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Sig Meuther

Der Tod der alten Frau





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

1. Okko Hansen

Der Postzusteller, Okko Hansen, schien der Erste zu sein, der sie fand. Jedenfalls war in der Leitstelle der Polizei, als er dort anrief, noch nichts davon bekannt.

Die Telefonistin hatte zweimal nachgefragt, nach dem Fundort, Wolfenbüttel, aber wohl auch weil sie mit seinem Namen, den sie für ihr Protokoll benötigte, nicht klarkam.

Aber das kannte er seit seiner frühen Kindheit und es hatte ihn in diesem Punkt robust und gleichgültig werden lassen. Schlimm war es anfangs in der Grundschule geworden. Noch nicht im Kindergarten, den anderen Kindern dort war sein Name noch so gut wie jeder andere. Aber schon bald in der ersten Klasse, als sie die Buchstaben lernten. Auf der Straße riefen sie seinen Namen in allen Formen, die die Buchstaben des Alphabetes zuließen, denn sie hatten schnell bemerkt, dass er dann weinte. Sie riefen es laut, und die Menschen blieben stehen und sahen zu ihm herüber, als sei er ein Dieb. Sie hielten es für einen Spaß und seine Tränen erfreuten sie. Er lief dann nach Hause und seine Mutter trocknete liebevoll seine Tränen und tröstete ihn. Sie versuchte, ihm zu helfen, seine Empfindsamkeit gegenüber solchen Sprüchen zu überwinden. Sie lebte mit dem Kind alleine, da war kein Mann, der die Eltern mit starken Worten hätte zur Rede stellen können. Und sie fand nicht die Kraft dazu, wollte nicht noch mehr Ärger, es hätte vielleicht ohnehin nicht viel geholfen, hätte zu weiteren Hänseleien Anlass gegeben. „Ich bin in Aurich aufgewachsen“, erklärte sie schließlich irgendwann ihrem Sohn, „und in Ostfriesland ist Okko ein ehrenvoller Name. Zwei verdienstvolle Häuptlinge hießen Okko. Häuptling, das war dort früher so etwas wie ein König. Wer etwas so Sinnloses über deinen Namen sagt, ist dumm, kann auch sonst keine sinnvollen Gedanken haben.“ Das Wort „Häuptlinge“ richtete ihn auf, mehr noch als der gut gemeint Trost seiner Mutter, er kam sich stark und wichtig vor. Die Anderen waren plötzlich für ihn nur wie gewöhnliche Indianer. Die Hänseleien verstummten, als sie bemerkten, dass es ihn nicht mehr traf. Mit der Zeit, besonders nach dem Schulabschluss, verlor das Wort, das ihn ermutigt hatte, zwar von seiner Bedeutung für ihn, aber die Stärkung seines Selbstbewusstseins blieb.

Okko Hansen war ein gewissenhafter Mann. Auch wenn die Gründlichkeit in seinem weitläufigen Zustellbezirk in der Marsch seine Fahrzeit verlängerte und deshalb zu Lasten seiner Freizeit ging. Es war an einem Freitag und er hatte seine Fahrt so früh wie möglich begonnen. Er hatte an diesem Morgen nicht nur die vor einem Wochenende übliche Flut von Prospekten und Werbeschriften zu verteilen, sondern auch wichtig wirkende Briefe für sie. Eines Notars, wie er am Absender erkennen konnte, und der Sparkasse. Es waren noch nicht einmal Einwurfeinschreiben, selbst diese hätte er in dem rostigen Briefkasten an der Hofauffahrt unterbringen können, ohne seine Pflichten zu verletzen. Aber Okko Hansen war ein aufgeschlossener, an den Menschen in seinem Zustellbezirk interessierter Mann. Und von ihr wusste er, dass sie alt und schwach war und seit Wochen ihr Bett nicht mehr verlassen hatte, dass sie deshalb ihre Post nicht selbst hereinholen könnte, sondern von der Hilfe ihrer Pflegekräfte abhängig war.

Die Haustür war nicht verschlossen. Das war sie in den letzten Monaten nie, wenn er kam. Sie hätte nicht öffnen können, hätte er geklingelt und so auf die übliche Art um Einlass gebeten. Er hatte sich zwar gewundert, in der ersten Zeit, und sie gefragt: „Mensch, Emmi, geht das auch gut?“ Eine wehrlose alte Frau in einem offenen Haus. „Was soll ich denn Anderes machen?“, hatte Emmi zurückgefragt, „Etwa ins Heim gehen?“ Aber sie lebte hier auf dem weiten flachen Land. Die wenigen Nachbarn kannten sich, passten aufeinander auf, besonders Huesfeld auf dem Hof gegenüber, der eine Postvollmacht von ihr besaß, und Fremde sah man bereits in der Ferne kommen. „Und was ist bei mir schon noch zu holen?“, hatte Emmi gefragt. Nein, Reichtümer hatte sie auf dem inzwischen heruntergekommenen Hof wohl nicht ansammeln können. Und dann waren ja auch die beiden Hilfspfleger bei ihr, ein Mann und eine junge Frau, oft noch am Nachmittag, wenn er einmal erst spät mit der Post kam.

