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Matheo Cocomero

Peloponnes

Kurzgeschichten





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Fünf Kurzgeschichten (edited version - short cut)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für K.

BEGEGNUNGEN

I

 

Ich wachte auf und wartete, bis meine geöffneten Augen die Rauhfasern an der Zimmerdecke erkennen konnten.

Es hörte sich nach Regen an. Ich machte die Augen wieder zu.

Es gab schon mal schönere Morgen.

Ich wandte meinen Kopf nach rechts. Es war warm. Ich lugte. Dort lag Pat. Sie schlief noch. Schöne Wimpern, dachte ich. Dann schaute ich nach links. Celine, den Kopf in ihre Hand gestützt beobachtete mich, strahlte aus ihren blauen Augen und begann zu lächeln. Ich wollte das nicht sehen. Ich starrte wieder an die Zimmerdecke und vergaß.

Später spürte ich, wie Celines Hand langsam in die Gegend meiner Lenden wanderte. Sie war kalt. Ich bemerkte, wie sich meine morgendliche Erektion verflüchtigte. Sie gab sich Mühe. Ich hatte keine Lust mehr. Ich dachte an gar nichts. Der Glanz in meinen Augen begann zu brennen.

Und dann roch es nach Kaffee. Celine war aufgestanden. Sie stand mit den beiden Tassen vor dem Bett. Ich richtete mich dankbar auf. Wir schauten auf Pat, die sich nicht rührte. Wie tot lag sie da. Aber friedlich.

Ich schaute zu Celine, die versteinerte. Dann ließ sie die Tassen fallen. Ich sah den Aufprall voraus, hielt mir die Ohren zu, es gab Scherben und eine sich ausdehnende Pfütze auf dem Parkett. Der Kaffee sickerte gemächlich in die Fugen.

- Atmet sie noch?, flüsterte Celine.

Ich hielt meinen Handrücken vor Pats Nase. Es war noch warm.

- Weiß nicht, sagte ich.

Als nächstes stürzte sich Celine auf Pat, um sie wild und ängstlich an den Schultern hochzunehmen und in übertriebener Manie durchzuschütteln, so daß Pats Kopf vor und zurück schlug. Ich fragte mich, ob Celine zu viele Filme gesehen hätte.

- Meine Güte, Pat, wach auf!, rief Celine.

- Mann, was...?, murmelte Pat und zog die Bettdecke wieder an sich. Die Augen kurz zu Schlitzen geformt, blickte sie jeden an, warf sich entschieden zurück und kuschelte sich wieder ein.

- Laß sie, sie schläft, grummelte ich in Celines Richtung und stand auf.

- Und ich dachte schon, seufzte Celine und sackte in sich auf dem Bett zusammen, Pats Frieden bewundernd.

 

Ich stand im Badezimmer. Ich betrachtete diese dußlige Tube, aus der ein Streifen mit drei unterschiedlichen Farben kam. Ich putzte mir die Zähne damit. Im Spiegel sah ich auf einmal, wie die Tür aufgeht, Pat reinstürzt, zielstrebig Marsch auf das Klo nimmt, die Brille hochklappt und sich in die Schüssel übergibt. Ich beuge mich über sie. Es ist blutig.

- Was hast du?, frage ich. Sie spuckt noch mal aus.

- Kann ich dir nicht sagen, antwortet sie.

Ich reich ihr etwas von dem abgerollten Toilettenpapier.

- Danke, sagt sie und schneuzt sich.

- Sieht nicht gut aus, meine ich.

- Stimmt, meint sie.

Aus ihren treuen Augen guckt sie mich von unten nach oben an. Ich vermute, daß das nicht das erste Mal war.

- Ist schon gut, beruhigt sie mich, das bekomme ich jetzt öfter.

Ich halte ihr meine Zahnbürste hin und mache neue Farben drauf.

 

Wir sehen noch, wie die Tür ins Schloß fällt. Celine ist zur Arbeit gegangen und wir sind auf dem Weg in die Küche. Es gibt ein paar Heringe. Saure Gurken. Und ich finde das Glas mit den Kapernäpfeln und halt ihr einen wie eine Kirsche hin. Es funktioniert.

Wir frühstücken nicht, wir haben Hunger. Und ich hau ein paar Eier in die Pfanne und laß den Schinken anbrennen. Pat hantiert mit dem Dosenöffner. Es gibt Pastete. Wo ist das Brot. Ach da. Hast du die Marmelade. Honig wäre auch nicht schlecht. Noch einen Saft. Ja, der Kaffee ist auch schon durchgelaufen. Ein paar Heringe wären jetzt gut, aber die sind schon alle. Wir lachen und packen alles auf ein Tablett. Wir gehen zielstrebig an dem Bett vorbei auf den Balkon und es ist angenehm warm. Wie Sommer. Wie Urlaub.

Pat guckt kurz über die keimenden Blumenkästen.

- Sieh mal, da läuft Celine, schnauft sie vornübergebeugt.

Ich seh nicht hin. Ich stelle mir vor, wie Celine die Gäste in der Bar gegenüber an den Tischen draußen bedient. Dabei beiß ich in ein gemachtes Honigbrötchen.

