert, um dem Kunden koordiniert Werte bereitzustellen.

Aktuelle und frühere Produkt-Leader geben Einblicke in und Ratschläge für das Leiten eines Produktteams in den verschiedenen Wachstumsstadien, für die jeweils unterschiedliche Ansätze, Fähigkeiten und in manchen Fällen auch Typen von Menschen notwendig sein können. Die Weiterentwicklung von einem Stadium zum nächsten hängt von der Fähigkeit ab, diese unterschiedlichen Strategien im Hinterkopf zu haben, während Sie die entsprechenden Leadership-Fähigkeiten entwickeln.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein Produkt-Leader nur sehr selten eine Organisation vom Start-up bis zum Großunternehmen begleitet. Eher werden sich Produkt-Leader mit neuen oder anderen Produkten und Organisationen auf ihren bevorzugten Bereich konzentrieren. Dieses Buch wird hoffentlich eine Vorlage liefern, die ein Produkt-Leader auf seine Gegebenheiten anwenden kann.

Durch die Wachstumsschmerzen führen

In jungen Start-ups kann der Produkt-Leader einer der Mitbegründer oder einer der ersten Mitarbeiter sein. Frisch gegründete Firmen haben kein stabiles Produktteam, daher ist der Führungsstil auch entsprechend rustikal. Der Produkt-Leader ist aber trotzdem verantwortlich dafür, ein klares Bild der Zukunft zu zeichnen, während er ein solides Verständnis für die aktuelle Realität hat. »Wir haben darüber gesprochen, wie unser Ziel aussieht, welches unserer Teams eigenständig arbeiten wird und seine Aufgaben direkt mit den Kunden abstimmt«, sagt David Cancel, Head of Product, CEO und Mitbegründer von Drift, zum aktuellen Status seines Start-ups und zu deren Weg, um ihre Zukunftsvision zu erreichen. »Aktuell haben wir das noch nicht erreicht, aber wir befinden uns auf einem guten Weg.« Cancel war schon an vielen Start-ups beteiligt und fühlt sich in dieser frühen Phase des Produktbusiness-Lebenszyklus am wohlsten. »Das ist der kleine Nachteil, den Sie in Kauf nehmen müssen, wenn Sie in solch einem frühen Stadium oder im Free Customer Stage unterwegs sind. Wenn Sie ein Produktdesign und Systeme gewohnt sind, die nur mit Kunden funktionieren: Wie arbeiten Sie, wenn Sie keine Kunden haben?«

Das ist die Art von Fragen, die dieses Buch beantworten will. Die Spannung zwischen dem idealen und dem aktuellen Status ist, unabhängig von der Reife des Produkts oder der Organisation, ein konstantes Thema. Wenn Sie wissen, in welchem Stadium Sie sich befinden, ist das schon die halbe Miete. Die andere Hälfte ist das nahtlose Überschreiten dieser virtuellen Grenzen, ohne das Bereitstellen von Werten für die Kunden dadurch zu beeinträchtigen.

In jedem Stadium wird es Hürden und Frust geben. Das ist ganz normal. Es gibt keine unproblematische Option, wenn Sie ein Produktbusiness erfolgreich vorantreiben wollen, daher schlagen wir vor, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Oder wie es Ausdauersportler sagen: »Reiß dich zusammen!« Das heißt nicht, dass Sie Unerfreuliches ignorieren oder Probleme unter den Teppich kehren sollen – Ihnen muss nur klar sein, wie hart Sie arbeiten wollen, um erfolgreich zu sein. Welche Schwierigkeiten wollen Sie in Kauf nehmen, um eine vernünftige Belohnung zu erhalten? Sind Sie dazu bereit, die unvermeidlichen schwierigen Gespräche zu führen? Keine lohnenswerte Reise ist ohne Herausforderungen, und es ist außerordentlich wichtig, dass Produkt-Leader sich und ihrem Team diese Fragen stellen.