Als Okko Hansen die Tür aufschob, sah er, dass das Schloss aus dem Türblatt herausgebrochen worden war. Erstaunt blieb er stehen. Das letzte Mal, so dachte er, war die Tür doch noch heil! Wann war das? Am Mittwoch! Als er mit der Zeitung mit dem Fernsehprogramm kam. Die Bruchstellen im Türrahmen sahen frisch aus, noch nicht verschmutzt, und Okko Hansen dachte an einen Einbruch, vielleicht in der vergangenen Nacht. Er fragte sich, ob ein Fremder sich vielleicht noch in der Wohnung aufhalten würde. Er müsste sich vorsehen und notfalls auch wehren können! Um sich zu vergewissern griff er in die rechte Hosentasche und fühlte den Pfefferspray, den er wie an jedem Tag zur Abwehr von wütenden Hunden vorsorglich eingesteckt hatte. Nur schwach, aber besser als nichts, dachte er und ging hinein.

„Moin Emmi!“, rief er lautstark, als er die Tür hinter sich anlehnte. „Ich bin das nur, Okko mit der Post!“ Seine Stimme hallte in der Diele, als sei sie leer und ausgeräumt worden, was sie aber nicht war. Alles stand an seinem gewohnten Platz. Nichts sah nach der Arbeit eines Einbrechers aus. Es musste wohl an der Luft gelegen haben, die ihm abgestanden vorkam. Er hörte keine Antwort.

„Komm einfach durch“, hatte Emmi ihm vor ein paar Monaten gesagt. „Du weißt jetzt, wo mein Schlafzimmer ist. Und ich komme ja kaum noch hoch.“ Sie hatte bisher immer im Lehnstuhl gesessen, in der Küche, den trostlos leeren Hofplatz vor Augen, oder im Wohnzimmer vor dem nach Süden gehenden Fenster mit dem Blick auf die vorbeiführende Straße. Jetzt lag sie in ihrem Bett, mit Kissen umgeben und mit dem Notwendigsten auf dem Nachttisch versehen. Dann lächelte sie plötzlich ein zahnloses Lächeln: „Ein Mann in meinem Schlafzimmer hat mich noch nie gestört.“ Sie hieß Emilie, Emilie Nummsen, aber seit dem Tode ihres Mannes bereits vor vielen Jahren nannte sie jeder Emmi. Ihre Gedanken waren immer öfter weit zurück in der Vergangenheit.

Okko Hansen hatte Mitleid mit ihr empfunden. Nicht nur wegen ihres Schicksals, das sie tapfer ertrug. Den Mann zu früh durch einen rätselhaften Unfall verloren. Der Hof heruntergewirtschaftet, weil sie nicht aus der Landwirtschaft kam. Keine Kinder, die ihr hätten zur Seite stehen können. Und jetzt die Erkrankung, die sie ins Bett zwang und die ihr baldiges Ende ankündigte. Er hatte versucht, ihr Alter einzuschätzen: um siebzig? Okko bezweifelte im Stillen, dass in den letzten Jahren Männer in ihrem Schlafzimmer gewesen waren. Er hatte gelacht und mahnend mit dem erhobenen Zeigefinger gedroht: „Du wirst doch deinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen wollen?“

Briefträger Hansen ging durch die Diele zur Schlafzimmertür. Sie war nur angelehnt, wie immer in den letzten Wochen. Er schob sie auf, leise, um sie nicht zu stören, falls Emmi schlafen sollte.

Emilie Nummsen lag auf dem Rücken in ihrem Bett, das Kopfende nur wenig angehoben. Die Decke und die Kissen wirkten geordnet, als schliefe sie noch. Die Zimmerfenster waren geschlossen, aber die Vorhänge zur Seite gezogen, sodass das Tageslicht den Raum erhellte. Aber der Geruch, der ihm entgegenschlug, passte nicht zu dem friedlichen Anblick, sagte ihm, es müsse etwas geschehen sein. Hansen sah sich schnell im Zimmer um, aber er war mit ihr alleine. Er näherte sich behutsam dem Bett.

Trübe Augen waren in dem bleichen Gesicht unbeweglich zur Zimmerdecke hin gerichtet. Auf den Lippen des geöffneten Mundes liefen Fliegen. Die Arme lagen auf der Bettdecke neben dem sich unter ihr abzeichnenden hageren Körper. Später, als der Zeitungsreporter ihn fragte, was er in dem Moment gedacht habe, nicht jeder finde schließlich einen toten Menschen, konnte er sich nicht erinnern. Ob er an Gott gedacht habe, der ihr Leiden beendet habe. Nein, eher nicht, Gott spiele in seinen Gedanken keine große Rolle. Er habe nicht viel Zeit gehabt, erschrocken zu sein, obwohl er … „das“ …, wie er es zögernd umschrieb, noch nie erlebt habe. Er habe das Notwendige veranlassen müssen.

