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Ashley Carrington

Valerie

Herrin auf Cotton Fields

Roman

hockebooks

Für R.M.S.,
der das Unmögliche
möglich machte.

Prolog

Schüsse aus einer großkalibrigen Schrotflinte zerrissen die trügerische Stille der Augustnacht auf Cotton Fields, vermischten sich mit gellenden Schreien und scharfen Befehlen. Hunde kläfften wie wild. Türen schlugen im Herrenhaus, verschlafene Männer und Frauen stürzten aus ihren Zimmern, liefen verstört über die Gänge, redeten aufgeregt durcheinander.

Henry Duvall hörte nichts von all dem, auch nicht die wütende Stimme seines Vaters, der die Handvoll aufständischer Sklaven zum letzten Mal aufforderte, ihre Geisel freizugeben und mit erhobenen Armen aus dem Haus des Aufsehers herauszukommen. Er hörte nur das Wimmern von Alisha. Sie rang mit dem Tod. Ein halbes Dutzend Messerstiche hatten ihren Leib grässlich entstellt, und es war ein Wunder, dass sie es mit diesen Verletzungen von der Sklavenhütte bis zum Herrenhaus überhaupt noch geschafft hatte. Doch der Wille, Henry zu warnen und ihr Kind noch zur Welt zu bringen, bevor der Tod sie mit sich nahm, hatte sie am Leben gehalten.

»Alisha! … Du darfst nicht sterben!«, stieß Henry Duvall in fassungslosem Entsetzen hervor, als sie aufschrie und sich unter den Wehen krümmte. Er sah ihr verzerrtes Gesicht und ihre Hände, die sich vor Schmerzen in das Laken krallten.

»Sie müssen gehen, Massa Henry«, drängte die dicke Lettie, die Hebamme der Sklaven auf Cotton Fields, mit belegter Stimme. Noch nie hatte sie einer Sterbenden beistehen müssen. »Es schickt sich nicht für einen Gentleman, bei der Niederkunft einer Frau zugegen zu sein.«

Er warf ihr einen wilden Blick zu, sodass sie vor Schreck zurückfuhr. »Himmelherrgott, sie stirbt, und du redest da von Schicklichkeit!«, schrie er sie unbeherrscht an. »Tu lieber was! Verdammt noch mal, tu was! … Alisha darf nicht sterben.«

»Ich bin kein Doktor, Massa Henry. Kann ihr nur bei der Niederkunft helfen. Und es wird gleich so weit sein … wenn das arme Ding noch so lange durchhält«, murmelte die schwarze Hebamme.

Henry beugte sich über Alisha, die vor über zwei Jahren als Sklavin auf die Baumwollplantage gekommen war. Sein Vater hatte dieses ungewöhnlich hellhäutige und bildhübsche Mädchen auf einer Sklavenauktion in New Orleans erstanden und es ihm zu seinem achtzehnten Geburtstag geschenkt. »Auch die Liebe will gelernt sein, mein Sohn«, hatte er damals zu ihm gesagt und gelacht, als er hochrot im Gesicht geworden war.

Er hatte die Liebe gelernt, doch anders, als sein Vater es je für möglich gehalten hätte. Er hatte sich in dieses scheue, ängstliche Mädchen verliebt, war ihr fast vom ersten Augenblick an verfallen gewesen und hatte keinen Gebrauch von seiner Macht als Sohn des Plantagenbesitzers gemacht. Er hatte sie abseits von den anderen Sklaven in einem kleinen Haus untergebracht und über ein Jahr um ihr Vertrauen und ihre Zuneigung geworben, als wäre sie eine Weiße. Und seine Liebe war erwidert worden. Wie ein glückseliger Rausch waren die letzten zwölf Monate verflogen, der nun sein jähes, gewaltsames Ende in dieser schwülen Augustnacht gefunden hatte. »Alisha! … Hörst du mich?«, stieß Henry beschwörend hervor und umfasste ihre Hand, die nass von Blut war.

Ein Schauer durchlief ihn.

Überall war Blut. Auf den breiten Stufen, die zur Veranda des Herrenhauses von Cotton Fields hinaufführten, auf der Türschwelle, auf den chinesischen Teppichen in der hohen, weitläufigen Halle, auf der Treppe zum Obergeschoss. Blut tränkte auch das Laken des Bettes, auf dem Alisha sich krümmte, von Schmerzen und den Schatten des nahen Todes gezeichnet.

»Massa!«, rief Lettie. »Das Baby!«

Alisha brachte ihr Kind mit letzter Kraft zur Welt. Ihre Augen klärten sich noch einmal, als das Schreien des Babys in ihr Bewusstsein drang.

»Henry …« Ihre Stimme war ein kaum vernehmbares Flüstern, sodass er sein Ohr an ihren Mund legen musste, um sie zu verstehen.

»Lebt es?«

»Ja, Alisha. Es lebt … und du wirst auch leben!« Er wollte der entsetzlichen Wahrheit einfach nicht ins Auge blicken, konnte den Gedanken, sie zu verlieren, nicht ertragen. Alisha durfte ihn nicht verlassen!

Doch sie wusste, wie es um sie bestellt war, und drehte nur schwach den Kopf. »Zu spät für mich und dich …«, hauchte sie. »Doch nicht für unser Kind … Lass nicht zu, dass es in Unfreiheit aufwächst, Henry! Wirst du tun, was du mir versprochen hast?«

Er kämpfte mit den Tränen. »Es wird nie ein Sklave sein«, versicherte er mit bewegter Stimme.

Sie seufzte, und ihr Gesicht entspannte sich. Die Schmerzen waren wie fortgewischt. Ihre dunklen Augen ruhten voller Zärtlichkeit auf ihm. »Ich liebe …« Der Tod kam so schnell, dass es ihr nicht mehr vergönnt war, diesen Satz zu beenden.

»Alisha!«

Starr und leblos schauten ihre Augen ihn an.

Lettie bekreuzigte sich, während das zarte Bündel Leben auf dem blutigen Laken durchdringend schrie, als wüsste es, dass der Leib, der es zur Welt gebracht hatte, niemals wieder Wärme und Geborgenheit schenken würde.

Ein Schuss krachte.

Schweißgebadet fuhr Henry Duvall aus dem Schlaf, öffnete die Augen und blickte sich verstört in seinem Zimmer um. Die Vorhänge vor den hohen Fenstern waren zugezogen, um die grelle Augustsonne auszusperren.

Samuel, sein getreuer Diener, richtete sich im Stuhl auf, den er neben das Bett seines Herrn gestellt hatte, als dieser sich nach einem leichten Imbiss zu seinem täglichen Mittagsschlaf hingelegt hatte. Samuel wusste nicht, wie alt er war, doch an die sechzig heiße Sommer hatte er bestimmt schon auf Cotton Fields erlebt, wo er als Sklave zur Welt gekommen war. Tiefe Falten zogen sich durch sein gütiges Gesicht, das die Farbe alten Ebenholzes besaß, während sein kurzes Haar wie helles Silber schimmerte.

»Was war das, Samuel?«, fragte Henry benommen, immer noch unter dem Eindruck des Traumes von jener schrecklichen Nacht, als die Frau, die er wie nichts sonst auf der Welt geliebt hatte, ihren schweren Verletzungen erlegen war.

