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Über dieses E-Book

Ausgerechnet nach seinem Junggesellenabschied wacht Matthias Käfer in einem fremden Bett auf – mitten im Chaos! Neben ihm schlafen zwei nackte Stripperinnen mit einem ziemlich großen Geheimnis und vor ihm steht ein Pappaufsteller von George Clooney, an dessen Ohr ein Hamster knabbert. Doch all das ist nicht sein größtes Problem, sondern der Liebesbrief, den er einer Frau geschrieben hat, die er erst seit vergangener Nacht kennt.

Vierundzwanzig Stunden zuvor war Matthias noch fest überzeugt davon, dass er seiner Verlobten Anna stets treu bleiben würde. Doch da wusste er noch nicht, wer seinen Junggesellenabschied organisiert: Alexa, die digitale Assistentin, die alles besser weiß und doch von nichts eine Ahnung hat.

Für Matthias gibt es jetzt nur noch eine Möglichkeit, alles wieder gerade zu biegen …

Impressum

dp Verlag

Erstausgabe Oktober 2018

Copyright © 2020 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Made in Stuttgart with ♥
Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96087-363-1
Taschenbuch-ISBN: 978-3-96087-365-5
Hörbuch-ISBN: 9783968172408

Covergestaltung: ARTC.ore
unter Verwendung von Motiven von
freepik.com: © kjpargeter, © creativepack
pixabay.com: © OpenClipart-Vectors
Lektorat: Daniela Höhne

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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dp Verlag

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

als ich gerade mittendrin war, Meine Hochzeit mit Anna von IKEA  zu schreiben, fiel mir auf, dass ich dem armen Matthias gar keinen Junggesellenabschied gegönnt hatte.

Das geht natürlich überhaupt nicht, daher muss die Hochzeit noch ein wenig warten. Falls sie überhaupt kommt, bei uns Autoren weiß man ja nie, welcher Dreh am Ende noch offenbart wird.

Oder am Anfang.

Denn Matthias bringt sich dieses Mal dermaßen in die Bredouille, dass ich nicht garantieren kann, ihn da wieder rauszuholen. Aber lest es am besten einfach selbst …

Wie alles begann und danach weiterging...

Matthias Käfer, Vollzeitsingle, Bankangestellter auf Bewährung und Besitzer eines inkontinenten Geschirrspülers, lernt bei IKEA die nette schwedische Kundenberaterin Anna kennen. Doch sieht Matthias eine hübsche Frau, bekommt er den Mund nicht mehr auf.

Also kontaktiert er Anna online. Durch ein Missverständnis gerät er an die virtuelle Kundenberaterin Anna von Ikea und glaubt am Ende, sie habe sich mit ihm verabredet.

Weil Matthias denkt, das Date finde bei IKEA statt, trifft er dort die echte Anna und verliebt sich in sie.

Doch er sagt es ihr nicht.

Als Anna eine Stelle als Lehrerin in Schweden angeboten bekommt, geht sie schweren Herzens zurück.

Fast zeitgleich verliert Matthias seinen Job bei der Sparkasse. Der Klempner Kemal, dem er einige Werbeslogans getextet hat, stellt ihn als neuen Werbeleiter an und erlaubt ihm, von überall aus zu arbeiten.

Matthias besucht Anna in Schweden und die beiden werden ein Paar.

 

Kaum ist Matthias zu Anna nach Göteborg gezogen, merkt er, dass im Land der Elche und Billy-Regale einiges anders ist als daheim.

Außerdem hat sich der ex-porschefahrende Ex-Freund von Anna, Viggo, in den Kopf gesetzt, seine »große Liebe« zurückzuerobern. Der Millionärssohn gibt sich umweltbewusst und überredet Anna, mit ihm auf eine Klimakonferenz ins tiefste Grönland zu fahren.

Derweil muss Matthias die Firma seines Chefs Kemal retten, der alles auf ein neues Produkt gesetzt hat: Dönereis. Und das mitten im Winter.

