Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart
Herausgeber:
Prof. Dr. Christian Fink, Professur für Accounting & Controlling, Studiengang Business & Law in Accounting and Taxation, Hochschule RheinMain, Wiesbaden, Mitglied des HGB-Fachausschusses des DRSC e.V. sowie der Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften (VMEBF) e.V.; Prof. Dr. Oliver Kunath, Professur für Rechnungswesen & Finanzierung, Studiengang Digital Business Management, Hochschule RheinMain, Wiesbaden.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.dnb.de abrufbar.
Print: | ISBN 978-3-7910-4360-9 | Bestell-Nr. 11026-0001 |
ePub: | ISBN 978-3-7910-4361-6 | Bestell-Nr. 11026-0100 |
ePDF: | ISBN 978-3-7910-4362-3 | Bestell-Nr. 11026-0150 |
Christian Fink / Oliver Kunath (Hrsg.)
Digitale Transformation im Finanz- und Rechnungswesen
1. Auflage 2019
© 2019 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
www.schaeffer-poeschel.de
service@schaeffer-poeschel.de
Bildnachweis (Cover): shutterstock.com
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.
Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart
Ein Unternehmen der Haufe Group
Kaum ein Tag vergeht, ohne dass das Thema Digitalisierung in den Medien Erwähnung findet, und das zu Recht: Die Auswirkungen auf Strategien, Geschäftsmodelle und Prozesse von Unternehmen sind derart umfassend, dass sie unser Wirtschaften in weiten Teilen beeinflussen, wenn nicht gar grundlegend verändern und infrage stellen werden. Das Rechnungswesen bildet diesbezüglich natürlich keine Ausnahme. Gleichwohl wage ich die Aussage, dass vielen Entscheidungsträgern noch gar nicht bewusst ist, wie tiefgreifend die Einschnitte in Unternehmen und Gesellschaft sind – wird die Digitalisierung doch nicht selten lediglich als konsequente Fortentwicklung der Automatisierung verkannt. Freilich: Digitalisierung hat eine Automatisierungskomponente; sie aber nur darauf zu reduzieren, greift sichtlich zu kurz und adressiert weder die sich bietenden Chancen und Möglichkeiten, noch die damit einhergehenden Risiken und Gefahren. Das Thema Cybersicherheit und der Umgang mit sensiblen Daten ist hier nur eines unter vielen, das einem in den Sinn kommt.
Neben den gesellschaftlichen und geschäftspolitischen Einflüssen gibt es aber auch ganz handfeste bilanzrechtliche Fragestellungen, die es zu adressieren gilt. Einige – wie beispielsweise die Bilanzierung von Krypto-Vermögen – mögen dem gestandenen Bilanzbuchhalter vielleicht eher etwas esoterisch daherkommen, zumal die bilanziellen Größenordnungen für das einzelne Unternehmen (noch?) überschaubar sind; andere Themen – wie die strukturierte Berichterstattung im elektronischen Format ESEF – mögen (derzeit?) nur bestimmte Unternehmen betreffen. Spätestens aber beim Thema Cloud Computing wird sich eine breite Masse an Unternehmen angesprochen fühlen, sei es auf der Angebots- oder der Nachfrageseite. Und hier sind noch einige Nüsse zu knacken – wenn denn unser tradiertes bilanzielles Nussknacker-Instrumentarium dafür ausreicht! Viele Fragestellungen betreffen den über Jahrzehnte vernachlässigten Bereich der Bilanzierung immateriellen Vermögens, und auch wenn allgemeine Normen für dessen Abbildung und Berichterstattung bestehen, muss die Frage erlaubt sein, ob das Ergebnis ihrer Anwendung in allen Fällen zu sinnvollen und entscheidungsnützlichen Aussagen führt.
Dieses Buch bietet Unternehmen einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Dimensionen der Digitalisierung. Dabei werden sowohl inhaltliche als auch prozessuale Aspekte beleuchtet und die Wechselwirkung zwischen der Digitalisierung als Impulsgeber und Motor auf der einen und den Auswirkungen veränderter Geschäftsmodelle auf das Rechnungswesen und die Steuerung auf der anderen Seite betrachtet. Damit kommt das Werk genau zur rechten Zeit. Ich wünsche den Autoren viele interessierte Leser und große Resonanz!
Berlin, im Februar 2019
Prof. Dr. Andreas Barckow
Präsident des DRSC e.V.
Digitale Technologien entwickeln sich rasant weiter und sind bei vielen Unternehmen bereits fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Digitalisierung hat bereits zu erheblichen Veränderungen bestehender Geschäftsmodelle geführt und macht auch vor dem Finanz- und Rechnungswesen keinen Halt. Dies geht oftmals auch mit einer Anpassung der Unternehmenskultur einher, um die Mitarbeiter auf die digitale Transformation vorzubereiten.
