Leitfaden für Großmütter: Die Normen der modernen
Kindererziehung

Wusstest du, dass es in den 1950er-Jahren schwierig bis unmöglich war, öffentlich über eine Schwangerschaft zu sprechen? So ging es zum Beispiel der damals in den USA bekannten Schauspielerin Lucille Ball, die mit Desi Arnaz verheiratet war. Sie war praktisch die Erfinderin der Sitcom im Fernsehen, musste aber während ihrer Schwangerschaft ihren Bauch unter weit geschnittenen Blusen und Kleidern verstecken. Heutzutage können Schwangere ihren runden Bauch sehr wohl zeigen. In der Tat ist es so, dass es, den Fotos einiger Prominenter bei Instagram nach zu urteilen, praktisch Pflicht ist, seinen Babybauch im Bikini zu präsentieren! Die Zeiten ändern sich, und eine clevere werdende Großmutter weiß, wie man mit den überraschendsten »Updates« umzugehen hat. Im Folgenden ein paar weitere Dinge, die sich im Lauf der Jahre geändert haben:

»Wir sind schwanger!« Vielleicht hast du schon einmal gehört, dass ein werdender Vater glücklich verkündet: »Wir sind schwanger!« Du erfährst vielleicht alles Neue hinsichtlich »unseres nächsten Besuchs bei der Frauenärztin« (oder sogar über »unsere Hämorrhoiden«!). Aber es ist letztlich immer noch die Frau, welche die Hauptlast der Schwangerschaftsstreifen, schlaflosen Nächte und des Geburtsschmerzes zu tragen hat – die Väter sind aufgeregt, unterstützend und wollen unbedingt teilhaben, und solche Ausbrüche spiegeln die Haltung der Eltern hinsichtlich gemeinschaftlicher Verantwortung wider. Nicht alle Eltern wählen das königliche »Wir«, aber sei nicht schockiert, wenn sie es doch tun.

Essensverbote. Es gab einmal eine Zeit, da waren Experten der Ansicht, dass es dem Baby nicht schaden würde, wenn eine Mutter in der Schwangerschaft Alkohol trinkt. Heutzutage pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass der Konsum von alkoholischen Getränken ein gewaltiges Risiko für das Kind darstellt. Ebenso ist die Liste der Nahrungsmittel lang, die einem Baby im Mutterleib schaden könnten. Rohe Eier, wie zum Beispiel bei der Teigzubereitung, können Salmonellen übertragen (daher keinen rohen Kuchenteig schlecken). Nicht durchgebratenes Fleisch oder roher Fisch (wie zum Beispiel Sushi) könnten Parasiten enthalten. Weichkäse wie Feta und Brie werden oft aus Rohmilch hergestellt, sodass sie das Risiko von Listerien oder Escherichia coli bergen. Schwangere sind nicht einfach nur wählerisch – sie folgen lediglich den Empfehlungen von Frauenärzten.

Sneak previews. Dank der modernen medizinischen Darstellungstechniken erkennst du mehr als einen Schatten, wenn du dein Enkelkind zum ersten Mal »triffst«. Dein Kind zeigt dir vielleicht ein 3-D-Ultraschallbild oder sogar ein Video des Fötus. Wenn das Baby wächst, zeigen sich Finger, Zehen, Gesichtszüge und Genitalien in kristallener Klarheit. Die werdenden Eltern überreichen dir vielleicht sogar eine Aufzeichnung der Herztöne ihres Babys.

»Gender-Reveal-Partys«. In den USA schon längst weitverbreitet, werden inzwischen auch in Deutschland sogenannte Gender-Reveal-Partys, also »Geschlechtsenthüllungspartys«, veranstaltet. Dank der Vorsorgeuntersuchungen ist es heutzutage ja möglich, das Geschlecht des Kindes bereits im Voraus zu wissen. Um diese Neuigkeit zu verbreiten, reicht jedoch ein einfacher Anruf nicht mehr aus. Einige Paare stellen lediglich ein Foto von sich selbst ins Netz, auf dem sie ein Schild mit der Aufschrift »Es ist ein Junge/Mädchen« halten. Andere gehen viel weiter und planen eine Party, auf der sie die Neuigkeit verkünden. Dabei schneiden sie vielleicht einen Kuchen an und enthüllen eine rosafarbene oder blaue Schicht, oder sie zerschlagen eine Piñata voller rosafarben oder blau eingewickelter Süßigkeiten, oder sie werfen eine Rauchbombe mit rosafarbenem oder blauem Rauch.