»Der Windzug muss eine Tür zugeschlagen haben, Massa Henry«, sagte Samuel. Er erhob sich rasch und holte eine Porzellanschüssel mit kaltem Wasser. Er tränkte ein frisches Leinentuch und wischte seinem Herrn den Schweiß vom Gesicht.

Henry Duvall ließ es geschehen, machte dann aber eine unwillige Bewegung mit seiner rechten Hand, als Samuel ihm helfen wollte, sich aufzurichten. »Mit mir mag zwar nicht mehr viel los sein«, brummte er gereizt, »aber ich weiß mir noch immer selbst zu helfen, Samuel. Noch bin ich kein hilfloser Krüppel!«

»Doktor Rawlings hat mir aufgetragen, dafür zu sorgen, dass Sie sich nicht zu sehr anstrengen, wo Sie es doch so schlimm mit dem Herzen haben«, sagte der grauhaarige Diener mit einem tadelnden Unterton in der Stimme.

»Doktor Rawlings rät immer zu Schonung, wenn er mit seinem Quacksalberlatein am Ende ist«, sagte Henry Duvall knurrig. »Außerdem befehle immer noch ich auf Cotton Fields, wenn es da auch den einen oder anderen geben mag, der mich schon unter der Erde sieht … und sich auch so verhält!«

Betroffenheit trat auf Samuels Gesicht. »Jesus! Massa Henry, ich …«

»Beruhige dich!«, fiel Henry ihm ins Wort. »Damit habe ich nicht dich gemeint. Ich weiß, dass du es gut mit mir meinst. Bist wirklich der Einzige auf dieser Plantage, dem ich vertrauen kann und der nicht wie ein Aasgeier darauf wartet, dass ich zur Hölle fahre, wie das meine feine Familie tut.«

»Das dürfen Sie nicht sagen, Massa Henry!«

»Spiel jetzt bloß nicht den unbedarften Niggerboy, Samuel, der du nie gewesen bist!«, wies er ihn zurecht, und ein verstecktes Schmunzeln zuckte um seine Mundwinkel, als er die ratlose Miene seines treuen Dieners sah. »Du spielst den Dummkopf, vor dessen Ohren man alles sagen kann, weil man ihn nicht für voll nimmt, ausgezeichnet. Aber fang jetzt bloß nicht an, auch mir diese Komödie vorspielen zu wollen. Wir sind zusammen grau geworden und kennen uns lange genug, sodass wir uns nichts vorzumachen brauchen. Und du weißt so gut wie ich, dass diese gefühllose Brut, die sich meine Familie schimpft, es gar nicht erwarten kann, mir ein paar schwere Klumpen Erde auf den Sargdeckel zu werfen.«

»Es steht mir nicht zu, mir darüber eine Meinung zu bilden, Massa Henry«, erwiderte der Neger ausweichend und mit ausdruckslosem Gesicht.

Der Plantagenbesitzer seufzte. »Mein Gott, keiner kann dir das Denken verbieten. Aber lass nur. Ich weiß schon, dass du mir insgeheim zustimmst, wenn du dich auch scheust, es auszusprechen. Manche Dinge im Leben sind wirklich besser zu ertragen, wenn man sie nicht ausspricht. Worte können wie die Büchse der Pandora sein. Lüftet man den Deckel, ist das Unheil nicht mehr aufzuhalten«, sagte er bedrückt.

Samuel runzelte die Stirn, als versuchte er vergeblich, sich an eine Frau namens Pandora zu erinnern. Er ahnte nicht, dass es sich dabei um eine Gestalt aus der griechischen Mythologie handelte. »War diese besagte Lady schon mal auf Cotton Fields zu Gast?«, fragte er.

Henry lachte trocken auf. »Seit ich dem Wunsch meiner Eltern nachgegeben und Catherine zu meiner Frau genommen habe, ist diese Pandora ständig zu Gast auf Cotton Fields«, sagte er voller Bitterkeit.

Samuel sah ihn mit einer Mischung aus Sorge und Verständnislosigkeit an.

»Mach nicht so ein Gesicht, als hätte meine Krankheit auch schon mein Gehirn angegriffen. Manches, was ich sage, mag zwar ein bisschen wirr klingen, ist es aber gar nicht. Mein Kopf funktioniert immer noch einwandfrei … leider hat mir der Schlag damals nicht die Gnade der geistigen Verwirrung geschenkt. Ein scharfer Verstand kann in Verbindung mit der Erinnerung mehr Leiden in einem hervorrufen als die schrecklichste körperliche Krankheit«, sagte Henry grimmig und schob sich an die Bettkante. Seine linke Seite war zwar gelähmt, doch sein eiserner Wille ließ nicht zu, dass er sich zum Sklaven des Rollstuhls und fremder Hilfe machte.

»Sie sind in einer mächtig düsteren Stimmung, Massa Henry, was mir gar nicht gefällt. Es war wieder der Traum, nicht wahr?« Henry brummte eine widerwillige Zustimmung.

»Sie sollten eine Spazierfahrt unternehmen«, riet Samuel und zog den Rollstuhl heran. »Das wird Ihre Stimmung heben. Die Baumwollernte ist in vollem Gang und es sieht nach einer prächtigen Ernte aus.«

»Zum Teufel mit der Baumwolle und dem Zuckerrohr, Samuel! Was ich gesät habe, ernte ich auf einem ganz anderen Feld«, erwiderte der Plantagenbesitzer düster, schwenkte die Beine über die Kante und hielt sich unsicher auf den Beinen. Er hatte in letzter Zeit stark an Gewicht verloren, war jedoch noch immer ein stattlicher Mann, dessen aufrechte Haltung seine schwere Erkrankung Lügen zu strafen schien. Es war nicht seine Art, zu zeigen, wie es in ihm aussah. Er war jetzt Anfang vierzig, doch sein graues Haar und sein blasses Gesicht ließen ihn gut zehn Jahre älter wirken. Innerlich fühlte er sich sogar noch älter. Das Leben hatte seiner Seele viele Wunden geschlagen, und nun war sein Körper an der Reihe. Schon bevor er Doktor Rawlings dazu gebracht hatte, ihm endlich reinen Wein einzuschenken, hatte er geahnt, dass ihm nicht mehr viel Zeit in dieser Welt vergönnt war. »Und komm mir nicht jedes Mal mit deiner Spazierfahrt, wenn ich gereizt und schlechter Laune bin.«

Samuel war mit dem Gepolter seines Herrn viel zu sehr vertraut, um sich davon beeindrucken zu lassen. Henry Duvall gab sich gern bissig und verbarg seine Großherzigkeit hinter einer rauen Schale, als fürchtete er, man könnte ihm diesen Wesenszug als Schwäche auslegen, was bei seiner Familie auch tatsächlich der Fall war.

»Werde versuchen, in Zukunft daran zu denken, Massa Henry«, antwortete Samuel gelassen und ohne einen Anklang von Unterwürfigkeit. Fünfundzwanzig Jahre war er nun schon sein Diener, und das war eine lange Zeit, in der gegenseitiges Vertrauen und Zuneigung gewachsen waren wie eine mächtige Eiche, die jedem Sturm trotzte. Doch es war eine gegenseitige Verbundenheit, die ganz eigenen Regeln folgte und sich nicht nach außen hin zeigte.

