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Der Autor und die Autorin

Dr. Dierk Borstel ist Professor für praxisorientierte Politikwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund. Studium der Politikwissenschaft in Bamberg, Marburg und Berlin, Promotion im Fach Politikwissenschaft an der Universität Greifswald. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Greifswald und Bielefeld. Lehrbeauftragter an den Universitäten in Berlin, Greifswald, Rostock, Bielefeld und der Fachhochschule Dortmund. Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: Rechtsextremismus und -populismus, Demokratische Kulturforschung, Gewalt- und Konfliktforschung sowie Fragen der Radikalisierung und Deradikalisierung.

Dr. Ute Fischer ist Professorin für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund. Studium der Volkswirtschaftslehre und Soziologie an der Universität Dortmund, Promotion und Habilitation im Fach Soziologie. Vertretungsprofessorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck. Arbeitsschwerpunkte und Veröffentlichungen: Gender, Arbeit, Anerkennung und Lebenssinn, demokratische Partizipation, Bedingungsloses Grundeinkommen und Sozialstaat.

Dierk Borstel, Ute Fischer

Politisches Grundwissen für die Soziale Arbeit

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030595-3

E-Book-Formate:

pdf:         ISBN 978-3-17-030596-0

epub:      ISBN 978-3-17-030597-7

mobi:      ISBN 978-3-17-030598-4

Vorwort zur Reihe

 

 

 

Mit dem so genannten »Bologna-Prozess« galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin »berufliche Handlungsfähigkeit« zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)-freundliche Gestaltungselemente, wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

 

Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

Zu diesem Buch

 

 

 

Politisches Grundwissen ist die Basis für politisches Handeln. Erst wenn bekannt ist, wer für welche Idee und Forderung der bzw. die rechte Ansprechpartner*in ist, wenn deutlich wird, wo Gestaltungsräume liegen und über welche Wege man sie beschreiten kann, dann wird Handeln möglich und erfolgversprechend. In diesem Lehrbuch wird solches Grundwissen entlang praktischer Gestaltungsfragen entwickelt und dargestellt. Es greift über eine im engeren Sinn verstandene Sozialpolitik hinaus und öffnet das politische Denken in einem weiteren Verständnis von Politik.

Politische Gestaltung beginnt in der Wahrnehmung von Problemen oder von nicht mehr angemessenen Lösungen bisheriger Verfahrensweisen. Fällt etwa die Finanzierung des Jugendzentrums weg oder werden vermehrt Schmierereien mit ausländerfeindlichem Inhalt an den Häuserwänden des Stadtviertels entdeckt, ist politisches Denken und Handeln gefragt. Dieses Buch wendet sich unmittelbar an die Profession der Sozialen Arbeit. Ihre Praxis wird zunehmend vielfältiger, und neue Herausforderungen sind erkennbar. Einerseits findet Soziale Arbeit konkret vor Ort und somit eingebunden in kommunalpolitische Prozesse und Entscheidungen statt. Andererseits reagiert sie auf Vorgaben von Bund und Ländern und ist konfrontiert mit den Auswirkungen globalisierter politischer Entwicklungen.

Das Buch erläutert direkt adressiert an Sozialarbeiter*innen diejenigen politischen Verfahren, Themen und Zusammenhänge, die sich in der Praxis der Sozialen Arbeit als relevant und wichtig erwiesen haben, wie Kommunalpolitik und -verwaltung, das politische System und seine Entwicklung, Sozialpolitik, demokratische Beteiligung, politische Entwicklungen in Europa und weltweite Einflüsse auf heimische Zustände.

Bedeutung im Studium und für die Berufspraxis

Der Leitgedanke der Argumentation besteht über alle Themengebiete hinweg darin, dass sich Soziale Arbeit in mehrfacher Hinsicht als politische Arbeit verstehen muss, wenn sie den Anforderungen an Professionalität gerecht werden will: Zum einen betrifft das die eigenen Arbeitsbedingungen und politisch gesetzten Rahmenbedingungen durch finanzielle und inhaltlich bestimmte Aufgaben und Ziele. Zum anderen sind auch die Adressant*innen der Sozialen Arbeit in ihren Lebensentwürfen und Möglichkeiten, sie zu realisieren, beeinflusst von gesellschaftlichen und politisch gegebenen Rahmenbedingungen (soziale Mobilität, Ausgleich von Ungleichheitslagen etc.). Gerade diese Klientel verfügt aber häufig nicht über Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, oder über eine Diskursmacht. Deutlich seltener beteiligen sie sich an Wahlen oder anderen Formen demokratischer Einflussnahme. Daher besteht die Aufgabe Sozialer Arbeit u. a. in der Rolle von Multiplikation und stellvertretender Willensbildung sowie als Vorbild und Hilfe für politische Beteiligung und Artikulation. Um diesen Rollen gerecht zu werden, braucht es nicht alleine Grundkenntnisse der Sozialpolitik, ihrer Leistungen, Ansätze und Ziele, sondern auch Grundkenntnisse über Möglichkeiten und Grenzen des politischen Handelns vor Ort, auf Bundesebene aber auch darüber hinaus in internationalen Kontexten, z. B. auf europäischer Ebene.

Aufbau und methodische Konzeption

Allgemeine Grundkenntnisse bilden das inhaltlich-fachliche Fundament der einzelnen Kapitel. Die Grundlagen werden so dargelegt, dass sie scheinbar komplizierte Zusammenhänge und Begrifflichkeiten durchschaubar machen. Hier steht der Erwerb von Sachkompetenz im Vordergrund. Die Lesbarkeit und das fachliche Interesse werden zusätzlich erhöht durch Fallbeispiele, die im jeweiligen Themenfeld auf prägnante Weise das spezifische Handlungsproblem in Szene setzen. Da wäre etwa die Problematik der bevorstehenden Schließung eines Jugendzentrums. Diese praxisnahen und für die Soziale Arbeit relevanten Fälle werden häufig durch zwei fiktive Protagonisten – Sara Tuna und Alex Bogdanow – präsentiert. Die beiden jungen Sozialarbeitenden helfen innerhalb ihres Erfahrungshintergrundes die betreffenden Entscheidungsstrukturen, einschlägige Akteur*innen, demokratische Willensbildungsprozesse, Werte, wie Pluralität, Autonomie etc., zu veranschaulichen und im beispielhaften Durchdenken besser verständlich zu machen. So wird nicht nur das Wissen nachhaltiger verankert, sondern auch die Kompetenzen im Umgang mit konkreten Problemen und Handlungsanforderungen verfestigt. Insofern vermittelt die Auseinandersetzung mit konkreten Fällen zugleich Methoden- und Handlungs- wie auch Urteilskompetenz.