Mitte 2018 wurde mit der Umfirmierung von MAN Diesel & Turbo zu MAN Energy Solutions ein neuer strategischer und technologischer Fokus unseres Geschäftsmodells begründet. Dieser ist vor allem geprägt vom Pariser Klimaabkommen und dem Ziel einer klimaneutralen Weltwirtschaft bis zum Jahr 2050. Um zum Ziel einer klimaneutralen Zukunft beizutragen, setzen wir bei MAN Energy Solutions auf drei Bereiche. Da die Hälfte des Welthandels von MAN-Schiffsantrieben angetrieben wird, unterstützen wir die Trendwende bei der maritimen Energieversorgung und bieten eine Reihe alternativer Antriebstechnologien an, um Verbrauch und Emissionen zu reduzieren. Zweitens entwickeln wir ständig neue Technologien zur Erzeugung und Speicherung von elektrischer Energie, um die schwankende Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien auszugleichen und den CO2-Fußabdruck von Kraftwerken zu senken. Zudem prüfen und nutzen wir intensiv die Möglichkeiten neuer digitaler Technologien in allen Bereichen der industriellen Wertschöpfungskette und in administrativen Funktionen, um die eigenen, aber auch die Prozesse unserer Industiekunden effizienter und zuverlässiger zu gestalten. Beispielsweise fokussieren wir uns bei der Gasförderung auf unbemannte Unterwasserkompressoren. Diese Technologie wird »digital« gesteuert und sie reduziert signifikant den Energiebedarf und die CO2-Emission.
Nahezu alle operativen Abteilungen der MAN Energy Solutions beschäftigen sich mit der digitalen Transformation und der Fragestellung, wie vor dem Hintergrund der Klimaziele und bestehender Kundenbedürfnisse Unternehmensprozesse mit Hilfe neuer Technologien nicht nur optimiert werden können, sondern darüber hinaus auch neuer Kundenmehrwert generiert werden kann.
Digitale Technologien unterstützen unsere Mitarbeiter beispielsweise dabei, die Prozesse in der Herstellung von Neubauanlagen transparent darzustellen. In Echtzeit wird der aktuelle Bearbeitungsstand von Neubauanlagen per Knopfdruck abgerufen und analysiert. Etwaige Verzögerungen werden frühzeitig erkannt und geeignete Gegenmaßnahmen können umgehend eingeleitet werden. Dies ermöglicht nicht nur eine genauere Umsatzprognose und Unternehmensplanung, sondern führt durch reduzierte Durchlaufzeiten und eine Sicherstellung der fristgerechten Auslieferung zu echtem Kundenmehrwert.
Im Servicegeschäft ermöglicht der Einsatz von Sensoren in Maschinen und Anlagen, große Datenmengen nicht nur zu sammeln, sondern mittels »Künstlicher Intelligenz« auch automatisiert und schnell auszuwerten, um Problemlösungen mitunter in Echtzeit zu erzielen. Software auf Basis künstlicher Intelligenz erkennt dabei mittels Algorithmen, d. h. statistischer und selbstlernender Verfahren, wiederkehrende Muster und Trends, um z. B. die Maschinen und Anlagen unserer Kunden effizienter und kostengünstiger betreiben und warten zu können.
Des Weiteren ermöglichen digitale Technologien Prozessautomatisierungen und entlasten dadurch unsere Mitarbeiter von manuellen Routinetätigkeiten. Für das Finanz- und Rechnungswesen bedeutet dies insbesondere, den Automatisierungsgrad in der Rechnungsverarbeitung und -verbuchung deutlich zu erhöhen. Der Erfolg dieser Automatisierungsprojekte hat gezeigt, dass anfängliche Skepsis und Vorbehalte gegenüber Automatisierungsprojekten unbegründet waren. Zudem denken und handeln unsere Mitarbeiter im Finanz- und Rechnungswesen mit Blick auf diese Erfolge konsequenter prozessorientiert. Mit Erwerb der notwendigen Kompetenzen ist das Finanz- und Rechnungswesen zudem in der Lage, weitere Routinetätigkeiten möglichst vollständig zu automatisieren, um mehr Zeit in inhaltlich anspruchsvollere und geschäftskritischere Aufgaben zu investieren.
Die Beiträge in diesem Buch behandeln nicht nur die Themen der digitalen Transformation, die uns bei der MAN Energy Solutions derzeit beschäftigen, sondern zeigen weitere interessante Potenziale der Digitalisierung aus verschiedenen Blickwinkeln des Finanz- und Rechnungswesens auf. Die Autoren aus Wissenschaft, Unternehmens- und Beratungspraxis geben wertvolle Anregungen wie in leitender Funktion die Chancen der Digitalisierung identifiziert und die Herausforderungen in der Umsetzung gemeistert werden können.
Den Herausgebern und Autoren gratuliere ich zu einem sehr gelungenen Fachbuch und wünsche gleichsam eine möglichst große Verbreitung in der Unternehmenspraxis.
Dr. Christian Lazar
Vice President & CFO
MAN Energy Solutions Schweiz AG
Facebook ist inklusive seiner Chat-Dienste das mit Abstand größte soziale Medium weltweit und generiert keine eigenen Inhalte. Uber als größtes Taxiunternehmen der Welt besitzt keine eigenen Taxis und AirBnB als größter Online-Vermieter von Unterkünften vermietet keine eigenen Immobilien. Möglich war der Erfolg dieser Unternehmen in der jungen Vergangenheit insbesondere aufgrund einer sich weiter beschleunigenden Digitalisierung im Privat- und Unternehmenssektor: steigende Internetbandbreiten, der Ausbau der Mobilfunknetze, eine dynamische Open-Source-Softwarebewegung, immer günstigere Speicherkapazitäten sowie die Verfügbarkeit mobiler Endgeräte für jedermann und überall auf der Welt sind nur einige der wesentlichen Treiber dafür, dass Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen heute ihre jeweiligen Märkte dominieren.