Leader wie David Cancel verkörpern den Willen, die schwierigen Fragen zu stellen und sich zusammenzureißen. Sein Führungsstil passt perfekt zur Uneindeutigkeit junger Firmen, und er akzeptiert das. Wenn Sie wirklich vor Augen haben, wohin Sie gut passen, ist das die beste Voraussetzung, genau dort die Richtung vorzugeben. Es ist auch sinnvoll, von denen zu lernen, die ähnlichen Frust erleben mussten, und auf dem Erfolg von anderen aufzubauen. Dieses Buch enthält die mühsam errungenen Erkenntnisse von Leadern, die ihren Weg gefunden haben und ihre Geschichten und Empfehlungen teilen. Cancel beschreibt zum Beispiel die Feinheiten des Product Leadership in jungen Start-ups und deren Unterschied zu reiferen Firmen: »In einem ganz frühen Stadium mussten wir als Leader Hypothesen aufstellen. Wir mussten ein bisschen Kunde spielen, um ein System aufsetzen zu können. Sobald wir das geschafft hatten, konnten wir Betaanwender einwerben und dann tägliche Anwender als Stellvertreter oder Proxy für Kunden nutzen.« Bei all diesen Umstellungen muss der Produktmanager seinen Führungsstil neu anpassen. Cancel glaubt, dass sich die Produktmanager vom Stellvertreter für Kunden (und für ihre noch einzustellenden Teams) zu einem Hüter der Vision wandeln, sodass die Autorität ins Team zurückgegeben werden kann. »Jetzt haben wir echte Kunden und sind darauf konzentriert, dort eine größere Diversität zu erreichen. Schritt für Schritt können wir mit dem Erreichen der kritischen Masse (was auch immer das für unser Business bedeutet) stoppen, uns zurückziehen und das Team selbst arbeiten lassen.« Dieses Buch ist mit solchen Einsichten von Produkt-Leadern gespickt. Wir empfehlen, jeden Abschnitt zu lesen, um zu verstehen, wie diese Stadien und Veränderungen aussehen.

Lernen, wie man ein Team aufbaut und ausbildet

Jedes Produktteam ist so unterschiedlich wie das Business, das es unterstützt, und jedes Stadium einer Produktorganisation bringt andere Herausforderungen mit sich. Das müssen Sie im Hinterkopf haben, wenn Sie das richtige Team für die entsprechenden Anforderungen eines neuen Stadiums finden, einstellen und ausbilden wollen. Neuere Firmen haben vielleicht nicht die Ressourcen, von denen ältere Organisationen profitieren können, dafür besitzen sie aber Agilität und Entwicklungsgeschwindigkeit. Es kann einen deutlichen Einfluss auf den Erfolg des Produkts haben, wenn Sie die Vorteile des jeweiligen Stadiums einsetzen, um das richtige Team aufzubauen. Die Auswahl von Mitarbeitern, die zu diesen Umgebungsfaktoren passen, ist die Aufgabe des Produkt-Leaders.

So sind zum Beispiel die Charakteristiken eines Teams in einem sehr frühen Stadium allgemeiner als bei einem nicht mehr ganz so jungen Team mit deutlich spezialisierteren Rollen. »In einem Start-up ist es wichtig, dass Sie Leute einstellen, die sich sehr schnell anpassen können«, sagt Jim Semick von ProductPlan. »Sie müssen in einer Umgebung mit vielen Unsicherheiten zurechtkommen. Das ist das Erste. Das Zweite ist, dass Sie Leute einstellen wollen, die vielseitig sind – Leute, die eine Rolle übernehmen und über das hinauswachsen können, wofür Sie sie eingestellt haben.« Semick verweist wiederholt darauf, wie wichtig der Respekt unter den Teammitgliedern ist – etwas, das von vielen Produkt-Leadern betont wird. Bei den diversen Spannungen in einer jungen Firma tragen Respekt und Empathie mit dazu bei, einen Raum zu schaffen, in dem das Team produktiv und unterstützend sein kann. Fördern Sie ein Team, das die Bedürfnisse und Herausforderungen seiner Mitglieder respektiert, ist schon ein großer Schritt getan, um ein Produkt fertigzustellen.

