Tilo Schwalbe

Aus dem Dunkel

Gedicte 1993 – 2018

Gedicte

aus Jahr und Garten

Abends

Gib mir einen Garten mit Abendsonne!

Wie Spinnweb werden die Stunden mir fein;

dann lebt dort ein Frieden im milden Schein,

zwischen Lärche, Laube und Regentonne.

Gib dieses Gespinst der späten Stunden

in Demut und dankbarf zu Anderen fort.

Der Moment zwingt Ruhe. Am magischen Ort

hab ich meiner Zeiten Mitte gefunden.

Allein dieses Licht im Ruch der Bäume,

nimm mit in den leise nahenden Tag.

Das Leben ist einfach, wenn man es mag.

Es gibt nur die Träume. Und Zwischenräume.

Vorfrühling

Der Garten wartet in den Feldern.

Sauber ist die Sonne schon.

Wer kann die Schneeglocke wecken?

Im Februar ist noch kein Frühling.

Die Felder sind des Gartens Zierde.

Die Krume dessen Lebenkraft.

Wenn die wilden Stürme peitschen

ist die Laube eine Höhle.

Junger Matsch und grauer Schnee;

nur alte Wege sind sicher.

Die sruren Triebe bestehen in

diesen unsteten Winden.

Geschmolzen sind es Eises Lasten.

Geblieben ist das junge Gut.

Es bog sich nur, es brach nicht;

es gab nach und widerstand.

Letzte Grüße des fliehenden.

Seine allerbeste Zeit war heute.

Doch war die Plage wohl umsonst:

Noch grünt keine flur.

Die Sonne wird mit Sicherheit

alle Schneeglocken wecken.

Schon der Krokus ruft leise:

Der Garten wartet in den feldern!

Im Lenz

Es sind die Morgen klamm und fahl

und Tage, die Novembern gleichen,

doch blüht die Hecke, stehn die Eichen

noch kahl.

Ich krieche tief in meinen pelz

und lasse diese Stunden kreisen,

denn mir, da sie zum Sommer weisen,

gefällts.

Sommerabend

Sacht wehen des Abends milde Winde

durch das offene Fenster herein.

Nach Feldern und Erde, harz und Rinde,

der Ruch des Landes, wie herber Wein.

Es dreht das Jahr im leisen Reigen,

des Sommers Tage tanzen vorbei.

Die späten Stunden des Fallens schweigen,

denn wo keine Angst, ist auch kein Schrei.

Es blüht der Stock und es reift die Traube

und daß die Zeit sich nicht bannen läßt,

ist vergessener uralter Glaube.

So bleibe noch hier in des Gartens nest.

Ruh‘ dich aus in der stillen Laube

und fang den Moment. Halt ewig ihn fest.

Gartenzeit

Tausend Gartentage jährlich

und immer soll es Sommer sein,

voll Kräutern, Beeren, Wurzeln, Wein

und Abenden, die unentbehrlich.

Tausend Gartentage täglich,

ein jeder voller Duft und Klang,

voll Blumengruß und Vogelsang

und voller Freuden, die unsäglich.

Tausend Gartentage stündlich,

die wir erleben und verlassen,

unbekümmert strahlen lassen.

Sie sind Gnade, hiervon künd ich.

Tausend Gartentage immer.

Wer Dinge, die uns nähren, pflegt,

der ist, wenn er den Garten hegt,

in eines Gottesdienstes Schimmer.

Tausend Gartentage leben

und jeder will ein schönster sein;

bei Kräutern, Beeren, Wurzeln, Wein

ist alles Schaffen nur ein Schweben.

Im August

Der Sommer gibt Lieben und Leiden

in Fülle dem ganzen Land.

Geht durch dieses sich finden, sich scheiden

ein Wensch und noch leer dessen Hand?

Ich bin meine eigne Geschichte,

ein langsam wachsendes Licht;

such’ im Bodensatz aller Gedichte

noch immer nach deinem Gesicht.

Es wird uns der Sommer verlassen,

doch trauen wir nur dem Glück.

Wer kann fliegende Jahre sonst fassen

und Schmmerz bringt nie Gutes zurück.

Vor dem Gewitter

Die Bäume sind leise, es raschelt kein Blatt,

die Schatten der Kerze, fast stehen sie still.

Das Leben ebbt ab und ist müde und matt

und alles kehrt heim, was da heimgehen will.

Die Grillen nur klagen dem Tage noch nach,

dessen letztes Licht sich verkriecht hinterm Berg,

denn balde sind nur die Schläfer noch wach;

gehen nimmermüd an ihr ewiges Werk.

Dann durchfeuert ein erstes Leuchten die Nach

und der Vorhang sich hebt für das große Stück.

Ein flüsterndes Grollen uns leise verlacht

und alles fällt wieder ins Dunkel zurück.

Jedes Leben ist nur noch ein Augenblick

und das, was uns klein war, wird nun riesengroß.

Es ist das Pulsieren, Sekunden vorm Glück:

Ader Atem verhält, denn jetzt bricht es los.

Dank dem Sommer

Es lacht mir der Duft aus dem Garten

im fallenden Jahre noch leis

und sicher ist nur, daß ich weiß:

kann furchtlos auf den Abend warten.

So danket den Tagen, den warmen.

Sie streicheln mit zärtlicem Hauch.

Danket all dem Seienden auch

und dankt dem Herrn für sein Erbarmen.

Die Saat ist schon lang in der Scheuer,

die Felder sind nackend und bloß,

doch der Sommer ist uns noch groß

und fern der Winter Ungeheuer.

So danket den Nächten, den warmen,

in der jede Fährnis gebannt.

Danket die ser kosenden Hand

und dankt dem Herrn für sein Erbarmen.

Uns wird es noch manches bescheren:

Das einfache Leben bring Glück.

Wer fordert bekommt nichts zurück,

der schluckt und erstickt am Begehren.

So danket den Jahren, den warmen.

Ein Menschenschicksal, das ist weit.

Danket in Demut alle Zeit

und dankt dem Herrn für sein Erbarmen.

Regengebet

Der Sommer trägt ein härenes Kleid,

die Glut schreit auf Plätzen und Wegen,

der Wald gibt Schatten zur Tageszeit.

Oh Herr, gib uns Regen!

Das Leben nährt, was Leben verbrennt;

was wachsen soll, soll sich nicht legen.

Der Landmann nur ein Gebet noch kennt:

Oh Herr, gib uns Regen!

Nimm uns nicht Hoffnung und grünes Land!

Wir sind nur dumm und nicht dagegen,

denn stirbt die Erde, stirbt Herz und Hand.

Oh Herr, gib uns Regen!

Ist deine Gnade groß wie die Welt,

laß Fluch nicht werden deinen Segen!

Bewahre, was uns am Leben hält!

Oh Herr, gib uns Regen!

Die letzten Tage

Des Jahres allerschöste Tage,

die letzten Tage im August.

Des Daseins allerschönste frage:

Ein Tagwerk voller Lebenslust.

Ist dieser Sommer nun im schwinden

und geizt das Leben auch mit Licht;

kann dieser Sommer es verwinden,

geht dieser Sommer lang noch nicht.

Die Sommer sollen immer bleiben,

unendlich viele Monde lang.

So lasset mich doch ewig schreiben,