 

Prof. Dr. Dierk Borstel, Prof. Dr. Ute Fischer, Dortmund

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort zur Reihe
  2. Zu diesem Buch
  3. 1 Einführung
  4. 1.1 Politik in der Sozialen Arbeit
  5. 1.1.1 Politikverständnis und -begriffe
  6. 1.1.2 Soziale Arbeit als Adressatin von Politik
  7. 1.2 Soziale Arbeit als politische Arbeit
  8. 1.2.1 Selbstverständnis der Profession
  9. 1.2.2 Wege der Einflussnahme
  10. 1.3 Grundkenntnisse für Soziale Arbeit
  11. 2 Kommunalpolitik
  12. 2.1 Grundlagen der Kommunalpolitik
  13. 2.2 Kommunales System
  14. 2.3 Weitere kommunale Akteur*innen
  15. 2.4 Direkte Demokratie vor Ort
  16. 2.5 Zusammenführung für die Soziale Arbeit
  17. 3 Das politische System in Deutschland
  18. 3.1 Grundgesetz und Staatsverständnis
  19. 3.2 Politische Institutionen im Föderalismus (Polity)
  20. 3.3 Politische Entscheidungen in Bund und Land (Politics)
  21. 3.3.1 Wahlen
  22. 3.3.2 Parteien
  23. 3.3.3 Parlamente und Regierungen
  24. 3.4 Politische Öffentlichkeit im Politikzyklus
  25. 4 Sozialpolitik: Ziele – Wege – Folgen
  26. 4.1 Der deutsche Sozialstaat: Ziele und Prinzipien
  27. 4.1.1 Legitimation
  28. 4.1.2 Prinzipien: Freiheit, Gleichheit, Solidarität
  29. 4.2 Ausgestaltung der Sozialpolitik
  30. 4.2.1 Leistungsspektrum
  31. 4.2.2 Sozialpolitik im Wandel
  32. 4.3 Praktische Umsetzung
  33. 4.3.1 Beispiel »Ausbau der Kleinkindbetreuung«
  34. 4.3.2 Folgen der Ökonomisierung
  35. 4.4 Alternativen
  36. 4.4.1 Verschiedene Wege: Wohlfahrtsstaatstypen im Vergleich
  37. 4.4.2 Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE)
  38. 5 Demokratie und Beteiligung
  39. 5.1 Grundlagen und Definitionen
  40. 5.1.1 Was ist Demokratie?
  41. 5.1.2 Was heißt Demokratieentwicklung?
  42. 5.1.3 Was ist eine Bürgergesellschaft?
  43. 5.2 Partizipation
  44. 5.2.1 Engagement in Parteien
  45. 5.2.2 Neue Soziale Bewegungen
  46. 5.2.3 Selbstgründungen
  47. 5.2.4 Beteiligungsprojekte
  48. 5.2.5 Onlinebasierte Verfahren und Kampagnen
  49. 5.3 Demokratiediagnosen und aktuelle Problemstellungen
  50. 5.3.1 Empirische Studien
  51. 5.3.2 Begrenzung demokratischer Handlungsfreiheit
  52. 5.3.3 Postdemokratie oder Parteienstaat
  53. 5.3.4 Die Republik der Alten und die fehlende Beteiligung der Jungen
  54. 5.3.5 Wandlungen in der Bürgergesellschaft
  55. 5.3.6 Extremismus als Gefahr der Demokratie?
  56. 5.4 Zusammenführung für die Soziale Arbeit
  57. 6 Europapolitik
  58. 6.1 Europäische Integration – Theorie und Geschichte
  59. 6.1.1 Drei Gründe für eine europäische Integration
  60. 6.1.2 Gegner*innen der europäischen Integration
  61. 6.1.3 Theorien der europäischen Integration
  62. 6.1.4 Geschichte der europäischen Integration
  63. 6.2 Institutionen der Europäischen Union
  64. 6.3 Europäische Sozialpolitik
  65. 6.4 Krisendiagnosen der europäischen Integration
  66. 6.5 Zusammenführung für die Soziale Arbeit
  67. 7 Globale Probleme vor Ort
  68. 7.1 Theoretische Grundlagen der internationalen Politik
  69. 7.2 Konfliktanalyse 1: Klimapolitik und ihre Folgen
  70. 7.3 Konfliktanalyse 2: Flüchtlingspolitik
  71. 7.3.1 Flucht – eine erste Annäherung
  72. 7.3.2 Theoriebezogenes Basiswissen zur Flucht
  73. 7.3.3 Grundideen der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik
  74. 7.3.4 Flüchtlingspolitik
  75. 7.3.5 Fluchtursachen bekämpfen? – Die Herausforderung
  76. 7.4 Zusammenführung für die Soziale Arbeit
  77. Literaturverzeichnis
  78. Abbildungsverzeichnis
  79. Tabellenverzeichnis
  80. Stichwortverzeichnis

1          Einführung

 

 

 

Sozial wird im Alltagsverständnis häufig mit gerecht übersetzt. Wenn jemand als sozial gilt, dann ist damit auch hilfsbereit gemeint, ausgleichend, auf andere, ihre Interessen und Bedürfnisse bezogen. Soziale Arbeit, so könnte man daraus schließen, ist das Gegenteil von Politik. Denn Politik heißt, eigene Interessen erkennen, formulieren und durchzusetzen versuchen. Politik bedeutet also Konflikt, sie ist Auseinandersetzung, nicht Harmonie. Sie verlangt Durchsetzungskraft und Klarheit, Fingerspitzengefühl und Kreativität, aber nicht Einfühlung im professionellen Sinne der Sozialen Arbeit. Was hat Soziale Arbeit also mit Politik zu tun? Warum ist dieses Themenfeld Teil des Studiums der Sozialen Arbeit, warum ist es für die Professionalität bedeutsam?

Soziale Arbeit ist wie kaum ein anderes Berufsfeld unmittelbar durch Politik beeinflusst, mehr noch: durch sie überhaupt erst entstanden. Als Antwort auf soziale Problemlagen ist sie aus historisch anderen Lösungen – wie etwa die kirchliche Armenfürsorge – als staatliche Aufgabe erst im 19. Jahrhundert wahrgenommen worden. Wahrgenommen im doppelten Wortsinn: erkannt und gestaltet, zunächst im kommunalen Rahmen. Doch Soziale Arbeit ist nicht einfach nur ein Teil der öffentlichen Verwaltung, eine Vollstreckerin staatlicher Vorgaben. Ihre Aufgabengebiete, Arbeitsformen und Ziele sind heutzutage vielfältig. Sie bewegen sich innerhalb des Raums öffentlicher Verwaltungen, wie des Jugend- und Sozialamts, sowie außerhalb der Kommunalverwaltungen, aber in staatlicher Trägerschaft, wie z. B. die Schulsozialarbeit. Zudem gibt es private, wie auch betriebliche Angebote etwa im Gesundheitsbereich oder als Beratungsleistungen. Auch gemeinnützige Einrichtungen, wie die freie Wohlfahrtspflege oder Selbsthilfegruppen, finden sich in der Sozialen Arbeit.