Während sich Produktteams an die wachsende Entwicklung der Firma anpassen, ändern sich auch die Herausforderungen. Colin Kennedy, früherer Produktmanager beim in Boston beheimateten Sonos und nun Produktmanager bei Upthere in San Francisco, beschreibt, wie diese rapide wachsenden Teams gleichzeitig durch die Ressourcen begrenzt und mit neuen Erwartungen aufgeladen werden. »Wir haben Ressourcen für ein mittelgroßes Unternehmen, und es wächst mit zunehmender Beschleunigung unseres Wachstums immer schneller. Aber jedes Produktteam beginnt zunächst mit einer sehr kleinen Zahl von Stakeholdern aus Produktmanagement, Design und Entwicklung in den zentralen Leadership-Rollen.« Das Ausbalancieren des Wachstums mit den Ressourcenbegrenzungen und der Start-up-Mentalität »Keep it Lean« ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Erfolgreiche Produkt-Leader wie Kennedy bieten Einblicke, wie diese notwendige Balance erreicht werden kann. Bei der Leadership geht es darum, den Leuten zu helfen, die Besten zu werden. Es sind die Fähigkeiten von guten Leadern, mit denen sie ihre Teams motivieren, leiten und fokussieren, die sie von anderen unterscheiden.

Selbst die größeren, alteingesesseneren Firmen stellen ihre Teams in das Zentrum der Konversation. »Ich arbeite jeden Tag in Teams«, sagt Jay Rivera von Intuits QuickBase. »Daher geht es bei den funktionsübergreifenden Unterhaltungen, sei es in einem täglichen Stand-up oder in unseren wöchentlichen Program Reviews, immer darum, sicherzustellen, dass Sie die richtigen Leute an Bord haben und diese dann auch zum richtigen Zeitpunkt zusammenbringen. Dazu gehören Produktmarketing, Produktentwicklung, Ops, Sales, Produktmanagement und HR.« In erfolgreichen Produktteams ist das Thema allgegenwärtig, die richtigen Leute zur Hand zu haben, wenn es um tägliche, wöchentliche oder langfristigere Entscheidungen geht. Wie Rivera andeutet, geht es nicht nur darum, das richtige Team zu haben, sondern auch darum, die Teammitglieder zusammenzubringen, um die täglichen Herausforderungen anzugehen. Effiziente Kommunikation und Entscheidungsfindung sind für gute Teams ausgesprochen wichtig. Eine schlechte Kommunikation zwischen den Teammitgliedern sorgt dafür, dass gute Mitarbeiter ihr Potenzial nicht ausspielen können.

Prozesse und eine zielgerichtete Leitung implementieren

Prozesse dienen als Gerüst für die Produktivität. Sie sind kein Ersatz für kluge Menschen oder kundengetriebene Einsichten, aber sie stellen den Rahmen bereit, in dem diese klugen Menschen so effizient wie möglich arbeiten können. Es hängt vom Zustand des Produkts und der Teamerfahrung ab, wie umfangreich die Prozesse sein müssen. Bei kleineren erfahrenen Teams wird ein sehr locker definierter Prozess ausreichen. Bei größeren Organisationen mit einer hohen Fluktuationsrate der Mitarbeiter wird ein sehr stabiler Rahmen für das Ausliefern von Produkten notwendig sein. Unabhängige Teams – wie Produktdesignagenturen oder firmeninterne Innovationsgruppen – können bei den Prozessen flexibler sein, und in solchen Gruppen ist es möglich, ausgesprochen talentierte Leute einzustellen, aber schwierig, einen bestimmten Prozess durchzusetzen. »Wir werden kluge Leute einstellen. Ihnen stehen viele Werkzeuge zur Verfügung, aber wir werden ihnen keinen strukturellen Prozess aufdrängen«, sagt Andy Budd, Gründer und Managing Director von Clearleft – einer der führenden Produktdesignfirmen in Großbritannien. »Wir vertrauen ihnen. Wir werden ihnen interessante Probleme präsentieren, ihnen nicht im Weg stehen und sie das Problem so gut wie möglich lösen lassen. Und dabei ist jedes einzelne Projekt immer wieder anders. Daher müssen das Projekt und der Prozess immer wieder neu entstehen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir versuchen werden, identische Prozesse auf sämtliche Probleme anzuwenden, weil jedes Problem anders sein wird.« Budds Ansatz funktioniert gut in kleineren Teams mit hoher Kompetenz, in der eine Kultur des Vertrauens gelebt wird und die von Projekt zu Projekt springen. Größere Teams, die sich voll auf ein einzelnes Produkt oder Projekt konzentrieren, werden vermutlich mehr Struktur benötigen.