Traditionelle Geschäftsmodelle sind aufgrund der (Weiter-)Entwicklung digitaler Technologien in den letzten 15 Jahren unter sehr hohen Wettbewerbsdruck durch disruptiv-innovative Geschäftsmodelle geraten – seien es Verlage mit klassischen Printmedien, lokale Taxiunternehmen sowie etablierte Automobilhersteller oder Hotelketten, um bei den oben genannten Beispielen zu bleiben. Digitale Disruption, verstanden als revolutionäre, massenrelevante Innovation auf Basis digitaler Technologien, führt unter etablierten Marktteilnehmern verstärkt zu Anpassungsreaktionen. Man bezeichnet diese Anpassungsreaktionen, die ihren Ursprung in der fortschreitenden Digitalisierung haben, mit dem Überbegriff der digitalen Transformation.
Digitale Disruption und digitale Transformation sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille, sie bedingen sich gegenseitig. Mit dem vorliegenden Sammelband sollen insbesondere der Begriff und die dynamischen Entwicklungen auf Seite der digitalen Transformation näher betrachtet werden. Vor welchen Herausforderungen stehen etablierte Geschäftsmodelle und Unternehmen, welche haben sie längst angenommen und welche kommen in den nächsten Jahren hinzu? Dabei fokussiert das vorliegende Werk in besonderem Maße auf die Rolle des Finanz- und Rechnungswesens.
Im ersten Teil des Werkes wird auf das Finanz- und Rechnungswesen als Impulsgeber der digitalen Transformation im Unternehmen eingegangen. Es wird der Einfluss der Digitalisierung auf die Zukunftsfähigkeit bestehender Geschäftsmodelle betrachtet, es wird aber auch der Frage nachgegangen, wie man Transformationsprozesse aus dem Finanz- und Rechnungswesen heraus begleitet bzw. als Abteilung selbst durchläuft. Sowohl für die Unterstützungsfunktionen der operativen Einheiten im Unternehmen als auch für das Finanz- und Rechnungswesen selbst ergibt sich außerdem die Frage, welche Kompetenzen hierfür notwendig sind und wie man diese Kompetenzen in Profilen definiert, entwickelt und »akquiriert«. Die Akquise digitaler Kompetenzen nimmt nicht nur im ersten Teil des Fachbuchs eine zentrale Rolle ein, sondern findet sich auch regelmäßig in den Praktikerbeiträgen des zweiten und dritten Teils wieder. Dies zeigt, wie essenziell und wichtig Antworten auf Fragen zur Kompetenzentwicklung für eine erfolgreiche digitale Transformation bei Unternehmenslenkern sind.
Der zweite Teil des Fachbuchs befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Facharbeit im Finanz- und Rechnungswesen. Wie verändern sich Aufgabe, Selbstverständnis und Wahrnehmung des Controllings und der Unternehmenssteuerung, wenn z. B. die Planungssicherheit in der Transformationsphase eines Geschäftsmodells abnimmt? Gleichsam sind neue Erlösmodelle auf dem Vormarsch und es stellt sich die Frage, wann darin Umsätze erfasst und wie diese Modelle in Zukunft besteuert werden. Welche Herausforderungen ergeben sich bei der bilanziellen Abbildung digitaler Produkte, rein virtueller Kryptowährungen oder im Zusammenhang mit Cloud-Computing-Arrangements? Welche Anwendungsfragen stellen sich bei der Umsetzung des elektronischen Formats zur Finanzberichterstattung oder allgemeiner in Zeiten von Social Media? Die Veränderung von Märkten aufgrund disruptiver Marktentwicklungen lässt Unternehmen den Prozess der Transformation auch durch Zukäufe bestreiten. Welchen Einfluss hat in diesem Zusammenhang die Digitalisierung auf die Unternehmensbewertung? Nicht minder spannend ist die Frage, wie sich Prüfungsprozesse durch den Einsatz digitaler Technologien verändern werden und wie sich im Zuge dessen das Geschäftsmodell der Abschlussprüfung verändern könnte.
Im dritten Teil wird dann mit konkretem Anwendungsbezug auf die Auswirkungen neuer digitaler Technologien auf die Prozesse im Finanz- und Rechnungswesen Bezug genommen. Alle Beiträge dieses Teils vermitteln auf möglichst einfache und anschauliche Art und Weise, welches Potenzial in digitalen Technologien steckt, um die Arbeitsprozesse im Finanz- und Rechnungswesen effizienter und die Arbeitsergebnisse noch reichhaltiger zu gestalten. Es wird auf aktuelle Fragen zur Blockchain-Technologie und deren Reifegrad genauso eingegangen wie auf das Potenzial von Business Analytics bzw. der Anwendung statistischmathematischer Methoden und Algorithmen im Finanz- und Rechnungswesen. Dabei wird auch eine Kategorisierung und Einschätzung der Anwendungspotenziale künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens vorgenommen. Nicht zuletzt liefern fokussierte Beiträge wertvolle Einblicke in das Thema »Robotic Process Automation« und zeigen auf, welche Wertschaffung die Automatisierung von Prozessen, nicht nur im Finanz- und Rechnungswesen, sondern in der gesamten Unternehmensorganisation leisten kann.
Zielgruppe des vorliegenden Werkes sind zum einen die in den Unternehmen mit Digitalisierungsfragen betrauten Personen in Geschäftsführung oder Vorstand, die Mitarbeiter im Finanz- und Rechnungswesen sowie in den unterstützenden Funktionen der IT- oder Personalabteilungen. Auch Abschlussprüfern, Beratern oder Aufsichtsräten bietet das Buch wichtige Impulse und Denkanstöße. Zum anderen wendet sich das Werk an Wissenschaftler und Studierende einschlägiger, zumeist wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge oder im Schnittstellenbereich zwischen Wirtschaftswissenschaften und Informatik, die sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Finanz- und Rechnungswesen sowie neuesten Entwicklungen in diesem Bereich beschäftigen möchten.