Hansen schloss aus allem, was er sah, dass Emilie Nummsen tot sei. Er verließ das Zimmer, die Diele, das Haus, zog die beschädigte Tür mit zitternden Händen hinter sich so weit wie möglich zu und ging zu seinem Wagen. Er trank einen tiefen Zug aus seiner Mineralwasserflasche, um zur Ruhe zu kommen und das innere Gleichgewicht wiederzuerlangen. Dann saß er eine Weile unbeweglich auf dem Fahrersitz und sah auf das auf dem Beifahrersitz gestapelte Zustellgut. Auf das Alltägliche, das Gewohnte, das die ungewohnten Bilder aus seinem Kopf verdrängen musste. Die beschädigte Tür. Der friedlich im Bett liegende Körper. Was war mit ihr geschehen? Er suchte sein Handy und rief die Notrufzentrale an.

„Ich bin Postzusteller Okko Hansen“, meldete er sich, ohne auf ihre Rückfragen einzugehen. „Ich bin in Wolfenbüttel und war im Haus von Frau Emilie Nummsen. Ich habe Post für sie. Aber Frau Nummsen ist tot. Und die Haustür scheint aufgebrochen worden zu sein. Das Schloss und das Türblatt sind beschädigt. Sonst ist aber niemand hier. Schicken Sie einen Streifenwagen und einen Krankenwagen her. Aber ich kann nicht warten, bis jemand kommt, ich muss meine Tour zu Ende fahren. Ich habe die Haustür so gut es geht zugezogen.“

Er hatte gesagt, was seiner Meinung nach gesagt werden musste. Weitere Gedanken versuchte er zu verdrängen. Rückfragen beantwortete er nicht. Er wollte sich mit dem Gesehenen nicht mehr beschäftigen. Sie würden ihn auch nur aufhalten. Deshalb beendete er das Gespräch. Er konzentrierte sich auf seine Aufgaben, legte die Post für Emmi in den Korb für Rückläufer und vergewisserte sich über die Anschrift des nächsten Empfängers. Konzentration auf die Arbeit würde ihm helfen, das Bild von Emmis blicklosen Augen und von den Fliegen auf ihrem Mund zu vergessen.

2. Jensen und Neudorf

 

Als die Meldung der Leitstelle hereinkam, hatte Hauptkommissar Hans Jensen gerade sein zweites Frühstück beendet. Eine doppelte Scheibe mit Schinken und eine zweite mit gekochtem Ei hatte seine Frau ihm mitgegeben. Den Kaffee aus dem Automaten im Erdgeschoss trank er dazu, obwohl ihm dieses Getränk eigentlich nicht schmeckte. Er hatte seinen Dienst wie auch schon an den vorhergehenden Tagen etwas früher als üblich angetreten, und er brauchte die Stärkung um diese Vormittagszeit ohnehin. Er war morgens gelaufen, kurz nach Sonnenaufgang, aber nur dreißig Minuten, ‚die kleine Runde‘, wie er es seiner Frau Bärbel erklärte. Während er sich unter der Dusche erfrischte, richtete Bärbel das Frühstück. Dann verließ er das Haus, bevor der Sohn Benjamin erwachen und ihn von seinen Gedanken an die auf ihn wartende Arbeit ablenken würde.

Polizeioberrat Herbert Stoldt, der Leiter der Polizeistelle Heide, war im Urlaub. Stoldt war achtunddreißig Jahre alt, verheiratet, aber kinderlos und musste deshalb seinen Urlaub außerhalb der Ferien nehmen. Er hatte Jensen für die Zeit seiner Abwesenheit die Leitung der Kriminalpolizeistelle kommissarisch übertragen.

Jensen hatte die zusätzlichen Aufgaben freudig angenommen. Er studierte nebenberuflich an der Freien Universität Hagen, um sich für den weiteren Aufstieg zu qualifizieren. Lange hatte er davon geträumt, als Lehrer an der Polizeifachhochschule zu unterrichten. Seine Familie und das Kind, Benjamin, sein Sohn Benni, und das Haus im Osten der Stadt hatten ihn nachdenklich werden lassen. Aber eine leitende Funktion in der Polizeistelle Heide oder vielleicht sogar in der Inspektion in Itzehoe? Da war eine inoffizielle Übertragung der kommissarischen Leitung von Vorteil. Würden seine Fähigkeiten dafür noch nicht ausreichen, brauchte niemand darüber zu reden. Wäre er erfolgreich, würden sich seine Vorgesetzten bei Gelegenheit daran erinnern.

