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Butler Parker
– Staffel 9 –

E-Book 81-90

Günter Dönges

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-462-8

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»Parker, Sie sehen einfach unmöglich aus«, sagte Anwalt Mike Rander und schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf, »wir befinden uns schließlich in Afrika und nicht am Picadilly Circus in London.«

»Dieser Tatsache, Sir, bin ich mir voll und ganz bewußt«, gab der Butler gemessen zurück. Er rückte sich seine schwarze Melone zurecht und legte sich den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirms korrekt über den linken Unterarm. Würdevoll wie ein orientalischer Herrscher schritt er dann über die Gangway des Jets hinunter auf die Betonpiste des Flugplatzes, um dort auf seinen jungen Herrn und dessen Sekretärin, Sue Weston, zu warten, die jetzt ebenfalls aus dem Jet stiegen und nach unten kamen.

Parker mißbilligte seinerseits die Kleidung seines Herrn, der sich im modernen Safari-Look präsentierte. Parker hielt diesen Anzug für nicht angemessen. Seiner bescheidenen Auffassung nach hatte ein Anwalt sich in allen Lebenslagen stets feierlich-korrekt zu kleiden.

An Sue Weston hingegen hatte Parker nichts auszusetzen. Sie erfreute wieder mal seine Augen und erwärmte sein Herz. Sue – langbeinig, gertenschlank und von pikant-exotischer Schönheit – trug Hot pants, über die sie einen leichten Mantel geworfen hatte.

Die Sonne stand bereits tief. Bis zum Einbruch der Dunkelheit konnte es nicht mehr lange dauern.

»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich jetzt um das Gepäck kümmern«, wandte Parker sich an Mike Rander.

»Und ich werde Ausschau nach Mister Maudling halten«, erwiderte der Anwalt, »er wollte uns am Flugplatz abholen.«

Zusammen mit den übrigen Touristen gingen sie hinüber zum nahen Flugplatzgebäude, wo sie sich trennten. Parker passierte auf dem Weg zum Zoll einen Afrikaner, der europäische Kleidung trug. Dieser Mann sah den Butler gleichgültig-zurückhaltend an und drehte sich langsam, wie unabsichtlich um, als Parker hinter der Glastür des Zolltrakts verschwand.

Der Afrikaner, der eine Sonnenbrille trug, obwohl sie eigentlich wegen der Lichtverhältnisse nicht mehr notwendig war, schlenderte durch die weite Empfangshalle nach draußen und zündete sich auf der Treppe fast umständlich eine Zigarette an.

Anschließend setzte er sich in einen Landrover und ließ den Eingang nicht mehr aus den Augen.

*

»Nairobi, die Hauptstadt der Safaris«, stellte Rander vor, als er mit Sue Weston die Empfangshalle verlassen hatte. Er deutete auf die breite Straße, auf die Hochhäuser im Hintergrund, auf die vielen weißen ein- und zweistöckigen Gebäude inmitten der Wald- und Parkanlagen und schließlich auf einen alten Bus, der hoffnungslos überbesetzt war und mit klappernden Ventilen in Richtung Stadt vorbeiratterte.

»Das wirkt alles sehr westlich«, meinte Sue enttäuscht.

»Abwarten«, gab Rander lächelnd zurück. »Sie werden noch auf ihre Kosten kommen, Miß Weston. Wo zum Teufel, steckt dieser Mister Maudling?«

Rander hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als dicht vor ihnen ein Landrover anhielt, aus dem der Afrikaner stieg, der jetzt seine Sonnenbrille absetzte. Er lächelte Rander und Sue Weston breit an.

»Mister Rander?« fragte er in fehlerfreiem Englisch.

»Okay«, bestätigte Rander erleichtert.

»Mister Maudling ist leider verhindert«, sagte der Afrikaner, »er läßt sich entschuldigen. Ich soll Sie abholen.«

»Wunderbar«, freute sich Rander und war erleichtert, »bleiben wir hier in Nairobi, oder geht’s sofort raus nach Tabora-Lodge?«

»Wir werden in anderthalb Stunden dort sein«, sagte der Afrikaner, »die Straße bis dahin ist sehr gut. Von ein paar Meilen abgesehen. Ist ihr Gepäck schon durch den Zoll?«

Wie auf ein Stichwort him erschien Josuah Parker. Hinter ihm karrte ein schwarzer Gepäckträger die Koffer und diversen Reisetaschen des Trios.