Zum Gelingen des Buches haben verschiedene Personen beigetragen, denen wir an dieser Stelle zu großem Dank verpflichtet sind. Für die Unterstützung bei der redaktionellen und formalen Bearbeitung der Beiträge danken wir recht herzlich Herrn Björn Bäuscher, Frau Lisa Laufersweiler, Frau Paula Schnäbele und Frau Flavia Werkmann, ohne die die zügige und akkurate formale Gestaltung an verschiedenen Stellen nicht möglich gewesen wäre. Zudem gilt unser Dank Frau Marita Rollnik-Mollenhauer und Frau Claudia Knapp-Domonkos vom Schäffer-Poeschel-Verlag für die angenehme Zusammenarbeit bei der Drucklegung. Unser ganz besonderer Dank gilt schließlich unseren Autoren und sonstigen Mitwirkenden für die konstruktive und ausgezeichnete Mitarbeit.
Wiesbaden, im Dezember 2018
Prof. Dr. Christian Fink
Prof. Dr. Oliver Kunath
Barbara Bilyk, Horváth & Partner GmbH, Berlin
StB Dr. Alexander Blank, Rödl & Partner GmbH, Berlin
Uwe Bloching, PwC Management Consulting, Düsseldorf
Julia Brach, PwC Management Consulting, München
WP/StB Andrea Bruckner, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München
StB Andreas Brunnhübner, Rödl & Partner GmbH, Nürnberg
Prof. Dr. Till Dannewald, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Holger Eilers, Ernst & Young GmbH, Hamburg
WP Dr. Christoph Eppinger, Ebner Stolz Mönning Bachem mbB, Stuttgart
Prof. Dr. Christian Fink, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
WP Dr. Jens Freiberg, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf
Kai Grönke, Horváth & Partner GmbH, Düsseldorf
Deborah Hüller, Deloitte Consulting GmbH, Hamburg
Prof. Dr. Christoph Hütten, SAP SE, Walldorf
Dr. Christian Kleine, TAKKT AG, Stuttgart
WP/StB Dr. Markus Kreher, KPMG AG, München
Dr. Hardy Kremer, Deloitte Consulting GmbH, Berlin
Simon Lindmayr, Dr. Kleeberg & Partner GmbH, München
Michael Mallmann, Horváth & Partner GmbH, Berlin
Dr. Marc Muff, BASF SE, Ludwigshafen
Holger Obst, Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e. V., Berlin
Dr. Berrin Özergin, dacuma GmbH, Frankfurt a. M.
Gregor Przytulla, Horváth & Partner GmbH, Düsseldorf
Elena Roth, KPMG AG, Berlin
Katharina Schäfer, Deloitte Consulting GmbH, Berlin
Olaf Peter Schleichert, Deloitte Consulting GmbH, Berlin
Luise Marie Schönfeldt, Horváth & Partner GmbH, Berlin
Dr. Sigrid Schub, SAP SE, Walldorf
Dr. Dirk Siegel, Deloitte Consulting GmbH, Frankfurt a. M.
Volker Spahn, TTR Group GmbH, Frankfurt a. M.
Dr. Claude Tomaszewski, TAKKT AG, Stuttgart
Christian Walka, dacuma GmbH, Frankfurt a. M.
Willi Warisch, Heraeus Holding GmbH, Hanau
Daniel Winkler, Heraeus Holding GmbH, Hanau
Gregor Zimny, CVA, Dr. Kleeberg & Partner GmbH, München
WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner, Dr. Kleeberg & Partner GmbH, München
Kai Grönke/Gregor Przytulla*
1 Einleitung
2 Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle
3 Reaktionen der Unternehmen auf das disruptive Veränderungsumfeld
4 Fazit
18 Millionen Treffer liefert die Suchmaschinenanfrage bei Google unter dem Stichwort »Digitalisierung«. Die Auto-Vervollständigung ergänzt die Anfrage um Begriffe wie »Definition«, »Unternehmen« und »Arbeitswelt«. Beide Beobachtungen betonen die derzeitige Relevanz des Themas und unterstreichen gleichzeitig den Fakt, dass hinsichtlich der konkreten Bedeutung des Begriffs an vielen Stellen Unklarheiten bestehen. Vor diesen Herausforderungen stehen auch viele Manager in den Unternehmen, wenn sie einerseits den Druck zur Erschließung und Umsetzung dieses Themas verspüren, häufig jedoch noch nicht über einen klaren Standpunkt zur »Digitalisierung« verfügen. Der in Abbildung 1 gezeigte Bezugsrahmen soll Unternehmen helfen, alle Fassetten der Digitalisierung umfassend zu durchdringen.