Babyparty. In den USA »Baby shower« genannt, ist die Babyparty inzwischen auch in Deutschland verbreitet. Die meisten werdenden Mütter freuen sich über viele Geschenke, aber nicht alle möchten vor dem Entbindungstermin feiern. Heutzutage ist es daher am besten, die werdende Mutter zu fragen, was sie gern hätte, insbesondere deshalb, weil in einigen Kulturen und Religionen der Glaube verbreitet ist, eine Babyparty würde das Schicksal herausfordern. In China wird eine Party für das Baby nach dem ersten oder zweiten Vollmond nach der Geburt gegeben. In Frankreich werden Geschenke für das Baby – und die Mutter – traditionell bis zum ersten Geburtstag des Kindes hinausgeschoben. Viele werdende jüdische Mütter, die den bösen Blick nicht auf sich lenken wollen, warten bis nach der Geburt des Babys, bevor sie eine Babyparty geben, Kleidung einkaufen oder ein Kinderzimmer einrichten.

Gesundheit und Sicherheit. Technik und neue Forschungsergebnisse haben beständig jeglichen Aspekt der Babyjahre verbessert. Schlage im Kapitel »Unbedingt nötig fürs Baby« (ab Seite 61), »Einfache Snacks für Kleinkinder« (ab Seite 72) und »Schlafenszeit! Wie du ihnen beim Einschlafen hilfst« (ab Seite 75) nach. Dort kannst du lesen, wie sehr Pflege und Füttern sich verändert haben.

Geschlechtsneutrale Kindererziehung. Immer mehr Eltern halten sich nicht mehr an die »Rosa für Mädchen«- und »Blau für Jungen«-Regeln (die auch nicht ewig existiert haben – im frühen 20. Jahrhundert war die Farbregelung genau andersherum!). Unisex-Namen wie Alex (für Alexander oder Alexandra), Kim und Sascha, Mädchenkleider mit Dinosaurier-Aufdrucken und Badehosen in allen Regenbogenfarben für Jungs und die Aufgabe geschlechtsspezifischer Abteilungen in Spielzeugläden und stattdessen die Einteilung nach Actionfiguren, Fahrzeugen, Baukästen, Puppen und so weiter sind Teil einer größeren Bewegung, Kinder frei von den Einschränkungen der traditionellen Rollen zu erziehen.

Wie du dir deinen Großmutter-Namen aussuchst

Einige Frauen können es nicht erwarten, Oma oder Omi gerufen zu werden. Andere halten sich für zu jung und modern, um sich jemals »Großmutter« nennen zu lassen, und bevorzugen eine andere Bezeichnung (obwohl sich das nicht immer umsetzen lässt …). Und einige Großmütter haben in dieser Hinsicht nicht viel zu sagen. Was kannst du also erwarten und wie findest du den Kosenamen, der zu dir passt?

Du kannst traditionell oder »trendy« sein. Obwohl die Mehrzahl der Großmütter alte Lieblingsbezeichnungen wie »Oma«, »Omi«, »Omimi«, »Omama« oder etwas Ähnliches bevorzugt, gibt es jedoch einige Großmütter mit einem eigenen Kosenamen, oft eine Variante ihres Vornamens. Sie möchten etwas, das modern ist, persönlich und ihre Persönlichkeit reflektiert, und lustige Spitznamen wie »BimBim« oder »Ammi« sind da genau richtig.

Vielleicht erhältst du deinen Namen aber auch vom Baby oder Kleinkind. Manchmal wird die Wahl auch durch das Geplapper eines Babys oder Kleinkindes entschieden. Deswegen gibt es so viele leicht auszusprechende Bezeichnungen wie Mimi, Omi, Baba oder Ähnliches. Wir haben von einer Großmutter erfahren, dass sie ihren Kosenamen erhielt, weil das Kind den Buchstaben s nicht aussprechen konnte und ihren Spitznamen »Lisi« (Abkürzung von Elisabeth) als »Lidi« aussprach. Vier Enkelkinder später war sie immer noch »Oma Lidi«. Schau einmal, was bei dir herauskommt!