Das Verladen des Gepäcks dauerte knapp fünf Minuten. Nachdem Parker neben dem Afrikaner, Rander und Sue Weston auf dem Rücksitz Platz genommen hatte, begann die Fahrt in die schnell einfallende Dunkelheit hinein.

Der Afrikaner, der sich als Joe Ugalla vorgestellt hatte, erwies sich als ausgezeichneter Fahrer, der seinen Wagen beherrschte. Er preschte durch die Straßen der Stadt und minderte erst das Tempo, als sie die große Ausfallstraße nach Südosten erreicht hatten. Diese Straße entpuppte sich recht bald als eine gepflegte Piste, auf der allerdings Asphalt und Beton fehlten. Dennoch ließ die Fahrt sich ertragen.

Joe Ugalla drosselte das Tempo noch mehr, als sich links und rechts der Straße hoher Busch ausbreitete, der im Licht der voll aufgedrehten Scheinwerfer magisch erhellt wurde.

»Wildwechsel«, sagte er erklärend, »hier muß man jeden Moment mit Überraschungen rechnen.«

Parker nickte zurückhaltend und ließ sich nicht weiter ablenken. Er dachte an den Zweck der Reise und an die Probleme des Mister Paul Maudling, der sie nach Kenia eingeladen hatte.

Maudling hatte erfreulicherweise von Mord gesprochen, ein Thema, das in Parkers Ohren stets einen guten Klang hatte. Mord, das klang nach einem neuen, interessanten Kriminalfall, den Parker sich auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

Um was es sich genau handelte, war noch unbekannt. Parker und Rander wußten nur, daß dieser Mister Maudling sich bedroht fühlte und daß er glaubte, man habe seine Ermordung geplant. Warum dieser Mord durchgeführt werden sollte, hatte Maudling nicht geäußert, darüber wollte er an Ort und Stelle reden.

Mike Rander, sonst skeptisch, war auf Maudlings Vorschlag eingegangen, nach Kenia zu kommen. Der Hotelmanager bezahlte schließlich den Hin- und Rückflug und den Aufenthalt. Maudlings Finanzen wurden damit keineswegs überfordert, denn – und dies hatte Parker diskret erforscht – er war ein Mann, der über einige private Millionen verfügte. Er besaß eine Hotelkette in Kenia, Tansania und in Südafrika. Maudling hatte sich ganz auf den internationalen Tourismus eingestellt und machte damit sein Geld.

Parker schreckte aus seinen Gedanken hoch, als der Landrover plötzlich durch eine Kette von Schlaglöchern rumpelte.

»Abkürzung«, sagte Joe Ugalla erklärend und lachte beruhigend, »wir sparen so wenigstens dreißig Minuten.«

Parker nickte und versenkte sich erneut in seine Gedanken. Er überprüfte noch mal in seiner Vorstellung, ob er alle Reisevorbereitungen auch richtig getroffen hatte. Im vorhinein unterstellte er peinliche Zwischenfälle und versuchte, sich darauf einzustellen. Er hoffte, aus seiner privaten Bastelstube die Dinge mitgenommen zu haben, die man in Busch und Savanne möglicherweise brauchte.

Parker wurde erneut durchgeschüttelt.

Er hörte sofort, daß mit dem Motor des Landrovers etwas nicht stimmte. Er sah fragend zu dem Afrikaner hinüber, der ratlos die Achseln zuckte und dann den Motor ab stellte.

»Irgendwas mit der Hinterachse«, meinte Joe Ugalla und stieg aus.

»Ich biete Ihnen gern meine bescheidene Hilfe an«, rief Parker und wollte ebenfalls aussteigen.«

»Nicht nötig«, sagte Ugalla, »bleiben Sie besser im Wagen. Da ist es sicher.«

»Von der Straße kann hier aber keine Rede mehr sein«, rief Rander nach vorn zu seinem Butler, »das sieht mehr nach ’nem Wildwechsel aus.«

»Eine Beobachtung, Sir, die ich mit Ihnen zu teilen mir erlaube«, gab der Butler zurück und musterte die grünen Buschwände zu beiden Seiten der mehr als engen Piste. Sie war kaum breiter als der Landrover und erregte irgendwie sein Mißtrauen.

»Unheimlich«, stellte Sue Weston fest.

»Wir Städter und Pflastertreter haben eben jedes Verhältnis zur Natur verloren«, gab Rander lächelnd zurück.