In der Digitalisierungsstrategie werden die Vision, Mission, Ziele und das Vorgehen beschrieben. Neue Kompetenzen und Technologien schaffen die Voraussetzungen für die Digitalisierung und befähigen die Unternehmen, neue Geschäftsmodelle oder digitale Prozesse zu etablieren. Die digitalen Lösungen aus den Bereichen Advanced Analytics, der digitalen Prozessplattform sowie den digitalen Steuerungskonzepten durchdringen funktionsübergreifend alle Bereiche des Unternehmens. Damit einhergehend zeigt sich der Handlungsbedarf in allen Bereichen der Wertschöpfung des Unternehmens. Beginnend im Kern des Geschäftsmodells über neue, digitale Produkte und Dienstleistungen, neu zu konzipierende Interaktionen mit den Kunden (z. B. über digitale Kundenplattformen) und Lieferanten (z. B. durch die Digitalisierung der Supply Chain oder die Vernetzung von Menschen und Maschinen im Rahmen der Industrie 4.0) bis hin zu den Unterstützungsfunktionen des Unternehmens. Die Transformation des Unternehmens muss individuell in allen beschriebenen Bereichen erfolgen. Nachfolgend wollen wir uns auf die Unterstützungsfunktionen des Finanzbereichs konzentrieren und darstellen, welche Auswirkungen die Veränderungen des Geschäftsmodells im Finanzbereich haben und mit welchen Strategien und Lösungsansätzen die Verantwortlichen im Finanzbereich darauf reagieren können. Eine umfassende Beschreibung aller Elemente des Bezugsrahmens kann dem Buch »Digitalisierung der Unternehmenssteuerung« (Kieninger 2017). entnommen werden.
Abb. 1: Bezugsrahmen der Digitalisierung
Für die Finanzabteilungen der Unternehmen ist es wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen, um die großen Chancen der Digitalisierung für sich nutzbar zu machen und sich auf potenzielle Risiken vorzubereiten sowie die Digitalisierung des Gesamtunternehmens aus finanzieller Sicht zu begleiten. Für die Finanzorganisationen stellt sich daher umso mehr die Frage, was sich genau hinter dem Begriff verbirgt, der in seinem Einfluss auf das alltägliche (Geschäfts-)Leben häufig als der Megatrend des 21. Jahrhunderts bezeichnet wird.
Eine erste Annäherung an das Thema gelingt mit einem kurzen Blick zurück in die Vergangenheit. Retrospektiv gab es in der Geschichte immer wieder revolutionäre Ereignisse, die zumeist als technische Neuerungen weitreichende Veränderungen für Unternehmen mit sich brachten. Diese Evolutionsschritte, die häufig auch als die vier Stufen der industriellen Revolution bezeichnet werden, lassen sich simplifiziert auch auf die CFO-Organisation übertragen.
Auf der ersten Revolutionsstufe richtete sich der Fokus primär auf die Optimierung von einzelnen Strukturen und Prozessen im Finanzbereich. Ziel war es, vor allem die Effizienz und Effektivität der Leistungserbringung innerhalb der verschiedenen Teilbereiche wie beispielsweise dem Accounting oder Controlling zu steigern. Darauf aufbauend wurden im zweiten Entwicklungsschritt die Prozesse funktionsübergreifender organisiert und die Steuerungseffektivität, speziell durch die Einführung von neuen Rollen und Aufgaben im Controlling, verbessert. Hierbei lag der Schwerpunkt auf einer deutlicheren Trennung von transaktionalen und beratenden Tätigkeiten, die durch die Einführung der Rollen »Produktion« und »Business Partner« versinnbildlicht wurde.
Heute sind die Rollen »Produktion« und »Business Partner« in vielen Unternehmen akzeptiert. Allerdings sind die Aufgaben- und Rollenbilder zum Teil noch nicht klar genug voneinander getrennt und die entwickelten Konzepte noch nicht vollumfänglich umgesetzt.
Abb. 2: Die vier Stufen der industriellen Entwicklung (Quelle: Kieninger 2017, S. 125)
Im Rahmen der Reorganisation der Produktions(-rolle) kam es auch zur Einführung von Shared Service Centern (SSC), in denen transaktionale Tätigkeiten über verschiedene Finanzprozesse (u. a. Kreditorenund Anlagenbuchhaltung) hinweg gebündelt wurden. Für die beratenden Aufgaben wurde dem (Top-) Management der Business Partner als Sparringspartner zur Seite gestellt. An diese Entwicklungen knüpft die dritte Revolutionsstufe an, auf der sich bis heute die Mehrheit der Unternehmen befindet. In dieser Entwicklungsphase bilden vor allem die Prozessstandardisierung und -automatisierung den Maßnahmenschwerpunkt. Eine regelmäßig von der Managementberatung Horváth & Partners durchgeführte Umfrage unter leitenden Verantwortlichen des Finanzbereiches zeigt, dass aktuell bei 90 % der befragten Unternehmen die Standardisierung der Systemlandschaft und bei 87 % der Teilnehmer die Reorganisation und Automatisierung der Prozesse die Spitzenpositionen auf der Maßnahmen-Agenda einnehmen. Während nach Einschätzung der Befragten erst jedes zweite Unternehmen die entsprechenden Optimierungsprojekte – und damit die dritte Revolutionsstufe – erfolgreich umgesetzt hat, kommt mit der Digitalisierung bereits die vierte Stufe und nächste Revolution auf die Unternehmen zu.