Henry setzte sich in den Rollstuhl und ließ zu, dass Samuel ihm die rauchblaue Seidenweste zuknöpfte und seine Krawatte richtete.

»Zum Sekretär!«, befahl er dann.

Der Diener schob ihn durch das große Schlafzimmer, das dem Herrn von Cotton Fields seit seiner schweren Herzattacke vor gut einem Jahr auch als Arbeitszimmer diente. Es war bis auf die kostbaren Teppiche spartanisch eingerichtet.

»Vergessen Sie nicht, Ihre Medizin zu nehmen«, erinnerte Samuel ihn.

»Später! Lass mich jetzt in Ruhe! Ich habe zu denken«, sagte Henry Duvall mürrisch und klappte seine Schreibmappe auf. Der Traum von Alishas Tod wirkte noch immer in ihm nach. In den letzten Jahren hatte ihn dieser Albtraum immer wieder verfolgt, und er hatte sich daran gewöhnt und es akzeptiert, dass er diesen Verlust bis ans Ende seiner Tage nicht verwinden würde. Doch seit dem Frühjahr hatte der Traum an Intensität zugenommen, waren die Bilder mit quälend scharfen Einzelheiten seiner Erinnerung entsprungen und hatten ihm keine Ruhe mehr gelassen. Und nach fast zwanzig Jahren Schweigen hatte er seinen Schwur gebrochen und seinen alten Freunden in England geschrieben, die sein Kind damals mit zurück in ihre Heimat genommen und Valerie wie ihre leibliche Tochter aufgezogen hatten.

Valerie!

Würde es ihm vergönnt sein, sie noch einmal zu sehen, bevor das letzte Sandkorn durch das Stundenglas seines Lebens gelaufen war? Mit einer heftigen Bewegung schlug er die Mappe zu, stieß den Rollstuhl zurück und griff nach den Krücken, die neben dem Sekretär lehnten. Mühsam stemmte er sich hoch und ging zum Fenster. Als er den Vorhang aufzog, musste er die Augen einen Moment vor der blendenden Helle der Augustsonne schließen. Dann starrte er über die überdachte Galerie, die an seinem Zimmer vorbeiführte, hinaus auf die gepflegten Rasenflächen und Gartenanlagen, die das Herrenhaus von Cotton Fields umgaben. Sein Blick richtete sich auf die Allee aus Roteichen, die sein Urgroßvater André Duvall gepflanzt hatte, als er vor über hundertfünfzig Jahren aus politischen Gründen Frankreich verlassen hatte, als junger Mann nach Louisiana gekommen war und Cotton Fields gegründet hatte.

Wie oft hatte er in den letzten Monaten hier am Fenster gestanden, auf die majestätischen Bäume geblickt und darauf gewartet, eine Kutsche aus dem Schatten der Allee kommen zu sehen, die Valerie endlich zu ihm brachte.

Was war nur geschehen?

»Henry?«

Die weibliche Stimme in seinem Rücken riss ihn aus seinem Grübeln.

»Was willst du, Catherine?«, fragte er, ungehalten über die Störung.

»Es ist an der Zeit, dass wir über ein paar wichtige Punkte reden und Entscheidungen treffen!«, sagte Catherine Duvall und schloss die Tür mit demonstrativem Nachdruck.

»Ich wüsste nicht, was es zu bereden gäbe«, sagte er, drehte sich ungelenk auf den Krücken herum und musterte seine Frau mit einer steilen Falte auf der Stirn.

Catherine sah in dem perlgrauen Seidenkleid, das hochgeschlossen war und ihre schlanke Taille betonte, selbstbewusst, elegant und unnahbar aus. Sie achtete stets auf ein strenges Äußeres. Und diese Strenge spiegelte sich auch in den Zügen ihres schmalen Gesichtes wider, das nur selten ein warmes Lächeln zeigte. Leicht gerunzelte Brauen und ein missbilligend zusammengepresster Mund bestimmten gemeinhin ihre Miene, die sie wie eine Waffe gegen unvorhersehbare, aber zu erwartende Ärgernisse trug. Ein Ausdruck, der der Vorsteherin eines exklusiven Mädchenpensionats gut zu Gesicht gestanden hätte.

»Es muss ein für alle Mal Klarheit auf Cotton Fields herrschen«, sagte Catherine direkt. »Du bist krank und die Leitung der Plantage muss in andere Hände übergehen.«

Ein spöttisches Lächeln huschte über sein müdes Gesicht. »Ach, du bist gekommen, um mich endlich dazu zu bringen, Stephen zum Herrn von Cotton Fields zu machen.«

Sie funkelte ihn an. »Er ist schon längst Herr der Plantage und …«

»Erst wenn ihr mich unter die Erde gebracht habt, wird sich die Frage stellen, wer meine Stelle einnimmt!«, unterbrach er sie schroff und fragte sich wohl zum zigtausendsten Mal, wie er nur den Fehler hatte begehen können, Catherine zu heiraten. Wieso hatte er nicht gesehen, was sich hinter dieser hübschen Maske verbarg? Nämlich Machtbesessenheit, Härte und Gefühlskälte.

Nach Alishas Tod war er so erschüttert und auch teilnahmslos gewesen, dass ihm gar nicht aufgefallen war, in was er sich da von seinen Eltern hatte drängen lassen. Nicht, dass er irgendetwas gegen eine Heirat einzuwenden gehabt hätte. Er hatte ihren Wunsch nach Enkeln, legitimen Enkeln, verstanden und sogar gehofft, an der Seite einer anderen Frau Vergessen und neues Glück zu finden. Catherine hatte ihm nichts davon gegeben, nicht einmal die Wärme und Zuneigung im Bett, geschweige denn die Lust und Leidenschaft, die er mit Alisha ausgekostet hatte. Und sie hatte es auch verstanden, ihm ihre gemeinsamen Kinder Stephen und Rhonda fremdzuhalten. Immer hatte sie zwischen ihm und den Kindern gestanden und alles getan, um sie seinem Einfluss zu entziehen. Er hatte sie gewähren lassen und gehofft, dass die Kinder schon von selbst zu ihm finden würden. Doch das war ein schwerwiegender Fehler gewesen, wie er hatte feststellen müssen, als es schon zu spät gewesen war, dieser Entwicklung wirksam gegenzusteuern. Manchmal hatte er sich schon gefragt, ob er wirklich der Vater dieser Kinder war, die so gar nichts von ihm mitbekommen zu haben schienen und ihm bestenfalls kühle Höflichkeit entgegenbrachten. Es erschreckte und bestürzte ihn, wenn ihm manchmal zu Bewusstsein kam, wie fremd sie ihm waren und wie wenig Mühe sie sich gaben, zu verbergen, dass sie nur darauf warteten, ihn zu beerben und auf Cotton Fields nach eigenem Gutdünken schalten und walten zu können. Wie ein widerwillig gelittener Gast kam er sich in seinem eigenen Zuhause vor.

»Du bist schwer krank, Henry, und die Leitung der Plantage ist faktisch schon längst in andere Hände übergegangen, auch wenn du das nicht wahrhaben willst!«, hielt Catherine ihm zornig vor.

»Rede nur weiter«, murmelte Henry sarkastisch.