In den vergangenen Jahren schickte das Ministerium für die Urlaubsvertretung einen jungen Referendar. So wie man Kinder zum Spielen in die Sandkiste auf dem Spielplatz schickt, so hatten die Mitarbeiter es für sich beschrieben, wenn sie auf einen Kaffee in der Cafeteria saßen und die Ankunft des Vertreters angekündigt worden war. „Praktische Erfahrungen vor Ort sammeln“, nannte das Ministerium die Abordnung und es fiel ihnen schwer, den Betrieb im Gleichgewicht zu halten. In diesem Jahr hatten sie wohl keine Referendare zu verteilen, die sie in die Provinz schicken konnten, wahrscheinlich mussten wieder ein paar Personalstellen eingespart werden. Aber das Frühjahr verlief ruhig, verdächtig ruhig, sie würden die Zeit überbrücken können.

Jensen war eifrig und ehrgeizig und deshalb auch überzeugt davon, jetzt morgens der Erste im Büro sein zu müssen, um über die Notwendigkeiten des beginnenden Tages nachzudenken, bevor die Mitarbeiter, wenn sie keinen nächtlichen Einsatz hinter sich hatten, in ihrem Büro und bei ihm zur Teambesprechung erschienen. Außerdem wollte er heute ausnahmsweise vorzeitig seinen Dienst beenden. Seine Frau, Bärbel, und ihr fünf Monate alter Sohn Benni hatten einen Termin bei der Kinderärztin für die U-5-Untersuchung und er wollte sie natürlich begleiten.

Sein Sohn! Benjamin! Aber sie nannten ihn bereits nur noch Benni. Und fünf Monate alt! Und wie das Kind ihn ansah und lächelte, wenn er sich über das kleine Bettchen beugte, um ihn zu begrüßen, um ihn auf den Arm zu nehmen! Als ob er seinen Vater bereits erkenne. Als ob er ihn erwartet habe. Als ob er bereits wisse, dass dieses andere Gesicht, dieser andere Mensch, dass sein Vater Aufregendes mit ihm unternehme. Er schaukelte ihn in seinen Armen. Sie gingen zum Fenster, sie gingen in den Garten und Hans erklärte seinem Sohn die Natur: die aufbrechenden Knospen, die Blätter, die Blüten, die Blumen und den Wind. Was für eine Änderung der Lebenslage, ja, sogar der Interessenlage hatte sich inzwischen ergeben! Seine Frau hatte sich für ein Jahr beurlauben lassen, um sich um das Kind zu kümmern. Und er bedauerte inzwischen jede Stunde, die er länger im Dienst verbringen musste. Früher hatte ihn das nie gestört. Früher stand das Interesse an der Aufklärung der Fälle im Vordergrund. Früher! Wann war das? Bis vor sechs Monaten?

„In Wolfenbüttel eine Frau wahrscheinlich nach einem Einbruch tot in ihrer Wohnung aufgefunden“, lautete die Information, die aus der Polizeileitstelle kam. Jemand musste hinausfahren, um die Situation zu klären.

Wolfenbüttel. Ein Ortsteil mit ein paar Häusern am Fuße der Geest in der Gemeinde Busenwurth. Jensen hatte es sich abgewöhnt, über den Namen des Ortsteiles nachzudenken. Ihn mit der Stadt gleichen Namens im südlichen Niedersachsen in irgendeine Verbindung zu bringen. Darüber nachzudenken, wann ein Bauer oder Jäger mit einem vom Wolf abgeleiteten Namen dort in der alten Marsch das erste Haus errichtet haben mochte. Er ging die Mitarbeiter der Kriminalpolizeistelle durch.

„Ach nee, Jensen, ich kann das nicht machen“, wehrte Oberkommissar Ralf Weiler ab. „Ich habe den Kopf heute so voll. Du weißt doch: die Identifikation der Hehlerware, die wir hochgenommen haben.“ Sie hatten eine ganze Einbruchserie aufklären können und den Inhalt eines großen Lagers sichergestellt, mit allem, was die Elektronik hergab, mit Schmuck und einer Sammlung Goldmünzen.

Kommissar Hans Meiners lehnte ebenfalls ab: „Ich habe heute einen Arzttermin. Habe ich dir aber schon gesagt! Ich bin schon so gut wie weg.“

Jensen rief Oberkommissar Klaus Hosse, den Leiter der Spurensicherung, an: „Kannst du das übernehmen? Du hast doch ein gutes Auge für die Dinge, die die Anderen ohnehin übersehen.“

Sie kannten sich seit Jahren, waren befreundet, nahmen einander ein lockeres Wort nicht übel. „Warum machst du das nicht selbst?“, fragte Hosse zurück. „Vielleicht steckt wieder die Mafia dahinter?“ Damit zogen sie ihn immer wieder auf, mit dem Fall aus dem Vorjahr und dem Mord, der wie nach Methoden der Mafia aussah, wofür sie aber keine Hinweise oder Zusammenhänge hatten nachweisen können.