Pat ißt. Es ist mehr ein Stopfen. Sie ißt alles durcheinander. Mir ist das zuwider, und ich beginne mich nach Celine zu sehnen. Ihrem Stil. Wie sie mit Messer und Gabel umgeht. Ich brauche nur die Treppen runter zu gehen, mich an einen Tisch zu setzen, sie zu mir einzuladen. Der Wirt hat nichts dagegen, daß eine seiner Mitarbeiterinnen seine Dienste in Anspruch nimmt.

Unter den Arkaden ist es angenehm lau, wir fühlen uns wie im Süden. Wir denken an den Markusplatz. Die Croissants schmecken gut. Der Wirt gewinnt Spaß daran, Celine zu bedienen, und wir bekommen ein Extra. Er macht uns eine Tarte de Mer. Um die Uhrzeit uns mit Meeresfrüchten auseinanderzusetzen, darauf lassen wir uns gerne ein.

Ich sehe Pat an, die mich ansieht. Ich glaube, es war ihr drittes. Drei wahllos belegte Brötchen tummeln sich in ihrem Magen, der jetzt sauer und salzig, süß und bitter verarbeiten muß. Mechanisch steht sie auf. Geht rückwärts durch die Balkontür. Verschwindet in dem schwarzen Raum dahinter. Ich guck über die keimenden Blumenkästen. Celine ist dabei, die Sonnenschirme aufzuspannen. Es wird dann wohl doch noch ein heißer Tag. Ich höre die Klospülung. Ich sehe Pat, die auf mich zukommt und sich den Mund abwischt. Ich schlucke und trinke mit Kaffee nach. Pat setzt sich. Und zündet sich eine Zigarette an. Sie sieht gut aus.

Wir gehen rein. Das Irgendwas, was sie an hat, streif ich ihr ab. Sie greift mir zwischen die Beine, wir landen auf dem Bett. Ich versuche den harten Aufschlag abzufangen, sie federt leicht. Ich dringe in sie ein. Ihr Becken sticht. Ich taste nach ihren Rippenbögen. Ihr Rücken ist gespannt. Sie beginnt zu zucken. Ihre Haut wird transparent. Lichtdurchlässig. Es gibt keinen Widerstand. Ich falle ins Nichts. Ich bin nichts. Sie schließt ihre Augen. Es wird wieder warm.

 

 

II

 

Es ist dunkel. Es ist zehn. Pat atmet neben mir. Ich höre einen Schlüssel klappern. Licht wird angeschaltet. Es bahnt sich den Weg zu mir aus der Küche. Ich realisiere, daß ich eigentlich heute gehen wollte. Ich schiebe es auf morgen.

Ich erkenne Celine, die sich an der geöffneten Kühlschranktür festhält. Sie wippt leicht nach vorn und zurück. Ballen-Hacken, Ballen-Hacken. Celine ist betrunken.

Ich stehe auf und schließ den Balkon. Seit einem Monat immer dasselbe Spiel. Morgens Pat, abends Celine. In der Wohnung hängt ein süßlich abgestandener Hauch von immer wiederkehrenden Momenten.

- Entschuldige bitte, sagt sie, als sie mein verzogenes Gesicht bemerkt.

Ich betrachte Celine. Es klingelt. Das Brot ist fertig. Ihre Augen sagen Danke. Und sie beginnt zu essen.

- Wie geht es Pat?, fragt sie.

- So schlimm? Ihr Blick geht ins Leere.

Ich bin ganz ruhig. Ich nehme mit der Fingerkuppe ein paar salzige Krümel auf, betrachte sie. Weiß und gelb, denke ich. Wir sehen Pat, die aufsteht, um zu kotzen. Wir hören sie aus dem Bad, und dann zusammenbrechen. Das Scheppern und Klirren des heruntergerissenen ALLIBERT, an dem sie sich festgehalten haben muß, klingt noch etwas nach.

- Laß sie..., sagt sie mit hohler Stimme.

Celine geht noch mal an den Kühlschrank. Wieder, um nur nachzuschauen. Das Licht aus dem Kühlschrank blendet. Schatten vom Gitter zeichnen sich an der Wand ab. Mir wird bewußt, daß es ein amerikanischer ist. Eine Klinke am Eisfach, das geschlossen bleibt. Ich stehe auf und schiebe ihren Mini hoch. Den Slip und die Strumpfhose runter. Nehme sie von hinten. Sie stöhnt. Ich forme meine rechte Hand zu einer Schale, fasse ihren Hinterkopf. Und knall sie dagegen.

Sie regt sich nicht mehr. Es ist still.

Ich stelle die nicht kaputt gegangenen Sachen ordentlich zurück. Ketschupflaschen und Mostrichgläser. Der ausgelaufene Zuckerrübensirup verklebt Celines Haar. Schinkenstücke und Käsereste bekommen eine neue Verpackung aus Zellophan und Butterbrotpapier. Irgendwie tut sie mir ja leid, wie sie da so tot vor mir hockt.