Matthias entwirft eine Werbekampagne, doch diese scheitert, weil das Eis furchtbar schmeckt.

Auch ein Relaunch als Dönersuppe geht in die Hosen, allerdings kann Kemal das Fertigungsverfahren verkaufen und die Firma und der Job von Matthias werden gerettet.

Am Ende erkennt Anna, dass Viggo sich nie geändert hat und der rücksichtslose Egoist ist, der er immer war.

Schließlich, an Heiligabend, macht Matthias Anna einen Heiratsantrag – und sie nimmt an.

1

Es hat schon mancher seine Ehe bereut – den Junggesellenabschied jedoch nur sehr wenige.
Unbekannt, kennt aber offensichtlich nicht Matthias Käfer

Ich blicke auf vier nackte Brüste.

Obwohl ich gerade aufgewacht bin und mein Kopf sich anfühlt, als befände sich darin ein aktives Braunkohleabbaugebiet, weiß ich ganz bestimmt, dass meine Verlobte Anna keine vier, sondern nur zwei Brüste hat.

Nein, ich sehe nicht doppelt, auch wenn neben mir zwei nackte Frauen schlafen, die aussehen wie Zwillingsschwestern.

Wie asiatische Zwillingsschwestern, um genau zu sein. Aber ich sehe das Bett nur einmal, und auch alles andere in diesem riesigen Raum.

Er ist vollgestellt mit irgendwelchen afrikanischen Holzfiguren, zwei Schaufensterpuppen, die mit Graffiti beschmiert sind und einem Pappaufsteller von George Clooney, an dessen Ohr ein Hamster knabbert. Rechts und links davon stehen ein paar ausgeschaltete Scheinwerfer, dahinter liegt ein großer Kühlschrank auf dem Boden, die Innenseite aufgeklappt.

Ich reibe mir die Augen, blicke an mir herab und stelle erstaunt fest, dass ich nackt bin. Irritiert schaue ich wieder zu den beiden schlafenden asiatischen Zwillingen; ihr Unterkörper ist von einer roten Decke verhüllt. Neben ihnen liegen mehrere benutzte Kondome. Sofort muss ich an das Versprechen denken, welches ich Anna gegeben habe.

Ich habe geschworen, ihr immer treu zu sein.

Ich richte mich auf und merke sofort, dass mir nicht nur der Schädel, sondern auch mein Hintern wehtut.

Erinnerungsfetzen ziehen vorüber, hastig lupfe ich die Decke über den Unterkörpern der Zwillinge.

»Verdammte Hamsterkacke!« Schnell ziehe ich die Decke wieder zurück.

Im nächsten Moment knarrt die Tür, sie wird aufgerissen und ein mir völlig unbekannter Mann torkelt volltrunken in das Zimmer. Er trägt eine blonde Fönfrisur, die aussieht wie ein aufgeplatztes Sofakissen. Schließlich bleibt er vor dem offenen, umgekippten Kühlschrank stehen und kotzt ansatzlos in das Gemüsefach.

Dann erst sieht er mich, wischt sich den Mund ab und hebt den Arm zum Gruß, als sei er die englische Königin. »War eine geile Party, oder?« Er torkelt zu mir und reicht mir einen zerknüllten Zettel. »Das ist die Kopie, die du … hicks … haben wolltest.«

Ich reibe mir die Stirn, hinter der immer noch alles dröhnt. »Kopie von was?«

Der blonde Mann mit der Sofakissenfrisur schwankt noch ein wenig herum, bevor er endlich antwortet. »Von dem Brief, den du gestern Abend … hicks … geschrieben hast.«

Ich falte den Zettel auseinander, die krakelige Schrift kenne ich nur zu gut. Es ist meine.

Liebe Alexa,

du bist die Frau meines Lebens!

Bevor ich dich kennengelernt habe, wusste ich gar nicht, was Liebe ist. Alle anderen Frauen verblassen neben dir.

Was immer auch passiert, eines darfst du nie vergessen:

Ich liebe dich.

