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Franz Josef Wetz

Hans Blumenberg zur Einführung

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Für Odo Marquard

Junius Verlag GmbH
Stresemannstraße 375
22761 Hamburg
Im Internet: www.junius-verlag.de

© 2004 by Junius Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Titelbild: Suhrkamp Verlag
E-Book-Ausgabe September 2018
ISBN 978-3-96060-055-8
Basierend auf Printausgabe
ISBN 978-3-88506-684-2
4., unveränderte Auflage 2014

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Auf Umwegen zur Einsiedelei

Über Leben und Welt im Bilde sein

Menschliche Selbstbehauptung

Abschied von Gott

Der Weltraum – ein Alptraum

Grundgedanke

Die Wirklichkeit als absolutistischer Souverän

Das Buch der Natur

Leiden an der Zeit

Zwischen Himmel und Höhle

Kunst, Anekdoten und Risikosuche

Das absolute Subjekt – nur ein bedürftiger Mensch

Der Mensch ist das Unmögliche

Vorstoß ins ewige Schweigen

Ein Schriftgelehrter mit Sinn für Sinnverluste

Anhang

Anmerkungen

Siglen

Zeittafel

Über den Autor

Auf Umwegen zur Einsiedelei

Als Blumenberg noch lebte, hätte man leicht annehmen können, er sei bereits tot; nachdem er tot ist, könnte man vermuten, er lebe noch. Woran liegt das? Die Antwort ist einfach: Ersteres an seinem freiwilligen Rückzug aus der Öffentlichkeit, Letzteres an den zahlreichen Neuerscheinungen aus dem Nachlass seit seinem Tod.

Über die Person Hans Blumenberg war zu dessen Lebzeiten wenig in Erfahrung zu bringen. Wer ihn näher kennenlernen wollte, musste ihn lesen, und das ist noch heute so. Konsequent befolgte er den römischen Grundsatz: »De nobis ipsis silemus, de re autem – Über uns selbst wollen wir schweigen, allein die Sache möge sprechen.« Blumenberg lebte in zunehmender und zuletzt völliger Abgeschiedenheit. Immer weniger suchte er die Öffentlichkeit – in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr, gemäß der bekannten Sentenz des Ovid: »Bene vixit, qui bene latuit – Wohl lebt, wer im Verborgenen lebt.« Er führte das Leben eines philosophischen Eremiten, der in ein selbstgewähltes Exil ging, um in Ruhe schreiben zu können. Schreiben ist die vornehmste Art, sich von der Welt zurückzuziehen! Dennoch versteht sich ein solcher Rückzug im gegenwärtigen Wissenschaftsbetrieb keineswegs von selbst, in dem die Experten sich nicht nur dauernd Gehör verschaffen möchten, sondern auch ständig ins Bild zu bringen versuchen. Allenthalben ist ein Drang nach Sichtbarkeit zu beobachten: Sehen und Gesehenwerden bei Vorträgen, auf Kongressen, in Zeitungen und im Fernsehen. Blumenberg bildete da eine Ausnahme. Sichtbarkeit mit Verwundbarkeit gleichsetzend, entzog er sich dem Wissenschaftstourismus, der Kamera der Fotografen ebenso wie der des Fernsehens und zog es vor, in seiner Höhle zu bleiben – eine Metapher, mit der sich eines seiner umfangreichsten Bücher näher befasst (vgl. H). Eine Höhle macht das Auffällige unsichtbar und bietet Schutz dem Angreifbaren.

Überspitzt formuliert könnte man Blumenbergs Verhältnis zu Menschen sogar mit der Beziehung von Löwen, die er als »sehr fleischeslustig« bezeichnete, zu Elefanten vergleichen, die er »sehr fleischhaltig« nannte: »Wenn sie sich nichts tun, so nicht aus Zuneigung […]: Sie interessieren sich nicht füreinander. Das ist die solideste Grundlage fürs Überleben der einen mit den anderen […]: Der eine ist für den anderen abwesend.« (Lö, 90)

Mehr als die Menschen scheint Blumenberg die Bücher geliebt zu haben, über die er selbst wieder Bücher schrieb. Wie ein kenntnisreicher Besucher einer Weltausstellung, die das Leben von Jahrhunderten, alte und neue Kulturen zeigt, bewegte er sich in der abendländischen Geistesgeschichte. Dabei passt die von Jacob Burckhardt geprägte Metapher des »Wühlergeistes« (H, 644) ebenso gut auf ihn selbst: »Der Geist weht nicht, wo und wohin er will – und er weht eben gar nicht, sondern er wühlt […]; geweht wird in der Luft, gewühlt wird im Boden. Das macht die Verschärfung aus […], daß es im Boden an die Wurzeln geht. Das Wühlen im Boden unterwühlt diesen, macht alle Sicherheit des Stehens und Gehens auf ihm dubios.« (H, 645) Hiernach liegt das wirklich Wissenswerte weniger in der Höhe als vielmehr in der Tiefe.

Das Ideal von Blumenbergs Existenz hat Theodor Fontane formuliert, mit dem er sich gleichfalls intensiv auseinandersetzte: »still sitzen, wenig Störung, schreiben, lesen und Kaffee trinken« (F, 20). Doch lastete auf Blumenberg ein ungeheurer Zeitdruck, der sich im Alter verstärkte: Er wollte möglichst viele Bücher schreiben, nachdem er durch den Nationalsozialismus wichtige Jahre verloren hatte. Um diesen Verlust wettzumachen, sollte die Lebenszeit optimal genutzt werden. Darum schottete er sich von seinen Lesern ab, denen er für gewöhnlich viel, manchmal zu viel zumutet. Blumenbergs gelehrte Werke bewegen sich hart an der Grenze des Erträglichen, die sie hin und wieder überschreiten. Er ist zwar als Verfasser packender und zupackender Bücher bekannt – als ein Meister der Sprache, der oft brillante und elegante Formulierungen wählt und mit einprägsamen Wendungen nicht ohne Spannung interessante Zusammenhänge und Hintergründe aufdeckt, die etwas verständlich machen, das bislang unverständlich war. Auch fasziniert er sein Publikum durch die ungeheure Breite seiner Themen und eine kaum zu übertreffende Wissensfülle auf den Gebieten der Geschichte, Literatur, Astronomie, Theologie und Philosophie. Dennoch sind seine Texte schwer zugänglich, nicht für eine breite Leserschaft bestimmt, eher schon für ein gebildetes, um nicht zu sagen erlesenes Publikum – gemäß einem Ausspruch des Horaz: »Odi profanum volgus et arceo – Abhold bin ich gemeinem Volk, ich halte es fern.«

