Jussi Adler-Olsen

Erbarmen

Die Frau im Bunker

Der erste Fall für Carl Mørck,
Sonderdezernat Q

Thriller

Aus dem Dänischen
von Hannes Thiess

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Hanne Adler-Olsen gewidmet.
Ohne sie würde die Quelle versiegen.

Prolog

Sie kratzte sich an den glatten Wänden die Fingerspitzen blutig und hämmerte mit den Fäusten an die dicken Scheiben, bis sie ihre Hände nicht mehr spürte. Immer wieder tastete sie sich in der vollständigen Dunkelheit bis an die Stahltür heran und bohrte ihre Nägel in den Spalt. Aber die Tür ließ sich keinen Millimeter bewegen, und die Kante war scharf.

Als ihr schließlich die Fingernägel abbrachen, fiel sie keuchend auf den eiskalten Boden. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Mit aufgerissenen Augen starrte sie in die undurchdringliche Finsternis. Dann entfuhr ihrer Kehle ein Schrei. Ein Schrei, der ihr in den Ohren gellte, bis die Stimme versagte.

Als sie den Kopf in den Nacken legte, spürte sie wieder die Ahnung frischer Luft, die von der Decke herunterströmte. Wenn sie Anlauf nähme, könnte sie womöglich dort hinaufspringen und sich an irgendetwas festklammern. Vielleicht würde ja doch etwas passieren.

Ja, vielleicht wären die Teufel dort draußen gezwungen, zu ihr hereinzukommen.

Und wenn sie schnell genug war und mit ausgestreckten Fingern auf deren Augen zielte, würde es ihr vielleicht gelingen, sie außer Gefecht zu setzen. Und dann konnte sie vielleicht entkommen.

Sie saugte an ihren blutenden Fingern. Dann stützte sie sich mit den Händen vom Fußboden ab und zwang sich aufzustehen.

Blind starrte sie an die Decke. Wer mochte wissen, wie hoch die Decke war. Wer wusste, ob es überhaupt etwas gab, woran man sich festhalten konnte. Aber sie musste es versuchen. Sie musste einfach!

Sie zog ihre Jacke aus, faltete sie sorgfältig zusammen und legte sie in eine Ecke. Dann setzte sie mit ausgestreckten Armen zum Sprung an – und stieß ins Leere. Ein paarmal wiederholte sie das, lehnte sich schließlich an die Wand und ruhte sich kurz aus. Dann nahm sie erneut Anlauf und sprang mit aller Kraft hoch ins Dunkel. Die Arme ruderten nach irgendetwas Greifbarem, doch wieder fiel sie zurück auf den Boden. Sie rutschte aus, und als sie mit der Schulter auf den Beton aufschlug, versuchte sie ein Stöhnen zu unterdrücken, aber als ihr Kopf gegen die Wand knallte und sie Sterne sah, schrie sie laut auf.

Danach lag sie lange Zeit vollkommen still da. Sie hätte gern geweint. Aber wenn die Teufel da draußen sie hören konnten, glaubten sie sicher, sie wolle aufgeben. Doch sie würde nicht aufgeben. Im Gegenteil.

Sie musste auf sich achten. Für ihre Peiniger war sie die Frau im Käfig. Aber über die Abstände zwischen den Gitterstäben bestimmte sie selbst. Sie würde weiter denken, sich mit ihren Gedanken die Welt öffnen, sie würde ihnen den Gefallen nicht tun und verrückt werden. Es würde ihnen nicht gelingen, ihren Willen zu brechen, niemals. Das beschloss sie dort auf dem eiskalten Boden, und sie spürte kaum den Schmerz in der Schulter und das Pochen über dem rechten Auge, das längst zugeschwollen war.

Früher oder später würde sie ihnen entkommen.

1

2007

Carl trat einen Schritt näher an den Spiegel heran. Mit dem Zeigefinger fuhr er sich über die Stelle an der Schläfe, wo ihn die Kugel gestreift hatte. Die Wunde war verheilt, aber die Narbe zeichnete sich am Haaransatz deutlich ab. Sofern sich überhaupt jemand die Mühe machte hinzusehen.

Und wer zum Teufel sollte das schon tun?, dachte er und betrachtete prüfend sein Gesicht.

Er hatte sich verändert. Die Falten um den Mund waren tiefer geworden, die dunklen Ringe unter den Augen nicht zu übersehen. Augen, die etwas ausdrückten, das nie zu Carl Mørck gehört hatte: Gleichgültigkeit. Nein, er war nicht mehr der Alte, der erfahrene Kriminalbeamte, der für seine Arbeit brannte. Er war auch nicht mehr der elegante groß gewachsene Jütländer, bei dessen Anblick sich Augenbrauen hoben und Lippen öffneten. Aber was bedeutete das jetzt noch?

Er knöpfte sein Hemd zu, zog das Jackett über. Den letzten Rest Kaffee kippte er weg, dann knallte er die Wohnungstür hinter sich zu. Die anderen konnten ruhig merken, dass es Zeit war, aus den Federn zu kommen. Beim Zuziehen der Tür fiel sein Blick auf das Namensschild. Das musste er endlich auswechseln. Vigga war schon vor langer Zeit ausgezogen. Die Sache war gelaufen, auch wenn sie noch nicht geschieden waren.

Er ging in Richtung Hestestien. Wenn er sich beeilte, blieb ihm noch Zeit, Hardy eine halbe Stunde im Krankenhaus zu besuchen, bevor er im Präsidium sein musste.

Er sah den Kirchturm, der rot über die nackten Bäume ragte, und er versuchte, sich bewusst zu machen, wie viel Glück er gehabt hatte. Immerhin lebte er noch. Nur zwei Zentimeter weiter rechts, und auch Anker wäre noch am Leben. Nur ein Zentimeter weiter links, und es hätte ihn erwischt. Läppische Zentimeter, die ihn von dem Weg zwischen den Feldern und dem Friedhof trennten.

Carl Mørck wollte das alles gern rational verarbeiten, aber das war schwer. Vom Tod wusste er nicht viel. Nur, dass er so unvorhersehbar war wie ein Blitzschlag. Und unendlich still, wenn er eingetreten war.

Aber wie gewalttätig Sterben sein konnte und wie sinnlos, darüber wusste er alles.

Das erste Mordopfer in seiner Laufbahn brannte sich in Carls Netzhaut ein. Gerade mal zwei Wochen nach Abschluss der Polizeischule war das gewesen. Da lag klein und zart vor ihm eine Frau, erwürgt von ihrem eigenen Mann. Die stumpfen Augen und ihr Gesichtsausdruck verfolgten Carl über Wochen. Seither waren ungezählte Fälle dazugekommen. Jeden Morgen hatte er sich innerlich gewappnet und sich vorgestellt, was ihn wieder erwarten würde: blutige Kleidung, wachsbleiche Gesichter, eiskalte Fotos. Jeden Tag hatte er sich die Lügen der Menschen angehört und ihre sinnlosen Entschuldigungen. Jeden Tag ein anderes Verbrechen, jeden Tag neue Methoden. Fünfundzwanzig Jahre bei der Mordkommission der Kriminalpolizei härteten ab. Hatte er gedacht.