„Mein Schreibtisch ist noch so voll, und ich will ausgerechnet heute einmal in Familie machen. Du weißt schon: mein Sohn Benjamin und die Kinderärztin. Ich habe keine Zeit dazu“, antwortete Jensen.

„Und wenn du das an die Mordkommission in Itzehoe abgibst? Wenn du einfach sagst, da sei wohl fremde Gewalt angewendet worden?“

Jensen begann, ungeduldig zu werden: „Das müssen wir doch zunächst einmal von hier aus klären.“

Er hörte ihn förmlich in das Telefon kichern: „So ist das, wenn man die Leitung hat“, sagte Klaus Hosse. „Wenn es Spuren zu sichern gibt, bin ich sofort draußen. Für die Aufnahme des Falles habe ich aber keine Zeit. Du bist doch nach einer Stunde wieder zurück am Schreibtisch.“

Jensen wollte noch nicht aufgeben. Er rief Oberkommissarin Wiebke Neudorf an. Sie gehörte zwar zu dem Personal der Kriminalinspektion in Itzehoe, wurde aber je nach Bedarf oft nach Heide abgeordnet. Sie war persönlich unabhängig und wiedersprach deshalb den Abordnungen und der dadurch in ihrem Leben einziehenden Abwechslung nicht. Während des Urlaubes von Polizeioberrat Stoldt und der Übertragung von Leitungsfunktionen auf Jensen arbeitete sie in Heide. „Kannst du für zwei Stunden deine Arbeit unterbrechen?“, fragte Jensen. „Was machst du gerade?“

Jensen gehörte zu der Sorte Männer, bei der ihr Herz schneller schlug. Er sah gut aus, war kräftig und groß, so richtig ein Typ zum Anlehnen. Er war fleißig und ernsthaft, so wie sie sich selbst empfand und es deshalb auch von netten Menschen erwartete. Er war stets freundlich und nur so viel ein Macho, dass man bei ihm immer wusste, was zu tun war, ohne sich überfahren fühlen zu müssen.

Manchmal dachte Wiebe Neudorf darüber nach, was sie tun würde, wenn nachts plötzlich ein Einbrecher in ihrem Schlafzimmer stünde. Einen Fremden würde sie niedermachen, sie war noch immer gut in Judo. Und wenn es ein Mann aus ihrer Dienststelle wäre? Alle wussten, wie man Türen öffnen kann. Und alle wussten, dass sie seit ein paar Jahren geschieden war und noch keinen neuen Partner hatte. Für die meisten von ihnen wäre sie aufgestanden, um Kaffee zu kochen, damit sie wieder klar im Kopf würden. Für Hans Jensen, ihr Entschluss stand fest, wäre sie bedenkenlos liegengeblieben.

Wiebke Neudorf war zwar zwölf Jahre älter, versuchte aber stets, den verbliebenen Rest ihrer Attraktivität zu unterstreichen. Sie hatte mit den Jahren ein paar Pfunde zugenommen, aber fülligere Models mit steilen Kurven kamen in Mode, begannen, die mageren Hunger-Mädchen von den Titelseiten zu verdrängen. Und sie wusste auch aus Erfahrung, dass ihre Kurven noch immer bewundernde Blicke anzogen. Sie kleidete sich zumeist etwas körperbetont und jugendlicher, als es für ihre neunundvierzig Jahre eigentlich noch als angemessen angesehen wurde. Aber, so dachte sie manchmal, wenn sie vor ihrem Kleiderschrank stand, frau konnte inzwischen alles tragen. Sie hatte eine in ihrem Beruf ungewöhnliche freundliche Art, mit den Menschen umzugehen. Sie war der liebevolle mütterliche Teil in der Mannschaft und deshalb bei Vernehmungen oft erfolgreicher als die harten Typen. Ihre Ehe war vor über zehn Jahren geschieden worden, sie war an den zeitlichen Anforderungen und moralischen Belastungen ihres Berufes gescheitert. Gelegentlich machte sie Jensen schöne Augen und er musste das auch bemerkt haben. Er bemerkte doch immer alles. Jedoch war sie über das freundliche „Du“ und den Vornamen als Anrede, das als kollegiale Geste durchgehen konnte, nicht hinausgekommen. Aber ihre Erfolglosigkeit enttäuschte sie nicht. Zwölf Jahre jünger, eine interessante junge Frau, wie sie sich neidlos eingestand, und jetzt das erste Kind, da kam ihr Jensen wie eine uneinnehmbare Burg vor. Aber ihr stilles Interesse an ihm blieb.