Blumenbergs komplizierte Denk- und Schreibweise wie auch die verborgene logische Struktur der Argumentation erschweren manchen Interessierten den Zugang. Seine Fragestellung ist nicht immer klar ersichtlich und die Grundthese nur selten auf Anhieb verständlich. Blumenberg wählt für die Darstellung seiner verschlungenen Gedanken eine Kompositionsweise, die dem Leser ein Höchstmaß an Problemsensibilität und Konzentration abverlangt. In der Sprache der Musik gesprochen, bedient er sich nicht so sehr der Form der Sonate als vielmehr der Form der Suite. All dies bringt es mit sich, dass die Grundabsicht und Grundthese seiner Darstellungen häufig schwer auszumachen sind. Gleichwohl gibt es sie natürlich in seinen an Gedanken und Anregungen reichen Werken, auch ohne dass die näheren Angaben und Ausführungen hierzu besonders hervorgehoben werden oder die Grundabsicht am Anfang, die Grundthese am Ende seiner Bücher steht. Fest steht allein: Sie sind irgendwo anzutreffen. Jedoch bekommt man sie ohne geduldige und ausdauernde Lektüre nicht zu fassen. Das begrenzt von vornherein die Leserschaft, für die er schrieb, ohne sich um Fragen der Rezeption zu kümmern, was auf einen ungelösten Widerspruch hindeutet. Denn wozu Bücher verfassen für ein Publikum, das einen nicht interessiert? Weshalb möglichst schnell und schwer verständlich schreiben, wenn das Geschriebene doch nur Eingeweihte entschlüsseln können?

Sicherlich hätte sich Blumenberg als Schriftgelehrter auf den alten Ausspruch zurückziehen können: »Mihi ipsi scripsi – Für mich selbst habe ich geschrieben.« Dementsprechend hätte er an der Verbreitung eigener Schriften keinerlei Interesse zeigen müssen, weil ihr Ertrag so lediglich in einem besseren Selbstverständnis gelegen hätte. Nur, warum publiziert man dann überhaupt? Mit trockener Ironie fragte Blumenberg selbst:

»Wann mag ein Urheber von Werken zufrieden sein mit dem Radius seiner Wirkung […]? Sind 50 Leser eines Buches eine kleine Gemeinde? […] Sind 5000 abgesetzte Exemplare Indiz für einen schönen Erfolg? […] 500 000 in 25 Sprachen dann ein Welterfolg? Ich stelle mir einen hübschen Tag der Megalomanie vor, an dem mir ein Telegramm ins Haus kommt, die Hälfe der Menschheit […] habe eins meiner Bücher erworben und, demoskopisch gesichert, auch gelesen – beziehungsweise sich vorlesen lassen! Unfehlbar wäre meine Reaktion augenblicklich: Und bitte: Was macht die andere Hälfte?« (S, 30)

Wie jeder Autor wollte auch Blumenberg gelesen werden; er wollte aber nicht, dass man über ihn schreibt. Davon riet er jedem ab, weil er immer noch lebe und arbeite, wie überhaupt große Teile seines Werkes noch unveröffentlicht seien, die als Nachlassbände erst nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Einige davon sind erschienen, noch andere werden folgen. Sie enthalten manches Neue, Überraschende, Nennenswerte, aber nichts, das über den zu Lebzeiten in den »größeren« und »kleineren« Büchern entfalteten Grundgedanken hinausginge. Dessen allmähliche Entstehung soll im Folgenden nachgezeichnet und seine hintergründige Stellung in den verschiedenen Schriften offengelegt werden, ohne dabei das Spezifische und Unverwechselbare eines jeden dieser Bücher und Aufsätze außer Acht zu lassen.

Im Laufe unseres Lebens erzielen wir Menschen manchmal Gewinne, dann wieder erleiden wir Verluste. Ziehen wir Bilanz, so spricht der Saldo mal für uns, mal gegen uns. Eine besonders traurige Angelegenheit wird das Leben in Augenblicken der Enttäuschung, oft aber sogar in Momenten der Erfüllung, wenn die Verwirklichung unserer Träume ein Gefühl der Leere nach sich zieht. Wie praktisch jedes Dasein zeichnet auch die Lebensgeschichte Blumenbergs ein Bild mit größeren und kleineren Glückserfahrungen, mehr oder weniger bewältigten Enttäuschungen und anrührenden Kränkungen.

Hans Blumenberg ist einer der herausragenden Philosophen der Nachkriegszeit in Deutschland, dessen Werke zwar zu Lebzeiten folgenlos blieben, bis heute aber keineswegs erfolglos sind. Geboren wurde er am 13. Juli 1920 in Lübeck, wo er auch zur Schule ging. Im Jahre 1939 legte er als einziger Schüler seines Jahrgangs am berühmten »Katharineum«, das auch Thomas Mann besuchte, seine Reifeprüfung mit Auszeichnung ab. Obwohl es damals üblich war, dass der Beste eines Jahrgangs die Abschlussrede bei der Abiturfeier hielt, verzichtete Blumenberg hierauf aus Angst, seiner halbjüdischen Herkunft wegen abgewiesen zu werden, hatten doch Klassenkameraden ihn deswegen schon verschiedentlich gedemütigt. Seine Mutter war eine aus Heiratsgründen zum katholischen Glauben konvertierte Jüdin. So bat Blumenberg einen Schulfreund, jene Rede zu halten, die er selbst verfasst hatte. Am liebsten hätte der nationalsozialistische Direktor ihm damals das Reifezeugnis verweigert.