»Stephen ist alt genug, um auch offiziell die Verantwortung zu übernehmen.«

Ein geringschätziger Zug verhärtete seinen Mund. »Verantwortung war für Stephen von Kindesbeinen an ein Fremdwort, und du hast ihn sogar noch in seiner Arroganz darin bestärkt, dass Arbeit etwas ist, das weit unter seinem Niveau liegt und den Dummen, weniger Begüterten vorbehalten ist!«, warf er ihr vor. »Wenn er von irgendetwas eine Ahnung hat, dann sind das Frauen von zweifelhaftem Charakter und Glücksspiele. Da hat er es für seine neunzehn Jahre schon zu einem beachtlichen Erfahrungsschatz gebracht. Doch von der Leitung einer Plantage versteht er nichts. Wenn es hoch kommt, weiß er gerade noch, dass Baumwolle nicht vom Himmel fällt, sondern das Ergebnis harter Arbeit ist, die andere leisten, damit er in New Orleans den reichen Dandy spielen kann!«

»Henry!«, rief Catherine empört. »Wie kannst du so von Stephen sprechen!«

»Weil es die traurige Wahrheit ist.«

»Er ist immerhin dein Sohn!«

»Manchmal hege ich sogar daran starke Zweifel«, murmelte Henry. »Und bei Rhonda ist es nicht anders. Sie wird ihren Bruder eines Tages noch an Arroganz übertreffen. Rhonda ist so oberflächlich und unbeständig wie ein hübscher Schmetterling, der nichts anderes zu tun hat, als von einer Blume zur anderen zu flattern und sich auf Kosten anderer mit Nektar vollzustopfen. Der Teufel mag wissen, wie ausgerechnet ich zu solchen Kindern gekommen bin. Ich kann nicht sehen, dass sie irgendetwas von mir geerbt hätten.«

»Willst du mich beleidigen?«, fragte Catherine scharf.

Er schüttelte den Kopf. »Spar dir deine Entrüstung. Was diese Seite unserer Ehe angeht, vertraue ich dir blind«, erwiderte er sarkastisch. »Dass ich Stephen und Rhonda gezeugt habe, stelle ich nicht infrage, obwohl es mir im Nachhinein doch wie ein Wunder erscheint, dass wir bei deiner klösterlichen Einstellung zur körperlichen Liebe überhaupt Kinder bekommen haben.«

»Ich bin nicht gekommen, um mir deine Geschmacklosigkeiten anzuhören!«, fauchte sie ihn an. »Unsere Ehe steht längst nicht mehr zur Debatte.«

»Ich wünschte, die Einstellung hättest du schon vor zwanzig Jahren gehabt.«

»Es geht um unsere Kinder, und es dürfte wohl völlig gleichgültig sein, dass dir einiges an Stephens und Rhondas Lebenswandel nicht passt«, kam sie auf das Thema zurück, das ihr so sehr am Herzen lag. »Es ist einfach lächerlich, dass du die Augen vor den Tatsachen zu verschließen suchst. Cotton Fields ist längst deiner Kontrolle entglitten …«

»Ja, unter anderem«, sagte er bitter.

»… und im Interesse aller solltest du Stephen noch zu Lebzeiten zugestehen, worauf er als dein einziger Sohn ein Anrecht hat und was ihm eines Tages sowieso zufällt!«, fuhr sie unbeirrt fort.

Zorn über ihre anmaßenden Worte wallte in ihm auf und er kniff die Augen zusammen. »Anrecht? Der Teufel soll mich holen, wenn irgendwer auf Cotton Fields auf irgendetwas ein Anrecht hat, das über den gesetzlichen Pflichtanteil hinausgeht!«, brauste er auf. »Und jetzt verschwinde! Ich bin es leid, mir dein Gerede noch länger anzuhören. Noch habt ihr den Sargdeckel nicht über mir zugenagelt. Aber auch dann werdet ihr nicht viel Freude haben, darauf hast du mein Wort!«

Catherine sah ihn einen Augenblick schweigend an. Unverhohlene Verachtung stand in ihren Augen. »Du kannst einem leidtun, Henry«, sagte sie dann abfällig. »Stephen wird Cotton Fields bekommen – ob es dir nun passt oder nicht.«

»Nicht einen verdammten Morgen wird er bekommen!«

»Alles wird er bekommen!«, widersprach Catherine mit fester Stimme. »Einschließlich deines Grabes und des Grabes von Alisha!«

Henry zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und starrte seine Frau erschrocken an. »Alisha? … Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst!«, stieß er hervor.

»Du kannst dir und mir diese Schmierenkomödie ersparen«, sagte sie verächtlich. »Ich hab’ schon immer von deiner dreckigen Niggerhure gewusst, obwohl deine Eltern und du alles versucht haben, um diese schändliche Affäre zu verheimlichen. Aber es ist schon immer mein Prinzip gewesen, alles zu erfahren. Ja, ich weiß von Alisha – und ich weiß auch von Valerie, deinem Bastard!«

Henry wurde blass. Er hatte Mühe, sich auf den Krücken zu halten, und wankte zum Rollstuhl. Schwer fiel er hinein, während sich sein krankes Herz mit schmerzhaften Stichen meldete. »Lass mich allein!«, krächzte er. »Ich denke nicht daran, mit dir über Alisha oder Valerie zu reden.«

Sie lachte höhnisch. »Und ich denke nicht daran, dir den Gefallen zu tun, darüber zu schweigen. Das habe ich lange genug getan. Nun reicht es!«

»Woher weißt du von Valerie?«

»Hältst du mich für so dumm, dass ich dir das sage?«

Er machte eine fahrige Handbewegung. »Es ist auch nicht wichtig. Dein Wissen wird dir nichts mehr nützen, Catherine. Keiner von euch wird Cotton Fields bekommen!«, stieß er hervor. »Keiner!«

Sie lächelte kalt. »Das hast du dir wirklich raffiniert ausgedacht, Henry. Ein Niggerbastard als Herrin von Cotton Fields, ja? Und wir das Gespött der Gesellschaft von ganz Louisiana.« Catherine schüttelte den Kopf. »O nein, dein wahnwitziger Plan wird nicht aufgehen. Du hast dich zu früh gefreut. Du wirst diesen Bastard nie wieder zu Gesicht bekommen. Valerie wird nie amerikanischen Boden betreten, geschweige denn einen Fuß auf diese Plantage setzen! Du hättest ihren Adoptiveltern in England besser nicht geschrieben, sie zu dir auf die Reise zu schicken.«

Henry blickte sie verstört an und eine schreckliche Ahnung stieg in ihm auf. »Wer hat dir das erzählt?«, keuchte er. »Du kannst es doch gar nicht wissen!«

»Ich weiß alles, mein lieber Henry. Du hast dich ja lange genug damit gequält, bevor du den Brief an die Fulhams in Bath endlich abgeschickt hast«, antwortete Catherine und weidete sich an seiner wachsenden Bestürzung. Ihre Stimme triefte vor Hohn. »Habe dich ja so gut verstanden. War bestimmt nicht einfach, nach neunzehn Jahren Schweigen einem ahnungslosen Mädchen in England begreiflich zu machen, dass es ein Niggerbastard ist. Du hast dir aber wirklich viel Mühe gegeben, das muss man dir lassen. Ich schätze, du hast mindestens ein Dutzend Briefe an deine Valerie geschrieben und wieder zerrissen, bevor du Anfang dieses Jahres endlich die richtige Formulierung und den Mut gefunden hast, deinen hinterhältigen Plan auch in die Tat umzusetzen.«

