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Wein aus Harlem

Gedichte

englisch – deutsch

von

Countee Cullen

Georgia Douglas Johnson

Langston Hughes

Claude McKay

ausgewählt, übersetzt

und mit Erläuterungen versehen von

Frank Freimuth

tredition

© 2018 Frank Freimuth (für Übersetzung und Erläuterungen)

Verlag & Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback978-3-7469-4842-3

Hardcover978-3-7469-4843-0

e-Book978-3-7469-4844-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Erster Teil:

Gedichte

Countee Cullen

Georgia Douglas Johnson

Langston Hughes

Claude McKay

Zweiter Teil:

Erläuterungen

Über dieses Buch

Die Harlem-Renaissance

Countee Cullen, der Schönheitssuchende

Georgia Douglas Johnson, die Heldin des Alltags

Langston Hughes, der Volksnahe

Claude McKay, der zornige Kosmopolit

Ausgewählte Literatur

Verzeichnis der Gedichte

Erster Teil:
Gedichte

 

Countee Cullen (1903 – 1946)

 

HARLEM WINE

This is not water running here,

These thick rebellious streams

That hurtle flesh and bone past fear

Down alleyways of dreams.

This is a wine that must flow on

Not caring how or where

So it has ways to flow upon

Where song is in the air.

So it can woo an artful flute

With loose elastic lips

Its measurements of joy compute

With blithe, ecstatic hips.

 

WEIN AUS HARLEM

Es ist nicht Wasser, was hier tobt,

in dicken, rebellischen Schäumen,

und Körper über die Furcht hinaus

treibt durch die Straßen aus Träumen,

Es ist ein Wein, der fließt mit Drang,

der wahllos jeden Ort umspült,

und der auch strömt, wo ein Gesang

mit einem Lied die Luft erfüllt,

Der eine Flöte kunstvoll küsst

mit anschmiegsamen Lippen,

und ihren Freudentakt vermisst

mit Tanz und trunkenem Wippen

 

INCIDENT

Once riding in old Baltimore,

Heart-filled, head-filled with glee,

I saw a Baltimorean

Keep looking straight at me.

Now I was eight and very small,

And he was no whit bigger,

And so I smiled, but he poked out

His tongue, and called me, 'Nigger.'

I saw the whole of Baltimore

From May until December;

Of all the things that happened there

That's all that I remember.

 

VORFALL

Ich radelte in Baltimore,

das Herz, der Kopf voll Freude,

als dieser Kerl, er war von dort,

zu starren sich nicht scheute.

Ich war erst acht und ziemlich klein

und er war auch nicht flügger,

so grinste ich, doch er schob nur

die Zunge raus und sagte: „Nigger“.

Von Mai bis zum Dezember

besuchte ich ganz Baltimore.

Dies ist von dem, was ich dort sah,

was mein Gedächtnis nicht verlor.

 

TABLEAU

Locked arm in arm they cross the way

The black boy and the white,

The golden splendor of the day

The sable pride of night.

From lowered blinds the dark folk stare

And here the fair folk talk,

Indignant that these two should dare

In unison to walk.

Oblivious to look and word

They pass, and see no wonder

That lightning brilliant as a sword

Should blaze the path of thunder.

 

SZENERIE

Sie kreuzen Arm in Arm den Weg,

der schwarze Junge und der weiße,

der Tag in seiner goldenen Pracht,

und neben ihm der Stolz der Nacht.

Die Schwarzen starren durch Markisen

und Weiße schmähen was sie sehen,

zutiefst entrüstet, dass die beiden

es wagen, hier vereint zu gehen.

Zu sehr entrückt für Blick und Wort

gehen sie den Weg, ganz davon frei,

dass Blitzschlag, heller als ein Schwert,

ihm donnernd die Erleuchtung sei.

 

SATURDAYS CHILD

Some are teethed on a silver spoon,

With the stars strung for a rattle;

I cut my teeth as the black racoon--

For implements of battle.

Some are swaddled in silk and down,

And heralded by a star;

They swathed my limbs in a sackcloth gown

On a night that was black as tar.

For some, godfather and goddame

The opulent fairies be;

Dame Poverty gave me my name,

And Pain godfathered me.

For I was born on Saturday--

"Bad time for planting a seed,"

Was all my father had to say,

And, "One mouth more to feed."

Death cut the strings that gave me life,

And handed me to Sorrow,

The only kind of middle wife

My folks could beg or borrow.