Dein Matthias

Geschockt starre ich auf den Namen in der obersten Zeile. »Alexa?«, rufe ich.

»Hallo, Matthias«, antwortet eine Frauenstimme. »Soll ich dir noch mal den Maiskolben grillen, du böser Delfin?«

2

Stunden früher

Viele Häschen sind des Junggesellen Tod.
Kuno Klaboschke, deutscher Gebrauchsphilosoph

Diese verdammte Schnake hat mich schon in der Nacht genervt, doch anstatt sich im Schlafzimmer mit prallgefülltem Bauch auszuruhen, schwirrt sie jetzt auch noch in der Küche um uns herum.

Ich blicke ihr missmutig nach, Anna ignoriert sie und der Ober-Öko Morten hat sie wahrscheinlich noch gar nicht bemerkt, denn sie ist kein Wal, den er retten könnte. »Warum feiert ihr schon euren Junggesellenabschied, wenn ihr noch nicht mal den Hochzeitstermin kennt?«, fragt er, richtet seinen grauen Pferdeschwanz und rollt seine Bibel zusammen, also das Greenpeace Magazin.

Morten ist der beste Freund von Anna, arbeitet bei Greenpeace als Aktivist und ist das wandelnde Weltgewissen.

Jedenfalls, wenn es um Anna und mich geht.

Plötzlich zischt es und das zusammengerollte Greenpeace Magazin knallt so laut auf unseren Küchentisch, dass ich hochschrecke.

»Morten!«, ruft Anna.

»Damit rechnet keine Schnake.« Morten lächelt triumphierend und entsorgt sie ökologisch korrekt im Bio-Abfall. »Es mag hinterhältig sein, aber es ist effizient.«

»Schnaken können nicht lesen«, widerspreche ich. »Es ist ihnen ziemlich egal, ob du sie mit der AUTO BILD oder dem Greenpeace Magazin erschlägst.«

Morten zuckt mit den Schultern und deutet auf das Rückcover. »Ich hab sie jedenfalls erwischt.« Er beißt in sein Stückchen Tigerkaka – also Marmorkuchen – und lächelt. »Wer sich immer nur total korrekt verhält, wird irgendwann verrückt. Mückenjagd ist meine Art des Frustabbaus.« Er bemerkt unseren irritierten Blick und zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Außerdem hat diese Mückenplage, die Schweden jeden Sommer heimsucht, ihre natürliche Ausprägung weit überschritten.«

»Es ist Mitte März«, sage ich. »Kalendarisch ist das nicht mal Frühling.«

»Ich sag ja, die Mückenplage hat ihre natürliche Ausprägung überschritten.« Morten winkt ab, mustert Anna und mich. »Jetzt aber wieder zu euch. Findet ihr das eine gute Idee mit dem Junggesellenabschied? Das ist doch wieder so eine Tradition, die aus den USA kommt. In Deutschland und in Schweden feiert man eigentlich Polterabend am Vorabend der Hochzeit.«

»Und zerbricht dabei Kloschüsseln im Vorgarten der Braut«, sage ich. »Das wäre mir ja vielleicht egal, wenn wir nicht schon zusammenwohnen würden.« Ich grinse, doch niemand lacht.

»Das war ein Scherz«, erkläre ich schnell. »Die Eheleute müssen das ganze Porzellan ohnehin gemeinsam beseitigen, als erste Prüfung.« Ich blicke Morten an. »Aber denk doch mal an die Umweltfolgen.«

Morten seufzt. »In allem was ich tue, denke ich ständig an die Umweltfolgen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mir das auf den Sack geht.«

»Dann genieß den Junggesellenabschied doch einfach«, sage ich. »Du bist schließlich auch eingeladen.«

»Aber warum ist alles so kurzfristig?« Morten schaut uns fragend an. »Ich habe erst vor einer Woche die Einladung bekommen.« Er deutet auf seine Uhr. »Und in einer halben Stunde geht es schon los.«

»Ist es echt schon so spät?« Gestresst blicke ich auf mein Handy. Warum hat sich die verdammte Hamstersitterin noch nicht gemeldet?