Dabei ist derzeit das vollständige Ausmaß der Veränderungen, die durch die Digitalisierung ausgelöst werden, noch nicht vollständig absehbar. Nur eines lässt sich heute bereits sicher abschätzen, die Digitalisierung wird über alle Märkte und Branchen hinweg die Unternehmen in vielen Bereichen stark verändern. Dies stellt für manche Firmen eine Bedrohung und für andere wiederum eine große Möglichkeit dar, für alle ist es jedoch ganz gewiss eine gewaltige Herausforderung. Für Unternehmen, die ihre dominierende Position im Markt sichern wollen oder Firmen, die in der Digitalisierung eine Chance sehen, zu eben jenen führenden Unternehmen aufzuschließen, stellt sich somit die Frage: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf das Geschäftsmodell des Unternehmens und wie sieht eine angemessene und erfolgreiche Reaktion auf die Veränderungen aus?
Wenn man sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle beschäftigt, ist es zunächst wichtig, die beiden Begriffe »Digitalisierung« und »Geschäftsmodelle« vorab definitorisch aufzuarbeiten.
Für das Fraunhofer-Institut bedeutet die Digitalisierung eine »Transformation von Prozessen, Produkten, Dienstleistungen bis hin zur Transformation von kompletten Geschäftsmodellen und Institutionen unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien mit dem Ziel, effektiv und effizient Wert zu schaffen« (vgl. Kompetenzzentrum Geschäftsmodelle in der digitalen Welt der Fraunhofer Gesellschaft, Geschäftsmodelle und Digitalisierung 2018). Unter einem »Geschäftsmodell« versteht man eine »Konfiguration von Grundsatzentscheidungen, auf deren Grundlage ein Geschäft funktioniert«. Zur Strukturierung dieser Grundsatzentscheidungen unterscheiden wir die »Anwendungsfälle« des Geschäftsmodells zur Ausgestaltung der Kundenwahrnehmung, Kundenschnittstelle und der Wertkette sowie den »Befähigern« des Geschäftsmodells mit seinen Kooperationspartnern, den Technologien und dem Humankapital. Führt man die beiden Definitionen zusammen, dann berührt die Digitalisierung die Geschäftsmodelle der Unternehmen gleich in doppelter Hinsicht: Einerseits müssen die Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen sowie die korrespondierenden Schnittstellen zum Kunden neu ausrichten und digitalisieren, um einen Mehrwert und Kaufanreiz für die Kunden zu schaffen und andererseits sind es die Unternehmen selbst, die sich für die Sicherung des Ertrages im Rahmen ihrer eigenen digitalen Transformation der Wertkette effizienter und effektiver aufstellen müssen.
Bei der Digitalisierung der Produkte und Dienstleistungen lassen sich zwei wesentliche Trends erkennen. Zunächst wandelt sich die Nachfrage der Kunden und damit auch das Angebot der Unternehmen immer mehr in Richtung integrierter Lösungen. Gefördert wird dieser Trend durch die zunehmende Möglichkeit der digitalen Vernetzung von einzelnen Elementen zu ganzheitlichen Systemen. Egal, ob der Abruf des Lieblingsfilms über den internetfähigen Fernseher, die Bedienung von Haushaltsgegenständen, wie Rasenmähern, Kaffeemaschinen und Heizungen von unterwegs oder die Bestellung eines Lieferdienstes mit Hilfe von »Siri« oder »Alexa«, die Verknüpfung von Produkten und Services schreitet stetig voran. Insofern stehen die Unternehmen unter dem Druck, ihre Produkte und Dienstleistungen als integrierte Teil- oder Gesamtlösungen entwickeln und anbieten zu müssen. Gleichzeitig ergeben sich durch die neuen Informationstechnologien zusätzliche Möglichkeiten der Automatisierung, die aufgrund des klaren Mehrwerts für den Kunden zu einer entsprechend großen Nachfrage nach solchen Produkten und Services führen. Aus diesem Grund müssen die Unternehmen auch an dieser Stelle ihre Geschäftsmodelle verändern und beispielweise durch die Automatisierung der Schnittstellen zum Kunden für den Austausch von Anfragen, Bestellungen, Rechnungen oder Zahlungen neue Formen des Datenaustausches (wie Mehrwert-Apps, 1-Click-Funktionen, Blockchain, Mobile Payment etc.) etablieren. Gerade dieser Teil des Geschäftsmodells führt zu großen Herausforderungen im Finanzbereich. Der Finanzbereich muss auf die Digitalisierung ausgerichtet und damit selber digitaler werden. Auch hier lassen sich zwei Entwicklungstendenzen identifizieren, die verstärkte Verknüpfung von Systemen und Funktionen und die Automatisierung von Prozessen, die sich bereits bei der digitalen Transformation des kundenseitigen Teils der Geschäftsmodelle gezeigt hat.
Die zunehmende Interaktion von Unternehmensfunktionen und ihren Systemen zeigt sich vor allem in den organisatorischen und prozessualen Dimensionen. Zunächst weicht die klassische, organisatorische Trennung von Funktionsbereichen zunehmend einer funktionsübergreifenden Orientierung der Organisation in Form von End-to-End-Prozessen. Dieser Trend lässt sich am einfachsten in den Organigrammen der Unternehmen erkennen. Hier werden immer seltener Funktionsbereiche wie »Kreditorenbuchhaltung« oder »Einkauf« ausgewiesen. Stattdessen treten immer häufiger End-to-End-Einheiten wie »Purchase-to-Pay« in Erscheinung.
Weitere bekannte End-to-End-Einheiten und gleichnamige Prozesse sind beispielsweise »Order-to-Cash«, »Record-to-Report« oder »Hire-to-Retire«.