 

SAMSTAGSKIND

Manch einer zahnt mit Silberlöffel,

als Rassel Stern auf Stern gereiht

ich tue, was der Waschbär tut,

schneid mir die Zähne für den Streit.

In Seide wickelt man so manchen

und Sterne ziehen vor ihm her,

mich schlugen sie in grobes Leinen

in einer Nacht so schwarz wie Teer.

Die reichen Paten stehen gerne

so manchem bei als edle Feen,

die Patin Armut gab mir Namen,

als Pate war der Schmerz zu sehen.

Zu mir, als Samstagskind geboren,

„ein schlechter Tag zum Topfen“,

war was mein Vater sagte, und:

„ein Mund noch mehr zu stopfen“.

Der Tod zerschnitt die Lebensschnur

und gab mich an die Sorgen,

die Meinen konnten niemand sonst

erbetteln oder borgen.

 

SONG IN SPITE OF MYSELF

Never love with all your heart,

It only ends in aching;

And bit by bit to the smallest part

That organ will be breaking.

Never love with all your mind,

It only ends in fretting;

In musing on sweet joys behind,

too poignant for forgetting.

Never love with all your soul,

for such there is no ending;

though a mind that frets may find control,

and a shattered heart find mending.

Give but a grain of the heart's rich seed,

Confine some undercover,

And when love goes, bid him God-speed,

and find another lover.

 

EIN LIED, DAS MIR GERADE SO EINFÄLLT

Verlieb dich nie mit ganzem Herzen

dies endet nur im Schmerz,

und Stück für Stück, bis nichts mehr ist,

zerbricht dir dann dein Herz.

Gib niemals einer nur dein Sinnen,

dies endet nur in Ärger,

im Grübeln nach den schönen Dingen

und macht die Qual nur stärker.

Und liebe nicht mit ganzer Seele,

denn du wirst dann kein Land erblicken;

der Sinn mag noch Beherrschung finden,

zerbrochene Herzen kann man flicken.

Gib nur ein Korn der Herzenssaat

und halte einen Teil zurück;

geht dann die Liebe, sag leb wohl,

und finde dir ein neues Glück.

 

FROM THE DARK TOWER

We shall not always plant while others reap

The golden increment of bursting fruit,

Not always countenance, abject and mute,

That lesser men should hold their brothers cheap;

Not everlastingly while others sleep

Shall we beguile their limbs with mellow flute,

Not always bend to some more subtle brute;

We were not made to eternally weep.

The night whose sable breast relieves the stark,

White stars is no less lovely being dark,

And there are buds that cannot bloom at all

In light, but crumple, piteous, and fall;

So in the dark we hide the heart that bleeds,

And wait, and tend our agonizing seeds.

 

VOM DUNKLEN TURM

Lasst uns nicht pflanzen, was die anderen schneiden,

die goldene Pracht an berstend reifen Früchten,

nicht gut es heißen und das Streiten fürchten,

wenn Mindere auf hohen Rössern reiten.

Wir werden nicht, wenn sie der Ruhe pflegen

sie sanft mit Flötenton bestricken,

wir wollen nicht die Knie vor Willkür knicken,

wir werden nicht auf ewig Kummer hegen.

Die Nacht, den Stern zu schönen stets bereit,

verliert die Schönheit nicht aus Dunkelheit,

und es gibt Knospen, denen helles Licht

die Blüten dörrt und herzzerreißend bricht.

Im Dunkel hüten wir das wunde Herz daheim

und pflegen wartend den gequälten Keim.

 

THE WISE

Dead men are wisest, for they know

How far the roots of flowers go,

How long a seed must rot to grow.

Dead men alone bear frost and rain

On throbless heart and heatless brain,

And feel no stir of joy or pain.

Dead men alone are satiate;

They sleep and dream and have no weight,

To curb their rest, of love or hate.

Strange, men should flee their company,

Or think me strange who long to be

Wrapped in their cool immunity.

 

DIE WEISEN

Die Toten sind weise, denn sie wissen,

wie tief die Wurzeln Erde küssen,

wie lang die Saat braucht, um zu sprießen.

Nur Tote dulden Frost und Regen

wo Herz und Kopf so still gelegen

und weder Freud noch Leid begegnen.

Nur Tote sind befreit vom Hungerleiden,

dürfen schlafen, träumen und gewichtlos bleiben,

dass Hass und Liebe nicht die Rast beschneiden.

Die Menschen, seltsam, würden sie gern meiden

und finden seltsam, dass mich drängt zu bleiben,

mich kühl in ihre Freiheit einzukleiden.

