Verzweiflung


wenn die Seele realisiert

dass sie nicht

auf dieser Erde

zu Hause ist


und doch

auf dieser Erde

leben muss

Verzweiflung


wenn sich dîe Seele

zwischen den Welten

fühlt


und die Welt um sie

doch ganz anders tickt


und sie sich

gefangen fühlt

Verzweiflung


wenn die Einsamkeit

überhand nimmt

und die Dämonen

zu stark werden


wenn der Boden bricht

und die Seele

nach Erlösung in die

jenseitige Welt schreit


und doch Aufgaben

auf der Erde auf den

Menschen warten

Verzweifelte Angst

dass sich die Seele

auflöst


dass das Sein

auf der Erde

ein Gefängnis bleibt


das unfreiwillige Geborensein

immer wieder als Schrei

sich der Seele

entringt


und das Fremdsein

ein Ausgegrenztsein

ist

Verzweiflung


wenn der Strohhalm bricht

und nichts mehr da ist

um sich zu halten


wenn keine Struktur

der Seele Boden gibt

und der Alltag

das Leben in ein Moor verwandelt


in dem der Mensch

zu versinken droht


und sich doch wie Münchhausen

aus dem Sumpf zieht

Verzweiflung


wenn die Alltäglichkeit

wie ein Trott erscheint


wenn die tragende Lebenskraft

sich wie unsichtbar

unter Pflastersteinen versteckt


der Mensch kann sich aber

Tag für Tag an gleicher Struktur

weiter hangeln


im Vertrauen

dass dieser gleichmässige Fluss

die tragende Kraft spürbar

werden lässt

Christine Kuhn


Verzweiflung

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