Der Einfluss der Politik auf die Aufgaben und Rahmenbedingungen, etwa die Finanzierung und den rechtlichen Handlungsspielraum der Sozialen Arbeit, ist in den einzelnen Feldern unterschiedlich stark ausgeprägt, aber immer vorhanden. Politik kann so weit gehen, dass sie Klient*innengruppen sieht und benennt, andere aber für nicht existent oder beachtenswert erklärt. Wenn sich etwa eine Stadt als drogenfrei wahrnimmt oder als frei von Rechtsextremismus darstellt, wird es schwer für Soziale Arbeit, Drogenhilfe oder Rechtsextremismusprävention anzubieten. Auch die konkreten Arbeitsbedingungen werden meist durch gesetzliche Vorschriften beeinflusst, z. B. durch gestiegene Vorschriften zur Dokumentation der Arbeit mit Klient*innen. Die Auffassungen von sozialer Gerechtigkeit und die Akzeptanz von Ungleichheiten oder Ausgrenzungen sind politisch bedeutsam, denn sie fließen von den Überzeugungen der Wählerschaft über politische Entscheidungen ihrer Repräsentanten in die Verordnungen und gesetzlichen Regelungen der Praxis ein. Und schließlich beeinflusst die Politik auch die Lebenslagen und die Lebensbedingungen möglicher Klient*innen sowohl materiell z. B. als Mittelkürzungen als auch normativ in Form von Normalitätsvorstellungen eines anerkannten Lebensentwurfs und einer wertgeschätzten Lebensführung.

Während die Abhängigkeit der Sozialen Arbeit von politischen Entscheidungen offensichtlich ist, wird andersherum über den politischen Gestaltungsauftrag Sozialer Arbeit – ihr politisches Mandat – immer wieder heftig gestritten. Daher führt dieses Kapitel in den Zusammenhang von Politik und Sozialer Arbeit in mehreren Schritten ein.

1.  Ausgehend von einer Klärung möglicher Auffassungen von Politik wird die Soziale Arbeit selbst als ›Betroffene‹ von Politik beleuchtet. Welche politischen Entscheidungen sind bedeutsam für die Praxis (Images Kap. 1.1)?

2.  Im zweiten Teil wird der Blickwinkel umgedreht: Wie kann Soziale Arbeit selbst politisch handeln? Warum und entlang welcher Werte und Haltungen kann sie dies tun? Mit welchem Selbstverständnis der Profession geschieht es? Wie denkt Soziale Arbeit politisch? Und welche Mittel stehen zum Handeln zur Verfügung? Was darf eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter überhaupt und warum (Images Kap. 1.2)?

3.  Aus den Antworten auf diese Fragen werden die nötigen Grundkenntnisse abgeleitet, wenn Sozialarbeitende erfolgreich im politischen Raum bestehen wollen (Images Kap. 1.3).

Alex Bogdanow und Sara Tuna, die beiden jungen Sozialarbeitenden, die durch dieses Buch führen, haben ihre Lektionen mühsam und manchmal bitter lernen müssen. Sie lassen die Leser*innen an ihren Erfahrungen teilnehmen durch Beispiele aus ihrem Alltag, weil sie ihnen wünschen, dass sie besser vorbereitet in die Berufspraxis starten. Dabei verdeutlichen sie, welche politischen Themen von Belang sind, und nehmen die Perspektive der Betroffenen ein. So zeigen sie, wie sich sozialpolitische Entscheidungen auf ihre eigene Arbeit auswirken, etwa wenn die Kommune die Mittel für die Finanzierung des Jugendzentrums kürzt. Ihre Bedeutung für Klient*innengruppen, wie z. B. für Flüchtlinge, kristallisiert sich dann heraus, wenn zwar Menschen in Not aufgenommen werden, aber ihre Unterkünfte Männer und Frauen auf engstem Raum beherbergen.

1.1       Politik in der Sozialen Arbeit

Bevor geklärt werden kann, inwiefern politische Entscheidungen die Ziele, Aufgaben und Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit beeinflussen und bestimmen, stellt sich zunächst die Frage, was unter Politik zu verstehen ist.

Sara Tuna und Alex Bogdanow dachten anfangs, es sei doch klar: Politik ist, was in Parlamenten diskutiert und dort beschlossen wird. In Form neuer Gesetze und Vorschriften erreicht sie dann die Bürger*innen, die Klient*innen ebenso, wie sie als Sozialarbeitende in der Praxis. Doch Politik lässt sich viel weiter fassen, als dieses enge Verständnis vorgibt.

1.1.1     Politikverständnis und -begriffe

Was Politik sei, darüber sind schon Debatten in der Antike geführt worden. Ursprünglich meint der Begriff die Stadt, abgeleitet vom griechischen Wort Polis. So verstanden wären alle Belange, die die öffentlichen Angelegenheiten betreffen, politisch. Alle Regeln und Entscheidungen außerhalb des Hauses – heute würde es Privatsphäre genannt werden – gehören dazu. Politik bedeutet nicht nur das Regieren und die Ausübung von Macht, sondern auch die Beteiligung an der Willensbildung zur Gestaltung des Gemeinwesens außerhalb der gewählten Parlamente und öffentlichen Verwaltungen.

Eine hilfreiche, wenn auch vereinfachte Vorstellung der Vielschichtigkeit von Politik stellt die englische Sprache bereit. In den Politikwissenschaften werden für das deutsche Wort Politik drei Begriffe aus der englischen Sprache genutzt, um mehrere Dimensionen zu benennen: Policy – Polity – Politics.

•  Mit Policy sind die Inhalte der Politik gemeint. Dazu gehören die Programme der Parteien, die Koalitionsverträge, Regierungserklärungen und die Beschlüsse der parlamentarischen Gremien. Ebenso sind darunter aber auch die Diskussionen um aufgefundene Probleme zu fassen und daraus abgeleitete Lösungsvorschläge. Ein Beispiel wäre etwa, wenn Jugendliche einer Kleinstadt in der Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass es kaum Orte für sportliche Betätigung und Geselligkeit außerhalb von Vereinen gibt. Unterbreiten sie ihren Vorschlag, eine Skateranlage zu errichten, fordern sie also eine konkrete Problemlösung, dann bewegen sie sich im Feld der politischen Inhalte, der Policy.