»Also ich weiß schon seit über einem Monat, dass wir dieses Wochenende wegfliegen«, antwortet Anna. »Meine Trauzeugin Isabella hat sich tierisch ins Zeug gelegt.«

Morten seufzt. »Will sie jetzt kompensieren, dass sie dich fünfzehn Jahre nicht gesehen hat?«

»Sie ist nun mal in die USA ausgewandert«, entgegnet Anna. »Aber sie war sofort Feuer und Flamme und hat alles organisiert.«

»Mein Chef Kemal hat ein wenig Anlaufzeit gebraucht«, antworte ich. »Aber jetzt ist alles vorbereitet, oder?«

Morten nickt vorsichtig. »Ich verstehe immer noch nicht, dass dein Chef deinen Junggesellenabschied plant.«

»Er ist auch mein Freund«, antworte ich. »Außerdem kümmert er sich besser um meinen Junggesellenabschied, als dass er wieder irgendein Produkt erfindet, das am Ende niemand braucht. Ich sag nur: Dönereis.«

»Und wo fliegt ihr hin?«, fragt Morten und schaut Anna an. Klar, wo wir Männer hinfliegen, weiß er schließlich.

Im Gegensatz zu mir.

»Ich habe keine Ahnung.« Anna lächelt gespannt. »Ich weiß nur, dass wir morgen Abend gegen achtzehn Uhr wieder in Göteborg landen, eine Viertelstunde vor euch. Wenn alles klappt, sehen wir uns in nicht mal sechsunddreißig Stunden am Flughafen wieder.« Anna blickt mich verliebt an und ich gebe ihr einen Kuss.

Ich habe Anna in meiner alten Heimat bei IKEA kennengelernt. Nach einigen Verwechslungen mit der virtuellen Assistentin Anna von IKEA , sind wir schließlich ein Paar geworden, ich bin von Ludwigshafen-Oggersheim in die Göteborger Altstadt gezogen und habe Anna an Weihnachten einen Heiratsantrag gemacht.

Den sie freudestrahlend angenommen hat.

Vorher ist es zwar zu ein paar Komplikationen und Missverständnissen gekommen, aber die sind jetzt alle Geschichte.

Ich muss wieder an Weihnachten denken, es war wirklich schön, aber arschkalt.

Schweden eben.

Außerdem habe ich an Weihnachten noch George Clooney den Zweiten geschenkt bekommen, einen Hamster, der friedlich in der Wühlecke seines Indoorspielplatzes schläft. Den habe ich ihm eigenhändig gebaut. Und zwar ohne das Holz abzufackeln, an der falschen Stelle zu zersägen oder sonst etwas kaputt zu machen.

Okay, ich hab mit dem Hammer dreimal auf meinen Finger, statt auf den Nagel gehauen, aber für jemanden wie mich, der ein mehrfaches Diplom in Schusseligkeit besitzt, war der Bau des Hamsterspielplatzes eine Meisterleistung.

»Und wo fliegen wir hin?«, frage ich Morten. Hier herrscht immer noch tiefster Winter, schließlich ist März. Heute Morgen habe ich gesehen, wie ein Schneeglöckchen seinen Kopf aus dem Eis gereckt hat und sofort von der Kälte massakriert wurde.

Okay, kann auch sein, dass ich das geträumt hab, weil Anna mir in der Nacht manchmal die Decke wegzieht, aber ich hoffe inständig, dass wir in die Sonne fliegen.

Also nicht direkt in die Sonne, Mallorca würde mir schon reichen.