Henry umklammerte die Armlehnen seines Rollstuhls. »Du … du hast meine Entwürfe gelesen?«

Ein falsches Lächeln trat auf ihr Gesicht, doch ihre Augen blieben kalt. »Ich hielt es für meine Pflicht als fürsorgliche Ehefrau, auch über deinen geistigen Gesundheitszustand informiert zu sein, zumal du ja oft nächtelang am Sekretär gesessen und über diesen Briefen gegrübelt hast. Ich habe mir ernstlich Sorgen gemacht, die ich dann auch schnell begründet fand, als ich mir deine Entwürfe durchlas, während du tief und fest geschlafen hast.«

»Catherine! Du hast mich hintergangen!«, fuhr er sie an, und das Stechen in seiner Herzgegend wurde intensiver.

»Wenn jemand einen hintergangen hat, dann bist du das gewesen!«, herrschte sie ihn wutentbrannt an. »Du hast geglaubt, uns von Cotton Fields vertreiben und diesen dreckigen Bastard zur Erbin von Cotton Fields machen zu können. Aber da hast du dich zu früh gefreut, Henry. Wir waren all die Zeit über fast jeden deiner gemeinen Schritte informiert und wir haben nicht tatenlos zugesehen!«

»Wir?«, krächzte Henry.

»Ja, Stephen und Rhonda wissen von deinem Niggerbalg, das du nach England geschickt hast und nun zu deiner Erbin machen wolltest«, erklärte sie schonungslos. »Sie schämen sich, jemanden wie dich zum Vater zu haben!«

»Umso besser!«, schrie Henry zornig, während ihm das Blut in den Schläfen pochte. »Sowie Valerie hier ist, habt ihr auf der Plantage nichts mehr zu suchen! Ich habe meinen Entschluss gefasst und werde davon auch nicht mehr abrücken. Valerie wird Cotton Fields bekommen, und wenn ihr Himmel und Hölle in Bewegung setzt. Niemand kann mir vorschreiben, wem ich meine Plantage vermache!«

Catherine zeigte sich nicht im Mindesten beeindruckt. »Für wie dumm hältst du uns eigentlich, Henry? Glaubst du, wir hätten deinem schmutzigen Treiben tatenlos zugesehen und uns damit abgefunden, dass du uns diesen Bastard vor die Nase setzen wolltest? Ich hab’ dir doch gesagt, dass Valerie nie den Fuß auf Cotton Fields setzen wird.«

Angst befiel ihn. »Was … was habt ihr getan?«

Sie lächelte. »Das will ich dir gern erzählen, weil du mit dem Wissen jetzt nichts mehr anfangen kannst. Als wir erfuhren, dass du die Briefe diesem Captain Melville von der Alabama mitgegeben und auf diesem Schiff auch gleich eine Passage für diese Valerie gebucht und vorausbezahlt hast, haben wir die Gelegenheit natürlich beim Schopfe gepackt und unseren Mann auch auf der Alabama eingeschifft.«

»Was … für … einen … Mann?«, fragte Henry stockend. Er hatte das entsetzliche Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ihm war, als hätte sich ein Eisenband mit tausend Dornen um seine Brust gelegt, das jetzt immer fester zugezogen wurde.

»Einen sehr verschwiegenen und kundigen Mann, der sich mit Niggern auskennt – einen Sklavenjäger«, sagte sie schonungslos. »Wir haben ihn gut bezahlt, Henry, und er hat auch ausgezeichnete Arbeit geleistet.«

Henry riss die Augen vor Entsetzen weit auf, als er begriff, was seine Frau damit sagte. Er stemmte sich aus dem Rollstuhl hoch und schüttelte den Kopf. »Nein, das könnt ihr nicht getan haben«, keuchte er beschwörend. »Ihr seid bestimmt zu vielen Gemeinheiten fähig, aber nicht dazu! Sag, dass ihr Valerie nichts angetan habt! Sag es!« Mit ausgestreckter Hand wankte er auf sie zu.

Sie wich vor ihm zurück, ein höhnisches Lächeln auf dem Gesicht. »Valerie ist tot!«, schleuderte sie ihm hasserfüllt entgegen.

»Nein!« Er wollte schreien vor Grauen, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst. »Nein! … Valerie kann nicht tot sein! Niemals!«

»Valerie ist tot und vermodert irgendwo auf Kuba!« Catherine kannte kein Erbarmen, obwohl sie sah, wie sich sein Gesicht vor Schmerz und Entsetzen verzerrte. »Der Sklavenjäger hat ganze Arbeit geleistet. Willst du wissen, wie sie gelitten hat? Immerhin verdankte sie ihren Tod ja dir. Hättest du ihr nicht geschrieben, würde sie jetzt noch glücklich in England leben. Aber jetzt ist sie tot. Hörst du mich, Henry? Valerie ist tot. Du wirst sie nie zu Gesicht bekommen, und Cotton Fields wird sie auch nicht erben!«

Henry krümmte sich vor grenzenlosem Entsetzen, als ihm bewusst wurde, dass Catherine die Wahrheit gesprochen hatte. Valerie war tot und er hatte die Bluttat heraufbeschworen. In ihm zersprang plötzlich etwas. Ein wahnsinniger Schmerz jagte durch seine Brust und er stürzte zu Boden. »Tropfen! … Die Tropfen!«, röchelte er. Mitleidlos sah Catherine auf ihn hinab, wie er sich im Todeskampf vor ihren Füßen wand. Dann lag er still, die Hände in den Teppich gekrallt und die starren Augen zur Decke gerichtet. Der Tod hatte das Entsetzen auf seinem Gesicht eingefroren.

Catherine atmete tief durch. »Endlich«, murmelte sie und lächelte. Nun gab es keinen mehr, der ihr und ihren Kindern Cotton Fields streitig machen konnte. Und was zählte schon das Leben eines Niggerbastards!

1.

Wohlig rekelte sich Valerie im breiten Himmelbett unter dem seidenen Baldachin und löste sich nur zögernd von den zarten Bildern ihres Traumes. Ganz langsam trieb sie aus den Tiefen des Schlafes an die Oberfläche des Bewusstseins.

Sie erwachte mit einem langen Seufzer und streckte die Hand nach Matthew aus. Doch ihre Finger trafen nur auf glattes, kühles Satin und den Spitzenbesatz eines Kissens. Matthews Seite des Bettes war leer.

Valerie erschrak und fuhr auf. Hatte sie das Ende ihre Versklavung und Gefangenschaft nur geträumt? Hatten ihre Sinne ihr einen Streich gespielt und ihr diese Nacht in Matthews Armen nach fast einem halben Jahr der Trennung und der Leiden nur vorgegaukelt? Verstört blickte sie sich im Zimmer um, das von der Septembersonne durchflutet war. Die Vorhänge aus schwerem burgunderrotem Samt waren aufgezogen und das Fenster stand offen, sodass der sanfte Luftzug die seidenen Gardinen leicht bewegte. Der warme Lufthauch trug den schweren Blütenduft des Gartens mit sich.