Und außerdem, erinnerte sie sich: Manchmal geschahen unerwartete Dinge. Wie mit dem stellvertretenden Inspektionsleiter in der Dienststelle in Itzehoe. Das hatte sich in Windeseile herumgesprochen, und jeder wollte alle Details genau kennen. Seine Frau sei zur Reha, Bandscheibenvorfall, er müsse sich so lange selbst versorgen, jammerte er beim Kaffee in der Kantine und er tat allen ein wenig leid. Dann sah ihn jemand abends bei dem Griechen in der Altstadt, nicht nur mit Grillteller und Ouzo, sondern auch mit einer Sekretärin aus dem Schreib-Pool, mit der dunkelhaarigen Sarah. Und das war kein Bewerbungsgespräch für den Aufstieg in eine höhere Gehaltsgruppe, wurde berichtet. Oder doch auch? Das war eindeutig zweideutig! Aber so etwas von eindeutig! Seine Hand war zwischen ihren Knien und ihre Augen wie in seinem Gesicht festgenagelt. Der Altersunterschied von knapp zwanzig Jahren schien vergessen zu sein. Sie nahmen nichts anderes mehr wahr und der Kollege, der sie dort antraf, hatte sich diskret in eine entfernte Ecke gesetzt.

„Ich sitze über der Meldung für die Kriminalitätsstatistik“, antwortete sie. „Du weißt ja, Stoldt hat gesagt, ich soll ihm während seiner Abwesenheit die Aufklärungsquote nicht verderben. Aber die Statistik kann notfalls etwas warten. Was liegt denn an?“

Er kannte die Anschrift, die die Leitstelle durchgegeben hatte. Er kannte die Bäuerin und ihren verstorbenen Mann. Jensen war der Dienststelle in Heide 2001 als junger Kommissar zugeteilt worden und einer seiner ersten Fälle beschäftigte sich mit dem verunglückten Bauern. Georg Nummsen hatte mit einem Trecker auf seinem Land gearbeitet. Aus Gründen, die nie restlos geklärt werden konnten und deshalb als technisches Versagen protokolliert wurden, hatte sich im Gestänge der Bremsen eine Verbindung gelöst. Der Trecker ließ sich nicht rechtzeitig anhalten, fuhr über die Kante eines Grabens und stürzte um. Nummsen geriet unter das Fahrzeug und wurde erdrückt. Ein zufällig in der Nähe befindlicher Nachbar alarmierte die Rettungskräfte, konnte aber mehr zur Rettung des Verunglückten nicht tun. Seither führte seine Witwe Emilie Nummsen mehr schlecht als recht den Hof. War sie jetzt tot aufgefunden worden? „Da ist in Wolfenbüttel eine Frau in ihrer Wohnung tot aufgefunden worden. Es soll Spuren eines Einbruches geben. Einer von uns muss hin, sich die näheren Umstände anschauen.“

Wiebke Neudorf war froh, vom Studium der Akten abgelenkt zu werden. „Ich bin in fünf Minuten bei dir und du zeigst mir, wo das ist.“

Jensen bedankte sich. Sie hatten alle viel zu tun, auch wenn gerade keine schwierigen Ermittlungen liefen, keine Kapitalverbrechen aufzuklären waren. Aber auf Wiebke war eben Verlass.

Alle waren schon dort, als Oberkommissarin Wiebke Neudorf an dem Fundort ankam. Ein Streifenwagen der Polizeizentralstation Meldorf hatte die Zufahrt zum Hof abgesperrt. Polizeimeister Christoph Brandes erwartete sie mit einem kurzen Lagebericht. Ein Krankenwagen stand mit geöffneter Hecktür vor dem Hauseingang. Der Pkw des Notarztes hielt wenige Meter abseits.

Neudorf streifte sich Plastikschoner über die Schuhe, um eventuell vorhandene Spuren nicht zu beeinträchtigen. Die Haustür war beschädigt. Das Schloss war aus dem Türblatt herausgebrochen, das Schließblech aus dem Türrahmen herausgerissen worden. Wiebke Neudorf machte die ersten Fotos und betrat behutsam das Haus. Ihr Blick glitt auf der Suche nach Spuren oder Auffälligkeiten über Boden, Wände und Einrichtungsgegenstände. Die beschädigte Tür bekräftigte den ihr mitgeteilten Verdacht eines Einbruches. Sie fand aber keine weiteren entsprechenden Spuren, keine durchwühlten Schränke, keine herausgerissenen Schubladen. Alles sah wohlgeordnet aus. Der Notarzt in seiner selbst in der dämmrigen Wohnung leuchtenden Warnkleidung und ein weiterer Polizist in Dienstkleidung standen vor der Tür zum Schlafzimmer und wiesen nach einem zur Begrüßung gemurmelten „Moin“ in das Zimmer.