»Du weißt doch, ich musste hoch und heilig versprechen, nichts zu verraten«, sagt Morten. »Davon abgesehen war ich schon fast überall auf der Welt, aber an dem Ort noch nie. Also lasse ich mich genauso überraschen wie du.«

3

Eine lange Verlobungszeit gibt den Menschen Gelegenheit, vor der Ehe den Charakter des anderen kennenzulernen, was nie ratsam ist.
Oscar Wilde, britischer Schriftsteller

Noch bevor ich Morten weiter erfolglos löchern kann, klingelt es an der Tür. Anna und ich springen gleichzeitig auf, denn sie erwartet ihre Jugendfreundin Isabella und ich meinen Chef und besten Freund Kemal.

Allerdings erwarten wir noch dringender die Hamstersitterin für George Clooney den Zweiten, die ihn während unserer Abwesenheit füttern und ab und an in seinen geliebten Indoorspielplatz setzen soll.

Da ich es war, der mit der Hamstersitterin alles besprochen hat, gehe ich zur Tür, es klingelt erneut und ich höre von draußen ein Bellen.

Kaum habe ich die Tür geöffnet, schießt ein pink gefärbter Chihuahua durch den Schlitz und hüpft kläffend vor mir auf und ab.

Er trägt ein pinkfarbenes Halsband, welches an einer pinkfarbenen Leine hängt. Mein Blick folgt der Leine, eine etwa dreißigjährige Frau hält sie in ihren Händen. Sie trägt pinke High Heels, pinke Nylons, pinke Hotpants, ein bauchfreies pinkes Top, darüber ein pinkes Sakko, pinken Lippenstift, pinke Ohrringe und ein pinkes Haarband im – ich traue meinen Augen kaum – blonden Haar.

Miss Pink blickt mich an, als sei ich ein Dienstbote. »Ich bin Isabella della Stella«, sagt sie mit leicht amerikanischem Akzent. »Und das ist Mr. Dog. Ist meine beste Freundin Anna da?«

Womit zumindest geklärt wäre, dass sie nicht die Hamstersitterin ist. Was einerseits schlecht ist, andererseits gut, zumindest für die Farbe von George Clooneys Haarkleid. »Freut mich, dich kennenzulernen«, sage ich und reiche Isabella die Hand. »Anna ist in der Küche und ich bin ihr Verlobter …«

Weiter komme ich nicht, da halte ich schon die Hundeleine in der Hand, plus einen pinkfarbenen Napf samt Aufforderung, Mr. Dog ein Rinderfilet zu kredenzen, aber bitte fettarm. Außerdem müsse sein Trinkwasser exakt auf dreiundzwanzig Grad temperiert sein, sonst würde Mr. Dog immer so furzen.

Weil Annas Freunde auch meine Freunde sind, knie ich mich zu Mr. Dog hinab. Der bellt mich sofort an, als sei er hier zu Hause und ich der Briefträger, der das online bestellte Katzenfutter bringt. Im Augenwinkel sehe ich, wie Isabella della Stella und Anna sich umarmen. Meine Verlobte schaut mindestens genauso geschockt aus der Wäsche wie ich.

Denn Anna besitzt nur einen einzigen Lippenstift und Schminke habe ich an ihr bisher nur an Fasching gesehen.

Sie ist eben der natürliche Typ und genau das gefällt mir an ihr.

Wieder springt Mr. Dog kläffend an mir hoch. Ich würde ihm ja etwas zu essen geben, aber ich habe keine Ahnung, ob Hunde Tigerkaka essen dürfen. Denn selbst wenn ich Rinderfilet daheim hätte, würde ich es sicher nicht an einen Hund verfüttern – sondern lieber an mich.

Und Hamsternahrung mag Mr. Dog wahrscheinlich auch nicht.

Also stelle ich den Chihuahua erst mal ein Suppenschälchen mit etwas lauwarmem Wasser hin, woraufhin er freudig drauflosschlabbert.

Ich binde seine Leine an die Heizung und lege den immer noch schlafenden George Clooney in seinen Käfig, schließlich soll er auf keinen Fall als Chihuahua-Futter enden. Dann rufe ich zum dritten Mal am heutigen Morgen die Hamstersitterin an.

Sie geht erneut nicht ran. Ich schreibe ihr eine SMS und erinnere sie, dass wir in weniger als einer halben Stunde zum Flughafen fahren müssen.