Bis zu jenem Tag. Da stand er einem Fall gegenüber, der seinen Panzer durchdrang.

Man hatte ihn, Anker und Hardy nach Amager geschickt. Über einen holperigen Schotterweg waren sie zu einer verfallenen Baracke gefahren.

Dort sollte eine Leiche ihre Geschichte erzählen. Wie so oft hatte der Gestank einen Nachbarn aufmerksam gemacht. Wieder so einer, der ganz für sich gelebt hatte und in seinem eigenen Müll sein alkoholisiertes Leben aushauchte. Das hatte man geglaubt, bis man den Nagel entdeckte. Ein Druckluftnagler hatte ihn dem Toten in den Schädel geschlagen. Wegen dieses Nagels war die Mordkommission der Kopenhagener Polizei eingeschaltet worden.

An jenem Tag war Carls Team an der Reihe. Weder er noch seine beiden Assistenten hatten Einwände, auch wenn sich Carl wie gewöhnlich über den Arbeitsdruck aufregte und über das langsame Tempo der anderen Teams. Aber wer hatte ahnen können, dass dieser Fall dermaßen fatal enden sollte? Dass kaum fünf Minuten, nachdem sie in den Leichengestank eingetreten waren, Anker in einer Blutlache am Boden liegen und Hardy seine letzten Schritte gegangen sein würde. Und in Carl das Feuer erloschen war, das er so unbedingt brauchte, um seinen Job bei der Kopenhagener Mordkommission zu machen.

2

2002

Die Presse liebte sie: Sie liebte Merete Lynggaards scharfzüngige Redebeiträge im Parlament und ihren Mangel an Respekt gegenüber dem Staatsminister und seinen Abnickern. Sie liebte die stellvertretende Vorsitzende der Demokratischen Partei für ihre Weiblichkeit, für ihren übermütigen Blick und die verführerischen Grübchen in den Wangen. Sie liebte sie für ihre Jugend und ihren Erfolg. Aber vor allem liebte sie Merete Lynggaard, weil sie Spekulationen Raum bot. Warum zeigte sich eine so begabte und attraktive Frau nie öffentlich mit einem Mann? Merete Lynggaard machte Auflage. Lesbisch oder nicht, sie war immer guter Stoff für die Presse.

Das alles wusste Merete nur zu genau.

»Kannst du dich denn nicht mal mit Tage Baggesen verabreden?«, fragte ihre Assistentin zum wiederholten Mal. Auf dem Weg zu Meretes Auto balancierten sie vorsichtig um die Pfützen auf dem Abgeordnetenparkplatz. »Klar, ich weiß schon, dass er nicht der Einzige ist, aber der ist total verrückt nach dir. Wie oft hat er inzwischen versucht, dich einzuladen? Hast du dir überhaupt je die Mühe gemacht, die Zettel zu zählen, die er dir auf den Tisch legt? Hast du den von heute schon gesehen? Gib ihm doch eine Chance, Merete.«

»Warum nimmst du ihn nicht?« Merete schloss ihren kleinen blauen Audi auf und deponierte die Akten auf dem Rücksitz. »Was soll ich mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Radikalen Centrumspartei, Marion? Kannst du mir das mal sagen? Bin ich vielleicht scharf auf Kreisverkehr in Herning?«

Als Merete sich aufrichtete, sah sie vor dem Spielzeugmuseum einen Mann im hellen Trenchcoat, der gerade das Gebäude fotografierte. Oder hatte er sie fotografiert? Sie schüttelte den Kopf. Dieses Gefühl, permanent unter Beobachtung zu stehen, ärgerte sie inzwischen. Das war doch paranoid. Sie musste zusehen, so schnell wie möglich abzuschalten.

»Tage Baggesen ist fünfunddreißig Jahre alt und sieht irre gut aus. Okay, ein paar Kilo abzunehmen würde ihm nicht schaden. Aber dafür hat er einen Landsitz in Vejby. Und meines Wissens noch zwei in Jütland. Was willst du mehr?«

Merete sah sie an und schüttelte den Kopf. »Ja genau. Er ist fünfunddreißig und lebt mit seiner Mutter zusammen. Weißt du was, Marion? Nimm ihn. Ich schenke ihn dir. Er gehört dir!«

Sie nahm ihrer Assistentin einen Stoß Akten aus dem Arm und legte sie zu den anderen auf den Rücksitz. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 17.30 Uhr. Sie war spät dran.

»Deine Stimme wird bei der Abstimmung heute Abend fehlen, Merete.«

»Und wenn schon.« Sie zuckte die Achseln. Als sie in die Politik ging, hatte es gleich zu Anfang eine feste Absprache zwischen ihr und dem Fraktionsvorsitzenden der Demokraten gegeben. Nach achtzehn Uhr stand sie nicht mehr zur Verfügung, es sei denn, zwingend notwendige Arbeiten im Ausschuss oder wichtige Abstimmungen erforderten unbedingt ihre Anwesenheit. »Kein Problem«, hatte er damals gesagt, wohl wissend, wie viele Stimmen sie auf sich zog. Dann sollte das ja wohl auch heute kein Problem sein.

»Nun komm schon, Merete. Erzähl doch mal, was du vorhast.« Ihre Assistentin neigte den Kopf zur Seite und sah sie an. »Wie heißt er?«

Merete lächelte nur und warf die Tür zu. Es war an der Zeit, Marion Koch auszuwechseln.

3

2007

Marcus Jacobsen, Chef der Mordkommission, war ein echter Chaot. Ihn scherte das nicht. Die Unordnung war nur äußerlich, ansonsten fand er sich ausgesprochen strukturiert. Alle Fälle waren in seinem Kopf ordentlich abgelegt. Nie vergaß er ein Detail. Jede Kleinigkeit hatte er auch noch nach zehn Jahren präsent.

Nur manchmal betrachtete er das Chaos in seinem Büro mit einem gewissen Unbehagen. Wenn es wie eben vollgestopft war mit scharf beobachtenden Mitarbeitern, die sich zwischen Bergen von Akten um seine Tische drängten.

Er nahm den angeschlagenen Sherlock-Holmes-Becher und trank einen großen Schluck kalten Kaffee. Schon zum vierzehnten Mal heute Vormittag dachte er an die halb volle Packung Zigaretten in der Jackentasche. Jetzt konnte man sich nicht mal mehr unten auf dem Hof eine Rauchpause genehmigen. Verdammte Vorschriften.

»Lars.« Er sah zu Lars Bjørn, seinem Stellvertreter, hinüber. Der war auf seine Bitte hin nach dem Briefing noch dageblieben. »Wenn wir nicht aufpassen, geht uns der Fahrradmord im Valbypark den Bach runter.«

Lars Bjørn nickte. »Es ist zu blöd, dass Mørck ausgerechnet jetzt zurückkommen musste. Hat gleich vier der besten Ermittler mit Beschlag belegt, typisch. Und weißt du was: Fast alle beschweren sich über ihn, und rate mal, bei wem?« Als wäre er der Einzige, der sich den ganzen Mist anhören musste, dachte Jacobsen.

