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Betty J. Viktoria

Poldi Band 8

Eine Party für Poldi


Für Peròn, der seine wahre Seelenverwandte gefunden hat


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

1.

Es war, als hätte jemand den Schalter umgelegt. Von einem Tag auf den nächsten war der Frühling ausgebrochen. Elina griff nach ihrer dünnen Stalljacke, als ihr großer Bruder Miko sie nach draußen rief. Er hatte das plötzliche gute Wetter genutzt, um sein Auto vor dem Haus auf Hochglanz zu putzen.

„Nur, damit du es gleich wieder dreckig machen kannst“, grinste er, als er Elina die Autotür aufhielt.

Dabei hatte sie ihre Reitstiefel im Stall untergebracht, so dass sich der Dreck, den sie mitschleppte, in Grenzen hielt. Anders sah es bei Ida aus. Es dauerte nicht lange, bis Miko vor dem Haus von Elinas bester Freundin hielt. Ida sprang bereits aufgeregt am Zaun auf und ab, wie ein überdrehter Hund. Kaum war sie eingestiegen, da plapperte sie schon drauf los:

„Vielleicht reiten wir heute endlich draußen.“

Elina zuckte zusammen. Sie war noch nie mit ihrem Pferd auf dem Reitplatz geritten. Ihre Reitlehrerin Sandra legte großen Wert darauf, sie nicht in Gefahr zu bringen. Da Elina ihren Trakehnerwallach Poldi vor weniger als einem Jahr erst kennen gelernt hatte, hatte sie bisher noch keine Gelegenheit dazu gehabt, mit ihm auf den Reitplatz zu gehen. Immerhin war sie inzwischen schon auf dem einen oder anderen Ausritt mit ihrem Pferd gewesen. Dabei wurde sie jedoch immer von ihrer Reitlehrerin oder einem der älteren Mädchen namens Lena begleitet.

„Komm schon!“, rief Ida, als Mikos Auto auf dem Hof des Stalls zum Stehen kam. Ida war kaum zu bremsen. Das galt schon an jedem normalen Tag für das kleine Mädchen mit den blonden Engelslocken. Doch an diesem Frühlingstag war sie noch aufgekratzter, als sonst. Elina verabschiedete sich von Miko und folgte ihrer Freundin, die schon die Stalltür erreicht hatte. An diesem Tage stand diese weit offen, so dass das warme Frühlingslicht auf die Stallgasse flutete.

In den Boxen der Schulpferde waren Luisa und Nina schon damit beschäftigt, Jazzy und Scando zu putzen.

„Gehen wir raus?“, wollte Ida von den beiden Mädchen wissen und blieb stehen.

„Ja, wir reiten draußen!“, verkündete Nina ebenfalls total begeistert. „Sandra hat es am Schwarzen Brett ausgehangen.“

„Super“, rief Ida.

 

Elina folgte Ida weiter zu den Boxen der Privatpferde. Ihr dunkelbrauner Wallach brummelte erfreut, als er sie erkannte. Ida spottete immer, dass das bloß daher kam, dass Elina ihn mit Leckerlis vollstopfte. Doch selbst, wenn sie damit recht hätte, freute Elina sich über die freundliche Begrüßung. Sie schob langsam die Boxentür auf und streichelte Poldi sanft über die Stirn. Bevor sie damit begann, ihr Pferd zu putzen, nahm sie sich immer ein paar Minuten, um mit ihm zu kuscheln. Sie wusste zwar nicht, ob es Poldi etwas bedeutete, doch für sie selbst waren es die schönsten Minuten des Tages. Elina schloss die Augen und atmete tief den Geruch ihres Pferdes ein. Dann schlang sie die Arme um Poldis Hals und kraulte ihm den Mähnenansatz.

„Ich weiß, dass dein Pferd nicht ansatzweise so dreckig ist, wie meins, aber möchtest du nicht vielleicht anfangen, Poldi zu putzen?“, schlug Ida aus der Nachbarbox vor.

Elina kicherte und ging zu ihrer Putzkiste. Dann nahm sie sich Poldis Fell vor. Ida hatte recht, denn ihr Trakehner war wirklich kaum dreckig. Dagegen hatte Damura, Idas schneeweiße Stute, es wieder geschafft, sich am Vormittag draußen komplett einzusauen. Mit kräftigen Bewegungen schrubbte Ida das weiße Fell des Pferdes. Da es bei Poldi nicht viel zu putzen gab, legte Elina ihm schon bald die Gamaschen an. Sie war ein bisschen nervös vor ihrer ersten Reitstunde auf dem Platz, denn sie wusste, dass manche Pferde ebenfalls etwas überreagierten, wenn sie nach der langen Zeit in der Reithalle endlich wieder auf den Platz kamen. Zumindest hatte sie das gehört. Als sie Poldi sattelte, überlegte sie, ob er sich wohl auch so freute. Eigentlich konnte sie sich die Antwort denken, denn er war wesentlich lieber draußen unterwegs, als in der Reithalle. Gerade nach dem langen Winter konnte er es wahrscheinlich kaum abwarten.