Weil George Clooney erst seit wenigen Wochen bei uns wohnt, meinte Anna, wir könnten ihn auf keinen Fall allein lassen, denn kaum ist die Sonne untergegangen, will er sofort in den Indoorspielplatz. Und er macht einen riesen Rabatz, wenn es mal länger als fünf Minuten dauert, bis wir ihn dort reinsetzen.

Der Indoorspielplatz hat zwar dreißig Zentimeter hohe Wände, aber kein Dach und ist somit alles andere als hamsterausbruchssicher, weswegen wir George dort nur unter Beobachtung spielen lassen.

Und wenn wir ins Bett gehen, dann muss er wieder in den Käfig, was er bereitwillig akzeptiert, wenn er dort nur genügend zum Hamstern findet.

Ich bekomme eine SMS, und sehe erleichtert, dass die Nachricht von unserer Hamstersitterin stammt. Ich bin in fünf Minuten …, lese ich. Im nächsten Moment furzt es aus dem Flur so laut, als sei Mr. Methan dort eingezogen.

Sofort stürmt Isabella an mir vorbei in den Flur, schreit auf und bindet hastig Mr. Dogs Leine von der Heizung los. »Das ist Freiheitsberaubung!« Anschließend hält sie ihren Finger in das Wasserschälchen von Mr. Dog. »Mindestens zwei Grad zu warm.« Sie schüttelt vorwurfsvoll den Kopf. »Das Rinderfilet besorgen wir wohl besser am Flughafen.«

Bevor ich etwas entgegnen kann, kommt auch schon Anna zu uns in den Flur gelaufen. »Wir können dann los.«

Isabella mustert sie fragend. »Bist du etwa schon fertig?«

»Klar«, sagt Anna. »Ich muss nur noch die Schuhe und die Jacke …«

»Du gehst ungeschminkt auf die Straße?« Isabella blickt sie völlig entsetzt an, was jeder hätte nachvollziehen können, hätte sie das Wörtchen ungeschminkt durch nackt ersetzt.

»Ich kann ja im Flugzeug ein bisschen Lippenstift auftragen«, sagt Anna, zieht Jacke und Schuhe an und wendet sich dann mir zu. »Was ist mit der Hamstersitterin?«

»Ich kümmere mich darum.«

»Wir können den Kleinen auf keinen Fall hier allein zurücklassen.«

»Ich weiß«, sage ich und deute auf mein Handy. »Sie ist in fünf Minuten da.«

»Sicher?«

Ich nicke. »Du kannst beruhigt gehen. Genieß es.«

Anna atmet erleichtert aus und gibt mir einen Kuss. Sie blickt mir tief in die Augen. »Bist du mir auch treu?«

»Klar«, antworte ich und bin mir so tausendprozentig sicher, wie diese ganzen Fußballspieler, die nicht wissen, dass mehr als hundert Prozent bei einer derartigen Frage mathematisch unmöglich sind. »Ich schwöre es.«

Anna nimmt meine Hand. »Ich bin dir auch treu.«

»Das würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen.« Isabella schiebt Anna von mir weg, sodass wir uns zum Abschied nicht mal mehr küssen können. »Ich habe einen Stripper eingeladen, der so heiß ist, dass er ganz allein für die globale Erwärmung zuständig ist.« Sie lächelt süffisant. »Jedenfalls sobald er die Hose runtergelassen hat.«

4

Ich bin ganz bestimmt die letzte Person,
die Ratschläge erteilen sollte über, nun ja, alles.
George Clooney, US-amerikanischer Schauspieler

Kaum ist Anna mit der pinken Isabella in deren unglaublicherweise schwarzen Mietwagen gestiegen und davongedüst, schaue ich auf mein Handy. Ich will gerade die Nachricht der Hamstersitterin öffnen, als ein Taxi angeschossen kommt und vor unserer Haustür stoppt.