Als »Halbjude« durfte er nach seiner Schulzeit nicht an einer deutschen Universität studieren. Aus diesem Grund besuchte der »Katholik« Blumenberg zunächst in Paderborn und Frankfurt am Main kirchliche philosophisch-theologische Hochschulen, was ihm später jedoch auch untersagt wurde. Daraufhin kehrte er in seine Heimatstadt Lübeck zurück. Nachdem 1942 in der Nacht zu Palmsonntag bei einem Bombenangriff der Alliierten auf die Stadt Lübeck das elterliche Haus getroffen worden war, baute Blumenberg den vormals darin untergebrachten Kunstverlag des Vaters wieder auf. Noch im gleichen Jahr wurde er zum Arbeitsdienst bei dem Flugzeugbauer Dornier eingezogen, aus dem er aus gesundheitlichen Gründen bald wieder ausschied. Seit 1943 arbeitete er dann im Einkauf und später als Einkaufsleiter in den Lübecker Dräger Werken, wo bis heute Sauerstoffgeräte hergestellt werden. Wie viele andere Halbjuden wurde Blumenberg Anfang 1945 in das Konzentrationslager Zerbst eingewiesen, von wo er dank der Initiative Heinrich Drägers – Eigentümer der Dräger Werke, der sich in der Zeit des Nationalsozialismus um viele Halbjuden verdient machte – nach einigen Wochen entkommen konnte. Er floh zur Familie seiner Lübecker Freundin und späteren Ehefrau Ursula, die ihm bis Kriegsende Unterschlupf gewährte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte Blumenberg sein Studium der Philosophie, Germanistik und Klassischen Philologie an der Universität Hamburg zum Abschluss. Promoviert wurde er 1947 in Kiel mit der Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie. Ebenfalls in Kiel habilitierte er sich 1950 mit der Abhandlung Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein wichtigster Lehrer war der Phänomenologe Ludwig Landgrebe.

Im Jahre 1958 wurde Blumenberg außerordentlicher Professor für Philosophie in Hamburg. Eine ordentliche Professur erhielt der Vater von vier Kindern dann 1960 in Gießen. Ihr folgte 1965 ein Ruf nach Bochum und 1970 nach Münster, wo er bis zu seiner Emeritierung 1985 lehrte. Im Schloss zu Münster, seit längerem Universitätsgebäude, fanden im Hörsaal VIII seine beliebten Freitagsvorlesungen auch für Nicht-Philosophen statt. Wie sehr Blumenberg schon während seiner letzten Lehrjahre in sozialer Abgeschiedenheit lebte, wird bereits daraus deutlich, dass er damals nur noch Vorlesungen hielt, aber keine Seminare mehr, um so den Kontakt zu den Studenten aufs Notwendigste zu beschränken. Im Schloss zu Münster hat man ihn zum letzten Mal öffentlich gesehen, bevor er sich von der Universität endgültig verabschiedete und fast alle Brücken zu Kollegen hinter sich abbrach, um sich in der räumlichen Abgeschiedenheit seiner privaten Klause fast ausschließlich der Schreibarbeit zu widmen. Hier suchte er zugleich zeitliche Abgeschiedenheit: Blumenberg floh vor dem Tag in die Nacht, deren Stille ihm genug Gelegenheit zum Nachdenken bot. Sein disziplinierter Lebenswandel und sein umfangreicher Nachlass lassen an Scipio Africanus denken, der nach Cato über sich selbst zu sagen pflegte: »Numquam se minus otiosum esse, quam cum otiosus, nec minus solum, quam cum solus esset – Er sei niemals weniger müßig, als wenn er müßig sei, niemals weniger allein, als wenn er allein sei.«

Freilich lebte Blumenberg nicht von Anbeginn zurückgezogen, wie seine Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaft und der Literatur zu Mainz seit 1960, im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 1962 bis 1967 und im Gründungsgremium der ostwestfälischen Universität Bielefeld 1965 oder sein anfängliches Engagement in der 1963 mitbegründeten interdisziplinären Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik« beweisen. Blumenberg ist Träger verschiedener Auszeichnungen – etwa des Kuno-Fischer-Preises der Universität Heidelberg 1974, des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt 1980 und des Ehrendoktors der Universität Gießen 1982.

Ein Jahr vor Blumenbergs Tod kam es zu einem kurzen Briefwechsel zwischen dem Senat der Hansestadt Lübeck und dem Philosophen, der nach der erlittenen Schmach im Nationalsozialismus seine Heimatstadt – bis auf den 25. Jahrestag des Abiturs, der alte Wunden wieder aufriss – nicht mehr betreten hatte. Wie Thomas Mann, dem sich Blumenberg auf vielerlei Weise verbunden fühlte, fand auch er nach dem Zweiten Weltkrieg in Lübeck keine Heimat mehr. Im Februar 1995 bat der damalige Kultursenator in einem offiziellen Brief den Philosophen um Verzeihung für ihm widerfahrene Demütigungen und lud ihn ein, als Ehrengast der Hansestadt nach Lübeck zu kommen. Blumenbergs schriftliche Antwort hierauf beginnt mit den Worten »Ihren mich ehrenden Brief vom 8. Februar habe ich mit Bewegung aus der Hand gelegt« und endet mit den ergreifenden Sätzen: »Ich setze nun auf Ihr Verständnis, wenn ich Ihre Einladung annehme, zu deren Realisierung aber keine Zusage mache. Dieses Ausweichen erfüllt mich mit Trauer.« So kam es nicht mehr zu der vorgesehenen Verleihung der Ehrenbürgerwürde.