»Wenn Sie erlauben, werde ich nach Mister Ugalla sehen«, sagte Josuah Parker. Ohne diese Erlaubnis allerdings abzuwarten, stieg er sofort aus dem Geländewagen und begab sich zum Heck des Rovers.

»Mister Ugalla …!« rief er, da er den Afrikaner nicht sah.

Keine Antwort.

»Mister Ugalla«, wiederholte Parker und verstärkte dabei seine Stimme.

Keine Antwort.

Josuah Parker war indigniert. Er fand es ungehörig, daß der Afrikaner den Wagen verlassen hatte, ohne dies anzukündigen. Dieser Mister Ugalla schien über schlechte Manieren zu verfügen. Er mußte doch schließlich wissen, daß er es mit Gästen zu tun hatte, die sich im Busch nicht auskannten, sich verloren vorkommen mußten und auch vielleicht ein gewisses Quentchen Unruhe verspürten.

»Was ist denn los?« erkundigte sich Mike Rander, der inzwischen ausgestiegen war und jetzt dicht hinter seinem Butler erschien.

»Ich fürchte, Sir, daß Mister Ugalla das gesucht hat, was man gemeinhin das Weite nennt.«

»Wie bitte?«

»Die Wagenpanne scheint meiner bescheidenen Ansicht nur vorgetäuscht worden zu sein.«

»Ausgeschlossen! Warum sollte er das getan haben?«

»Vielleicht im Zusammenhang mit Mister Maudling.«

»Der uns diesen Joe Ugalla schließlich geschickt hat.«

»Was Mister Ugalla behauptet hat, Sir.«

»Sie glauben …«

»Man sollte gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen, Sir.«

»Sie sehen Gespenster, Parker. Sie sehnen sich nach einem ersten Zwischenfall, also reden Sie ihn sich ein!«

Während Rander und Parker miteinander sprachen, gingen sie zurück zum Wagen, neben dem Sue Weston stand. Sie hatte sich eine Wollweste über die Schulter geworfen und fröstelte.

»Still!« Rander horchte plötzlich in die Dunkelheit hinein, die sie von Sekunde zu Sekunde immer bedrohlicher umgab. Erst jetzt merkte Parker, daß das Licht der Scheinwerfer immer schwächer wurde. Die Batterie schien in den letzten Zügen zu liegen.

»Jetzt höre ich es auch«, sagte Sue und rückte naher an den Anwalt heran.

»Ein gewisses Dröhnen des Bodens«, präzisierte Parker, dem die noch weit entfernten Geräusche ebenfalls nicht entgangen waren, »wie ein überdimensionales Hufgetrappel, wenn ich es so definieren darf.«

»Elefanten?« fragte Sue nervös.

»Nachtsüber?« gab Rander ungläubig zurück. Er sah sich nach Josuah Parker um, der sich aber die Zeit zu einer Antwort nicht nahm. Parker langte bereits nach hinten in den Wagen und zog seine beiden Spezial-Reisetaschen hervor.

»Wollen Sie etwa ein Picknick veranstalten?« wunderte sich Rander laut.

»Dazu, Sir, werden die Elefanten, von denen Miß Weston gesprochen hat, uns kaum die erforderliche Ruhe lassen.«

»Elefanten?« Randers Stimme wurde etwas schrill.

»Mit ziemlicher Sicherheit, Sir! Darf ich Ihnen die nächsten Gepäckstücke anreichen?«

»Da sind sie!« Sue Weston deutete nach vorn in das schwache Scheinwerferlicht. Sie hatte sich nicht getäuscht. Wie Kolosse der Urzeit tauchten die ersten massigen Tiere bereits auf dem Buschpfad auf. Sie schienen in Panik versetzt worden zu sein. Sie bewegten sich mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit auf den Landrover zu und ließen sich auch von den Resten des Scheinwerferlichts nicht aufhalten.

»Es dürfte ratsam sein, Sir, sich seitwärts in die Büsche zu schlagen«, schlug der Butler gemessen vor, »wenn Sie erlauben, werde ich vorausgehen und den Weg bahnen.«

Womit der Butler nicht zuviel versprochen hatte. Er hatte vorn vom rechten Kotflügel des Wagens ein langes Haumesser aus der Halterung gelöst und entwickelte plötzlich eine Schnelligkeit, die man normalerweise bei ihm nie beobachten konnte. Und er entwickelte eine Kraft und Energie, die nur noch verblüffte. Das schwere Haumesser wurde mit leichter Hand betätigt. Parker schlug rechts vom Buschpfad einen Tunnel in die grüne Mauer und konnte nur still hoffen, daß die herantrabenden Elefanten auf der schmalen Piste blieben.