 

Auf Sandras Aufforderung hin verließen Ida und Elina mit Poldi und Damura die Boxen und machten sich auf den Weg zum Reitplatz. Elina wusste, dass Ida am liebsten sofort aufgestiegen wäre. Doch Sandra wollte, dass sie sich alle auf der Mittellinie sammelten. Jazzy und Scando standen schon bald neben den Großpferden von Ida und Elina und atmeten die frische Frühlingsluft ein.

„Bevor ihr aufsteigt, führt ihr eure Pferde noch ein paar Runden“, ordnete Sandra an.

Zuerst verstand Elina nicht, wozu das gut sein sollte. Doch als Jazzy aufgeregt ein paar Luftsprünge an der Hand machte, konnte sie es nachvollziehen. Poldi sah sich neugierig alles an, blieb jedoch ruhig. Er war interessiert, aber nicht ängstlich. Ganz anders dagegen Damura, die sich unglaublich aufspielte. Sie tänzelte neben Ida her, die sie streng zur Ordnung rief.

„Ich habe von oben mehr Kontrolle“, behauptete Ida, als sie nach ein paar Runden wieder auf der Mittellinie neben Poldi stand.

Elina hoffte nur, dass das auch für Luisa galt, deren Schulpony Jazzy einen besonders aufgedrehten Tag hatte. Während Elina sich in Poldis Sattel schwang, musste Sandra Jazzy festhalten, damit Luisa aufsteigen konnte. In solchen Momenten bewunderte Elina Luisa besonders für ihren Mut. Jazzy war alles andere, als ein einfaches Pony. Doch Luisa ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gleiches galt gerade auch für Ida. Sie hatte es zwar allein auf den Rücken ihrer weißen Stute geschafft, doch die war noch nicht begeistert von der Idee, draußen konzentriert zu arbeiten. Viel lieber wollte sie einfach nur quer über den Platz hüpfen. Diese Einstellung teilte Jazzy. Poldi und das braune Schulpony Scando beobachteten die beiden Stuten und schienen sich ihren Teil zu denken.

 

„Bleibt ganz ruhig, Poldi ist eine wandelnde Lebensversicherung“, rief Ida Elina zu, während Damura an Poldi vorbeihüpfte.

Elina wusste inzwischen, was ihre beste Freundin damit sagen wollte. Poldi ließ sich generell nur schwer aus der Ruhe bringen. Für Elina war das ein Segen, denn als Reitanfängerin hätte sie mit einem Pferd wie Damura oder Jazzy sicher nicht umgehen können. Als Sandra sie vor einiger Zeit die Pferde hatte tauschen lassen, war Elina schon in der Reithalle mit Damura überfordert gewesen.

Sandra wies sie an, im Schritt ganze Bahn zu reiten, und große gebogene Linien einzubauen. Poldi reagierte sofort auf Elinas Hilfen. Er schritt etwas energischer vorwärts, als sonst. Aber abgesehen davon war er ruhig und gelassen. Scando war ebenfalls nicht aus der Ruhe zu bringen, sondern ließ sich wie fast immer bitten, vorwärts zu schreiten. Nur, wenn Damura oder Jazzy zu nahe an ihm vorbeisprangen, legte er die Ohren an. Einmal trabte er sogar kurz an, als Jazzy an ihm vorbeischoss, doch dann überlegte er es sich anders, und parierte wieder durch. Nina lobte ihn sofort, denn auch sie war eigentlich kein Fan von so aufgeregten Pferden. Es dauerte eine Weile, doch dann beruhigten sich Jazzy und Damura langsam.

 

Elina genoss es, auf Poldi Runde für Runde auf dem Reitplatz zu drehen. In der Frühlingssonne war es schon bald warm genug, dass sie ihre Jacke weglegen konnte. Als Sandra sie nacheinander antraben ließ, begann das Spiel für Jazzy und Damura erneut. Ida grinste, während ihre riesige Schimmelstute sich aufspielte. Dann aber machte sie energisch das Bein zu und trieb sie in einen eiligen Vorwärtstrab.

„Nicht ganz so schnell“, rief Sandra ihr zu.

Ida gehorchte und es gelang ihr, dass Damura begann, sich auf sie zu konzentrieren. Elina fand immer, dass es etwas gefährlich aussah, denn Ida hatte wirklich kurze Beine. Auf dem großen Pferd kam das besonders zur Geltung. Andererseits beneidete sie ihre beste Freundin darum, dass sie so gut reiten konnte. Elina ahnte, dass sie auf Poldi noch lange keine so gute Figur abgab, obwohl ihr Wallach brav Runde für Runde trabte. Da sie jedoch auch erst knapp ein Jahr zuvor angefangen hatte zu reiten, lobte Sandra sie auch immer wieder für kleine Erfolge. Als ein paar jüngere Reitschüler am Zaun auftauchten, machte Elina sich extra groß und gab sich besonders viel Mühe. Sie erinnerte sich noch daran, wie sie im vergangenen Sommer dort gestanden und den erfahrenen Reitern zugesehen hatte. Dass sie nun mit Poldi in dieser Gruppe ritt, machte sie schon ein bisschen stolz. Außerdem schien der Wallach draußen tatsächlich mehr Spaß an der Dressurarbeit zu haben. Er trabte leichter und schwungvoller vorwärts.