Hans Blumenberg starb am 28. März 1996 im westfälischen Altenberge bei Münster. Obwohl er niemals aus der katholischen Kirche ausgetreten war – aus Dankbarkeit für erfahrene Förderung in dürftiger Zeit, ließ er sich ohne kirchlichen Beistand bestatten. Seine Asche liegt auf dem Grund der Kieler Bucht bei Laboe, sein Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar.

Über Leben und Welt im Bilde sein

1960 veröffentlichte Blumenberg in Rothackers Archiv für Begriffsgeschichte die Studie Paradigmen zu einer Metaphorologie. Dieser Programmschrift ging 1957 als Blumenbergs erster metaphorologischer Beitrag die Abhandlung Licht als Metapher der Wahrheit (Ä, 39ff.) voraus. 1971 entwickelte er seine Metaphorologie weiter in Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik (W, 104ff.), und 1979 baute er sie zu einer Theorie der Unbegrifflichkeit (SZ, 75ff.) aus. Allgemein versteht Blumenberg unter Metaphorologie eine Lehre von den Bildern, die sich der Mensch für sein Dasein und die Welt schafft.1 Blumenberg fragt jedoch nicht, was sich hinter diesen Bildern verbirgt, sondern welche Funktion sie einnehmen im geschichtlichen Prozess der Verständigung des Menschen über sich selbst und die Welt. An zahlreichen historischen Beispielen zeigt er, was Metaphern leisten.

Innerhalb der abendländischen Denkgeschichte hat erstmals Aristoteles den Ausdruck Metapher definiert: »Metapher ist die Übertragung eines fremden Nomens.«2 Sie liegt vor, wenn die Bezeichnung für eine Sache auf eine andere übertragen wird. Blumenberg interessieren solche Wortübertragungen weniger als solche, denn vielmehr ihrer praktischen Bedeutungen wegen. Er sieht in ihnen Hilfsmittel für den Menschen, mit sich und der Welt zurechtzukommen. Im Einzelnen untersucht er das Licht und die Nacktheit als Metaphern für die Wahrheit, die Seefahrt als Metapher für den menschlichen Lebensgang, die Uhr und die Maschine als Metaphern für die Wirklichkeit, um bloß einige zu nennen. Von der sinnbildenden Kraft solcher Bilder überzeugt, betrachtet Blumenberg Metaphern als unverzichtbar für das menschliche Selbstverständnis und Weltverhältnis. Insgesamt unterscheidet er drei Funktionen der Metapher:

1. In der philosophischen Schultradition wird die Frage nach der Bedeutung von Metaphern vor allem innerhalb der Rhetorik abgehandelt. Hier gelten Metaphern in erster Linie als schmuckartige Glanzlichter des Gesagten und Geschriebenen. So meint etwa Quintilian, dessen Ausführungen zur Rhetorik in der Schultradition maßgeblich geworden sind: Eine »Metapher […] wirkt […] so erfrischend und strahlend, daß sie, auch wenn sie in einem noch so glänzenden Redezusammenhang erscheint, doch noch ein eigenes Licht verbreitet.«3 Als Schmuck einer Rede gehören Metaphern zu Ornamenten, die bestimmten Darbietungen nicht nur anschaulichen Reiz verleihen, sondern sich auch zur Steigerung der angestrebten Wirkung bei Betrachtern und Zuhörern eignen. Ornamenthaft gebrauchte Metaphern können in den Dienst von Aussagen treten, die bei einem kritischen Publikum um Zustimmung und Anerkennung werben. Wichtig ist hierbei, dass ornamentale Metaphern nichts zur Erweiterung dieser Aussagen beitragen. Sie helfen zwar mit, eine Feststellung gefällig zu präsentieren und dadurch attraktiv oder plausibel zu machen, bringen aber nichts zum Ausdruck, »was nicht auch in theoretisch-begrifflicher Weise dargestellt werden könnte« (PM, 8); als poetisches Beiwerk sind sie ohne eigenen Wahrheitsgehalt.

2. Davon zu unterscheiden ist als zweite Funktion der Metapher deren Verständnis als ungenauer Vorbegriff oder unklare Denkform. In dieser Funktion bringen Metaphern unpräzise und uneigentlich zum Ausdruck, was sich in eigentlicher und genauer Sprache besser sagen ließe. Sie bewegen sich auf dem »Vorfeld der Begriffsbildung« (SZ, 77) und geben bloß vage kund, was sich von Philosophie und Wissenschaft präziser erfassen ließe. Eine solche Sichtweise begreift die »Übergänge von der Metapher zum Begriff« (PM, 88) analog dem Übergang »vom Mythos zum Logos« (PM, 9). Dabei herrscht die Meinung vor, dass alle »Formen und Elemente übertragener Rede […] vorläufig und logisch überholbar« (PM, 7) seien. Alle mehrdeutigen Metaphern ließen sich in eindeutige Begriffe umformen. Darum gilt ihre Ausmerzung auch als wünschenswert; Metaphern seien so lange zu bekämpfen, bis »die philosophische Sprache rein begrifflich« (PM, 7) geworden sei. Ein solches Ideal verfolgte etwa Descartes in seinem Discours de la méthode. Danach ist nur zulässig, was sich zu begrifflicher Klarheit und Bestimmtheit bringen lässt, unzulässig dagegen, »was dem Standard der auf objektive Eindeutigkeit tendierenden Sprache nicht genügt« (SZ, 83). Wo immer Metaphern auftreten, hätten sie den Charakter von »Restbeständen« oder »Rudimenten« (PM, 9), die ihrer Ablösung durch klar definierte Begriffe harrten.