Wenige Minuten später war der wilde Spuk vorüber. Parker glaubte noch das Splittern von Glas und das reißende Bersten von Autoblech in seinen Ohren zu hören. Das Stampfen der wildgewordenen Elefanten entfernte sich. Doch war noch das wilde Trompeten der Tiere zu hören, die den Landrover einfach zertreten hatten.

Sue klammerte sich fest an Rander und schluchzte trocken. Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern. Rander redete beruhigend auf sie ein. Er mußte sich ordentlich zusammennehmen, um seine Nerven unter Kontrolle zu behalten.

Josuah Parker hingegen schritt vorsichtig zurück durch den schmalen Tunnel, den er in das Grün des Busches geschlagen hatte. Er wollte sich den Landrover aus der Nähe ansehen. Instinktiv verzichtete er darauf, seine Kugelschreiber-Taschenlampe einzuschalten. Er wollte sich auf keinen Fall als leichtes Ziel darbieten.

Der Landrover sah wirklich mehr als traurig aus. Parker hatte die Geräusche schon richtig eingeschätzt. Der solide Wagen war nur noch ein wirres Knäuel aus Blech und Reifen. Er schien frisch aus einer Schrottpresse zu stammen.

Plötzlich zog der Butler sich zurück in den schmalen Tunnel und bückte sich nach den Zweigen, die er abgeschlagen hatte. Geschickt und schnell baute er sie als eine Art Sichtblende vorn am Tunneleingang in die grüne Mauer ein.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht! Da waren Stimmen, gutgelaunt und durcheinander schnatternd.

Wenig später sah er im Licht einiger Handlaternen etwa drei oder vier Eingeborene in Landestracht, die den ehemaligen Landrover umringten und nach den geplatzten Koffern und Gepäckstücken suchten.

Parker machte sich indessen nicht bemerkbar, was in erster Linie wohl mit den Speeren zusammenhing, die die Eingeborenen mit sich trugen.

*

»Sie werden mit Sicherheit zurückkommen, Sir«, sagte Parker wenige Minuten später, als die Eingeborenen in der Dunkelheit verschwunden waren.

»Und nach uns suchen.«

»Davon sollte man in der Tat ausgehen, Sir. Man wird uns drüben auf der Hauptstraße nicht finden.«

»Können wir uns nicht weiter durchschlagen?« fragte Sue Weston ängstlich. Die Geräusche der Nacht fielen ihr verständlicherweise auf die Nerven. Nachttiere klagten, maunzten, röhrten und brüllten. Sue kam sich wie in einem überdimensional großen Zoo vor, in dem die Gitter fehlten, die die Tiere zurückhielten.

»Von einem Marsch in die Dunkelheit würde ich dringend abraten«, sagte Parker, »wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, so würde ich für den Wildpfad plädieren, den die Elefanten genommen haben.«

»Um der nächsten Herde in die Arme zu laufen?« meinte Rander skeptisch.

»Damit dürfte jetzt nicht mehr zu rechnen sein«, erwiderte der Butler gemessen. »Die Elefanten haben vorerst einmal alles Getier in die Flucht geschlagen.«

»Also gut«, entschied Rander, »beeilen wir uns aber.«

»Darf ich zunächst einige Handfeuerwaffen ausgeben?« fragte der Butler und öffnete eine der beiden schwarzen Reisetaschen. Er drückte Rander eine schwere 45er in die Hand und reichte Sue Weston einen 38er.

»Wie haben Sie denn das durch den Zoll bekommen?« wunderte sich der Anwalt.

»Ordnungsgemäß deklariert, Sir«, erwiderte Parker würdevoll. »Sie, Miß Weston und meine bescheidene Wenigkeit treten als Jagdgesellschaft auf. In diesem Fall ist das Mitführen von Waffen durchaus erlaubt.«

»Hauptsache, ich habe einen 45er in der Hand«, freute sich Rander, »plötzlich komme ich mir wesentlich sicherer vor. Gehen wir!«

Parker machte den Schlußmann.

Er ließ seinen jungen Herrn und Sue Weston ein gutes Stück vorausgehen, um Zeit und Gelegenheit zu haben, gewisse Vorbereitungen zu treffen, die für etwaige Verfolger gedacht waren. Parker ging es darum, einen gewissen Vorsprung herauszuschinden. Er konnte den Anblick der Wurfspeere verständlicherweise nicht vergessen. In der Hand von Könnern waren das tödliche Waffen. Und die Eingeborenen hatten seiner bescheidenen Ansicht nach durchaus wie erstklassige Profis ausgesehen.