Die Tür schlägt auf und Kemal springt heraus. »Komische Land hier, Taxifahrer nix komme aus Türkei.« Er deutet auf den Fahrer. »Kannst du ihm sage, er solle warte, bis wir gleich fahre wieder Flughafe? Und sage, habe eilig.«

»Klar«, antworte ich und krame meine immer noch im Embryonalstadium befindlichen Schwedischkenntnisse heraus, um dem Taxifahrer zu erklären, dass er uns samt Kemal gleich wieder mitnehmen kann.

Dann umarme ich meinen Freund und Chef. »Wie war die Reise?«

»Alles perfekt organsiert von meine neue Assistentin.«

»Hast du jetzt eine Sekretärin?«

Kemal winkt ab. »Ich erkläre später.«

Ich stelle ihm Morten vor, der unsere Koffer schon mal in das Taxi bringt.

»Könne wir los?«, fragt Kemal und blickt auf die Uhr. »Sind spät dran.«

»Unsere Hamstersitterin müsste jeden Moment kommen«, antworte ich und öffne ihre Nachricht auf meinem Handy. Ich bin in fünf Minuten an der Grenze, es wird also noch zwei Stunden dauern, bis ich bei euch bin. Sorry :-).

Geschockt wähle ich ihre Nummer. Nach dreißig Sekunden Dauerklingeln geht sie ran. »Das ist ein Scherz, oder?«, frage ich.

»War so schönes Wetter in Kopenhagen«, flötet sie. »Da hab ich glatt die Zeit vergessen. Wann geht noch mal euer Flug?«

»Jetzt!«

»Heißt das, ich hab mich umsonst beeilt?«

»Kennst du jemanden, der kurzfristig einspringen kann?«, frage ich.

»Ihr lasst meinen Job platzen und ich soll euch auch noch dabei helfen?«

Es gibt Leute, die geben anderen selbst dann die Schuld, wenn sie alles ganz allein falsch gemacht haben. Unsere Hamstersitterin gehört offensichtlich dazu, also lege ich auf, denn das Taxi wartet zwar, unser Flugzeug aber ganz bestimmt nicht.

Ich rufe Kemal und Morten zu mir und führe sie zum Hamsterkäfig, in dem George Clooney der Zweite friedlich schläft. »Krisensitzung«, sage ich. »Unsere Hamstersitterin hat uns im Stich gelassen.«

»Dann lass ihr doch den Schlüssel im Briefkasten«, sagt Morten.

»Geht nicht«, antworte ich. »Schließlich braucht sie, um den zu öffnen, einen Briefkastenschlüssel. Und den kann ich nicht zu ihr beamen.«

»Und was ist mit Nachbarn?«, fragt Kemal.

Ich schüttle den Kopf. »Das hier ist ein kleines, schmuckes Einfamilienhäuschen, wir haben keine Nachbarn. Und die Personen, die in den Häusern neben uns wohnen, kenne ich nicht. Göteborg ist eine Großstadt.«

Morten atmet tief aus. »Und wenn du den Schlüssel irgendwo versteckst?«

»Vor den Augen des Taxifahrers? Und die ganzen Passanten, das fällt doch auf.« Ich deute auf die unzähligen Fußgänger, welche die Altstadt bevölkern.

Morten runzelt die Stirn. »Also muss der Greenpeace-Mann daheim bleiben und auf den Hamster aufpassen?«

»Vielleicht gibt es noch eine andere Option«, sage ich. »Kemal, ist mein Junggesellenabschied hamstertauglich? Ja oder nein?«

»Wie du meine?«

»Na, gehen wir in ein Falkengehege oder besuchen wir eine Luchsfarm? Oder irgendwohin, wo es der kleine Racker hier nicht überleben könnte?«

Kemal schüttelt den Kopf. »Willst du mitnehme Hamster? Als was, Proviant?«

»Quatsch.« Ich winke ab. »Die Trauzeugin von Anna hat einen Chihuahua dabei, da können wir einen Hamster mitnehmen, oder?«