Solch verächtliche Abwertung der Metapher zu einem aufzulösenden Restbestand setzt Blumenberg seine Wertschätzung der Metapher als irreduzibler Denkform entgegen. Zwar leugnet er nicht, dass Metaphern auch ausschmückende Ornamente und begrifflich einholbare Rudimente sein können. Metaphern dienten tatsächlich nicht immer der Aussagenerweiterung; zuweilen seien sie bloße Vorformen des Begriffs, die imaginativ vorzeichneten, was ein präziser Terminus zu definitorischer Bestimmtheit bringen könne. Blumenberg fordert sogar, »auf Metaphern nicht auszuweichen, wo Formeln möglich« (SZ, 89) seien. Zugleich aber bestreitet er, dass Metaphern nur Ornamente oder Rudimente bilden: Nicht bloß, dass Wissenschaft und Philosophie ohne Metaphern gar nicht auskommen. Viele Metaphern besitzen überdies eine unüberholbare Eigenbedeutung.

3. Die Geschichte der Verteidigung der Metapher gegen ihre Herabwürdigung durch den logischen oder wissenschaftlichen Begriff, der sich für alles Nennenswerte und Sagbare zuständig erklärt, verläuft von Vico über Hamann, Novalis, die Gebrüder Schlegel, Nietzsche und Cassirer4 bis zu Blumenberg und über ihn hinaus.5 Metaphern sind dann mehr als Ornamente, wenn sie einen eigenständigen Bedeutungsgehalt besitzen. Metaphern sind darüber hinaus auch mehr als Rudimente, wenn sie im Besitz eines eigenständigen Bedeutungsgehaltes sind, für den keine anderen Ausdrücke als Metaphern zur Verfügung stehen. Wo dies der Fall ist, sind Metaphern keine bloßen »Restbestände« (PM, 9), die sich im Verlauf der Wissensentwicklung durch logische Begriffe ersetzen und verdrängen lassen, sondern »Grundbestände der philosophischen Sprache« (PM, 9). Als solche besitzen sie einen aussagenerweiternden, unbegrifflichen Eigensinn. Sprachliche Bilder dieser Art nennt Blumenberg »absolute Metaphern« (PM, 9). Ihnen gilt sein Hauptinteresse.

Unabhängig und sogar früher als Blumenberg gebrauchte der Romanist Hugo Friedrich den Terminus »absolute Metapher«6. Darunter verstand er jedoch etwas anderes als Blumenberg. Absolute Metaphern bezeichnen nach Friedrich vor allem in der modernen Lyrik vorkommende sinnliche Irrealitäten wie etwa »Azurrotz« oder »holzbeschuhte Hirtengedichte knurren im Garten«. Solche Metaphern erschließen eine Welt, »deren Realität allein in der Sprache existiert«7. Dagegen führt Blumenberg den Terminus absolute Metapher zur Kennzeichnung jener sprachlichen Bilder ein, die semantische Gehalte umfassen, welche sich der Ausdruckskraft der begrifflichen und objektivierenden Sprache von Philosophie und Wissenschaft entziehen. Ihm zufolge gibt es eine Dimension des unbegrifflich Metaphorischen, die sich nicht ins begrifflich Logische übersetzen lässt.

Worum handelt es sich dabei? Über die Bedeutung absoluter Metaphern gibt nach Blumenberg vor allem ihre Funktion näheren Aufschluss. Allgemein dienen absolute Metaphern der Beantwortung höchster und unabweislicher Fragen, die sich jeder wissenschaftlichen Klärung entziehen: »Absolute Metaphern beantworten jene vermeintlich naiven, prinzipiell unbeantwortbaren Fragen, deren Relevanz ganz einfach darin liegt, daß sie nicht eliminierbar sind, weil wir sie nicht stellen, sondern als im Daseinsgrund gestellte vorfinden.« (PM, 19) Blumenberg unterteilt diese Fragen in theoretische Totalitätsfragen und pragmatische Orientierungsfragen. Absolute Metaphern haben demnach eine »theoretische« (PM, 62) und zugleich eine »pragmatische« (ebd.) Aufgabe. Ihre theoretische Funktion besteht im Aufschließen von Totalhorizonten. Absolute Metaphern »geben einer Welt Struktur, repräsentieren das nie erfahrbare, nie übersehbare Ganze der Realität« (PM, 20). Sie lassen ein Bild von der Totalität der Wirklichkeit entstehen. Zu solchen Welt-Bildern zählen die Vorstellungen von der Wirklichkeit als Polis, Lebewesen, Theater oder Uhrwerk. Diese und ähnliche Metaphern beanspruchen nicht, einzelne Sachverhalte der Wirklichkeit darzustellen, sondern die Totalität der Welt selbst zu vergegenwärtigen. Selbstredend genügen sie nicht dem Anspruch des strengen Denkens, und dennoch müssen sie ihm genug sein, wenn nicht auf eine Vorstellung vom Ganzen verzichtet werden soll. So bieten uns vertraute sprachliche Bilder eine Anschauung von der unbegrifflichen Totalität der Wirklichkeit, an deren Stelle sie treten. Zwar haben Metaphern – wie als »Restbestände« – auch als »Grundbestände« die Funktion eines bloßen »Ersatzes«; aber mit dem wesentlichen Unterschied, dass Letztere für etwas stehen, das sich weder in Begriffe überführen noch durch Begriffe angemessen erfassen lässt: die Wirklichkeit im Ganzen.

Nun veranschaulichen absolute Metaphern aber nicht bloß die ungegenständliche Totalität der Welt, sie fungieren darüber hinaus als Orientierungsmuster. Zum Gehalt absoluter Metaphern gehören Wertungen, die bestimmte »Haltungen, Erwartungen, Tätigkeiten und Untätigkeiten, Sehnsüchte und Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten« (PM, 20) freisetzen. Absolute Metaphern sind sonach auch Ausdrucksformen von »Grundhaltungen und Verhaltungen« (PM, 62). Sie repräsentieren und orientieren zugleich.