*

Die vier Eingeborenen kamen sehr schnell zurück zum Autowrack und suchten hier intensiv nach Spuren. Sie fanden nach wenigen Minuten den schmalen Tunnel, den der Butler in die grüne Mauer geschlagen hatte. Und sie registrierten auf dem Boden die deutlichen Schuhabdrücke von drei Personen.

Damit war für sie alles klar.

Sie beratschlagten leise miteinander und nahmen dann die Verfolgung auf. Der Vorsprung der drei Weißen konnte nicht besonders groß sein.

Sie liefen in einem leichten, federnden Trab los und hielten ab sofort den Mund. Wie unheimliche Todesschatten zogen sie über den Wildwechsel, lautlos und zielstrebig. Dabei kamen ihnen die nackten Füße zugute. Die Eingeborenen waren kaum zu hören.

Bis einer von ihnen plötzlich einen erstickten Schrei ausstieß und auf einem Bein herumzutanzen begann. Mit seinen Händen griff er nach dem in der Luft schwebenden Fuß und bemühte sich, die langen, harten Dornen aus der Fußsohle herauszuziehen.

Da sein Stop etwas jäh ausfiel, prallten die anderen drei Verfolger mit ihm zusammen und gingen in einem unentwirrbaren Knäuel zu Boden. Dabei wurden erneute Schmerzensrufe laut, die mit weiteren Dornen zusammenhingen, in die sie mit diversen Körperteilen hineingeraten war.

Sie konnten zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht wissen, daß ein gewisser Josuah Parker diese Dornen von den entsprechenden Zweigen gelöst und auf den Wildwechsel geworfen und verstreut hatte. Parker hatte sich wieder mal der Mittel bedient, die von der Natur ihm so freigiebig dargeboten wurden.

Es handelte sich um Hartdornen, die im Durchschnitt etwa drei bis vier Zentimeter lang waren. Sie waren ungemein spitz und hielten jeden Vergleich mit Nadeln und Heftzwecken aus. Einmal in der Haut, konnten sie nur sehr vorsichtig herausgezogen werden, da diese Dornen über feine Widerhaken verfügten, die sich gegen das Abpflücken sträubten.

Die vier Eingeborenen leckten ihre Wunden und befreiten sich von den spitzen Eindringlingen. Dann berieten sie erneut und nahmen die Verfolgung wieder auf. Diesmal allerdings im Zeitlupentempo. Sie rechneten mit weiteren Überraschungen und waren ungemein vorsichtig.

*

Josuah Parker war noch weiter zurückgeblieben.

Er beschäftigte sich mit einem dünnen, aber sehr zähen Baum, der etwa vier bis fünf Meter hoch war. Parker zog diesen Stamm mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms herunter und dann zur Seite. Er griff mit seinen schwarzbehandschuhten Händen nach der Spitze des Stammes und zwang ihn so weit zu sich herab, bis er unter großer Spannung stand.

Dann wartete der Butler geduldig.

Schon nach knapp drei Minuten hörte er das vorsichtige Aufsetzen von nackten Füßen. Wenig später entdeckte er eine Lichtquelle. Es handelte sich um eine gut abgeschirmte Lampe, deren Schein den Boden nach weiteren Dornen und Fallen absuchte.

Parker ließ sich keineswegs nervös machen. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Er hatte sich vorher alles sehr genau ausgerechnet.

Und wie seine Rechnung wenig später stimmte!

Er ließ die Spitze des Baumstammes los und schloß unwillkürlich die Augen. Er wußte sehr genau, was jetzt passierte. Und zwar blitzschnell wie das Zuschlägen einer Peitsche.

Der dünne, biegsame Baumstamm fühlte sich von allen Hemmungen befreit und schnellte gleichzeitig nach vorn und nach oben, um seine alte Lage wieder einzunehmen.

Hinderlich dabei waren nur vier Eingeborene, die sich störend in den Weg gestellt hatten.

Sie wurden voll erwischt.

Der erste Eingeborene wurde an den Oberschenkeln getroffen und nach oben in die Luft katapultiert. Während seiner an sich nicht langen Luftreise stieß er immerhin noch einen langgezogenen Schrei aus.