 

IN MEMORY OF COLONEL CHARLES YOUNG

Along the shore the tall thin grass

That fringes that dark river,

While sinuously soft feet pass

Beings to bleed and quiver.

The great dark voice breaks with a sob

Across the womb of night;

Above your grave the tom-toms throb

And the hills are weird with light.

The great dark beast is like a well

Drained bitter by the sky,

And all the honeyed lies they tell

Come there to thirst and die.

No lie is strong enough to kill

The roots that work below,

From your rich dust and slaughtered will

A tree with tongues shall grow.

 

IM GEDENKEN AN COLONEL CHARLES YOUNG

Entlang des Ufers dünne Gräser,

gereckt den dunklen Fluss umflitternd,

geschmeidige Füße ziehen vorbei

an Wesen, bald blutend und zitternd.

Die große, dunkle Stimme bricht

und schluchzt im Schoße der Nacht,

über dem Grabe dröhnt das Tamtam

um Hügel, fremd in Lichterpracht.

So wie ein Brunnen, das dunkle Tier,

gedörrt und bitter vom Licht,

und all die süßen Lügen kommen her

zu dürsten, bis ihr Leben bricht.

Nicht eine Lüge kann die Wurzeln morden

die unsichtbar ihr Werk vollziehen,

auf reichem Staub, erstickten Worten

wird bald ein Baum mit Zungen blühen.

 

FOR A FOOL

On earth the wise man makes the rules,

And is the fool’s adviser,

But here the wise are as the fools,

(And no man is the wiser).

FOR ONE WHO GAILY SOWED HIS OATS

My days were a thing for me to live,

For others to deplore;

I took of life all it could give;

Rind, inner fruit, and core.

FOR A SINGER

Death clogged this flute

at its highest note;

Song sleeps here mute

in this breathless throat.

 

FÜR EINEN NARREN

Der Weise lenkt den ird‘schen Karren

und gibt dem armen Narren Rat,

doch hier sind Weise wie die Narren,

(den gibt’s nicht, der mehr Weisheit hat).

FÜR EINEN, DER SICH FRÖHLICH DIE HÖRNER ABSTIEß

Die Tage waren da zum Leben

für mich, doch andere klagten gern,

ich nahm, was Leben konnte geben:

die Schale, Frucht und auch den Kern.

FÜR EINEN SÄNGER

Der Tod nahm der Flöte

ganz oben die Seele;

Das Lied schläft hier still

in der luftlosen Kehle

 

FOR A VIRGIN

For forty years I shunned the lust

Inherent in my clay;

Death only was so amorous

I let him have his way.

FOR A LOVELY LADY

A creature slender as a reed,

And sad-eyed as a doe

Lies here (but take my word for it,

And do not pry below).

FOR AN ATHEIST

Mountains cover me like rain,

Billows whirl and rise;

Hide me from the stabbing pain

In His reproachful eyes.

 

FÜR EINE JUNGFRAU

Vierzig Jahr mied ich die Lust,

die meinen Staub bewohnte;

der Tod nur war so amourös,

dass sich die Liebe lohnte.

FÜR EINE BEZAUBERNDE FRAU

Ein Wesen, traurig blickend wie ein Reh

und schlank wie eine Gerte,

liegt hier (und bitte, glaube mir

und such nicht in der Erde)

FÜR EINEN ATHEISTEN

Die Berge decken mich wie Regen,

Nebelschwaden, sirupdick,

schützen vor den schlimmen Schmerzen

in Seinem vorwurfsvollen Blick

 

FOR A MAGICIAN

I whose magic could explore

Ways others might not guess or see,

Now am barred behind a door

That has no “Open Sesame”.

FOR A PHILOSOPHER

Here lies one who tried to solve

The riddle of being and breath:

The wee blind mole that gnaws his bones

Tells him the answer is death.

FOR A FATALIST

Life ushers some as heirs-elect

To weather wind and gale;

Here lies a man whose ships were wrecked

Ere he could hoist a sail.

 

FÜR EINEN ZAUBERER

Der ich stets magisch Wege fand,

dem Rest verschlossen, nicht ersichtlich,

stehe nun vor einer Wand

ganz ohne Sesam-öffne-dich

FÜR EINEN PHILOSOPHEN

Hier liegt, der sich zu lösen erbot

das Rätsel von Atem und Sein:

der blinde Maulwurf, nagend am Bein,

sagt ihm, die Antwort ist Tod.

FÜR EINEN FATALISTEN

Das Leben wählt so manche,

die Sturm ertragen müssen;