•  Polity bezeichnet das jeweilige politische System eines Staates. Dazu gehören die Institutionen und Gremien, in denen die Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden, also Parlamente, Regierungen, Verwaltungen sowie die darin vorgeschriebenen Regeln und Abläufe. Die Verfassung, in Deutschland Grundgesetz (GG) genannt, bildet dafür die Grundlage. Jede Menge Verfahrensvorschriften bis hin zu Geschäftsordnungen, Wahl- und Abstimmungsverfahren sorgen für einen ordentlichen und das heißt auch transparenten Ablauf der Entscheidungsprozesse. Im Beispiel der Jugendlichen, die ihre Skateranlage durchsetzen wollen, ist es also wichtig zu wissen, wer in der Gemeinde über solche Themen entscheidet und an welchem Ort ihr Vorschlag auf die Tagesordnung und zur Entscheidung kommen kann.

•  Unter Politics werden die Prozesse verstanden, die zur Durchsetzung von Interessen und Forderungen durchlaufen werden müssen. Dabei ist zu beachten, wer welche Interessen verfolgt, auf welchem Wege eine Einigung erzielt werden kann oder wie sich verdichtende Konflikte lösen lassen. Wer kann seine Macht auf welche Weise mobilisieren und sich durchsetzen? Hierbei spielt auch die politische Kultur eine wichtige Rolle. Darunter wird verstanden, welche Werte und Überzeugungen, welche Haltungen und Konflikterfahrungen vorliegen. Die Jugendlichen brauchen für die Durchsetzung ihrer Idee der Skateranlage z. B. starke und wortgewaltige Bündnispartner, weil sie nicht selbst im Stadtrat stimmberechtigt sind und die Entscheidungen direkt beeinflussen können. Wenn sie Klarheit darüber haben, wie die Interessenlage im Rat der Stadt, aber auch in der Öffentlichkeit verteilt ist, wer mögliche Unterstützer sind und auf welche früheren gemeinsamen Aktionen, vielleicht auch Erfolge sie aufbauen, können sie ihre Forderung auf einen erfolgversprechenden Weg bringen.

Im praktischen Handeln sind diese Begriffe gar nicht mehr abstrakt. Sie fügen sich in einen typischen Ablaufprozess beim Nachdenken über ein politisches Problem und dessen mögliche Lösung ein. Die folgende Übersicht listet exemplarisch die Aspekte auf (Images Tab. 1), über die sich politische Akteur*innen Klarheit verschaffen müssen, wenn sie eine politische Idee oder Forderung durchsetzen, also erfolgreich Politik gestalten wollen.

Tab. 1: Politisches Handeln zur Durchsetzung von Forderungen

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InhaltFragen

Sara Tuna und Alex Bogdanow nutzen dieses Raster bei ihrer Besprechung. Die Lage ist ernst. Das Jugendzentrum, in dem sie beide auf einer unbefristeten Stelle arbeiten, ist von Mittelkürzungen durch die Stadt bedroht. Die Haushaltsverhandlungen stehen bevor, und die Absicht des Stadtrates, den Jugendclub als freiwillige Aufgabe nicht mehr zu finanzieren, ist ihnen durch Kontakte zu einer im Stadtrat vertretenen Partei zugetragen worden. Wenn nicht alle geschaffenen Räume, Strukturen und Angebote entfallen sollen, muss entschlossen gehandelt werden.

Sie diskutieren ihre Möglichkeiten entlang der aufgelisteten Dimensionen und haben auf den ersten Blick den Eindruck, dass sie in einer schwachen Verhandlungsposition sind, denn die Kommune ist tatsächlich knapp bei Kasse und kann kaum ihre Pflichtaufgaben, wie die Bereitstellung von Feuerwehr und Schulen, erfüllen. Auf freiwillige Aufgaben, wie die Finanzierung des Jugendzentrums, muss sie verzichten. Die Ausgangslage ist also ungünstig. Doch dann eröffnen sich einige ungeahnte Möglichkeiten. Denn nach einigen Gesprächen mit Mitgliedern verschiedener Parteien stellt sich heraus, dass manche Ratsmitglieder für den Erhalt des Jugendzentrums stimmen würden. Auch andere Gruppen in der Stadt, wie die ansässige Wirtschaft, Elternvereine, der Träger der Ganztagsschulangebote, einige Sportvereine und so manche mehr, sind sich gar nicht so einig darüber, dass auf ein Jugendzentrum verzichtet werden kann. Bei der Suche nach Zuständigkeiten stellen die beiden fest, dass nicht nur der Stadtrat entscheidet, sondern auch das Jugendamt und besonders der Kinder- und Jugendhilfeausschuss hier mitzureden hat. Die politische Kultur der Stadt macht ihnen zudem Mut, eine erste Versammlung einzuberufen. Denn ein bunter Protest mit kreativen Aktionen, die die Öffentlichkeit und die Presse aufmerksam machen, war schon einmal erfolgreich. Genau dieses Jugendzentrum ist vor 20 Jahren aus der gewaltfreien Besetzung einer verlassenen Fabrik entstanden. Damals haben viele Einwohner*innen der Stadt die Besetzer*innen unterstützt und die Idee, das Fabrikgebäude in ein Jugendzentrum zu verwandeln, mitgetragen. Auf diese Handlungsbereitschaft können Alex Bogdanow und Sara Tuna bauen.

Auf einer ersten einberufenen Versammlung geht es darum, Vorschläge für die Rettung des Jugendzentrums einzuholen und die besten auszuarbeiten. Da viele verschiedene Akteur*innen gekommen sind, stehen am Ende eine Reihe von Ideen für das weitere Vorgehen auf der Liste. Im Kapitel 1.2.2 werden sie wieder aufgegriffen.

1.1.2     Soziale Arbeit als Adressatin von Politik

Der politische Bezug der Sozialen Arbeit lässt sich unter drei Aspekten zusammenfassen:

1.  Politik setzt Ziele und Arbeitsaufträge der Sozialen Arbeit fest. Sie bestimmt also Arbeitsfelder von öffentlichem Interesse und schafft dafür die (sozial-)rechtlichen Grundlagen. Politikfelder mit direkter Bedeutung für die Ausgestaltung der Sozialen Arbeit sind z. B. die Sozialpolitik oder die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik ebenso, wie die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. So hat sie erheblichen Einfluss auf die Soziale Arbeit z. B. im Jobcenter, wenn als Ziel der Beratung die Rückkehr der sogenannten Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt vorgegeben ist. In der gegenwärtigen Sozialpolitik gilt dieser Erfolgsmaßstab unabhängig davon, welche Qualifikationen, Fähigkeiten und Interessen die zu beratende Person hat. Mit solchen Vorgaben werden auch die Rahmenbedingungen des beruflichen Handelns politisch bestimmt. Aus einer bestimmten Anzahl von Klient*innen müssen die gerade zur Finanzierung ausgeschriebenen Maßnahmen vergeben werden. Maßstäbe des Controllings, der betriebswirtschaftlichen Sicht auf Abläufe, leiten die Entscheidungen damit stärker als fachliche und auf den Fall bezogene Kriterien. Diese aktuelle Ausrichtung wird unter dem Schlagwort der »Ökonomisierung des Sozialen« dahingehend kritisiert, dass die Professionalität des Handelns untergraben werde. Dieser Zusammenhang schlägt sich auch im nächsten Aspekt nieder.