Eine Überfülle von Großmüttern. Wenn du Teil einer Stiefoder Patchworkfamilie bist, könnten mehrere Großmütter einen Namen benötigen. Wenn zwei von euch zum Beispiel »Oma« genannt werden möchten, könntest du deinen Vornamen oder, wenn du auswärts wohnst, den Wohnort hinzufügen – »Oma Anne«, »Oma Brigitte«, »Oma Freiburg«–, um die Verwirrung möglichst gering zu halten. Ein Kosename oder eine Variante des Vornamens könnte eine gute Idee bei Stiefkindern sein, denen es widerstrebt, eine Form von »Mutter« oder »Mama« zu benutzen. Übrigens: Auch der Wohnort deines Enkelkindes kann durchaus die Wahl des Kosenamens beeinflussen.

Angesagt: Gutes Benehmen

Ein Enkelkind ist unterwegs! Du bist völlig aufgeregt. Du hast so viele Fragen zu stellen und Gedanken mitzuteilen. Aber bevor du den Mund aufmachst, überlege, ob du dich nicht doch besser zurückhältst. Jetzt besteht die Möglichkeit zu üben, wie du die Großmutter sein kannst, die dein Kind in dir zu finden hofft: unterstützend und respektvoll. Hier ein paar Hinweise, wo für Großmütter der gesperrte Luftraum liegt:

Schlage keine Namen vor. Vielleicht hast du jahrelang auf ein Baby gewartet, dem du im Gedenken an einen hochverehrten Angehörigen einen Namen geben willst. Aber du hast nicht das Recht zur Namensgebung. Widerstehe dem Bedürfnis, mit dem Zaunpfahl zu winken, also beispielsweise Geschichten davon zu erzählen, wie nett Onkel Anton war oder wie sehr Großmutter Dagmar deine Tochter geliebt hat. Wenn die zukünftigen Eltern einen Namen erwähnen, den sie in Betracht gezogen haben, schneide keine Grimasse und erzähle auch keine Geschichte von jemandem, den du kennst und der diesen Namen trägt.

Verrate ihre Geheimnisse nicht. Wenn die werdenden Eltern anderen nicht erzählen, dass sie schwanger sind, solltest du es auch nicht tun. Plappere die Neuigkeit nicht heraus, selbst gegenüber deiner besten Freundin nicht, und vermeide jegliche Hinweise, wie subtil sie auch sein mögen, in den sozialen Medien. Betrachte dich als glücklich, dass du Mitwisserin bist, und vergiss nicht, dass es an ihnen ist, die Neuigkeit zu verkünden.

Vermeide Sätze, die folgendermaßen beginnen: »Als ich schwanger war …« Oder: »Als ich die ersten Wehen spürte …« Erinnerst du dich daran, dass du mit deinen Kindern erst dann richtig über Sex gesprochen hast, als sie gefragt haben? Und dass du ihnen selbst dann nur das erzählt hast, was sie unbedingt wissen mussten? Dieselben Regeln gelten hier. Behalte sämtliche Horrorgeschichten über Geburt und medizinische Wunder für dich.

Stelle keine Suggestivfragen. Wenn du die werdende Mutter fragst: »Wirst du wieder arbeiten gehen?«, oder: »Hast du schon Vorräte an Fertignahrung fürs Baby angelegt?«, wird sie wahrscheinlich deine nur dünn verschleierte Meinung erkennen. Widerstehe diesen Fragen genauso wie dem Drang, Artikel wie »Sechs Vorteile, näher an den Großeltern zu leben« per E-Mail zu verschicken.

Respektiere auch deine Schwiegertochter. Wenn du Fragen bezüglich deiner Schwiegertochter hast, frage sie direkt. Benutze nicht deinen Sohn als Botenjungen, um herauszufinden, warum du am Dienstag nicht eingeladen worden bist, um mit dem Baby zu spielen. Und beklage dich niemals bei ihm über sie. Sieh in ihnen ein Team.

Wie du mit Patchworkfamilien umgehst