Der Raum, in dem sie sich befand, war groß und besaß eine hohe Decke, deren Stuckverzierungen kunstvoll gearbeitet waren. Neben der Tür standen zwei satinbezogene Sessel um einen Kirschholztisch mit Einlegearbeiten. Eine herrliche Kommode und ein eleganter Frisiertisch sowie mehrere große Spiegel in geschnitzten goldfarbenen Holzrahmen vervollständigten die Einrichtung dieses Schlafzimmers, das eine betörend sinnliche Atmosphäre ausstrahlte. Alles in diesem Zimmer war in den verschiedensten Rot- und Rosatönen gehalten, ob es nun die Seidentapeten mit den Rosenranken waren, die Vorhänge, die Teppiche oder die Überdecke und die Kissen des überbreiten Himmelbettes mit dem Baldachin. Wer immer dieses Zimmer so eingerichtet hatte, er hatte die erstaunliche Kunst bewiesen, eine Wirkung zu erzielen, die in keiner Weise geschmacklos war, sondern vielmehr anheimelnd und erotisch.

»Natürlich, ich bin im Palais Rosé!«, murmelte Valerie und lächelte unwillkürlich, als sie daran dachte, dass dieses Haus zu den besten Freudenhäusern von New Orleans zählte.

Ihr Blick fiel auf das zerwühlte Laken, und sie erinnerte sich der sinnlichen Freuden, die sie mit Matthew letzte Nacht genossen hatte. Ihr war, als hinge noch immer sein männlicher Duft im Raum. Nein, das hatte sie nicht geträumt. Wohin Matthew so früh auch immer gegangen sein mochte, er würde bestimmt bald wiederkommen. Der grässliche Albtraum, der vor fünf Monaten in einem finsteren, feuchten Kellerloch auf Kuba begonnen und nach der Flucht von der Melrose Plantation bei Baton Rouge durch die Sümpfe in diesem Bordell sein Ende gefunden hatte, lag hinter ihr. Nun begann ein neues Kapitel in ihrem Leben, ein Kapitel, das die Liebe schreiben würde – und die Rache!

Versonnen schaute Valerie zum Fenster hinüber. Gerade ein halbes Jahr lag es zurück, als sie sich mit ihrer getreuen Zofe Fanny in Bristol auf der Alabama eingeschifft und die Überfahrt nach New Orleans angetreten hatte. Nicht ganz zwanzig war sie damals gewesen und ahnungslos, was sie erwartete. Sechs Monate waren vergangen, doch im Rückblick erschien ihr die Zeit wie ein ganzes Leben. Was hatte sie in diesen Monaten nicht alles erlebt und erdulden müssen. Wie glücklich war sie gewesen, als sie gemerkt hatte, dass Captain Melville ihre Gefühle erwiderte. Die Woche auf Madeira, wo die Alabama Wein geladen hatte, war paradiesisch gewesen, voll Zärtlichkeit und sinnlicher Erfüllung. Sie hätte nie gedacht, so glücklich sein zu können. Doch dann war der schwere Orkan gekommen, der sie tagelang vor sich hergetrieben und Matthew gezwungen hatte, den Hafen von Havanna aufzusuchen, um die schweren Sturmschäden an der Alabama beheben zu lassen. Auf Kuba hatte ihr Martyrium begonnen. Bruce French, einer der mitreisenden Passagiere, hatte sie und ihre Zofe entführt und sie gezwungen, Matthew einen Brief zu schreiben, in dem sie sich von ihm lossagte. French hatte seinen teuflischen Plan so perfekt ausgeführt, dass Matthew kein Misstrauen schöpfen konnte. Angeblich war sie mit Fanny auf einem anderen Schiff, das am Tage ihrer Entführung ausgelaufen war, nach England zurückgekehrt. Doch in Wirklichkeit hatte Bruce French sie zwei Wochen todkrank in einem fensterlosen Kerker gefangen gehalten. Es war ein Wunder gewesen, dass sie nicht den Verstand verloren hatte. Dass er sie nicht getötet hatte, wie es sein Auftrag gewesen war, verdankte sie nur der Tatsache, dass sie ihm während des Orkans das Leben gerettet hatte, eine Ironie des Schicksals. Abgemagert und entstellt hatte er sie schließlich nach Baton Rouge gebracht und dort auf einer Sklavenauktion an den Besitzer der Baumwollplantage Melrose Plantation verkauft.

Erst nach Monaten der Schwerstarbeit auf den Feldern und mithilfe des Sklaven Jeremy Asher war ihr schließlich die Flucht durch die Bayous, das Labyrinth der Sümpfe, gelungen. Doch sie wäre den Sklavenjägern nicht entkommen, wenn sie nicht auf Donald Calhoun getroffen wäre, einen fahrenden Wunderheiler von sehr zweifelhaftem Charakter. Er hatte sie vor den Kopfgeldjägern versteckt und nach New Orleans gebracht – zu Madame Rosé, der Besitzerin des Bordells. Fünfhundert Dollar hatte sie dem Quacksalber für seine Hilfe versprochen. Um auch sicherzugehen, dass Valerie ihnen nicht davonlief, während Calhoun ihre Behauptungen nachprüfte und Captain Melville ausfindig zu machen versuchte, hatte man sie unter Drogen gesetzt.

Valerie atmete tief durch. Sie wollte nicht daran denken, was passiert wäre, wenn Donald Calhoun Matthew nicht aufgestöbert und letzte Nacht zum Palais Rosé gebracht hätte.

»Es ist vorbei«, sagte sie sich selbst und verdrängte die düsteren Erinnerungen. Sie hatte das Martyrium überstanden und nun würde sie mit allen abrechnen. Mit Catherine, Stephen, Rhonda – und ganz besonders mit Bruce French. Wo immer er sich auch aufhalten mochte, sie würde ihn finden, das hatte sie sich geschworen. Sie würde kein Erbarmen mit ihm haben! Und sie würde nach Fanny suchen. Zwar hatte er ihr versprochen, ihr Leben zu verschonen, doch was war das Wort eines skrupellosen Mannes wie Bruce French schon wert? Lebte ihre Zofe überhaupt noch?

Es brachte nichts, sich jetzt das Gehirn zu zermartern. Sie würde tun, was in ihrer Macht stand, um Fannys Verbleib zu klären. Matthew würde ihr gewiss dabei helfen, Erkundigungen auf Kuba einzuziehen. Doch sie wusste jetzt schon, dass sie sich in Geduld üben musste, und das war etwas, was so gar nicht ihrer Art entsprach.

Valerie schlug die dünne Decke zurück und stand auf. Als sie ans Fenster trat und kurz auf den weitläufigen Garten hinausblickte, spürte sie den sanften Windhauch auf ihrem nackten, makellosen Körper. Sie atmete die warme Morgenluft tief ein und trat dann hinter den Paravent in das kleine, aber elegant eingerichtete Waschkabinett. Das kühle Wasser, das sie aus der Kanne in die Porzellanschüssel goss, vertrieb den letzten Rest Schläfrigkeit.

Sie trocknete sich gerade ab, als es an der Tür klopfte.