Aber Bjørn hatte sich in Fahrt geredet. »Er kommt viel zu spät«, fuhr er fort. »Kommandiert seine Leute herum, steckt seine Nase in die Fälle der anderen, antwortet nicht auf Anrufe, und sein Büro ist ein einziges Chaos. Und weißt du was? Jetzt hat sich sogar die Rechtsmedizin über ihn beschwert, die Rechtsmedizin! Das will was heißen. Egal, was Carl durchgemacht hat, wir müssen was unternehmen. Sonst weiß ich langsam nicht mehr, wie unsere Abteilung funktionieren soll.«

Marcus hob die Augenbrauen. Er sah Carl vor sich. Eigentlich mochte er ihn, aber dieser ewig skeptische Blick und immer diese zynischen Bemerkungen. Das war langsam wirklich nicht mehr auszuhalten. »Ja ja, ich weiß schon, was du meinst. Eng mit ihm zusammenarbeiten, das konnten wohl nur Anker und Hardy. Die zwei waren ja jeder für sich kauzig genug.«

»Marcus. Die Leute sagen es nicht so direkt, aber Mørck ist ein Albtraum, und das war er im Übrigen auch schon vorher. Der passt hier nicht hin, wir sind einfach zu sehr aufeinander angewiesen. Als Kollege ist Carl eine Katastrophe, und das war er vom ersten Tag an. Warum hast du ihn überhaupt aus Bellahøj hierhergeholt?«

Marcus sah seinen Stellvertreter fest an. »Weil der Mann ein phantastischer Ermittler ist. Deshalb!«

»Ja, ja, ja. Ich weiß, dass wir ihn nicht einfach vor die Tür setzen können, und schon gar nicht nach dieser Sache. Aber dann, Marcus, müssen wir uns was überlegen.«

»Er ist erst gut eine Woche wieder im Dienst. Wir müssen ihm eine Chance geben. Wie wäre es, wenn wir ein bisschen schonend mit ihm umgingen?«

»Sehr witzig. In den letzten Wochen sind hier mehr Fälle aufgelaufen, als wir bis zu unserer Rente bewältigen können. Und du weißt, dass darunter ein paar richtig große Dinger sind. Das Feuer draußen am Amerikavej. War das jetzt Brandstiftung oder nicht? Der Bankraub am Tomsgårdsvej, ein Toter. Die Vergewaltigungsgeschichte in Tårnby, das Mädchen ist elendig verreckt. Die Messerstecherei im Südhafen, ein Jugendlicher musste dran glauben. Und dann auch noch dieser Fahrradmord im Valbypark. Ganz zu schweigen von all den alten Fällen. Bei den meisten haben wir nicht mal einen Anhaltspunkt. Und dann sitzt da so ein Albtraum wie Mørck: unleidlich, faul, mürrisch, nörgelig, mies zu seinen Kollegen, und sorgt dafür, dass das Team auseinanderbricht. Und du willst, dass wir den Schongang einlegen? Marcus, schick Mørck zum Teufel. Wir brauchen hier frisches Blut. Ich weiß selbst, dass das hart klingt. Aber ich meine es ernst.«

Der Chef der Mordkommission nickte. Er hatte seine Leute während des Briefings beobachtet. Sie waren durch die Bank wortkarg, überarbeitet und total angespannt. Klar wollten die nicht auch noch von Mørck angemacht werden.

Sein Stellvertreter stellte sich ans Fenster und sah zu den gegenüberliegenden Gebäuden hinüber. »Ich hätte einen Vorschlag«, sagte er nach kurzem Schweigen und drehte sich um. »Vielleicht kriegen wir Zoff mit dem Berufsverband, aber das glaube ich nicht.«

»Verdammt, Lars, ich kann mich jetzt nicht auch noch mit dem Verband anlegen, das schaffe ich nicht. Die haben wir auf der Stelle hier, falls du vorhast, ihn zu degradieren.«

»Im Gegenteil, wir loben ihn hoch!«

»Aha.« Jetzt musste Marcus auf der Hut sein. Er wusste, dass sein Stellvertreter ein unglaublich guter Ermittler war, er hatte viel Erfahrung, und jede Menge aufgeklärter Fälle gingen auf sein Konto. Aber für eine Stelle als Führungskraft mit Personalverantwortung musste er noch viel lernen. Hier im Haus gab man Mitarbeitern nicht so ohne weiteres einen Tritt in den Arsch oder lobte sie weg.

»Du meinst, dass wir ihn für eine Beförderung vorschlagen sollen? Wie stellst du dir das vor? Und im Übrigen – wer soll ihm denn Platz machen?«

»Ich weiß, dass du fast die ganze Nacht unterwegs gewesen bist. Den Vormittag warst du mit dem verdammten Mord draußen in Valby beschäftigt. Deshalb hast du wahrscheinlich noch keine Nachrichten gehört. Weißt du, was heute Morgen im Parlament los war?«

Marcus Jacobsen schüttelte den Kopf. Bjørn hatte recht, er hatte den Kopf voll mit den neuerlichen Wendungen im Valbypark-Fall. Bis gestern Abend hatten sie eine gute und zuverlässige Zeugin. Die ganz offenkundig noch mehr zu erzählen hatte. Sie waren überzeugt gewesen, in dem Fall kurz vor dem Durchbruch zu stehen. Aber dann war die Zeugin plötzlich umgefallen. Total verstummt. Höchstwahrscheinlich hatte man jemanden in ihrer nächsten Umgebung bedroht. Sie hatten sie verhört, bis sie mürbe war, sie hatten mit ihren Töchtern und mit ihrer Mutter geredet, aber alle schwiegen. Vermutlich aus Angst. Nein, er hatte nicht sonderlich viel geschlafen. Und für mehr als die Schlagzeilen in den Tageszeitungen hatte es nicht gereicht.

»Wieder die Dänemarkpartei?«

»Du sagst es. Ihr rechtspolitischer Sprecher hat mal wieder seinen Lieblingsvorschlag unterbreitet, du weißt schon: im Zusammenhang mit der Polizeireform. Dieses Mal bekommen sie die Mehrheit. Marcus, das wird angenommen. Piv Vestergård wird ihren Willen bekommen.«

»Das glaubst du doch selbst nicht.«

»Zwanzig Minuten hat sie vom Rednerpult heruntergewettert. Und die Regierungsparteien werden sie auf jeden Fall unterstützen. Auch wenn die Konservativen natürlich protestieren werden.«

»Und?«

»Ja, was glaubst du? Sie brachte vier Beispiele von wirklich üblen Fällen, die alle erfolglos eingestellt wurden. Das sei der Öffentlichkeit nicht zuzumuten: eine Polizei, die nicht in der Lage ist, diese schweren Straftaten aufzuklären. Und sie hatte noch mehr Beispiele in der Hinterhand, das kann ich dir versichern.«

»Scheiße! Glaubt die eigentlich, die Kriminalpolizei stellt diese Fälle zum Vergnügen ein?«

»Sie deutete sogar an, es handele sich möglicherweise um einen bestimmten Typ von Fällen …«

»So ein Blödsinn! Welche denn zum Beispiel?«

»Zum Beispiel Fälle, bei denen die Opfer Mitglieder der Dänemarkpartei oder der Liberalen waren.«

»Die Alte ist doch nicht ganz bei Trost!«

Lars Bjørn schüttelte den Kopf. »Die andere Kategorie seien Fälle, bei denen Kinder verschwunden sind, oder solche, bei denen politische Organisationen terroristischen Übergriffen ausgesetzt waren. Ausgesprochen brutale Verbrechen.«

»Ja klar, die ist auf Stimmenfang.«

»Sicher. Aber sie hat es geschafft: Die Vertreter sämtlicher Parteien haben sich zu Verhandlungen im Justizministerium versammelt. Die Akten gehen von dort blitzschnell zum Finanzausschuss. Und wenn du mich fragst, gibt’s innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Entscheidung.«

»Und worauf genau soll das hinauslaufen?«

»Auf die Einrichtung eines neuen Dezernats. Ihre Partei hat sogar schon einen Namen dafür: Dezernat Q. Keine Ahnung, ob das ein Scherz sein soll.« Er lachte gequält.