Diese Leistung absoluter Metaphern führt Blumenberg an zahlreichen historischen Beispielen vor. Er schreibt eine Reihe von Entwicklungsgeschichten grundlegender Bilder, an deren Stelle im Laufe der abendländischen Kulturgeschichte häufig nicht strenge Begriffe, sondern zumeist wieder andere sprachliche Bilder getreten sind. Dabei gibt Blumenbergs Nachzeichnung der Wandlungen grundlegender Metaphern mehr als nur eine lexikalische Übersicht über das Auftreten bestimmter Bilder. Eine solche findet sich etwa bei Ernst Robert Curtius in Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter.8 Ausgehend von der Annahme, dass absolute Metaphern Sichtweisen der Welt und des Menschen strukturieren, bemüht sich Blumenberg dagegen, aus den verschiedenen Daseins- und Weltmetaphern jeweils ein Ganzes von Erfahrbarkeit herauszulesen, d.h. geschichtlich sich wandelnde Sinnhorizonte freizulegen, »innerhalb derer Begriffe ihre Modifikationen erfahren« (PM, 11).

Zur Illustration der theoretischen Repräsentierungs- und pragmatischen Orientierungsfunktion absoluter Metaphern seien zwei Beispiele angeführt: Die pantheistischen Stoiker verstanden unter Welt einen am Augenschein orientierten harmonischen Ordnungszusammenhang. In Bezug auf das physische Weltall gebrauchten sie die absolute Metapher des »Kosmos«, was so viel wie »wohlgegliederte Schmuckordnung« heißt. Die ungegenständliche Totalität der Wirklichkeit sei ein vollkommenes Schmuckstück (theoretische Funktion). Dieses verdiene bewundernde Betrachtung. Der Mensch sei sogar auf die Welt gekommen, um diese Schmuckordnung, das physische Weltall, anzuschauen (pragmatische Funktion). Ganz anders verhält es sich hingegen bei den atomistischen Epikureern: Ihnen zufolge besteht die Welt aus einer Unendlichkeit von Atomen, die sich im leeren Raum bewegen und sich hierbei verbinden und trennen. Auch der atomare Weltzusammenhang hat den Charakter einer absoluten Metapher, insofern durch ihn zugleich die Wertlosigkeit und Gleichgültigkeit der Natur gegenüber den in ihr ablaufenden Prozessen angezeigt wird (theoretische Funktion). Die Welt ist weder göttlich noch geschöpflich, sondern einfach natürlich. Natürlichkeit bedeutet wiederum, als Metapher verstanden, Befreiung von den furchterregenden Göttern (pragmatische Funktion). Denn ist die Welt das Natürliche, das von selbst da ist, so ist es nicht weiter verwunderlich, dass es sie überhaupt gibt und dass sie so beschaffen ist, wie sie ist. Als das Nächstliegende ist sie für die Epikureer nichts, das nach bewundernder Betrachtung verlangt, sondern vielmehr etwas, um das sich der Mensch nicht zu kümmern braucht und dem er folglich mit Gleichgültigkeit begegnen soll (pragmatische Funktion).

Absolute Metaphern lassen sich nicht nur in mythischen, religiösen und metaphysischen Sinnhorizonten und Sichtweisen antreffen. Auch die wissenschaftliche Weltauffassung ist metaphernhaltig. Blumenberg behandelt diesen Gesichtspunkt unter der Überschrift »Metaphorisierte Kosmologie« (PM, 106). So werde in der Neuzeit die mit dem Namen Kopernikus verbundene Herabsetzung und Neutralisierung der Erde zum Himmelskörper unter anderen »nicht als Erkenntnis, nicht als Hypothese, sondern als Metapher« (PM, 108) genommen. Der Kosmos werde in den Rang einer über die Stellung des Menschen in der Welt Aufschluss gebenden Metapher erhoben: »Geozentrik und Heliozentrik bzw. Azentrik werden zu Diagrammen, von denen abzulesen sein soll, was es mit dem Menschen in der Welt auf sich hat.« (PM, 108) Blumenberg beschreibt dies als »Gängelung unseres Selbstverständnisses durch die kosmologische Metapher« (PM, 108). Diese beschere uns in der Neuzeit eine große Enttäuschung und Ernüchterung. Denn das unermessliche Universum der physikalischen Kosmologie avanciere zur absoluten Metapher dafür, dass die Erde nicht mehr als »ein bevorzugtes Sympathiezentrum der kosmischen Strebungen« (PM, 116) angesehen werden und der Mensch nicht mehr »diese ganze kosmische Veranstaltung auf sich beziehen« (PM, 113) könne. Im unermesslichen Weltall »ohne besondere Kennzeichen« (PM, 116) werde sich der Mensch »seiner peripheren Mitläufigkeit« (PM, 108) bewusst.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass die Funktion absoluter Metaphern nicht durchweg in der Sinnstiftung besteht. Sie repräsentieren zwar Totalität und indizieren Grundhaltungen, produzieren aber nicht notwendigerweise Sinn, Wert und Weltvertrauen. Sowohl der atomistische Epikureismus als auch die wissenschaftliche Weltauffassung widerlegen die Gleichsetzung von absoluter Metapher mit vertrauter, wertbesetzter Sinnwelt. Denn hier übernehmen die absoluten Metaphern sowohl die theoretische Funktion, ein Weltall ohne Sinn und Wert zu vergegenwärtigen, als auch die pragmatische Funktion, die Gleichgültigkeit des physischen Weltalls für die Gestaltung des menschlichen Daseins anzuzeigen. Doch ungeachtet dessen, was absolute Metaphern zum Ausdruck bringen, haben sie ihren Ort stets dort, wo das begriffliche Denken nicht zu einem Abschluss kommen kann, weil solche Themen wie »Welt«, »Geschichte«, »Leben«, »Ich« und »Zeit« seine Erkenntnismöglichkeiten übersteigen und überfordern.