2.  Politik entscheidet, für welche öffentlichen Tätigkeiten finanzielle Mittel in welcher Höhe bereitgestellt werden. Damit geht auch die Entscheidung einher, was nicht für finanzierungswürdig gehalten wird, sei es aus der Bewertung als nicht wichtig genug heraus oder als gar nicht existentes Problem. Die Aufgaben müssen – trotz staatlicher Finanzierung – nicht immer auch in staatlicher Regie erbracht werden. Stattdessen hat sich historisch eine Trägervielfalt entwickelt, die neben öffentlichen Einrichtungen auch gemeinnützige, betriebliche und private Anbieter umfasst. Doch weitgehend unabhängig davon, in welchem organisatorischen Rahmen die Arbeit verrichtet wird, hängt sie in den meisten Fällen von staatlicher Finanzierung ab. Das gilt für die Arbeit von Schulsozialarbeitenden beispielsweise genauso, wie für die aufsuchende Soziale Arbeit mit Wohnungslosen. Wird hier gespart, hat es Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen. Steigende Fallzahlen, knappe Personaldecke, hohe Fluktuation aufgrund befristeter Arbeitsverträge und immer häufiger mit Burn-out belastete Kolleg*innen sind nur einige Beispiele für ungünstige Handlungsbedingungen.

3.  Politik regelt und reglementiert die Handlungen in der Praxis durch Vorschriften, wie Seithe (2013, S. 26) schreibt: »Begrenzung auf Case Management und fünf Sitzungen oder die Verpflichtung zur ausführlichen Dokumentation und Nutzung der vorgegebenen Software.« Spätestens auf dieser unmittelbaren Handlungsebene stellt sich die Frage, welche Freiheiten und Vorgaben für die Ausübung des Berufs der Sozialarbeiterin oder des Sozialarbeiters notwendig sind, um die Professionalität zu erhalten und zu fördern. Oft widersprechen die Anordnungen den Erkenntnissen der Wissenschaft der Sozialen Arbeit ebenso, wie den Erfahrungen der Praxis, auch wenn die Regelungen zur Qualitätssicherung oder zur Stärkung der Selbsthilfe gedacht waren. Also selbst wenn Ziele und Aufgaben richtig klingen, kann es auf der Handlungsebene zu Widersprüchen kommen.

Wie stark die Arbeit des einzelnen Sozialarbeitenden von politischen Rahmenbedingungen abhängt, zeigt ein prägnanter Vergleich, den Seithe (2013, S. 25) heranzieht. Es wird von einem Dachdecker berichtet, der sich weigert, den Anweisungen der Bauleitung zu folgen und mit den Baumaßnahmen zu beginnen, obwohl das vorgesehene Baugerüst noch nicht aufgebaut, geschweige denn geprüft und abgenommen war. Während sich dieser Dachdecker über seine Rechte und die geltenden Sicherheitsbestimmungen im Klaren ist, ergeht es vielen Sozialarbeitenden in der Praxis anders. Sie beginnen mit den ›Baumaßnahmen‹, ohne über das fehlende Gerüst zu murren. Aus Unwissenheit, aus einem Gefühl der Unterlegenheit oder anderen Gründen überfordern sie sich, statt auf angemessene Rahmenbedingungen zu beharren. Sie versuchen, das Beste für die Klient*innen aus der Situation herauszuholen, auch wenn sie unter steigenden Fallzahlen, fehlendem Personal und dauernden Überstunden leiden.

Dabei wird häufig übersehen, dass ungünstige Arbeitsbedingungen professionelles Handeln unterlaufen. Dies kann auf allen drei Ebenen der Fall sein: Die Ziele und Arbeitsaufträge können an den Bedürfnissen und Lebensvorstellungen der Klient*innen vorbeigehen. Dann stellt sich die Frage, inwiefern Soziale Arbeit einen Anpassungsauftrag hat oder die Individuen mit eigenem Willen und einem laut Grundgesetz gewährleisteten Anspruch auf eine freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) unterstützen muss. Die Finanzierung kann so knapp sein, dass sowohl die Lebensverhältnisse der Sozialarbeitenden selbst als auch die Ausstattung der Arbeitsstellen und Einrichtungen in Konflikt stehen mit notwendigen Handlungsbedingungen. Und schließlich können die Reglementierungen des Praxishandelns in Widerspruch geraten zu professionellen Anforderungen an den Umgang mit den Klient*innen, z. B. zur notwendigen Länge und Zieloffenheit einer Fallberatung.

Solche Widerspruchskonstellationen umschreiben das Spektrum an Hindernissen für professionelles Handeln. Es ist daher Aufmerksamkeit gefragt bei der Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen und bei der Formulierung von Aufgaben und Zielen. Auch wohlklingende Werte und Arbeitsaufträge, wie etwa Empowerment und Partizipation, können noch zur Instrumentalisierung von Sozialarbeiter*innen und Klient*innen führen, nämlich dann, wenn in der Ermächtigung nur an die auf dem Arbeitsmarkt Leistungsfähigen gedacht wird. Oder wenn die Teilhabe nicht zur Demokratisierung von Entscheidungen führt, sondern schlicht staatliche Aufgaben aus Kostengründen ins Ehrenamt verlagert werden sollen. Insofern können sowohl Missstände unter den Arbeitsbedingungen als auch prekäre oder ungleicher werdende Lebensverhältnisse der Klient*innen zum Gegenstand kritischer Einmischung werden.

1.2       Soziale Arbeit als politische Arbeit

Es liegt angesichts der beschriebenen Vorgaben im Hinblick auf die Ziele, Arbeitsaufträge, die Finanzierung und die Reglementierungen auf Handlungsebene nah, dass Sozialarbeitende auf vorhandene Missstände hinweisen und notwendige Verbesserungen auf allen genannten Ebenen vorschlagen. Niemand sonst kann Widersprüche so zügig und klar erkennen, wie die professionalisierten Sozialarbeitenden in der Praxis selbst.