Der zweite Eingeborene wurde bereits unterhalb der Brust in Mitleidenschaft gezogen.

Er schlug einen doppelten Salto, wobei er die restlichen beiden Mitläufer zu Boden riß.

Während der Baum endlich zurück in seine altgewohnte Lage schwenkte, blieben die vier Eingeborenen groggy auf dem Wildpfad liegen und spielten vorerst nicht mehr mit.

Parker war mit der Wirkung der Baumpeitsche durchaus zufrieden. Er spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, sich einen der Eingeborenen zu greifen, nahm dann aber davon Abstand. Von einer Unterhaltung war nicht viel zu erwarten.

Parker schritt zurück zu Mike Rander und Sue Weston, die er am Ende des Pfades an traf. Vor ihnen lag eine savannenartige Steppe, die vom milden Licht des Mondes beschienen wurde. Gegen den nächtlichen Himmel hoben sich vereinzelte Schirmakazien und Brotfruchtbäume ab.

»Alles in Ordnung?« erkundigte sich Rander.

»Durchaus, Sir«, sagte Parker, »ich war so frei, ein wenig unsere Spuren zu verwischen.«

»Und die vier Eingeborenen?«

»Meiner privaten Schätzung nach, Sir, werden sie von einer weiteren Verfolgung vorerst Abstand nehmen«, gab Parker würdevoll zurück. »Aus diesem Grund würde ich zu einem improvisierten Lager raten.«

»Vielleicht noch mit Lagerfeuer und Romantik, was?« Randers Worte klangen spöttisch.

»Durchaus, Sir. Gerade auf ein Lagerfeuer würde ich den größten Wert legen«, sagte Parker höflich. »Feuer zieht neugierige Menschen mit einiger Sicherheit an.«

»Ach so … Sie wollen bluffen?«

»Davon verspreche ich mir in der Tat einen gewissen Effekt«, gab der Butler zurück, »darf ich aus diesem Grund dort die Schirmakazie Vorschlägen? Sie bietet sich meinen Vorstellungen geradezu an.«

*

Die vier Eingeborenen waren längst nicht mehr so spannkräftig und elastisch wie zu Beginn ihrer privaten Safari. Sie humpelten und hinkten durch den Rest des Wildpfads und stützten sich dabei auf ihre Wurfspeere.

Als sie den Pfad hinter sich gelassen hatten, entdeckten sie auf Anhieb das kleine Feuer unter der Schirmakazie.

Sie gingen steifbeinig in die Knie und berieten leise miteinander. Sie hätten die Jagd auf die drei Weißen am liebsten sofort abgebrochen, doch sie hatten Angst vor noch größerem Ärger. Und den würden sie mit Sicherheit bekommen, falls sie jetzt aufsteckten. Ihr Auftraggeber ließ nicht mit sich spaßen.

Sie einigten sich darauf, in zwei Gruppen anzugreifen.

Sie wollten die Schirmakazie in die Zange nehmen und die drei Weißen dann mit ihren Wurfspeeren aus sicherer Entfernung aufspießen. Aber sie wollten sich Zeit lassen und sicher sein, daß ihre Opfer auch schliefen.

Nach einer halben Stunde begaben sie sich erneut auf Jagd.

Sie trennten sich und pirschten sich von zwei Seiten an die Schirmakazie heran. Je näher sie kamen, desto sicherer wurden sie. Eine Wache schienen die Fremden nicht aufgestellt zu haben. Neben dem Feuer waren drei Gestalten zu erkennen, die auf dem Boden lagen.

Meter um Meter näherten sie sich dem kleinen Lagerfeuer. Es war nur hoch eine Frage von Minuten, bis sie ihre Wurfspeere durch die Luft zischen lassen konnte. Bessere Ziele hätten sie sich gar nicht wünschen können!

Dann war es soweit.

Kraftvoll wurden die schweren Speere durch die Luft geschleudert und bohrten sich dann in die am Boden liegenden Gestalten. Sie hatten es geschafft. Sie hatten ihren Auftrag doch noch erfüllt und durften mit einer fetten Prämie rechnen.

Dachten sie …

Als sie mit erleichtertem Geschrei auf ihre Opfer zuliefen, schoß plötzlich aus dem heruntergebrannten Lagerfeuer eine Feuersäule hoch, die in einen roten Feuerpilz überging. Darüber war das dumpfe Dröhnen einer Stimme zu hören, die aus einer anderen Welt zu stammen schien.