»Und mit welchem Ziel soll das Dezernat antreten? Unaufgeklärte Fälle aufzuklären vielleicht?«

»Genau. Das Ziel wird sein, ›Fälle von besonderem Interesse‹ neu aufzurollen. So haben sie es formuliert.«

»Fälle von besonderem Interesse neu aufrollen.« Der Chef der Mordkommission nickte. »Ja, das klingt nach Piv Vestergård. Hört sich doch gut an. Und wer wird beurteilen, welche Fälle sich dieser Bezeichnung als würdig erweisen? Hat sie das auch gesagt?«

Sein Stellvertreter zuckte die Achseln.

»Okay. Sie bittet uns also, das zu tun, was wir immer tun. Und sonst?«

»Also: Das neue Dezernat ist dann zwar für landesweite Fälle zuständig. Aber es sieht so aus, als soll es administrativ der Kopenhagener Mordkommission zugeordnet werden …«

Jacobsen starrte seinen Stellvertreter sprachlos an. »Das ist nicht ihr Ernst! Und überhaupt: Was heißt denn da administrativ?«

»Wir stellen das Budget zur Verfügung und sind für die Abrechnung und Buchhaltung verantwortlich. Wir stellen das Büropersonal zur Verfügung. Ach ja, und die Räumlichkeiten.«

»Verstehe ich nicht. Das neue Dezernat hier in Kopenhagen soll jetzt auch uralte Fälle aus anderen Landesteilen aufklären? Da machen die Kollegen doch nie mit. Die werden Repräsentanten in der Abteilung einfordern.«

»Glaub ich nicht. Sie verkaufen das Ganze den Regionen gegenüber einfach als Entlastungsmaßnahme. Und die werden sich sicher nicht um diese ollen Kamellen reißen.«

»Das soll mit anderen Worten heißen, dass wir unter diesem Dach jetzt auch noch eine mobile Einsatztruppe für aussichtslose Fälle haben werden? Mit meinen Mitarbeitern als Backoffice? Nein, zum Teufel, das kann doch nicht wahr sein!«

»Marcus, hör mal zu. Es geht um ein paar wenige Mitarbeiter für ein paar Stunden dann und wann. Das ist nichts.«

»Das klingt aber nicht wie nichts.«

»Also, dann sage ich dir jetzt mal, wie ich es sehe. Okay?«

Der Chef der Mordkommission rieb sich die Stirn.

»Marcus, damit verbunden ist Geld.« Er unterbrach sich und sah seinem Chef eindringlich in die Augen. »Nicht viel, aber genug, um einen Mann in diesem Dezernat zu beschäftigen und gleichzeitig noch ein paar Millionen Kronen in unsere eigene Abteilung zu pumpen.«

»Ein paar Millionen? Ist das die Größenordnung?«

»Ja, wir sprechen hier nicht von Peanuts. Und wir werden diese Abteilung blitzschnell aus dem Boden stampfen, Marcus. Die rechnen doch damit, dass wir uns auf die Hinterbeine stellen, aber das tun wir nicht. Wir legen ihnen unser Konzept vor und kümmern uns um das Budget. Die Aufgaben müssen wir ja nicht zu sehr spezifizieren. Und dann setzen wir Carl Mørck als Leiter des neuen Dezernats ein. Muss ja schließlich jemand sein mit viel Erfahrung. Sehr viel leiten muss er da nicht, denn er ist das Dezernat in Personalunion. Also: Er hat einen verantwortungsvollen Posten, den er selbstständig gestaltet. Und wir können ihn so von den anderen fernhalten.«

»Carl Mørck als Leiter des Dezernats Q!« Marcus Jacobsen spielte das alles in Windeseile einmal durch. Eine solche Abteilung konnte mit einem Budget von weniger als einer Million Kronen im Jahr auskommen. Einschließlich Reisen und Laboruntersuchungen und allem, was sonst noch dazugehörte. Blieben immer noch ein paar Milliönchen für einen Teil der Mordkommission – der sich dann auch mit eher älteren Fällen befassen würde. Vielleicht nicht gerade mit Sonderdezernat-Q-Fällen, aber etwas in der Art. Fließende Übergänge, das war der Schlüssel zu dem Ganzen. Genial. Einfach genial.

4

2007

Hardy Henningsen war der größte Mitarbeiter, der je im Polizeipräsidium gearbeitet hatte. In seinen Papieren vom Militär stand: »zwei Meter sieben«, aber das konnte nicht sein. Bei Festnahmen wurde immer Hardy vorgeschickt, wenn den Tätern ihre Rechte vorgelesen wurden. Dann mussten die Typen ihren Kopf in den Nacken legen, was auf die meisten Eindruck machte.

In dieser Situation war Hardys Größe kein Vorteil. Soweit Carl es beurteilen konnte, war es nicht möglich, seine langen, gelähmten Beine richtig auszustrecken. Carl hatte der Krankenschwester vorgeschlagen, das Fußende des Betts abzumontieren, aber das überstieg offenbar ihre Kompetenz oder Fähigkeiten.

Hardy schwieg dazu. Sein Fernseher lief Tag und Nacht. Menschen gingen in seinem Zimmer ein und aus, aber er reagierte nicht darauf. Er lag einfach nur in der Klinik für Wirbelsäulenverletzungen in Hornbæk und versuchte zu leben. Kaute das Essen, das man ihm vorsetzte. Zuckte manchmal leicht mit den Schultern – das Einzige vom Hals an abwärts, worüber er noch Kontrolle hatte. Regungslos ließ er die Krankenschwestern sich mit seinem unhandlichen gelähmten Körper abquälen. Wenn sie ihn im Schritt wuschen, Kanülen in ihn steckten und den Beutel mit den Ausscheidungen auswechselten, starrte er nur stumm an die Decke. Nein, Hardy sprach kaum noch.

»Ich habe wieder im Präsidium angefangen«, sagte Carl und zog Hardys Bettdecke zurecht. »Die arbeiten unter Hochdruck an dem Fall, aber bislang gibt es keine Spur. Ich bin aber sicher, dass sie ihn kriegen; den, der auf uns geschossen hat.«

Hardys schwere Augenlider zuckten nicht einmal. Er würdigte weder Carl eines Blickes noch den aufgeregten Nachrichtensprecher von TV2, der über die Tumulte bei der Räumung des Jugendzentrums berichtete. Ihm war alles egal. Nicht einmal die Wut war geblieben. Carl verstand ihn besser als irgendwer sonst. Wenngleich er es Hardy nicht zeigte: Auch ihm war längst alles vollkommen scheißegal. Wer auf sie geschossen hatte, interessierte ihn einen Dreck. Was würde es auch ändern? Waren es nicht die, dann waren es eben die anderen gewesen. Da draußen lief genug von diesem Abschaum herum.