Dennoch ist Vorsicht geboten und analytische Kenntnisse sind gefordert, wenn es um die Klarheit der Kritik in der Sache (Policy) sowie um die Angemessenheit der Einflussnahme im politischen Prozess (Politics) geht. Zur Vorsicht mahnt die Gefahr einer Vereinnahmung der Klient*innen für politische Ziele von Sozialarbeitenden, wenn sie nicht der Analyse sachgerechter Handlungsbedingungen entspringen.

Das Verhältnis der Sozialen Arbeit zur Politik ist daher umstritten, nämlich dann, wenn es um die Frage geht, inwieweit Soziale Arbeit auch politische Arbeit sein darf, soll oder sogar muss (Images Kap. 1.2.1). Und wenn ja, stellt sich die Frage, auf welche Weise sich denn Sozialarbeitende in politische Entscheidungen einmischen können und dürfen (Images Kap. 1.2.2).

1.2.1     Selbstverständnis der Profession

Es gehört zu den Anfängen der Sozialen Arbeit, dass sie sich nicht nur mit der unmittelbaren Hilfe von Notleidenden befasst hat, wie Armenspeisungen, sondern immer auch bedacht hat, wie z. B. Armut zu lindern oder zu verhindern sei. Inwieweit dieser sozialreformerische Traditionsstrang auch in der gegenwärtigen Berufsauffassung anzutreffen ist, lässt sich zum einen auf der Ebene des Selbstverständnisses, also der – durchaus widerstreitenden – Berufsauffassungen, und zum anderen auf der Ebene der Praxis untersuchen.

Drei Standpunkte zur Reichweite des politischen Mandats, also des Vertretungsauftrags (als Anspruch) und des Engagements (als faktisches Handeln) der Sozialen Arbeit lassen sich mit Bezug auf Benz und Rieger (2015, S. 36f.) unterscheiden.

1.  Mandatsgegner: Der politische Auftrag der Sozialen Arbeit wird hier durchaus gesehen, aber auf Berufspolitik begrenzt. Darunter fällt – analog zu anderen Professionen, wie den Ärzt*innen, Lehrer*innen oder Jurist*innen – das Eintreten für eigene Interessen, wie z. B. eine angemessene Entlohnung.

2.  Mandatsskeptiker: Sie nehmen ein fachpolitisches Mandat in Anspruch, zu dem z. B. die Politikberatung gerechnet wird. Auch dies gilt für andere Professionen.

3.  Mandatsbefürworter: Sie sehen ein allgemeines politisches Mandat als gerechtfertigt. Begründet wird es mit dem Argument, dass Soziale Arbeit ihre Funktion als Hilfe zur Integration bzw. Inklusion in alle gesellschaftlichen Bereiche und damit auch als Bürger*innen in das politische Gemeinwesen nur erfüllen kann, wenn sie sich »systemgestaltend wie systemerhaltend« (ebd., S. 42) einmischt.

Mandatsgegner*innen und -skeptiker*innen befürchten im politischen Handeln entweder eine Bevormundung und Instrumentalisierung der Klient*innen oder die Enttäuschung falscher Erwartungen an die Politikfähigkeit Sozialer Arbeit. Demgegenüber sehen die Mandatsbefürworter drei Rollen der Profession im politischen Feld. Sie bestehen 1. in einer Anwaltschaft für die Lebensverhältnisse der Klient*innen, 2. in einer politischen Praxis als Inhalt Sozialer Arbeit, z. B. in Form der politischen Bildung, sowie 3. in aktiver politischer Einmischung, die nicht nur historisch schon lange besteht, sondern auch in aktuellen Grundsatzerklärungen der internationalen Vereinigungen Sozialer Arbeit wiederholt bestätigt wird. Dieses weitreichende Verständnis eines politischen Auftrags muss sich plausibel legitimieren und die oben genannten Einwände der Bevormundung und Überforderung entkräften.

Einen solchen Schutz bietet ein umfassendes Verständnis von Professionalität des sozialarbeiterischen Handelns, wie es Fischer (2010) anhand eines Professionalitätsmodells für personenbezogene Dienstleistungen entworfen hat. Es fußt auf der Professionalisierungstheorie von Oevermann (1996) und der Konzeption der Dienstleistungsarbeit von Offe (1984). Da sich Soziale Arbeit ebenso wie ärztliches, therapeutisches oder pflegerisches Handeln mehrheitlich an Personen richtet, deren Autonomie zeitweise oder dauerhaft eingeschränkt ist, muss sie Integrität und Würde der Klient*innen gewährleisten und ihre Arbeit entsprechend gestalten. Von dieser Handlungslogik und der damit verbundenen Verantwortung leitet sich die Professionalisierungsbedürftigkeit Sozialer Arbeit ab. Zum professionellen Handeln im Hinblick auf diese Gestaltungsfähigkeit gehören drei Dimensionen eines Fähigkeitsprofils, wie folgende Abbildung symbolisiert (Images Abb. 1).

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Abb. 1: Professionalitätsmodell, eigene Darstellung

1.  Fachliche Qualifikationen bilden die Grundlage für ein problem- und situationsbezogen angemessenes Berufshandeln. Die Studieninhalte einschlägiger Bachelor- und Masterstudiengänge bilden hier ein breites Fundament. Sie liefern nicht nur Grundwissen der beteiligten Disziplinen, wie Sozialwissenschaften, Psychologie, Philosophie, Kultur-, Erziehungs- und Rechtswissenschaften, sondern vermittelt werden auch analytische, methodische und Handlungskompetenzen.

2.  Interaktionskompetenzen sichern eine personen- bzw. fallspezifische Problemlösung. Nicht nur Kommunikationsfähigkeit gehört zu diesem Kompetenzbereich, sondern eine Professionalität im Sinne des deutenden Fallverstehens: Die fachlichen Qualifikationen aus dem ersten Kompetenzfeld müssen hier dem jeweiligen Klienten oder der jeweiligen Klientin entsprechend für eine personen- und fallspezifische Problemlösung eingesetzt, das heißt praktisch übersetzt werden.

3.  Strukturkompetenzen sind Fähigkeiten, die notwendig sind, um widersprüchliche Anforderungen zu bewältigen. Hier geht es um ein Bewusstsein der Sozialarbeitenden für konkrete Rahmenbedingungen, die dem erfolgreichen, professionellen Gestalten ihres Handelns im Wege stehen. Das betrifft etwa zu geringe Spielräume, um Klient*innen angemessen beraten zu können, oder auch allgemeiner das Spannungsverhältnis zwischen dienender Leistung und ihrer Einbettung in die ökonomische Logik effizienter Leistungserstellung. Kurz gesagt: zwischen notwendiger Hilfe und Abrechnungslogik. Solche Diskrepanzen zu bemerken, ist die Voraussetzung für eine aktive Veränderung der Handlungsbedingungen in den Einrichtungen.