Neudorf blieb auf der Türschwelle stehen. Sie sah den leblosen Körper unter einer dünnen Decke auf dem Bett, schütteres graues Haar lag auf dem Kopfkissen und ließ das alte, faltige Gesicht noch blasser erscheinen. Sie sah die ungestörte Ordnung im Zimmer, keine Einbruchsspuren deuteten auf einen Eindringling hin, sie sah einen Morgenrock, der auf einem Stuhl geordnet abgelegt worden war, die Kissen, die der Kranken eine aufrechte Haltung im Bett ermöglicht hatten, ein Tablett mit mehreren Medikamenten, mit Salben und Cremes auf dem Nachttisch. Sie fand keine Spuren einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Die Teppiche lagen glatt auf dem Boden. Gardinen waren an den geschlossenen Fenstern, die Vorhänge zur Seite gezogen, Sonne am wolkenlosen Himmel erhellte den Raum. Der Körper auf dem Bett war bis zur Höhe der Brust mit einer dünnen Decke zugedeckt, auf der die Arme neben dem Leib ausgestreckt waren. Die Füße hoben mit den Zehen die straffe Decke wie zu einem kleinen Zelt an, die Fußsohlen berührten das hölzerne Fußende des Bettes.

Neudorf trat in das Zimmer und wandte sich zu dem Notarzt um: „Haben Sie sich das schon einmal angesehen?“

„Sie ist tot“, sagte der Arzt mit einem Schulterzucken. „Keine Verletzungen erkennbar, keine Vitalfunktionen mehr, keine Arbeit für mich.“

„Irgendwelche Vermutungen zur Todesursache?“

Der Arzt zuckte erneut mit den Schultern, er schien sich seiner Sache nicht ganz sicher zu sein: „Sieht alles natürlich aus. Sehen Sie sich ihr Gesicht und die Medikamente an. Eine alte Frau, schlechter Allgemeinzustand. Herzversagen. Scheint friedlich eingeschlafen zu sein.“

Neudorf sah sich nach dem Polizisten um, der wie abwartend in der Zimmertür stand: „Können Sie sie identifizieren?“

„Ja, ich kenne sie“, sagte er eifrig. „Ist die Bäuerin, Emilie Nummsen. War seit ein paar Wochen nicht mehr vor der Tür.“

„Hat sie keine Familienangehörigen? Wer hat sie denn versorgt?“

Polizeiobermeister Malte Wagner von der Polizeizentralstation Meldorf holte wie zu einer längeren Rede tiefen Atem: „Nein, sie lebte hier alleine. Ihr Mann ist vor ein paar Jahren bei einem Unfall umgekommen. Hat keine Kinder. Das Land ist an Werner Huesfeld verpachtet, der den Hof da drüben besitzt.“ Wagner wies mit dem Kinn quer durch das Zimmer, als könne man durch die Wände den Hof auf der anderen Seite der Straße liegen sehen. „Gepflegt und versorgt wurde Emmi, also Frau Nummsen, von einer Schwester aus der Sozialstation und von Leuten aus der Sozialpsychologischen Heimstatt in St. Michaelisdonn.“

Die Drei sahen sich an, als suchten sie ihr Einvernehmen. „Also trotz der beschädigten Tür ein natürlicher Tod, keine Hinweise auf eine Beteiligung einer anderen Person“, fasste Neudorf zusammen. Dann wandte sie sich an den Notarzt: „Lassen Sie die Tote nach Heide in die Pathologie bringen, wir brauchen sicherheitshalber noch eine Totenschau. Ich rede mit dem Vormundschaftsgericht, wir brauchen einen Nachlassverwalter. Und schließen Sie das Haus ab, lassen Sie einen Handwerker dazu kommen“, wies sie Polizeiobermeister Wagner an, „nehmen Sie alle Schlüssel mit zur Wache in Meldorf, bis sich der Nachlassverwalter meldet.“

Wiebke Neudorf machte noch eine Serie von fotografischen Aufnahmen, um die vorgefundene Situation zu dokumentieren. Die sorgfältig glattgezogene Bettdecke irritierte sie, sie dachte kurz an die Ordnung in ihrer kleinen Wohnung in Itzehoe, die sie jetzt alleine bewohnte. Ihr Sohn studierte in Berlin und kam nur selten nach Hause. Für die Ordnung in ihrer Wohnung war sie alleine verantwortlich und sie hatte sich angewöhnt, großzügig mit dem Thema umzugehen. Aber hier ging sie dem unbewussten Impuls ihres Unterbewusstseins nicht nach. Sie hatte bereits anderes im Kopf und fuhr wieder zurück, ohne über ihre Unsicherheit weiter nachzudenken. Sie informierte Hauptkommissar Jensen: „Beschädigte Haustür, siehst du auf den Fotos. Aber keinerlei Hinweise auf einen Einbruch. Auch sonst nichts Auffälliges. Alte Frau, dünn wie trockenes Heu. Doc und Spusi werden dich nach der Totenschau informieren. Fotos gehen in die Dokumentation. Ich lege eine Akte an.“ Jensen war zufrieden und bedankte sich. Mehr konnte man von einer guten Mitarbeiterin nicht verlangen.