Er nickte der Krankenschwester, die mit einem frischen Tropf hereinkam, kurz zu. Als er letztes Mal dagewesen war, hatte sie ihn gebeten, draußen zu warten, während sie Hardy fertig machte. Das war nicht gut angekommen, und man konnte spüren, dass sie es sich gemerkt hatte.

»Ach, Sie hier?«, sagte sie spitz und schaute auf die Uhr.

»Ja, passt mir besser vor der Arbeit. Was dagegen?«

Wieder sah sie auf die Uhr.

Die Schwester nahm Hardys Arm und begutachtete die Kanüle für den Tropf auf dem Handrücken. Dann ging die Tür wieder auf, und der Physiotherapeut kam herein. Auf ihn und seine Kollegen wartete harte Arbeit.

Carl klopfte auf die Bettdecke, unter der sich Hardys rechter Arm abzeichnete. »Die hier wollen dich gern für sich haben. Ich hau dann mal ab, Hardy. Morgen komme ich ein bisschen früher, dann können wir reden. Mach’s gut.«

Der scharfe Geruch von Medizin hing auch im Flur. Er lehnte sich an die Wand. Das Hemd klebte ihm am Rücken, und die Flecken unter den Armen breiteten sich im Stoff aus. Seit Amager brauchte es dazu nicht viel …

Hardy und Carl und Anker waren wie gewöhnlich vor allen anderen am Tatort angekommen. Sie waren schon in ihren weißen Overalls, hatten die Masken vor dem Mund, die Handschuhe und das Haarnetz übergestülpt, alles Routine. Seit man den alten Mann mit dem Nagel im Kopf gefunden hatte, war kaum eine halbe Stunde vergangen. Die Fahrt vom Präsidium bis hinaus nach Amager war nicht der Rede wert gewesen.

An dem Tag hatten sie ausreichend Zeit vor der Leichenschau. Soweit sie wussten, war der Chef der Mordkommission wegen irgendeiner Strukturreformkonferenz beim Polizeipräsidenten. Aber er würde sicher bald mit dem Amtsarzt aufkreuzen. Nichts konnte Marcus Jacobsen lange von einem Tatort fernhalten.

»Rund ums Haus ist für die Kriminaltechniker nicht viel zu holen«, sagte Anker und stocherte mit dem Fuß in der Erde, die nach dem nächtlichen Regen ganz aufgeweicht war.

Carl sah sich um. Abgesehen von den Holzschuhen des Nachbarn waren nicht viele Fußabdrücke rings um die Baracke zu sehen, eine von denen, die das Militär in den Sechzigern verkauft hatte. Damals hatten die Baracken sicher noch etwas solider ausgesehen, aber jetzt war das Haus ziemlich verfallen. Die Dachsparren hingen durch, die Dachpappe war voller Risse, an der gesamten Vorderfront hatte die Feuchtigkeit ihre Spuren hinterlassen. Selbst das Namensschild, auf das jemand mit schwarzem Filzstift Georg Madsen geschrieben hatte, war zur Hälfte verschwunden. Und über all dem hing der Leichengestank. Alles in allem ein richtig beschissener Ort.

»Ich rede schon mal mit dem Nachbarn«, sagte Anker und wandte sich an den Mann, der seit einer halben Stunde wartete. Bis zur Veranda seines winzigen Hauses waren es höchstens fünf Meter. Wenn die Baracke abgerissen war, würde seine Aussicht unter Garantie wesentlich besser sein.

Hardy machte der Leichengestank nicht so viel aus. Vielleicht weil er alle überragte, oder vielleicht war einfach sein Geruchssinn besonders schlecht ausgebildet. Carl dagegen stöhnte. »Verdammt, das hält man ja nicht aus«, sagte er kurzatmig, als sie auf den Flur traten und die blauen Plastikslipper anzogen.

»Ich mach ein Fenster auf«, sagte Hardy und ging in das Zimmer neben dem engen Hausflur.

Carl stellte sich an die Tür, die zum Wohnzimmer führte. Das Rollo war heruntergelassen, sodass nicht sehr viel Licht in den Raum drang. Aber es reichte doch, um den Toten zu sehen, der drüben in der Ecke saß – mit graugrüner Haut und tiefen Rissen zwischen den Pusteln, die den größten Teil seines Gesichts bedeckten. Aus der Nase sickerte eine dünne rötliche Flüssigkeit, das Oberhemd war zum Bersten gespannt über dem geschwollenen Oberkörper. Die Augen des Toten sahen aus wie Stearin.

»Der Nagel in seinem Kopf wurde mit einem Druckluftnagler in den Schädel geschlagen«, sagte Hardy von hinten, während er seine Baumwollhandschuhe anzog. »Liegt auf dem Tisch. Neben dem Akkuschrauber – der ist sogar noch an. Denkt mit dran, dass wir checken lassen, wie lange der so laufen kann, bevor er wieder aufgeladen werden muss.«

Sie hatten gerade mal ein paar Minuten dort gestanden und sich umgesehen, als Anker zu ihnen kam.

»Der Nachbar wohnt erst seit dem 16. Januar hier draußen«, sagte er. »Also seit zehn Tagen, und in der ganzen Zeit hat er den Toten nicht einmal vor der Tür gesehen.« Er sah sich im Zimmer um. »Der Nachbar unseres Freundes hier hatte sich auf die Veranda gesetzt und die globale Klimaveränderung genossen, sagt er. Da hat er den Gestank bemerkt. Er ist im Augenblick ziemlich erschüttert, der arme Kerl. Vielleicht sollte ihn sich der Amtsarzt nach der Leichenschau mal ansehen.«

Was danach geschah, konnte Carl später nur sehr vage beschreiben – nach allgemeiner Überzeugung war er ja auch gar nicht bei Bewusstsein gewesen. Aber das stimmte nicht. Er erinnerte sich nur zu gut an alles. Er hatte nur keinerlei Lust verspürt, darüber zu sprechen.

Er hatte gehört, wie jemand durch die Küchentür getreten war, aber nicht darauf reagiert. Vielleicht wegen des Gestanks, vielleicht hatte er geglaubt, einer der Techniker sei gekommen.

Sekunden später registrierte er aus dem Augenwinkel eine Gestalt in rot kariertem Hemd, die in den Raum stürzte. Kurz dachte er, er müsse seine Pistole ziehen, aber er tat es nicht. Die Reflexe blieben aus. Und schon spürte er die Schockwelle, als der erste Schuss Hardy in den Rücken traf – und dieser im Fallen Carl mitriss und unter sich begrub. Der enorme Druck von Hardys Körper verdrehte Carls Wirbelsäule, ein Knie brach.