 

„Traust du dir zu, mit Poldi einmal zu galoppieren?“, wollte Sandra schließlich von Elina wissen.

„Ich glaube schon“, antwortete Elina, die sich auf Poldi sehr sicher fühlte.

Sandra ließ die anderen drei Mädchen zum Schritt durchparieren, während Elina auf dem Zirkel trabte.

„Zur geschlossenen Seite gibst du die Galopphilfe“, ordnete Sandra an.

Ohne weiter darüber nachzudenken, gehorchte Elina. Poldi sprang in einen eiligen Galopp und Elina nahm ihn lieber ein bisschen zurück, bevor er sich ihrer Kontrolle entziehen konnte.

„Sehr schön!“, rief Sandra begeistert. „Weiter so.“

Als Elina wieder in den Trab durchparierte, atmete sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Stolz aus. Poldi hatte sich wirklich vorbildlich benommen. Nicht ein einziges Mal hampelte er rum. Während die Stuten sich von jeder Kleinigkeit ablenken ließen, war Poldi die ganze Zeit hochkonzentriert. Elina lobte ihn überschwänglich, als Sandra ihre Reitstunde beendete.

„Für das erste Mal draußen in diesem Jahr ging es eigentlich“, stellte Luisa fest, als sie abstieg.

Unter „es ging eigentlich“ verstand Elina zwar etwas ganz anderes, doch sie nickte trotzdem. Auch Ida war zufrieden mit Damura, die sich einigermaßen beruhigt hatte. Und Nina hatte ohnehin keinen Grund, sich zu beschweren, denn Scando war genau wie Poldi eine wandelnde Lebensversicherung.

 

„Das war wirklich toll“, schwärmte Elina, als sie Poldi absattelte.

„Ich habe dir doch gesagt, dass es draußen auf dem Platz viel mehr Spaß macht“, sagte Ida.

Elina wusste, dass Ida sie oft genug für einen kleinen Feigling hielt, daher wollte sie nicht unbedingt zugeben, dass sie vor ihrer Reitstunde auf dem Reitplatz ein bisschen nervös gewesen war. Doch nun war sie erleichtert und teilte die Begeisterung der anderen Mädchen. Luisa und Nina tauchten schon bald an Poldis Box auf.

„Du bist das erste Mal auf dem Platz geritten, oder?“, wollte Nina grinsend von Elina wissen.

Elina nickte stolz und legte Poldis Gamaschen weg.

„Aber Elina hat mit Poldi doch schon ganz andere Sachen erlebt“, gab Luisa zu bedenken. „Immerhin war sie in den Osterferien schon mit uns auf dem Wattritt.“

„Trotzdem hat sie das ziemlich gut gemacht“, fand Ida.

Da sich Ida grundsätzlich mit Lob zurückhielt, strahlte Elina umso mehr. Allerdings schien sie einen großzügigen Tag zu haben, denn sie schaute nun Luisa an und sagte:

„Du bist aber auch ziemlich sattelfest.“

Bevor Luisa etwas sagen konnte, murmelte Ida halblaut vor sich hin: „Vor allem für einen Reitschüler.“

Normalerweise hätte eine solche Bemerkung garantiert für Ärger gesorgt, doch nun wussten alle, dass Ida das nur halbernst meinte. Luisa jedenfalls grinste nur schelmisch und schien sich ihren Teil zu denken. Nina sah es dennoch als ihre Pflicht, ihre beste Freundin zu verteidigen:

„Man wird gerade sattelfest, wenn man als Reitschüler ständig auf anderen Pferden sitzt.“

„Na ja, nicht unbedingt bei den Schulpferden von Sandra“, kommentierte Ida. „Abgesehen von Jazzy sind die doch alle so unfassbar brav. Keiner von denen bewegt sich mehr als nötig.“

 

„Hey!“, unterbrach sie die anderen, die gerade darüber diskutierten, ob sie wohl bald zusammen ausreiten dürften. Wenn möglich ohne erwachsene Begleitung. Die anderen Mädchen sahen sie erstaunt an, denn es kam eher selten vor, dass sie sich so laut zu Wort meldete.

„Ist euch etwa nicht aufgefallen, dass Poldi bald Geburtstag hat?“

„Meint ihr, wir können seinen Geburtstag feiern?“, fragte sie dann etwas schüchtern.

Ida nickte zustimmend, doch irgendwie war das zu wenig, fand Elina.

„Du möchtest für Poldi eine richtige Party schmeißen?“, hakte Luisa nach.

„Warum eigentlich nicht“, wiederholte Ida langsam.

„Das ist mir egal“, sagte Ida und zuckte die Schultern. Diesen Satz glaubten ihr die anderen Mädchen sofort aufs Wort.