Der Erste, der ihn am Nachmittag anrief, war Dr. Hufner. Die Leichenschau habe keine relevanten Hinweise gebracht. „Natürlicher Ablauf, wenn man ihr Alter bedenkt“, sagte er und bemühte sich wie immer am Telefon, seine schwäbische Mundart zu unterdrücken. „Herzversagen, Exitus. Ich schicke Ihnen den Totenschein rüber. Sie werden sich ja um alles Weitere kümmern.“ Dr. Konstantin Hufner war als Chirurg im Westküstenklinikum in Heide angestellt und hatte die Aufgaben des Polizeiarztes der Kriminalpolizeistelle Heide übernommen. Unter den Kollegen nannte man ihn nur „Doc“, wenn er nicht in Hörweite war.

Jensen saß inzwischen im Wartezimmer der Kinderärztin in der Hamburger Straße. Er wartete mit seiner Frau Bärbel und dem gut fünf Monate alten Sohn Benjamin darauf, dass die Ärztin für sie Zeit habe. Für die U-5-Untersuchung, er hatte sich angewöhnt, auch in solchen Bezeichnungen zu denken. Sie hatten keine Probleme zu beklagen. Aber bei einem so kleinen Kind musste man vorsichtig in solchen Fragen sein. Außerdem war Benjamin ihr erstes Kind und sie hatten noch keine eigenen Erfahrungen mit der gesunden und altersgerechten Entwicklung eines Kindes. Es gab nicht umsonst eine Serie von Untersuchungen, mit denen in Abhängigkeit vom Alter des Kindes seine Entwicklung überwacht wurde. Jensen war froh, dass der neue Fall vom Vormittag keine Forderungen an seine Zeit stellte. Er dankte für die Information und überlegte, ob er jetzt sein Smartphone ausschalten solle. Das Gespräch mit der Ärztin würde seine ganze Aufmerksamkeit erfordern.

Sie waren bereits auf der Rückfahrt nach Hause, als Klaus Hosse ihn anrief. Die Untersuchung und das Gespräch mit der Kinderärztin waren erfreulich verlaufen. Das Kind sei gesund, seinem Alter entsprechend gut entwickelt und seine Aufmerksamkeit und seine Reaktionen seien beachtlich, hatte die Ärztin gesagt, man sehe, dass mit dem Kind viel und oft gesprochen werde. Jetzt saß seine Frau mit dem Kind in einer Tragetasche auf dem Rücksitz des Wagens und sie erklärte ihm mit sanfter Stimme den Ablauf der Fahrt nach Hause. „Und du hast kein einziges Mal geweint!“, lobte sie ihn zärtlich.

Sein Smartphone klingelte und Jensen reichte es zu seiner Frau nach hinten. Sie meldete sich und gab das Handy an ihn zurück: „Für dich. Dein Freund und Kumpel.“ Jensen hielt in der nächsten freien Parkbucht.

Oberkommissar Klaus Hosse, der Leiter der Spurensicherung in der Kriminalpolizeistelle Heide, „Spusi“, wie sie ihn nannten, meldete sich. Im Laufe der Zusammenarbeit hatten sie sich schätzen gelernt. Zumeist waren sie die Ersten, die den Ort eines schrecklichen Geschehens besichtigen und untersuchen und einschätzen mussten. Sie waren darüber Freunde geworden. „Hallo Klaus, was gibt es? Ich bin im Auto auf dem Weg nach Hause.“

Er hörte die Freude des Freundes am nicht ernst gemeinten Vorwurf: „Im Auto und telefonieren? Das wird teuer. Aber im Ernst. Ich will dich nur informieren. Der Fundort in der Wohnung ist sauber. Für die Beschädigung der Haustür habe ich keine Erklärung gefunden. Es gibt keine weiteren Hinweise auf einen Einbruch. Die Untersuchung der Toten gab keinerlei Verdachtsmomente. Den Fall kannst du vergessen.“

„Wieso warst du in der Wohnung? Heute Morgen sagtest du, du hättest keine Zeit dazu? War die Kollegin Neudorf noch dort?“ Sie hatte nicht erwähnt, dass sie sich dort gesehen hätten.

„Naja, ließ sich so einrichten“, sagte Hosse. „Für Freunde tue ich ja fast alles. Neudorf zeigte mir die Bilder von der beschädigten Haustür, das musste ich mir ansehen. Grüß deine Frau von mir und frage sie, wann ich zum Kaffeetrinken kommen soll.“

„Indianer wie du bekommen doch nur Wasser“, antwortete Jensen und beendete das Gespräch. Es würde ein ruhiger Nachmittag werden. Mit dem Vormundschaftsgericht hatte er bereits vom Büro aus telefoniert. Sie benötigten möglichst bald einen Nachlassverwalter und der Rechtspfleger hatte wegen der besonderen Lage eine kurzfristige Erledigung zugesagt. Jensen fuhr an und fädelte sich in den regen Verkehr ein, der um diese Tageszeit in der Hamburger Straße stets heftig und dicht war. Jensen hatte bereits nach dem Dienst am Markt Kuchen gekauft. Das Wetter war sonnig und mild. Es würde ein gemütlicher Nachmittag im Garten werden!