»Einen Augenblick!«, rief Valerie und fuhr schnell in das hauchzarte Nachtgewand, das die erregenden Formen ihres sinnlichen Körpers mehr betonte als verhüllte. Eines der Mädchen, das in diesem Bordell arbeitete, hatte es ihr gebracht.

Schnell huschte sie wieder unter die Bettdecke. »Ja, herein!«, rief sie nun.

Die Tür ging auf, und Matthew Melville kam ins Zimmer, und ein Leuchten trat in Valeries Augen, als sie ihn erblickte. Er war von großer, schlanker Gestalt und trug den grauen Stadtanzug mit den Seidenrevers und der perfekt gebundenen Krawatte mit einer selbstverständlichen Eleganz, als wäre er ein erfolgreicher Städter statt der Captain eines rassigen Baltimore-Clippers namens Alabama. Salz und Sonne hatten sein dunkelblondes Haar gebleicht und sein Gesicht, dessen markante Züge eine Frau so leicht nicht vergaß, gebräunt. Augen, die von einem warmen Braun waren, lagen unter kräftigen Brauen, die nun in einem fröhlichen Lächeln hochgingen. »Ich hoffe, du hast mich schon ungeduldig zurückerwartet, Valerie«, sagte er und trat zu ihr ans Bett.

Sie streckte die Arme nach ihm aus, schlang sie um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich. »Mich morgens allein im Bett aufwachen zu lassen, vor allem nach so einer wunderbaren Nacht, ist seelische Grausamkeit«, warf sie ihm dann vor. »Dafür wirst du büßen müssen.«

Er lächelte sie an. »Ist dir schon eine passende Strafe für mein Vergehen eingefallen?«, scherzte er.

»O ja«, flüsterte sie und ließ ihre Hand an seiner Hose hochwandern.

»Nicht, dass ich mir deine Bestrafung entgehen lassen möchte«, raunte er, während er ihre Hand festhielt und sanft auf die Bettdecke drückte, »aber du wirst mit der Ahndung einen Augenblick warten müssen, Liebste, bis Prissy und Lucie deine Sachen aufs Zimmer gebracht haben.«

»Welche Sachen?«, fragte Valerie verwundert.

»Die ich dir gekauft habe, während du noch in Morpheus’ Armen gelegen hast«, erwiderte er, küsste sie auf die Stirn und ging zur Tür, als es erneut klopfte.

Prissy und Lucie, zwei von Madame Rosés Haussklavinnen, kamen ins Zimmer, beladen mit zahlreichen Schachteln, Tüten und Taschen. Matthew Melville wies sie an, ihre Last auf Tisch, Sessel und Kommode abzuladen. Er drückte jeder eine Münze in die Hand und verriegelte die Tür hinter ihnen.

»Gütiger Gott, was ist das alles?«, rief Valerie überrascht, als sie wieder allein waren.

Er lächelte sie zärtlich an. »Ich habe mir die Freiheit genommen, deine doch etwas ärmliche Garderobe, die ja nur aus zwei einfachen Sklavenkleidern besteht, ein wenig zu erweitern. Ich hoffe, dir gefällt, was ich ausgesucht habe. Es ist natürlich nur für den Übergang. Später wirst du Zeit genug haben, dir Kleider nach Maß anfertigen zu lassen, aber in der Zwischenzeit brauchst du ja auch etwas zum Anziehen, oder?«

Sie war mit einem Satz aus dem Bett und schmiegte sich an ihn. »Das ist so lieb von dir. Aber wir könnten doch ein paar Tage im Bett zubringen«, sagte sie mit einem verführerischen Lächeln.

»Ein verlockendes Angebot, auf das ich mit Sicherheit zurückkommen werde«, erwiderte er, küsste sie und streichelte ihre Brüste. »Willst du jetzt oder erst hinterher sehen, was ich dir gekauft habe?«

»Hinterher«, hauchte Valerie.

»Dann komm.«

Er trug sie auf seinen Armen quer durch das Zimmer und legte sie auf das Bett. Bewundernd schaute er sie an, wie er es auch getan hatte, als er beim ersten Licht des Morgens aufgewacht war.

Valerie war eine Frau von atemberaubender Schönheit. Zärtlich fuhren seine empfindsamen Hände über ihren Körper, der schlank war, ohne jedoch zu zierlich zu sein, folgten der eleganten Linie ihres Halses abwärts, liebkosten ihre vollen, hohen Brüste, deren erregende Formen sich durch den dünnen Stoff ihres Gewandes in seine Handflächen drückten. Einen Augenblick blieben seine Hände auf ihnen ruhen, dann bewegten sie sich weiter, über ihren flachen jugendlichen Leib hinunter zu ihrem Schoß, dessen dunkles Haardreieck unter dem Stoff des Negligés schimmerte. Zärtlich fuhren seine Fingerspitzen über ihren herrlich gewölbten Venushügel hin, um sich dann ihren langen, geschmeidigen Beinen zu widmen, die schon halb entblößt waren.

Valerie gab einen Seufzer der Wollust von sich. Matthew öffnete nun die drei Satinbänder, die ihr hauchzartes Nachthemd vor der Brust verschlossen. Als sie sich aufrichtete, damit er es ihr ausziehen konnte, fiel ihr üppiges Haar ihr in einer schwarzen Flut bis auf die Schultern und schimmerte im Licht eines ins Zimmer fallenden Sonnenstrahles in einem warmen Blauton.

Er beugte sich vor, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf die Augen, die unter sanft geschwungenen Brauen und dichten Wimpern lagen. Sie waren von einem ungewöhnlichen Grau, in dem winzige glitzernde Goldflocken zu schwimmen schienen. Mit der Fingerkuppe folgte er dem Schwung ihrer hübschen Nase, bevor er ihren noch hübscheren Mund mit seinen Lippen verschloss. Er küsste sie mit offenen Augen und war verzaubert von ihrem unvergesslichen Gesicht. Er war sicher, dass sie mit einem völlig unverbindlichen Lächeln schon vielen Männern schlaflose Nächte bereitet hatte, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein. Und wie wunderbar ihre Haut war, geschmeidig und glatt und nur ganz leicht getönt, wie Creme, der man einen kleinen Tropfen Schokolade beigerührt hat.

»Du siehst wunderbar aus«, sagte Matthew ganz benommen von ihrer Schönheit, als sich ihre Lippen voneinander lösten. »Ich könnte dich stundenlang so ansehen.«

Seine behutsamen Zärtlichkeiten hatten ihr Verlangen entfacht. Sie zog an seiner Krawatte. »Ich möchte dich auch ansehen, Liebster. Zieh dich aus«, bat sie mit belegter Stimme. »Ich kann es nicht erwarten, dass du zu mir kommst. Wir haben so viel nachzuholen. Komm schnell!«

Matthew lächelte über ihre Ungeduld und machte ein Spiel daraus. Aufreizend langsam hängte er sein Jackett über eine Sessellehne, legte die Krawatte ab und knöpfte dann sein Hemd auf. Er entblößte eine sonnengebräunte, leicht behaarte Brust. Harte Muskeln zeichneten sich unter der Haut ab und verrieten, wie durchtrainiert er war.

»Schneller!«, bat Valerie, ohne den Blick von ihm zu nehmen.