Diese organisatorischen Veränderungen spiegeln sich auch in der prozessualen Dimension der Unternehmen wider, indem das funktionsbezogene Arbeiten einem übergreifenden Arbeiten entlang von standardisierten und harmonisierten Hauptprozessen weicht und durch integrierte Systemlandschaften unterstützt wird. Hierbei sind unter anderem das Sammeln von Daten in einem Data Lake und die Schaffung eines »Single-point-of-truth« bevorzugte Vorgehensweisen, um eine ineinandergreifende, interne Verknüpfung von Organisationseinheiten, Prozessen und Systemen zur Steigerung der Effizienz und Effektivität zu ermöglichen.
Mit der zunehmenden Automatisierung der Prozesse werden manuelle, zeit- und ressourcenintensive Tätigkeiten mit Hilfe von Robotic-Process-Automation-Anwendungen (RPA) Schritt für Schritt digitalisiert. In der Studie von Horváth & Partners zu »Herausforderungen, Trends und Entwicklungsperspektiven für den CFO« bestätigen 82 % der Führungskräfte, dass sie auf den weiter steigenden Effizienzdruck mit massiver Automatisierung und RPA-Anwendungen reagieren wollen. So können Mitarbeiter von produktiven Tätigkeiten wie z. B. Buchungsvorgängen oder Belegablagen entlastet und für wertstiftende Aufgaben eingesetzt werden. Außerdem bietet sich mittels RPA die Möglichkeit Bearbeitungsspitzen besser auszugleichen und Prozesse schneller, fehlerfreier und somit deutlich effizienter auszuführen. In der gleichen Studie wird bestätigt, dass je nach Prozess bis zu 93 % der transaktionalen Tätigkeiten zukünftig durch Software-Roboter durchgeführt werden. Dies wird zu einer deutlichen Freisetzung oder Verlagerung von Kapazitäten auf andere Aufgabenprofile wie die Beratung des Management in der Rolle als Business Partner führen. Für das Sparring mit dem Top-Managements im Unternehmen ist mit Advanced Analytics die Einführung einer weiteren Schlüsseltechnologie zu beachten. Advanced Analytics liefert tiefgehende Analysen und Erkenntnisse über Entwicklungen in der Vergangenheit (Descriptive Analytics), im Forecasting mit Hilfe von Szenario-Modellen eine deutlich verbesserte Vorschau auf zukünftige Entwicklungen (Predictive Analytics) und mit automatisierten Empfehlungen über das zu wählende Szenario (Prescriptive Analytics) eine detaillierte und fundierte Entscheidungsgrundlage.
Beide Technologien, sowohl RPA als auch Advanced Analytics, fördern durch ihren Einsatz die Effizienz und Effektivität des Unternehmens und sind somit – im Sinne der oben genannten Definition – wichtige Faktoren der digitalen Transformation zur Sicherung der Erträge des digitalen Geschäftsmodells.
Ergänzend zur digitalen Prozessplattform und der Analytics Plattform sollte für einen nachhaltigen Transformationserfolg das Steuerungskonzept des Unternehmens angepasst werden. Besonders die Unternehmen, die nicht von Beginn an über ein digitales Geschäftsmodell verfügen, stehen vor der Herausforderung, sowohl das klassische als auch das digitale Geschäftsmodell steuern zu müssen. Entsprechend sind unter anderem die Steuerungsdimensionen, -objekte und -kennzahlen an das neue Geschäftsmodell anzupassen. Aber auch die Incentivierung und der Wandel im Mind-Set der Mitarbeiter sind wichtige Punkte bei der zukünftigen Steuerung eines digitalen Geschäftsmodells (vgl. Beitrag von Bilyk/Mallmann/Schönfeldt in diesem Band).
Viele Unternehmen haben die Auswirkungen und Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, längst erkannt und zeigen großen Einsatz bei der Erarbeitung passender Antworten und Lösungskonzepte. In den Bereichen des Geschäftsmodells, die unmittelbare Berührungspunkte zum Kunden aufweisen, sind es vor allem die Chief Data und Chief Product Officer, denen eine wichtige Rolle im Rahmen der digitalen Transformation zukommt. Hier sind die Mehrwerte in Form von integrierten Daten und interagierenden digitalen Produkt- und Serviceportfolios zu entwickeln, die bei den Kunden die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters bedienen.
Die interne Transformation des Geschäftsmodells ist dabei weniger auf eine Abteilung oder Funktion zu fokussieren, sondern vollzieht sich häufig in einer Vielzahl von unterschiedlichen Organisationseinheiten. Hierbei zeigen sich bestimmte Unternehmensbereiche, wie beispielweise die Vertriebsfunktion durch ihre Kundennähe, aber häufig auch die Finanzfunktion als Vorreiter der digitalen Transformation. In der Finanzfunktion liegt das zum einen daran, dass sich Finanzdaten und -prozesse besonders gut zur Digitalisierung eigenen. Zum anderen hat die Rolle und das Selbstverständnis des Finanzbereiches als Business Partner des CEOs und damit auch als Treiber von Innovationen in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Dabei stehen der Finanzorganisation grundsätzlich vier Strategien zur Transformation zur Verfügung, wobei die unterschiedlichen Ansätze nicht zwangsläufig getrennt voneinander zu betrachten sind.