Dann kamen die Schüsse, die Anker in die Brust und Carls Schläfe trafen. Seine Erinnerung war vollständig klar: wie Hardy hyperventilierend auf ihm lag, wie Hardys Blut durch den Einmalanzug sickerte und sich auf dem Fußboden mit seinem eigenen vermischte. Und während sich die Beine des Täters an ihnen vorbeibewegten, dachte er die ganze Zeit, dass er versuchen müsste, an seine Pistole zu kommen.

Hinter ihm auf dem Fußboden lag Anker und versuchte sich umzudrehen. Plötzlich hörte man die Stimmen mindestens zweier fremder Männer aus dem kleinen Raum hinter dem Flur. Bisher waren sie von einem Täter ausgegangen. Aber vermutlich … Wenige Sekunden später waren die beiden im Wohnzimmer. Carl hörte, wie Anker ihnen befahl, stehen zu bleiben. Später hieß es, Anker hätte seine Pistole gezogen.

Die Antwort auf Ankers Befehl war ein weiterer Schuss, der den Boden zum Beben brachte und Anker mitten ins Herz traf.

Das alles dauerte nicht länger als ein paar Sekunden. Die Verbrecher waren durch die Küchentür entkommen, und Carl rührte sich nicht. Er lag vollständig still. Nicht einmal als der Amtsarzt ankam, gab er ein Lebenszeichen von sich. Später sagten sowohl der Arzt als auch der Chef aus, sie hätten zuerst geglaubt, Carl sei tot.

Carl wirkte zwar lange wie bewusstlos, doch sein Kopf war voller verzweifelter Gedanken. Die Kollegen fühlten seinen Puls und fuhren mit allen dreien weg. Erst im Krankenhaus schlug Carl die Augen auf. Sein Blick war tot, hatte man gesagt.

Man glaubte, es sei der Schock. Aber es war die Scham.

»Ist alles okay mit Ihnen?« Ein Typ im Kittel, etwa Mitte dreißig, trat zu ihm.

Carl drückte sich von der Wand ab. »Ich bin gerade bei Hardy Henningsen gewesen.«

»Hardy, ach ja. Sind Sie ein Angehöriger?«

»Nein, ich bin sein Kollege. Ich war Hardys Gruppenleiter bei der Mordkommission.«

»Aha.«

»Wie ist seine Prognose? Wird er wieder gehen können?«

Der junge Arzt trat einen Schritt zurück und sah Carl plötzlich abweisend an. Seine Meinung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben: Es ging Carl nichts an. »Ich kann leider nur nahen Angehörigen Auskunft geben. Das werden Sie doch bestimmt verstehen.«

Carl packte den Arzt am Arm. »Hören Sie mal: Ich war dabei, als es passierte, begreifen Sie das? Einer unserer Kollegen wurde getötet. Wir waren zusammen dort – meinen Sie nicht, dass ich ein Recht darauf habe zu erfahren, wie es mit Hardy weitergeht? Also noch einmal: Wird er wieder gehen können?«

»Tut mir leid.« Der Arzt schob Carls Hände weg. »Über Ihre Dienststelle werden Sie sicher über das Notwendigste zu Hardys Zustand unterrichtet werden. Aber ich kann Ihnen keine Informationen geben. Wir müssen jeder unsere Arbeit tun, jeder an seinem Platz.«

Dieser leicht überhebliche Unterton, die affektierte Aussprache, die leicht gehobenen Augenbrauen des Arztes – das alles war in diesem Moment wie der Tropfen Benzin auf Carls Selbstentzündungsprozess. Er hätte dem Typen am liebsten eins in die Fresse gehauen, aber er packte ihn nur fest am Kragen und zog ihn sich dicht vors Gesicht. »Ja, wir machen unsere Arbeit. Wenn deine Tochter nicht um zweiundzwanzig Uhr zu Hause ist, wie sie sollte, dann rennen wir los, um nach ihr zu suchen. Und wenn deine Frau vergewaltigt wird oder dein cremefarbener Scheiß-BMW nicht auf dem Parkplatz steht, dann stehen wir auf der Matte. Wir sind immer da, wenn du uns brauchst, und ich frage jetzt ein letztes Mal: Wird mein Kollege Hardy wieder gehen können?«

Der Arzt atmete heftig, als Carl den Kragen losließ. »Ich fahre Mercedes, und ich bin nicht verheiratet.« Der Triumph stand ihm ins Gesicht geschrieben: Er hatte Carls Ebene verlassen und dessen Strategie durchkreuzt. Das hatte er vermutlich in einem Psychologiekurs gelernt, den sie zwischen die Anatomievorlesungen gequetscht hatten. »Ein kleines bisschen Humor – und der Feind ist entwaffnet.« Deeskalation nannte man das jetzt. Carl war nicht sonderlich beeindruckt.

»Für einen Facharzt in Psychologie reicht das aber noch nicht. Fehlt noch das Kapitel über Arroganz, du kleiner Scheißer«, sagte Carl und schubste den Arzt von sich weg.

Sie warteten in seinem Büro auf ihn, der Chef der Mordkommission und sein Stellvertreter. Verdammt, hatte sich die Beschwerde des Arztes schon bis hierher fortgepflanzt? Er musterte sie kurz. Nein. Sie sahen eher so aus, als hätte sich irgendeine glorreiche Idee ihrer Buchhaltergehirne bemächtigt. Die Blicke, die sie austauschten … Oder stank das alles mehr nach Krisenintervention? Wollten sie ihn noch mal zwangseinweisen lassen, damit er mit einem Psychologen über seine »Posttraumatische Belastungsstörung« philosophierte? Durfte er noch mal in den Genuss eines Spezialisten kommen, der ihn eindringlich anschaute, in Carls dunkle Ecken und Winkel vordringen wollte, um aufzudecken, was unausgesprochen geblieben war? Das konnten sie sich sparen, Carl wusste es besser. Von seinem Problem konnte man sich nicht mit Reden befreien. Das hatte eine zu lange Vorgeschichte. Der Vorfall auf Amager hatte dem Ganzen nur noch die Krone aufgesetzt.

Sie konnten ihn alle mal.

»Tja Carl«, sagte der Chef und nickte zu seinem leeren Stuhl hin. »Lars und ich haben hin und her überlegt. Du merkst selbst, dass es so nicht läuft. Und wir glauben, dass jetzt der Zeitpunkt für einen Schnitt gekommen ist.«

Das klang ja, als wäre er gefeuert. Carl begann, mit den Fingern auf die Tischkante zu trommeln. Er sah über den Kopf seines Chefs hinweg. Wenn sie ihn wirklich feuern wollten, würde das gar nicht so leicht sein.

Carl sah aus dem Fenster hinüber zum Tivoli, wo sich die Wolken drohend zusammenballten. Wenn sie ihn feuerten, würde er schnell aufbrechen müssen, bevor es anfing zu schütten. Was sollte er da noch mit einem Vertrauensmann reden. Er würde dann wohl direkt zur Geschäftsstelle des Berufsverbands am H. C. Andersens Boulevard gehen. Einen Kollegen feuern, kaum dass er eine Woche nach Ende der Krankschreibung wieder im Dienst war und nur zwei Monate, nachdem man ihn angeschossen und er zwei seiner guten Kumpel aus der Gruppe verloren hatte – das konnten sie nicht bringen. Der älteste Polizeiverband der Welt würde sich seines Alters sicher würdig erweisen.