»Keine Sorge, ich werde dir nichts vorenthalten, mein Liebling«, erwiderte er, fuhr aus den Schuhen und streifte dann die Hose von den Hüften.

»O mein Gott, wie … stark du bist!«, stieß sie hervor, als er splitternackt vor dem Bett stand.

Matthew kam zu ihr, nahm sie in die Arme und zog sie an sich, während seine Hände über ihren Rücken glitten und ihr Gesäß streichelten. Valerie erwiderte seine Zärtlichkeiten mit derselben Inbrunst und Leidenschaft.

Wie wunderbar er es doch verstand, ihren Körper in Flammen zu setzen! Ein Wonneschauer nach dem anderen durchlief sie, als sich seine Lippen über ihre Brüste senkten und sie seine Zungenspitze auf ihren zarten Knospen spürte. Eine Ewigkeit schienen sie dort zu verweilen, dann wanderten seine kundigen Lippen abwärts und bedeckten ihren Leib mit einer Flut von Liebesküssen, die sie in Ekstase versetzten. Eine sinnliche Glut breitete sich in ihr aus und verdichtete sich in ihren Lenden zu einem alles verzehrenden Feuer.

»O Matthew! … Matthew!«, stöhnte sie wollüstig, vergrub ihre Hände in seinen Haaren und drängte ihm ihre Hüften entgegen. »Lass mich nicht länger warten! … Du bringst mich noch um den Verstand! … Matthew, o mein Gott!«

Er richtete sich auf, und Valeries Hände umfassten verlangend seine Männlichkeit. Als er sich schließlich über sie senkte und sich mit ihr vereinte, entrang sich ihrer Kehle ein Schrei der Lust und Erlösung.

Vertraut mit dem Körper des anderen, genossen sie das Spiel der Liebe. Sie bewegten sich in perfekter Harmonie, bis die immer stärker werdende Lust ihren Rhythmus schneller werden ließ.

Seine Stöße durchdrangen sie, erfüllten sie von den Zehen bis in den Kopf mit immer mächtigeren Wellen der Leidenschaft und katapultierten sie schließlich auf einen Gipfel der Lust, der sie für Augenblicke von allem Irdischen zu lösen schien. Sie hielt ihn umklammert und küsste ihn, als auch er tief in ihr die Erfüllung der Lust fand.

Zitternd sanken sie schließlich auf die Seite, ohne sich jedoch freizugeben. Sie flüsterten sich zärtliche Worte zu, küssten und streichelten einander und genossen die beseelte Zärtlichkeit, die der Befriedigung ihrer Leidenschaft jedes Mal folgte und sie wie ein Kokon aus Wärme zu umgeben schien.

Valerie schmiegte sich in seine Armbeuge, hauchte einen Kuss auf seine Brust und ließ ihre Hand in liebevoller Vertrautheit zwischen seinen Beinen ruhen.

»Es erscheint mir noch immer wie ein Wunder, dass ich endlich wieder bei dir bin, mein Liebster«, flüsterte sie beglückt.

»Das Schicksal scheint uns füreinander bestimmt zu haben«, sagte er, »und ich wäre der Letzte, der sich dagegen auflehnen wollte.«

»Weißt du, was?«

»Nun?«

»Lach mich aber nicht aus, wenn ich es gleich sage.«

»Ich würde dich nie auslachen, sondern höchstens über dich lächeln«, versicherte er.

»Ich habe einen Hunger, als hätte ich seit einer Woche nichts zu essen bekommen«, gestand sie. »Ich glaube, du hast mir alle Kraft geraubt. Ich bin so zittrig, dass ich gar nicht weiß, ob ich überhaupt aufstehen kann.«

Er schmunzelte. »Ich befürchtete schon, du würdest mich heute um mein Frühstück bringen. Und was deine Schwäche betrifft, so wird sie bald verschwinden, wie ich deinen Hunger kenne … egal, auf was«, sagte er scherzhaft und griff hinter sich, um an der Klingelschnur zu ziehen.

Augenblicke später waren eilige Schritte auf dem Gang zu hören. Es klopfte, und die Stimme von Prissy drang zu ihnen ins Zimmer. »Sie haben geklingelt?«

»Ja, wir möchten frühstücken, Prissy«, antwortete Matthew. »Und sag eurem Koch, er soll sich heute besonders anstrengen und ein reichhaltiges Frühstück zusammenstellen. Miss Fulham verhungert sonst! Und sieh zu, dass es schnell geht. Es wird euer Schaden nicht sein, wenn ihr euch ein bisschen anstrengt.«

»Yes, Massa Melville! Sie werden keinen Grund zur Klage haben!«, versicherte die Schwarze eifrig und eilte davon.

Als Valerie aus dem Waschkabinett kam, hatte Matthew schon die beiden Sessel und den Tisch freigeräumt und die Schachteln auf das Bett gelegt.

»Zeig mir, was du für mich ausgesucht hast«, bat sie, begierig, die schönen Kleider zu sehen, die er für sie erstanden hatte.

»Mit Vergnügen.« Er öffnete die Verpackungen und breitete traumhafte Kleider aus Taft und Seide auf dem Bett aus, zarte, wunderschöne Mieder und Korsetts, luftige Unterröcke und spitzenbesetzte Beinkleider, die so knapp und gewagt geschnitten waren, wie Valerie sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie errötete leicht, als er ihr diese hauchzarte Unterwäsche reichte.

»Gütiger Gott, Matthew! … Trägt man denn so etwas überhaupt?«, fragte sie mit einem Anflug von Verlegenheit. »Ich meine außerhalb des Bettes und außerhalb eines solchen Hauses, wie es das Palais Rosé ist?«

Er lachte. »Sicherlich gehört diese Wäsche nicht zu den Sachen, die im Ursulinen-Konvent getragen werden«, räumte er fröhlich ein. »Doch wenn du befürchten solltest, dass nur Freudenmädchen so etwas tragen würden, dann kann ich dich beruhigen. Viele der angesehensten Damen dieser Stadt, die etwas auf sich und auf ihre Attraktivität auch nach dem Ablegen von Mieder und Oberkleid halten, sind häufig Kunden in den Geschäften, in denen ich diese Sachen erstanden habe.«

Sie hob die Augenbrauen. »Bist du so gut über die Unterbekleidung der Frauen von New Orleans informiert?«, fragte sie anzüglich.

»Habe ich je behauptet, ein Heiliger gewesen zu sein?«, fragte er spöttisch zurück. »New Orleans ist nun mal bedeutend modischer als die englische Provinz. Man ist hier lebensfroher und wagt mehr. Paris ist uns näher als London, das wirst du selber noch schnell genug herausfinden, wenn wir erst die besten Modegeschäfte der Stadt aufsuchen, damit man deine Maße nimmt.«

»Nein, wie ein Heiliger liebst du wirklich nicht«, sagte Valerie mit einem zärtlichen Lächeln. »Es interessiert mich auch nicht, wie viele Frauen du vor mir beglückt hast – solange ich nur deiner Liebe gewiss sein kann.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich eines Tages müde sein werde, dir meine Liebe zu beweisen, mein Schatz«, sagte er ernst. Dann machte er eine Handbewegung, die all die ausgebreiteten Kleidungsstücke umschloss. »Gefällt dir denn wenigstens einiges von dem, was ich für dich ausgesucht habe?«