Die Quintessenz davon ist, dass es schlicht nicht den einen Prozess oder die eine Methodik gibt, die jede mögliche Kombination aus Produkt, Team und Markt abdeckt. Unsere Erfahrungen aus großen und kleinen Unternehmen zeigen, dass die Kombination aus klugen Menschen, einer Kultur des Vertrauens und einem begleitenden Framework die Ergebnisse deutlich verbessern kann. Leistungsfähige Teams sind fast immer funktionsübergreifend, an einem Ort versammelt und autonom.

Aber Produkt-Leader haben es mit Menschen zu tun, und genauso wie die zu bauenden Produkte wird das Managen der Interaktion zwischen diesen Menschen mit wachsender Größe schwieriger. Unsere gemeinsame Philosophie ist, dass der Erfolg mehr das Ergebnis einer Umgebung ist, die die richtige Einstellung schafft und fördert, als des Versuchs, in jedem Schritt des Prozesses perfekt vorzugehen. Denn schließlich ist es entscheidend, dass jeder weiß, was von ihm erwartet wird, und dass es eine gemeinsame Sprache gibt, um die unvermeidlichen Probleme zu lösen – egal ob Ihr Team sehr prozessorientiert oder eher freier vorgeht.

Business und die sie unterstützenden Produktorganisationen sind erfolgreicher, wenn das Ziel klar ist. Sinnvolle Arbeit ist für alle Beteiligten besser. Vordenker der Arbeitskultur, wie zum Beispiel Dan Pink und Simon Sinek, haben uns Anleitungen geliefert, wie sich florierende Organisationen und Teams selbst rund um zweckgebundene Arbeit orientieren können. Es ist keine gute Strategie, das dem Zufall zu überlassen. Das Schaffen oder Anpassen von Prozessen, die sich an dem »Warum« einer Organisation ausrichten, ist die Arbeit guter Produkt-Leader. Dieses Buch untersucht, wie die besten Produkt-Leader Teams und Prozesse aufbauen, die sich auf das Gesamtbild fokussieren, statt ihre persönliche Agenda zu verfolgen. Joshua Porter, Gründer von Rocket Insights und ehemaliger Director of UX bei HubSpot, hat sich Gedanken zum Aufbau einer Umgebung gemacht, die einen starken Kundenfokus unterstützt: »Wenn wir oder ich Mitarbeiter suchen, ist der Kundenfokus auf jeden Fall ein wichtiges Merkmal. Wir halten nach Leuten Ausschau, die sich nicht darauf konzentrieren, sich durch ihr Genie einen Namen zu machen, sondern darauf, ein tolles Produkt zu schaffen, das den Kunden glücklich macht.« Diese Fokussierung auf den Kunden ist in Produktorganisationen nicht immer vorhanden, sollte es aber. Zu einem großen Teil gehört es daher zur Rolle des Leaders, Prozesse zu entwickeln, die die Teams an den Kunden und dessen Bedürfnisse erinnern.

Eine Kombination aus den richtigen Prozessen für das Produkt und die Businesssituation und einem Ziel, das es im Auge zu behalten gilt, bietet dem Team die Werkzeuge für den Erfolg. Es reicht nicht aus, nur das eine oder nur das andere zu tun. Die Leute in leistungsfähigen Teams müssen wissen, warum sie so hart arbeiten und was sie in Bewegung setzen können, um ihren Beitrag zu optimieren. Wenn Ihr Team keine klar formulierte Vision hat, ist es für die Mitarbeiter schwer, herauszufinden, was wichtig ist. Versteht das Team die Prozesse, versteht es auch, wie es die Ergebnisse optimieren kann.