Wie leicht zu erkennen ist, stecken politisches Wissen und politikbezogene Kompetenzen in allen drei Säulen: Als Fachkompetenz wird politisches Denken im Studium thematisiert. Als Interaktionskompetenz wird politisches Handeln ebenfalls im Studium erprobt und in der Praxis vertieft. Als Strukturkompetenz zeigt sich die ausgebildete Fähigkeit, unpassende Rahmenbedingungen des eigenen Berufshandelns wahrzunehmen, zu thematisieren und einen entsprechenden politischen Prozess anzustoßen, der zu notwendigen Veränderungen führt.

Sensibilität gegenüber drohender oder in Gang gesetzter Vereinnahmung der Berufsangehörigen für fremde, z. B. ökonomische Zwecke gehören ebenso dazu, wie die Beobachtung und Gestaltung der gesellschafts- und strukturbedingten Einschränkungen eines selbstbestimmten Lebens der Klient*innen. Eine Beteiligung an gesellschaftlichen Diskursen über die Ausdeutung der rahmensetzenden Werte, wie soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit und Solidarität, sowie die auf sie Bezug nehmenden konkreten Diskussionen, z. B. über die Frage, wer in Deutschland unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Rechten versehen zuwandern kann oder auch wer unter welchen Bedingungen eine Existenzsicherung erhält, sind damit inbegriffen. Politisches Mandat heißt in diesem Verständnis auch, den emanzipatorischen Eigensinn der Sozialen Arbeit fortzuentwickeln und den jeweiligen Gegebenheiten entgegenzustellen. »Emanzipatorisches Interesse« (Stender 2013, S. 96) findet sich sowohl bei verschiedenen Theoretiker*innen der Sozialen Arbeit, wie Thiersch, Kunstreich oder Staub-Bernasconi, als auch in den Leitbildern der Wohlfahrts- und Berufsverbände.

Politische Einflussnahme durch Soziale Arbeit

Dieses Selbstverständnis einer kritischen Haltung zu den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen findet sich auch in der Organisation »einmischen – Unabhängiges Forum kritischer Sozialer Arbeit«, zu erreichen unter dem Link: http://einmischen.com/.

Verbandspolitische Stellungnahmen zu dieser Frage finden sich z. B. in den Leitbildern

•  der Wohlfahrtsverbände (Caritas, AWO, Diakonisches Werk …),

•  des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH),

•  der International Federation of Social Workers (ifsw).

1.2.2     Wege der Einflussnahme

Wer diesem Verständnis einer Sozialen Arbeit als politischer Arbeit folgt, fragt sich, wie denn Einmischung funktioniert. Dafür bieten manche Begriffe und Konzepte der Politikwissenschaften einen hilfreichen Überblick über Vorgänge und Abläufe im politischen Geschehen und geben damit auch praktische Hinweise. Ein solches Hilfsmittel ist der »Politikzyklus« (Jann/Wegrich 2003). Er stellt schematisch den Weg dar, den ein wahrgenommenes Problem über die Formulierung einer Problemlösung (politische Forderung, Vorschlag einer Änderung bestehender Regeln) bis zum beschlossenen Gesetz, seiner Umsetzung und Bewertung gehen kann. Das Schema vereinfacht die realen Abläufe stark, die manchmal in anderer Reihenfolge ablaufen oder Phasen auslassen (Images Abb. 2).

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Abb. 2: Politikzyklus, Quelle: Volkens (2003, S. 1, http://userpage.fu-berlin.de/, 23.02.2018)

Das Nachdenken über Politik beginnt typischerweise mit einem vorhandenen Problem. Diese öffentliche Diskussion über einen problematischen Sachverhalt (Sparmaßnahmen im Sozialbereich) oder Zustand (fehlender Wohnraum im Niedrigpreissegment oder zunehmende Ghettobildung in Stadtteilen mit hoher Dichte von Arbeitslosigkeit und Armut) wird häufig von gesellschaftlichen Gruppen angestoßen, die nicht unbedingt als Parteien in Parlamenten vertreten sind. Dies können aufmerksame Bürger*innen sein, Vereine, wie z. B. das Arbeitslosenforum oder Gewerkschaften. Auch die Wissenschaft weist häufig auf Missstände hin, wenn in Studien problematische Entwicklungen zutage treten, wie etwa steigende Armut, der Niedergang strukturschwacher Regionen mit seinen sozialen Folgeproblemen oder Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen. Doch auch Politiker*innen und Verwaltungen selbst bringen Themen zur Sprache.

Mit einem Problem fing es auch im Beispiel von Alex Bogdanow und Sara Tuna an. Zur Erinnerung: Um die geplante Schließung des Jugendzentrums zu verhindern, hatten die beiden eine Versammlung von interessierten Bürger*innen, Vereinen und anderen Aktivist*innen einberufen. Die Überlegungen, was zu tun sei, führten zu einer langen Liste möglicher Aktivitäten. Einig waren sich alle Beteiligten darüber, dass die drohende Schließung zunächst an die Öffentlichkeit dringen muss. Bei dieser Thematisierung spielen Medien, wie die lokalen Zeitungen und Radiosender, eine wichtige Rolle. Doch auch andere Aktivitäten sollen die Bewohner*innen der Stadt auf das Problem aufmerksam machen. So planen die Eltern der Jugendlichen, die das Jugendzentrum regelmäßig nutzen, ein Straßencafé, bei dem Informationen verteilt werden sollen. Eine Gruppe der Jugendlichen selbst will für das Café durch Breakdance-Einlagen und Parcours-Läufe Aufmerksamkeit erzeugen, eine andere plant einen Internet-Auftritt mit entsprechenden Aufrufen zur Solidarität. Ein befreundeter Künstler unterstützt die Jugendlichen mit einem Workshop zum professionellen Gestalten von Graffitis, dessen Resultate am Tag der Offenen Tür vorgestellt werden und vieles mehr.

Mit möglichst vielen Interessierten soll ein Konzept ausgearbeitet werden, das einem Ratsbeschluss als Grundlage dienen kann, um die Bedeutung des Jugendzentrums für die Attraktivität der Stadt als positivem Standortfaktor zu veranschaulichen. Ebenso kann das Konzeptpapier im Kinder- und Jugendhilfeausschuss Verwendung finden. Die im Stadtrat vertretenen Parteien sollen noch einmal in Einzelgesprächen von der Notwendigkeit des Zentrums überzeugt werden. Alternative Ko-Finanzierungen sollen die Stadträt*innen günstig stimmen, so haben bereits einige Sponsoren aus der Privatwirtschaft ihre Bereitschaft signalisiert. Alles Weitere muss dann im Stadtrat selbst seinen Gang gehen. Die dortige Entscheidung wird mit Spannung abgewartet, um falls nötig, weitere Gegenwehr zu planen.