Die Strategie »Assessment und Roadmap« wird häufig zur Annäherung oder zum Einstieg an das Thema gewählt. Ziel ist es, über die Analyse des aktuellen Status Quo, Handlungsfelder und Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf die Digitalisierung im gesamten Finanzbereich ableiten zu können. Anhand von Prozess-Reifegradanalysen oder einer auf FTE- und KPI-basierten Analyse der Prozesseffizienz lassen sich Maßnahmen zur Transformation entwickeln, die anschließend in Form einer Roadmap entlang eines Zeitstrahls priorisiert werden. Damit verfügt der Finanzbereich über eine detaillierte Analyse der aktuellen Situation, die gleichzeitig der Ausgangspunkt für die evaluierten Maßnahmen im Zeitablauf bildet.
Ein strategischer Ansatz »Neue Technologien und Datenstrukturen« verfolgt vor allem das Ziel, die bestehenden Technologien zukunftsfähig auszurichten und auf dieser Basis Optimierungen zu erzielen. Dazu zählt zum Beispiel die Systemharmonisierung und -standardisierung, aber auch die Verbesserung der Datenqualität. Unvollständige, fehlerhafte oder fragmentierte Daten sind ein häufiger Grund für ineffiziente Prozesse, fehlerhafte Ergebnisse und einen hohen manuellen Korrekturaufwand. Insofern bilden Maßnahmen, wie die Einführung einer Daten-Governance oder einer gemeinsamen Datenbank als »Single-point-of-truth« nicht nur die Grundlage für die darauf aufbauenden Digitalisierungsmaßnahmen. Sie sind vielfach auch die zwingende Voraussetzung für die Neuausrichtung der Unternehmenssteuerung und der damit einhergehenden Neuausrichtung des Steuerungskonzepts.
Abb. 3: Strategien der digitalen Finanz-Transformation (Quelle: Horvath & Partners)
Der dritte strategische Ansatz der »Transformation« fokussiert sich auf die Einführung einzelner Lösungsbausteine des übergeordneten Zielbildes. Dieser Ansatz eignet sich besonders zur schnellen Einführung sogenannter »Use Cases« mit neuen Technologien wie RPA und Advanced Analytics. Ziel ist es, kurzfristig Potenziale zu heben und gleichzeitig wichtige Erfahrungen im Umgang mit den neuen Technologien zu sammeln. Beispiele wie automatisierte Buchungen mit Hilfe von RPA, die Archivierung von Belegen oder ein automatischer Vorschauprozess für ausgewählte Kennzahlen mit Advanced Analytics zeigen die Vorteile und Möglichkeiten zur Qualitäts- und Effizienzverbesserungen im Finanzbereich auf. Die Umsetzung einzelner Lösungsbausteine führt erfahrungsgemäß schnell zur Akzeptanz der neuen Technologien und darüber hinaus zu weiteren, neuen Lösungsvorschlägen. Die Summe der Lösungsbausteine zeigt gleichzeitig erste Ansätze des Zielbildes der zukünftigen, digitalen Finanzorganisation.
Der umfassendste Transformationsansatz ist auf die ganzheitliche Entwicklung eines Zielbildes (»Target Operating Model«) ausgerichtet und bildet dadurch einen umfassenden Lösungsansatz für das disruptive Veränderungsumfeld der Unternehmen. Das Zielbild zeigt auf, wie die Ziele, Leitplanken und das Selbstverständnis, die darauf ausgerichteten Rollen und Verantwortlichkeiten, die Organisation, Prozesse und IT sowie die Kompetenzen in einem digitalen und modernen Finanzbereich der Zukunft aussehen. Ergänzt wird dieser Transformationsansatz in der Regel mit Elementen aus dem »Assessment und Roadmap«-Ansatz, damit zusätzlich der Weg zur Umsetzung des Zielbildes beschrieben werden kann. Dieser Ansatz ist recht umfangreich und erfordert neben einem erhöhten Ressourceneinsatz auch ein umfassendes Projekt- und Change-Management. Dafür garantiert diese ganzheitliche Betrachtung auch den größtmöglichen Nutzen und eine vollständige digitale Transformation und Optimierung des Finanzbereiches.
Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt radikal verändern. Für die Unternehmen gilt es daher, sich möglichst frühzeitig auf die disruptiven Veränderungen vorzubereiten und die Möglichkeiten der Digitalisierung als Chance zu begreifen. Mit Blick auf das Geschäftsmodell sind die Produkte und Dienstleistungen an den digitalen Zeitgeist anzupassen und das Unternehmen selbst in digitaler Weise zu transformieren. Dem Finanzbereich kann im Rahmen dieses Veränderungsprozesses eine Vorreiterrolle zukommen. Mit der Standardisierung und Harmonisierung der Prozesse werden erste Grundlagen für die weitere Implementierung neuer Technologien wie z. B. RPA oder Advanced Analytics geschaffen und so der Grundstein für eine effizientere und bessere Finanzorganisation gelegt. Verschiedene, auf das Unternehmen spezifisch zugeschnittene Strategien ermöglichen eine strukturierte Konzeption und Umsetzung der Transformation, an deren Ende – mit dem Erklimmen der vierten Revolutionsstufe – die CFO-Organisation 4.0 wartet.
Kompetenzzentrum Geschäftsmodelle in der digitalen Welt der Fraunhofer Gesellschaft, Geschäftsmodelle und Digitalisierung, unter https://www.geschaeftsmodelle.org/themen/geschaeftsmodelle-und-digitalisierung,Abrufdatum: 19.11.2018.
Kieninger, M. (Hrsg.) (2017): Digitalisierung der Unternehmenssteuerung, Stuttgart.
* Kai Grönke, Horváth & Partner GmbH, Düsseldorf; Gregor Przytulla, Horváth & Partner GmbH, Düsseldorf