Wissen, wie Sie den Erfolg Ihrer Arbeit bewerten

Erfolg ist subjektiv, aber wie er gemessen wird, ist ziemlich objektiv. Es ist ein wichtiger Teil Ihrer Leader-Rolle, klare Metriken oder Kriterien zu haben, die definieren, wie Ihre Organisation ihre Ziele erfüllt. Bei manchen Leadern wird es darum gehen, Businessziele in messbare Metriken wie Kundenakquisition, Net Promoter Score oder Lifetime Value umzuwandeln. Bei anderen, insbesondere wenn es um komplexe oder ausgereifte Produkte geht, können die Metriken sehr detailliert sein. Aber letztendlich sollten alle Metriken zeigen, wie das Produkt sein Leistungsversprechen umsetzt. David Cancel von Drift bekräftigt: »All unsere Metriken richten sich am Kunden aus – seien es Verwendung oder Aktivierung. Qualitative Informationen sind sogar noch wichtiger: was wir von den Kunden hören, was sie wirklich sagen. Wir reden jeden Tag mit ihnen.«

Die Idee, dass das Messen von Erfolg und Misserfolg nicht nur eine quantitative Sache ist, tauchte in den Interviews immer wieder auf. Jeff Veen, True Ventures Design Partner, bestätigt das. »Ich stimme zu, dass wir meiner Meinung nach in dieser Art Post-Agile/Lean-Welt zu sehr auf Quantität geachtet haben. Ich glaube einfach, dass wir da besser werden, anstatt das Pendel nur wieder zurück zur Qualität schwingen zu lassen.« David Cancel unterstützt die Idee qualitativen Feedbacks, das Produktentscheidungen leitet: »Wir nutzen jede Form qualitativen Feedbacks – geschrieben, verbal oder visuell –, um besser zu verstehen. Können wir die Probleme des Kunden besser lösen? Können wir das in einem größeren Umfang? Entdecken wir dann neue Probleme? Wenn wir uns um diese neuen Probleme kümmern – wird das Produkt so eingesetzt, wie wir es uns dachten? Das mag erst einmal nicht so sein, weil der Use Case ein anderer ist. Aber wie sieht dann die richtige Anwendung dafür aus? Wir schauen uns diese Dinge fortlaufend aus Kundensicht, Kohortensicht, Feature-Sicht und allen anderen Perspektiven an – auch aus Planungssicht, Käufersicht oder Anwendersicht. Und alle diese Teams werden anhand dieser Kundenziele gemessen.«

Es zeigt sich, dass es entscheidend ist, die richtige Balance zwischen Qualität und Quantität zu finden, um auf echtes Kundenwissen zugreifen zu können. Das kann gar nicht genug betont werden. Keine Seite ist wichtiger als die andere, und man erreicht das Ziel nur, wenn man sich um beide kümmert. Teams, die eher metrikorientiert sind, können Probleme haben, den Sprung zu qualitativen forschungsgetriebenen Methoden zu schaffen. Wir haben in unseren eigenen Teams und im Rahmen der Interviews zu diesem Buch schon das Argument gehört, dass es zu viel Arbeit ist oder zu viel Zeit kostet, Feedback vom Kunden zu erhalten. Die Lösung ist, diese Arbeit anders zu konzeptionieren: Qualitative Forschung ist eine Investition für zukünftige Einsparungen und Werte. Indem Sie diese Praxis umsetzen und Ihre Fähigkeiten darin verbessern, werden Sie die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Fehlschläge reduzieren. Erledigen Sie diese Arbeit vorweg, können Sie sehr viel Wert schaffen, und die Erfahrung zeigt, dass Sie ein besseres Produkt bekommen, wenn Sie zuvor fleißig waren. Es kostet die Mitarbeiter und das ganze Team Zeit, ein Produkt auszuliefern und anschließend die Auswirkungen zu messen, wenn man es richtig machen will.

Wir werden damit beginnen, was einen guten Produkt-Leader ausmacht. Dabei werden wir uns anschauen, wie er sein Team strukturiert, leitet und mentoriert, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Das Ziel des dann folgenden Abschnitts ist, Muster zu finden, die in allen erfolgreichen Teams zu sehen sind. Wir werden keine spezifischen Ergebnisse behandeln, da diese von Team zu Team unterschiedlich sind, aber wir werden mögliche Folgen besprechen.

Danksagungen

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