Wie im gegebenen Beispiel vollziehen sich politische Prozesse auch in anderen Themengebieten (Policy), sei es wie hier auf kommunaler Ebene, sei es im Land oder auf Bundesebene. Wie diese Prozesse ablaufen, wenn sie den Einflussbereich externer Akteur*innen verlassen haben und in den institutionellen Entscheidungsprozess innerhalb der Parlamente (Stadtrat, Landtag, Bundestag) und deren Regierungen weiterlaufen, wird in den folgenden Kapiteln jeweils genau erläutert.

Wie der Politikzyklus oben andeutet, gibt es grundsätzlich die Unterscheidung zwischen außerparlamentarischen und innerparlamentarischen Orten der Meinungs- und Willensbildung. Außerhalb der Parlamente dienen die Aktivitäten dazu, auf Probleme oder innovative Vorschläge hinzuweisen und diese in die Öffentlichkeit zu bringen. Dabei sind neben dem Engagement einzelner Bürger*innen oder Verbände, Initiativen oder Verwaltungen meist auch die Parteien involviert.

Sozialarbeitende haben genau diese Rollen zur Verfügung, um für ihre eigenen oder die Interessen ihres Faches oder ihrer Klient*innen einzutreten. Sie können sich in Verbänden, in Initiativen, in Ausschüssen oder mit anderen Betroffenen als Bürger*innen einsetzen. Wenn die Thematik in den Parlamenten auf die Tagesordnung kommt, vollzieht sich der weitere Prozess der Entscheidung im Rahmen der vorgesehenen Abläufe, an denen dann gewählte Abgeordnete und somit meist Parteimitglieder beteiligt sind. Wird eine vorgeschlagene Problemlösung beschlossen, muss sie auch umgesetzt werden, finanzielle Mittel und eventuell Personal müssen dafür bereitgestellt werden. Nach einiger Zeit wird die umgesetzte Maßnahme bewertet und eventuell sind Änderungen nötig. Zuweilen beginnt der Prozess dann wieder von vorne.

Wenn es so einfach ist, wie es klingt, dann fragt sich mancher, warum nicht weitaus mehr Sozialarbeitende in der (politischen) Öffentlichkeit zu finden sind. Seithe (2013, S. 27) vermutet, dass es eine geringe Lobby – also Fürsprecher*innen und Organisationen mit Einfluss – für Sozialarbeitende und ihre Klient*innen gibt. Die Berufsangehörigen hätten ein gering ausgeprägtes politisches Selbstbewusstsein und seien häufig in der Praxis mit der Situation überfordert. Die erwähnten Arbeitsbedingungen steigenden Arbeitsdrucks, manchmal auch Sorge um den eigenen Arbeitsplatz verhinderten politisches Engagement und den nötigen Weitblick, der oben mit Strukturkompetenz bezeichnet wurde. Sofern es an praktischem Wissen und Kompetenzen zur politischen Einmischung liegen sollte, will dieses Buch genau hier eine Hilfestellung geben. Welche Themen dabei auf welche Weise und zu welchem Zweck behandelt werden, beschreibt der nächste Abschnitt.

1.3       Grundkenntnisse für Soziale Arbeit

Will Soziale Arbeit eine aktive mitgestaltende Kraft sein, dann sind inhaltliche Kenntnisse über die wichtigsten Politikfelder, wie Sozial- oder Arbeitsmarktpolitik, grundlegend. Einige Kapitel dieses Buches thematisieren daher speziell diese Policy- Themen, wie z. B. zur Sozialpolitik (Images Kap. 4) und zur globalen Politik (Images Kap. 7).

Neben den politischen Inhalten sind ebenso die Kenntnisse über die formalen Entscheidungswege wichtig (Polity), um Zuständigkeiten für die Bearbeitung eines Themas zielgenau zu kennen und die eigenen Anliegen und Forderungen treffsicher zu platzieren. Auf dieses Wissen zielen z. B. die Kapitel Kommunalpolitik (Images Kap. 2), das Kapitel zum politischen System (Images Kap. 3) sowie zu Europa (Images Kap. 6).

Die Abläufe und Formen der Einmischung, erfolgversprechende Aktivitäten und Aktionen (Politics) werden sowohl bei den politischen Akteur*innen, wie Parteien und Verbänden, aufgegriffen (Images Kap. 3), als auch im Kapitel zur Demokratiepolitik (Images Kap. 5).

Mit diesen Grundlagen sollte es möglich sein, zu einem Urteilsvermögen darüber zu gelangen, ob die Ziele und Arbeitsaufträge der Politik an die Soziale Arbeit, ihr Finanzierungsspielraum und die konkreteren Vorschriften und Reglementierungen für professionelles Handeln zuträglich sind oder Hindernisse darstellen. Sie sollen die nötigen Fähigkeiten vermitteln, um Widersprüche wahrzunehmen, sie als Problem auf die politische Agenda zu setzen und Veränderungsprozesse anzustoßen. Auch das eigene politische Selbstverständnis und die eigene Auffassung über die Reichweite eines politischen Mandats Sozialer Arbeit sollten mit diesem Grundwissen zu entscheiden sein.

Das Selbstbewusstsein der Profession Sozialer Arbeit lässt sich auf diesem Weg ebenfalls beeinflussen. Gegen die manchmal in einem Gefühl von Ohnmacht wahrgenommenen Lebens- und Arbeitsverhältnisse helfen Strategien solidarischen Handelns. Auch Vernetzungen mit anderen Berufsangehörigen und Erfahrungsaustausch helfen, um sich besser selbst behaupten zu können und auch größere Gegner oder umfassendere Themen, wie z. B. einen blockierenden Ökonomisierungsdruck, anzugehen. Dieses Buch möchte in die Lage versetzen, Kritik an gesellschaftlichen Zuständen üben zu können und Rahmenbedingungen zu erkennen, die professionelles Handeln untergraben, um sie so verändern zu können.

2          Kommunalpolitik

 

 

 

Kommunalpolitik ist die Politik, die sich um das unmittelbare Umfeld in den Wohnorten kümmert. Sie spielt auf der Ebene der Kreise, Städte, Bezirke, Gemeinden und Dörfer, wird formal jedoch zur Landespolitik gezählt. Es ist somit keine selbständige Ebene im deutschen Föderalismus, sondern die Kommunen gehören zu den Ländern – was sich in der Praxis u. a. in der Kontrolle durch die jeweiligen Landesverwaltungen zeigt.