Die Feuersäule und diese überweltliche Stimme, das war für die vier potentiellen Mörder einfach zuviel. Sie sahen plötzlich überall Dämonen und Gespenster. Sie fühlten sich umstellt und ausgeliefert.

Mit schrillen Schreien und langen Sätzen jagten sie zurück zum Wildpfad, stolperten übereinander, rafften sich wieder auf, wurden noch schneller und retteten sich keuchend zurück ins dichte Buschgrün.

»Ihre Fähigkeiten sind bemerkenswert«, stellte Rander lächelnd fest. Zusammen mit Sue saß er auf einem Ast der Schirmakazie oberhalb von Parker, der den Schrei ausgestoßen hatte.

»Eine gewisse Stimmverfremdung, Sir«, erwiderte Parker ohne jede Eitelkeit, »durch das Hineinrufen in meine Kopfbedeckung entstand so etwas wie ein improvisierter Halleffekt. Ich hoffe, Sie waren mit meiner bescheidenen Wenigkeit zufrieden.«

*

»Es ist noch nicht überstanden«, meldete Sue Weston in diesem Augenblick. Ihre Stimme klang aufgeregt. Sie deutete in die nächtliche Savanne hinaus, und jetzt erkannte auch Mike Rander die Scheinwerfer eines Autos.

Parker hatte das Ziel bereits aufgenommen.

»Bleiben wir hier auf der Akazie?« fragte Rander seinen Butler.

»Vorerst vielleicht, Sir«, gab der Butler zurück, »möglicherweise handelt es sich um Hilfe. Die Feuersäule scheint noch von anderen Savannenbewohnern bemerkt worden zu sein.«

Sie blieben auf der Schirmakazie und beobachteten den Wagen, der schnell näher kam und in einer Entfernung von etwa fünfzig Metern vor der Akazie anhielt.

Ein Suchscheinwerfer wurde eingeschaltet, der das Lagerfeuer kontrollierte.

Der Mann, der diesen Scheinwerfer bediente, kam erfreulicherweise nicht auf den Gedanken, die Äste der Akazie anzustrahlen. Rander, Sue Weston und Parker blieben daher erst mal unsichtbar.

Mit voll aufgedrehten . Scheinwerfern schob der Wagen sich jetzt zögernd vor und hielt auf das Lagerfeuer zu. Im Mondlicht waren die Insassen des Wagens zu erkennen. Neben dem Fahrer, einem Weißen mit einem Safari-Hut, saß ein zweiter Weißer, der ein Gewehr schußbereit in Händen hielt. Auf dem Rücksitz des Jeeps erkannte man einen dritten Weißen, dessen Kopf einen Stirnverband trug.

Knapp vor dem Lagerfeuer hielt der Jeep. Die beiden Männer stiegen von ihren Vordersitzen und pirschten sich an die drei scheinbar am Boden liegenden Gestalten heran und nahmen wohl an, sie hätten es mit wirklichen Leichen zu tun.

Was man ihnen nicht verdenken konnte, denn die Wurfspeere steckten nach wie vor fest und tief in den Rollen, die Parker improvisiert und angefertigt hatte.

»Hallo … Maudling! Kommen Sie doch mal her!« rief der Mann mit dem breitkrempigen Hut und drehte sich zum Jeep um. »Ihre Gäste sind es auf jeden Fall nicht. Die scheinen Lunte gerochen zu haben!«

Der dritte Mann stieg aus dem Wagen und ging schnell auf das Lagerfeuer zu.

Er war etwas über mittelgroß, massig und bewegte sich mit überraschender Geschmeidigkeit.

»Bitte, nicht erschrecken, meine Herren«, ließ Parker sich in diesem Moment vernehmen. »Wir befinden uns über ihnen im Geäst der Schirmakazie.«

Der Mann mit dem Safari-Hut reagierte sehr schnell und konzentriert. Er wirbelte schon beim ersten Wort des Butlers herum und riß seinen Revolver aus der Halfter.

Der Mann mit dem Gewehr war weniger geistesgegenwärtig. Er fuchtelte mit seiner Waffe und schoß erfreulicherweise nicht. Möglicherweise hätte er blindlings abgezogen und Unheil angerichtet.

»Kommen Sie runter«, sagte der Weiße mit dem Revolver zum Geäst hoch.

Parker stieg gemessen und würdevoll nach unten, half Sue Weston beim Verlassen des Baumes und bot anschließend auch Rander seine Hilfe an, die der Anwalt jedoch aus sportlichen Gründen verschmähte.