Nun stellt sich die Frage, wie es denn gegenwärtig um die Verwendbarkeit absoluter Metaphern bestellt ist. Ungebrochen wirksam sind sie dort, wo sie nicht als solche empfunden und erkannt werden. Hier liegen sie gleichsam unterhalb des begrifflichen Denkens. Folglich hat die Metaphorologie die Aufgabe, »an die Substruktur des Denkens heranzukommen, an den Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen« (PM, 11), um zu zeigen, »mit welchem Mut sich der Geist in seinen Bildern selbst voraus ist« (PM, 11). Mythos, Religion und Metaphysik wissen nichts von absoluten Metaphern. Sie bewegen sich zum einen in der fraglosen Selbstverständlichkeit ihrer Totalitäts- und Orientierungsvokabeln und nehmen sie zum anderen beim Wort. Beides aber wird durch die Erkenntnis, dass die Totalitäts- und Orientierungsvokabeln absolute Metaphern sind, zutiefst erschüttert. Die Metaphorologie, die den Wandel geschichtlicher Sichtweisen und Sinnhorizonte durch eine Nachzeichnung der Entwicklungsgeschichte absoluter Metaphern deutlich macht, verwandelt so nicht nur Mythos, Religion und Metaphysik in Metaphorik, sondern sie versetzt uns zudem in die Verlegenheit, kaum mehr angeben zu können, welche absoluten Metaphern heute unser Selbst- und Weltverhältnis am besten bestimmen können.

Die Herabsetzung von Mythos, Religion und Metaphysik zu reiner Metaphorik erfolgt aus der Einsicht, dass Totalitäts- und Orientierungsvokabeln Fälle von Unbegrifflichkeit sind, die Unsagbares sagbar machen und daher nicht wörtlich genommen werden dürfen. Absolute Metaphern behalten aber ihre ganze Kraft und Verbindlichkeit nur, wenn sie beim Wort genommen werden. Dagegen werden sie bereits geschwächt, wenn ihre Wörtlichkeit verloren geht. Ihre Entwertung setzt sich fort, wenn sie überdies im Rahmen einer reflektierenden Metaphorologie zu Metaphern vergegenständlicht werden, die ihre fraglose Selbstverständlichkeit verlieren. So ist der Schluss unausweichlich, dass wir »als Metaphorologie Betreibende […] uns schon der Möglichkeit beraubt [haben], in Metaphern Antworten auf jene unbeantwortbaren Fragen zu finden« (PM, 19). Zugleich aber hält Blumenberg an der Unvermeidlichkeit absoluter Metaphern fest, weil Totalitäts- und Orientierungsfragen immer noch gestellt werden. Jedoch ist die Zeit vorüber, wo Metaphern wörtlich genommen werden konnten und daher Metaphysik noch möglich war: »Metaphysik erwies sich uns oft als beim Wort genommene Metaphorik; der Schwund der Metaphysik ruft die Metaphorik wieder an ihren Platz.« (PM, 42) Metaphorik »als eine authentische Leistungsart der Erfassung von Zusammenhängen« (SZ, 77) ist weniger als Metaphysik und mehr als Wissenschaft. Sie lässt etwas aufgehen und verstehen, das weder bewiesen noch widerlegt werden kann und seine Verbindlichkeit daraus gewinnt, Totalitäts- und Orientierungsansprüchen zu genügen. Jedoch bleibt auf dem Boden von Paradigmen zu einer Metaphorologie das Problem weithin ungelöst, wie gegenwärtig absolute Metaphern Glaubhaftigkeit und Annehmbarkeit gewinnen können.

Einen Wink zur Lösung dieses Problems geben die Aufsätze Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit (SZ, 75-93) und Anthropologische Annäherung an die Rhetorik (W, 104-135). Hier wirft Blumenberg die Frage auf, ob denn gegenwärtig die zustimmende Aneignung absoluter Metaphern »irrationalen Dezisionen« (SZ, 88) gleichzusetzen sei. Irrationale Dezisionen hält er für eine problematische, wenn nicht sogar unzulässige Form des Umgangs mit metaphorischen Deutungsmustern. Blumenberg möchte sich nicht auf die Vorgehensweise eines nicht-argumentativen Philosophierens einlassen, erkennt aber klar die Grenzen der philosophischen Argumentation. Diese seien nicht als behebbare Mängel zu bewerten, sondern als unüberwindbare Schranken unseres endlichen Bewusstseins. Einerseits ist nach Blumenberg die philosophische Argumentation, die hintergründige Zusammenhänge offenlegt und Sachverhalte zu verstehen gibt, die andernfalls unerkannt blieben, weit davon entfernt, anarchische Willkür zu sein; andererseits ist sie aber außerstande, den Erwartungen nach sicherem Wissen zu genügen. In der Gegenwart muss speziell bei der Wahl absoluter Metaphern, durch die wir unserem Bedürfnis nach Totalitäts- und Orientierungswissen zu entsprechen suchen, mit einem großen Defizit an Sicherheit gerechnet werden. Denn das Vertrauen in die Berechtigung absoluter Metaphern ist nur noch »ohne zureichende Begründung« (SZ, 88) möglich.

