Winter-Sonnenwende

Das Licht im Inneren leuchten lassen

Jeder trägt eine Sonne in sich: Das wärmende Licht leuchtet aus dem Kern der Seele.
© Roberto Bulgrin

Der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres markieren den kalendarischen Winteranfang, obwohl sich viele wahrscheinlich seit Wochen wie mitten im Winter fühlen. Gerade an nasskalten, trüben Tagen beginnt am Nachmittag bereits die Dämmerung. Der Blick nach draußen führt in ein diffuses Grau. In unseren Breitengraden wird es ab 16 Uhr schon dämmrig und düster. Die Dunkelheit hält bis zum nächsten Morgen an. Erst ab 8 Uhr kehrt das Licht zurück. Doch es ist nicht alles ein einziges Einheitsgrau. Der Winter im Dezember bringt auch Wetterkapriolen mit sich: Von klirrender Kälte über Schneeverwehungen bis hin zu milden Plusgraden ist alles möglich.

Die Efeufrüchte sind jetzt noch grün, werden aber demnächst reif und färben sich schwarz. Die Christrose, auch als Schwarze Nieswurz bekannt, blüht mit ihren weißen Blüten ganz üppig. Mistel und Heidekraut zieren dekorativ manche Hauseingänge und Schwellen. Die Immergrünen – allen voran die Nadelbäume – halten das Grün. Die Laubbäume aber stehen seit Wochen kahl und weisen wie Finger in den Himmel. Ihre Zierde sind nun Frost oder Schnee. Die Natur ist in einem Ruhezustand angekommen. Das Leben ist noch da, doch unter der Erdoberfläche. Dort findet die geheimnisvolle Wandlung und Erneuerung statt. Sobald es in einigen Wochen wärmer wird, wird die Erde wie aus dem Nichts erblühen – das Werden beginnt auf ein Neues.

Die schwermütigen Anwandlungen, die der November der Seele bringen kann, klingen im Dezember zum Teil schon wieder ab. Groß waren die Ablenkungen, die der Advent oftmals mit sich brachte. Vieles wollte fertiggestellt oder für Weihnachten vorbereitet sein. Vor der Winter-Sonnenwende bedarf es oft großer Abgrenzungsleistungen, um nicht der allgemeinen Hektik zu verfallen, sondern – wie es so schön heißt – ganz bei sich zu bleiben. Zum Jahresende hin nimmt eine gewisse Spannung zu: Für die einen bedeutet diese Zeit Aussicht auf Ruhe und freie Tage, vielleicht ist sogar Urlaub geplant. Bei anderen wiederum werden Familienzusammenkünfte geplant, verbunden mit der gesamten Gefühlspalette zwischen großer Wiedersehensfreude und zwanghafter Teilnahme. Für wieder andere sind die bevorstehenden Tage je nach Haltung und Glaubensrichtung einfach Tage wie alle anderen des Jahres oder eine ganz besondere Zeit, die mit einer inneren wie äußeren Festlichkeit einhergeht, wie es das Weihnachtsfest im christlichen Sinn bis heute sein kann.

Den eigenen Jahreskreis-Altar richten

Der Handel überschwemmt uns heutzutage geradezu mit vielfältigen mehr oder weniger geschmackvollen Dekorationen. Das ist ein moderner Ausdruck uralten Brauchtums – wenn auch oftmals vollkommen ins rein Materielle verkehrt. Halten wir uns lieber daran, was die Natur uns bietet. Es gibt hier so viel zu entdecken: Tannenzweige und -zapfen, Misteln, Zweige der Stechpalme, das Echte Immergrün, Zweige mit Hagebutten, besonders geformte Äste oder Wurzeln. Ein schöner Brauch ist es, Sterne aus Naturmaterialien wie etwa aus Stroh oder Wildgräsern zu basteln.

Nadelbäume und die Mistel halten die Stellung: Irgendetwas ist immer grün und zeigt, dass das Leben nicht verschwunden ist.
© Andrea Maucher