»Carl, ich weiß, dass es für dich etwas plötzlich kommt. Aber wir haben beschlossen, dass du etwas Luftveränderung brauchst – und zwar auf eine Weise, mit der wir deine hervorragenden Fähigkeiten als Ermittler noch besser nutzen können. Du übernimmst ein neues Dezernat, das Dezernat Q. Die Entscheidung über die Einrichtung ist gerade an höchster Stelle gefallen. Ziel und Zweck dieses Dezernats ist es, Fälle erneut aufzugreifen, die mangels ausreichender Fahndungserfolge ruhen, die aber von besonderem Interesse für das Gemeinwohl sind.«

Verdammt, dachte Carl und lehnte sich zurück.

»Also. Du wirst diese Abteilung in Eigenregie betreiben. Wer wäre dazu besser in der Lage als du?«

»Jeder«, antwortete er und sah zur Wand.

»Carl. Die letzte Zeit war für dich ziemlich schwierig. Und dieser Job ist wie für dich geschaffen«, sagte der Stellvertreter.

Was zum Teufel weißt du denn davon, du kleiner Idiot, dachte Carl.

»Du wirst absolut selbstständig arbeiten. Wir wählen eine Reihe von Fällen nach Rücksprache mit den Polizeipräsidenten der Kreise aus, und dann legst du selbst die Prioritäten und die Vorgehensweise fest. Du wirst einen eigenen Etat bekommen – wir brauchen von dir lediglich eine monatliche Abrechnung«, fuhr sein Chef fort.

Carl runzelte die Stirn. »Hast du gesagt ›die Polizeipräsidenten‹?«

»Ja, das Dezernat arbeitet überregional. Deshalb wirst du auch nicht mehr mit deinen alten Kollegen zusammensitzen. Wir haben hier im Präsidium eine ganz neue Abteilung für dich eingerichtet. Dein Büro ist schon fast fertig.«

Cleverer Schachzug, dachte Carl. Auf die Weise haben sie mich hübsch aus dem Weg geräumt und können alleine rummurksen. »Oho, ein neues Büro. Und wo ist dieses neue Büro, wenn ich fragen darf?«

An diesem Punkt gefror seinem Chef das Lächeln im Gesicht. »Wo es liegt? Na ja, derzeit im Keller. Aber das wird keine Dauerlösung sein. Jetzt müssen wir aber erst mal sehen, wie es läuft. Und wer weiß, was sich daraus noch alles entwickelt, wenn die Aufklärungsrate einigermaßen stimmt.«

Carl sah wieder hinüber zu den Wolkenbergen. In den Keller. So kann man Kollegen auch mürbe machen. Sie wollten ihn tatsächlich kaltstellen. Isolationshaft für unbequeme Kollegen. Aber was machte das schon für einen Unterschied: ob sich das hier oben oder im Keller abspielte. Egal. Er tat ja doch, was ihm passte, und soweit möglich war das eben gar nichts.

»Wie geht es übrigens Hardy?«, fragte sein Chef nach einer angemessenen Pause.

Carl sah ihn an. Das war in all der Zeit das erste Mal, dass er diese Frage gestellt hatte.

5

2002

Abends war Merete Lynggaard ihr eigener Herr. Mit jedem Kilometer, den sie auf dem Heimweg mit dem Auto zurücklegte, streifte sie alles ab, was nicht zu ihrem Leben hinter den Eiben in Magleby passte. Sobald sie in die Weite von Stevns abbog und über die Brücke des Tryggevælde Å fuhr, fühlte sie sich wie ausgewechselt.

Uffe saß wie gewöhnlich mit dem kalten Tee am Rand des Couchtischs, gebadet im Licht des Fernsehers, der in voller Lautstärke lief. Wenn sie das Auto in der Garage abgestellt hatte und zur Hintertür ging, sah sie ihn vom Hof aus deutlich durch die großen Scheiben. Immer derselbe Uffe. Still und regungslos.

Im Wirtschaftsraum zog sie die hochhackigen Schuhe aus und stellte sie an ihren Platz, legte die Mappe oben auf die Heizung, hängte den Mantel im Flur auf und legte die Akten in ihr Büro. Dann zog sie ihren Filippa-K.-Anzug aus, legte ihn über den Stuhl neben der Waschmaschine, zog den Morgenmantel vom Haken und schlüpfte in die Hausschuhe. Genau so sollte es sein. Sie gehörte nicht zu denen, die den Tag unter der Dusche abspülen mussten, sobald sie durch die Tür gekommen waren.

Dann wühlte sie in der Plastiktüte, die Hopjes-Bonbons lagen ganz unten. Erst als das Bonbon auf ihrer Zunge lag und der Blutzuckerspiegel stieg, war sie so weit, dass sie den Blick zum Wohnzimmer richten konnte.

Dann erst rief sie ihren Bruder. »Hallo Uffe! Ich bin wieder da!« Immer dasselbe Ritual. Sie wusste, dass Uffe das Licht ihrer Scheinwerfer schon gesehen hatte, als sie über den Hügel fuhr, aber er wartete geduldig auf sie, bis sie so weit war.

Sie hockte sich vor ihn und versuchte, Blickkontakt aufzunehmen. »Hallo du da, sitzt du vorm Fernseher und siehst Nachrichten und machst Trine Sick an?« Er kniff die Augen zusammen, sodass ihm die Lachfalten bis zum Haaransatz reichten, löste den Blick aber nicht vom Bildschirm.

»Ja, ja, du bist mir ein Schlimmer.« Sie nahm seine Hand. »Aber du magst Lotte Mejlhede noch lieber, oder? Glaubst du denn, ich weiß das nicht?« Jetzt sah sie, wie sich seine Lippen zu einem breiten Lachen verzogen. Der Kontakt war hergestellt. Klar, ganz tief in seinem Innern war er noch immer Uffe. Und Uffe hatte immer genau gewusst, was er wollte.

Sie wandte sich dem Fernseher zu und sah die beiden letzten Beiträge der Nachrichtensendung mit ihm an. Der eine handelte von der Aufforderung des Ernährungsrates, industriell hergestellte trans-Fettsäuren zu verbieten, der andere von einer hoffnungslosen Kampagne, die der dänische Geflügelzüchterverband gegen staatliche Subventionen führte. Sie kannte die Hintergründe beider Themen mehr als gut: Das waren zwei arbeitsintensive Nächte für sie gewesen.