Aber Mangel an zureichender Begründung »ist nicht zu verwechseln mit einem Postulat des Verzichtes auf Gründe überhaupt, wie auch Meinung nicht das unbegründete, sondern das diffus und methodisch ungeregelt begründete Verhalten bezeichnet« (W, 125). Ein solches Verhalten beherrscht das von Blumenberg so getaufte »Prinzip des unzureichenden Grundes« (SZ, 88). Dieses steht für die Zulässigkeit des bloß Plausiblen und Einleuchtenden, das sich durch mehr oder weniger überzeugungskräftige Argumente stützen lässt, die niemals die Qualität definitiver Intuitionen oder zwingender Beweisführungen haben können. So hat das Prinzip des unzureichenden Grundes es mit einer Verlegenheit zu tun, die aus der Unmöglichkeit folgt, in Totalitäts- und Orientierungsfragen begriffliche Bestimmtheit und definitive Wahrheit zu erreichen. Es kann aber in dem Maße absoluten Metaphern zur Anerkennung verhelfen, wie es mehr oder weniger starken Argumenten gelingt, Totalitäts- und Orientierungsvokabeln einleuchtend und damit zustimmungswürdig zu machen. Solche Bemühungen haben zumal im Zeitalter der Verwissenschaftlichung und Metaphysikkritik vor dem Hintergrund unserer Totalitäts- und Orientierungsbedürfnisse die Frage zu erörtern, »was wir uns an Erfüllungen leisten können« (SZ, 89).

Auffällig ist jedoch, dass Blumenberg über den formalen Umriss dieses Projekts nicht hinauskommt. Er bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, welche absoluten Metaphern der Gegenwart angemessen sind und auf welche überzeugungskräftigen Argumente sie sich stützen lassen: Blumenbergs Grundgedanke verharrt noch weitgehend in Latenz.

Menschliche Selbstbehauptung

Der 1966 erstveröffentlichte, in der Neuausgabe von 1988 überarbeitete und erweiterte Text Die Legitimität der Neuzeit nimmt unter Blumenbergs Publikationen einen besonderen Rang ein. Mit dieser Schrift gehen eine Reihe vor- und nachbereitender Aufsätze einher, so etwa Philosophischer Ursprung und philosophische Kritik des Begriffs der wissenschaftlichen Methode (1952), Nachahmung der Natur. Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferischen Menschen (1957), Ordnungsschwund und Selbstbehauptung (1960), Säkularisation. Kritik einer Kategorie historischer Illegitimität (1964), Die Vorbereitung der Aufklärung als Rechtfertigung der Curiositas (1967) sowie Selbsterhaltung und Beharrung (1969). Zwar bleibt auch in der Legitimation der Neuzeit Blumenbergs eigentlicher Grundgedanke weiterhin unter Verschluss, doch werden einige Aspekte dieses Themas, das später in verschiedenen Variationen zur Darstellung kommt, bereits hier im Schattenriss erkennbar. Dass uns Blumenberg in der Legitimität der Neuzeit seinen eigentlichen Grundgedanken noch vorenthält, heißt indessen nicht, dass er in dieser Schrift keine klare Position bezieht. Im Gegenteil formuliert er dort mit allem Nachdruck einen Standpunkt, der damals heftige Kontroversen auslöste.

Im Mittelpunkt der Legitimität der Neuzeit steht das Begriffspaar »Theologischer Absolutismus und humane Selbstbehauptung« (LN, 135), wobei Ersterer dem spätmittelalterlichen Nominalismus, Letztere der gesamten Neuzeit zugeordnet wird. Noch ungeachtet aller inhaltlichen Ausprägungen lässt sich das formale Verhältnis beider Begriffe zueinander wie folgt beschreiben: Der spätmittelalterliche theologische Absolutismus hat den Charakter einer Herausforderung, auf welche die humane Selbstbehauptung der Neuzeit die geschichtliche Antwort ist. Der theologische Absolutismus des Spätmittelalters ermächtigt und erzwingt also die humane Selbstbehauptung der Neuzeit. Bemerkenswerterweise formulierte Blumenberg diese These bereits 1950 in seiner Habilitationsschrift Die ontologische Distanz. Schon hier thematisierte er die neuzeitliche »Selbstbehauptung der Vernunft« (OD, 79) als Antwort auf den theologischen Absolutismus des »spätmittelalterlichen Nominalismus« (OD, 81).

Allgemein versteht Blumenberg unter theologischem Absolutismus den Glauben an eine dem Menschen unbegreifliche, absolute Souveränität Gottes, wie sie die Überzeugung des spätmittelalterlichen Nominalisten Wilhelm von Ockham gewesen sei. Gott war für diesen »potentia absoluta« (LN, 169): unbegrenzte Willensmacht und Willkürfreiheit. Mit der uneingeschränkten Souveränität seines Willens habe sich Gott einen unendlichen Horizont des Möglichen eröffnet, innerhalb dessen er wähle und handele, ohne dass die menschliche Vernunft seine Entscheidungen voraus- und einsehen könne. Gottes absoluter Wille sei für die Menschen unberechenbar. Dadurch werde er für sie ebenso unzuverlässig wie unergründlich; für Gott sei eben alles möglich: »Im Begriff der potentia absoluta ist die Unendlichkeit des Möglichen impliziert.« (LN, 169) Was Gott erschaffe, könne er im nächsten Augenblick wieder vernichten; sein Handeln sei nicht an die Maßstäbe menschlicher Vernunft gebunden. Die wahren Motive des alles begründenden nominalistischen Willkürgottes blieben seinen Geschöpfen verborgen: »Der theologische Absolutismus verweigert dem Menschen den Einblick in die Rationalität der Schöpfung.« (LN, 164) Wo aber das Schicksal der Welt auf das Wirken einer »potentia absoluta« zurückgeführt wird, dort verwandelt sie sich in eine »Dimension schlechthinniger Ungewißheit« (LN, 181). Jetzt kann alles im nächsten Augenblick ganz anders werden; wenn es Gott gefällt, kann er die Welt verändern und sogar aufheben. Die in rationaler Hinsicht unberechenbar und unzuverlässig gewordene Welt erweist sich dadurch als radikal »kontingent« (LN, 173), »als pures Faktum verdinglichter Allmacht, als Demonstration unbeschränkter Souveränität eines unbefragbaren Willens« (LN, 194).