Sie drehte sich zu Uffe um und fuhr ihm durchs Haar, sodass auf der Kopfhaut die lange Narbe zu sehen war. »Nun komm, du fauler Kerl, lass uns zusehen, dass wir was zu essen bekommen.« Mit der freien Hand nahm sie ein Sofakissen und haute es ihm an den Hinterkopf, bis er vor Vergnügen heulte und mit Armen und Beinen fuchtelte. Dann ließ sie seine Haare los und hüpfte wie eine Bergziege über das Sofa und durch das Wohnzimmer bis zur Treppe. Das verfehlte nie seine Wirkung. Johlend und juchzend vor Lebenslust und Energie folgte er ihr dicht auf den Fersen. Wie zwei Bahnwaggons mit Triebfedern zwischen sich donnerten sie nach oben in den ersten Stock und wieder nach unten, hinaus zur Garage, zurück ins Wohnzimmer und schließlich in die Küche. Gleich würden sie das Essen, das die Familienhelferin vorbereitet hatte, vor dem Fernseher essen. Gestern hatten sie Mr. Bean gesehen. Vorgestern Charlie Chaplin. Heute würden sie wieder Mr. Bean sehen. Uffes und Meretes Videosammlung richtete sich ausschließlich nach dem, was Uffe gern sah. Meist hielt er eine halbe Stunde durch, ehe er einschlief. Dann deckte sie ihn zu und ließ ihn auf dem Sofa schlafen, bis er irgendwann in der Nacht von sich aus ins Schlafzimmer kam. Dort nahm er ihre Hand und grunzte ein bisschen, dann schlief er im Doppelbett neben ihr wieder ein. Wenn er endlich fest schlief, machte sie das Licht an und bereitete sich auf den nächsten Tag vor.

So vergingen Abend und Nacht. Denn so liebte es Uffe – ihr geliebter kleiner Bruder. Lieber, stummer Uffe.

6

2007

An der Tür hing vermutlich ein Messingschild, auf dem »Dezernat Q« stand, aber die Tür war ausgehängt und lehnte nun an den Heizungsrohren, die sich durch die endlosen Kellergänge zogen. Zehn halb volle Eimer mit Farbe standen noch immer in dem Raum, der jetzt wohl als Büro fungieren sollte, und verströmten diesen strengen Geruch. An der Decke hingen vier Neonröhren, die einem schon nach kurzer Zeit bohrende Kopfschmerzen bescherten. Immerhin waren die Wände trocken. Nur beim Blick auf die Farbe musste man zwangsläufig an rumänische Krankenhäuser denken.

»Vivat Marcus Jacobsen«, brummte Carl und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen.

Auf den letzten hundert Metern des Kellerflures war er keiner Menschenseele mehr begegnet. Dort, wo man sein Büro eingerichtet hatte, gab es weder Menschen noch Tageslicht noch Luft – nichts, was die Assoziation mit einem Gulag vertrieben hätte. Dieser Ort hier war der Arsch der Welt.

Er blickte auf seine beiden funkelnagelneuen Computer und das Bündel Leitungen, das zu ihnen führte. Anscheinend hatten sie die Datenübertragungswege aufgespalten, sodass das Intranet mit dem einen Computer und der Rest der Welt mit dem zweiten verbunden war. Er tätschelte Computer Nummer zwei. Wenn er wollte, könnte er hier also stundenlang sitzen und im Internet surfen. Keinerlei Vorschriften und störende Regeln über sicheres Surfen und Schutz des zentralen Servers, das war doch schon mal was. Er sah sich um nach irgendetwas, das sich als Aschenbecher benutzen ließ, und klopfte eine Grøn Cecil aus der Packung. »Rauchen ist schädlich – für dich und deine Umgebung« stand auf der Packung. Er sah sich um. Damit würden die paar Kellerasseln hier unten sicher auch noch fertig werden. Er zündete die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Es hatte ja doch was, Chef seiner eigenen Abteilung zu sein.

»Wir schicken dir die Fälle nach unten«, hatte Marcus Jacobsen gesagt. Bisher herrschte gähnende Leere auf dem Schreibtisch und in den Regalen. Vielleicht war man der Meinung, er solle sich in den Räumlichkeiten erst mal häuslich einrichten. Aber Carl war es egal, da war nichts, was er erst ordnen musste, ehe der Geist über ihn kam.

Er schob den Bürostuhl seitlich an den Schreibtisch und legte die Beine über die Ecke der Tischplatte. So hatte er in den Wochen, als er krankgeschrieben war, die meiste Zeit zu Hause gesessen. Zuerst hatte er einfach nur in die Luft gestarrt. Hatte seine Zigaretten geraucht und versucht, nicht an das Gewicht von Hardys schwerem Körper auf seinem zu denken und an Ankers Röcheln in den Sekunden, bevor er starb. Dann war er im Internet herumgesurft. Ohne Ziel, ohne Plan, nur so, um sich zu betäuben. Das konnte er doch jetzt gut fortsetzen. Er sah auf die Uhr. Nur noch fünf Stunden musste er absitzen, bevor er wieder nach Hause gehen konnte.

Carl wohnte in Allerød; seine Frau hatte das so gewollt. Hierher waren sie gezogen, zwei Jahre ehe sie ihn verließ und in ein Gartenhaus in Islev einzog. Damals hatte sie eine Karte von der Insel Seeland auf dem Tisch ausgebreitet. Sie hatte sich schnell ausgerechnet, dass man, wenn man alles wollte, Geld auf den Tisch legen musste. Oder man zog eben nach Allerød. Nette kleine Stadt, S-Bahn-Anschluss, ringsum Felder, der Wald in Laufnähe, viele schöne Geschäfte, Kino, Theater, Vereinsleben. Und obendrein gab es noch den Rønneholtpark. Seine Frau war Feuer und Flamme. In dieser Anlage konnten sie für einen annehmbaren Preis ein Reihenhaus aus solidem Beton kaufen, das genug Platz für sie beide bot – und für Viggas Sohn. Als Zugabe hatten sie auch noch das Nutzungsrecht für den Tennisplatz, ein Hallenbad und das Gemeinschaftshaus sowie die Getreidefelder und das Moor in nächster Nähe. Und es gab obendrein eine Menge netter Nachbarn. Denn im Rønneholtpark interessierten sich die Menschen füreinander, hatte sie gelesen. Damals war das für Carl nicht unbedingt ein Vorzug gewesen, aber das hatte sich in der Zwischenzeit geändert. Ohne die Freunde im Rønneholtpark wäre Carl vor die Hunde gegangen. Ganz buchstäblich. Erst war ihm die Frau weggelaufen. Dann wollte sie sich aber nicht scheiden lassen, sondern blieb in der Laube wohnen. Über ihre zahlreichen und meist deutlich jüngeren Liebhaber pflegte sie ihn gern telefonisch auf dem Laufenden zu halten. Als ihr Sohn sich irgendwann weigerte, weiter mit ihr zusammenzuwohnen, zog er zurück zu Carl ins Haus – ausgerechnet in der heißesten Phase der Pubertät. Und schließlich dann die Schießerei auf Amager, die Carl endgültig aus der Bahn zu werfen drohte. Plötzlich war alles dahin, woran Carl sich immer gehalten hatte: seine Frau, ein solider Lebensinhalt und zwei gute Kollegen, denen es scheißegal war, mit welchem Bein er morgens zuerst aufgestanden war. Nein, ohne den Rønneholtpark und die Menschen dort hätte er all das wohl nicht überstanden.

Als Carl nach Hause kam, schob er sein Fahrrad in den Schuppen vor der Küche. Dass seine beiden Mitbewohner da waren, ließ sich nicht überhören. Aus dem Souterrain seines Mieters Morten Holland dröhnten Opernarien, darübergelegt der dumpfe Heavy-Metal-Sound seines Ziehsohns, der ihm aus dem Zimmer im ersten Stock entgegendonnerte.