Man stellte sich vor.

Bei dem Mann mit dem Kopfverband handelte es sich tatsächlich um Paul Maudling, der das Trio nach Kenia eingeladen hatte. Der Mann mit dem breitkrempigen Hut hieß Les Patterson und war Großwildjäger und Safari-Unternehmer. Der Mann mit dem Gewehr hieß Robert Henlein und war ein Jagdtourist aus Westdeutschland. Er gehörte einer Gruppe an, die mit Gewehr und Fotoapparat Jagd auf Wild aller Art machte.

»Joe Ugalla kenne ich nicht«, sagte Maudling, nachdem er von den Abenteuern des Trios gehört hatte, »aber dieser Bursche scheint mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die mich auf der Fahrt nach Nairobi aus dem Hinterhalt abgeschossen haben.«

»Um Sie am Erscheinen auf dem Flugplatz zu hindern«, stellte der Butler fest.

»Was diesen beiden Schützen um ein Haar gelungen wäre«, sagte Maudling und griff unwillkürlich nach dem Kopfverband, »ich konnte mich gerade noch in den Busch retten.«

»Wo wir Mister Maudling fanden«, mischte sich Les Patterson ein, »ich war mit meiner Safarigruppe unterwegs und hörte die Schüsse.«

»Und ich habe die Feuersäule von unserem Camp aus gesehen«, sagte Robert Henlein schnell und fast stolz, »ich ahnte sofort, daß da was passiert sein mußte.«

»Ich schlage vor, wir setzen uns erst mal ab«, sagte Les Patterson und deutete zum Buschrand hinüber, »wer weiß, was da noch ausgekocht wird.«

»Sie haben riesiges Glück gehabt«, seufzte Maudling, »das dort drüben ist ein Elefantenpfad. Dieser Ugalla hat sie absichtlich dort hingelockt.«

»Und die übrigen Eingeborenen haben eine Elefantenherde aufgescheucht und durch den Pfad getrieben.«

»Warum denn?« wollte Robert Henlein wissen. Er wurde von Minute zu Minute unsicherer und schien sich nicht mehr wohl zu fühlen.

»Irgendein Mißverständnis«, sagte Maudling schnell, »machen wir, daß wir wegkommen.«

»Würde ich auch vorschlagen«, schaltete Robert Henlein schnell ein, »und dann sollten wir umgehend die Polizei alarmieren, finden Sie nicht auch? Das hier war doch ein Mordanschlag, oder etwa nicht?«

»Sieht so aus«, meinte Patterson lächelnd, »aber behalten wir das besser für uns, Mister Henlein. Machen Sie mir nur nicht die übrigen Safari-Teilnehmer verrückt!«

»Natürlich nicht«, versprach Henlein, doch ihm war anzusehen, daß er darauf brannte, seine Erlebnisse, weiterzureichen.

Im Jeep wurde es zwar sehr eng, aber der kleine Wagen faßte sie schließlich alle und transportierte sie hinüber in das Safari-Camp, das auf einem kleinen windgeschützten Plateau angelegt worden war.

Hier sah Sue Weston zum erstenmal einen gewissen Ron Maudling, was für sie nicht ohne Folgen bleiben sollte.

*

»Wer will Sie ermorden und warum?« erkundigte sich Mike Rander. Der Anwalt, Parker und Paul Maudling saßen vor einem Safari-Zelt und konnten sich ungestört unterhalten. Die Mitglieder der Patterson-Jagdsafari gruppierten sich um ein großes Lagerfeuer und störten nicht weiter. Sie unterhielten sich über die Dinge, die Robert Henlein ihnen brühwarm berichtet hatte. Dabei genossen sie Whisky auf Eis und ließen sich von den Boys verwöhnen.

»Auf beide Fragen kann ich Ihnen keine Antwort geben«, sagte Paul Maudling und hob ratlos die Arme, »ich weiß nur, daß seit einigen Wochen eine Art Treibjagd auf mich veranstaltet wird.«

»Die im Detail wie aussieht, Sir?«, fragte Parker konzentriert.

»Mordanschläge! Wie ich Ihnen das schon am Telefon in Chikago sagte. Es wird aus dem Hinterhalt auf mich geschossen. Giftschlangen liegen plötzlich in meiner Wohnung. Meine Wagen sind präpariert. Die Bremsen versagen. Dann wieder seltsame Unglücksfälle. Zum Beispiel mein Rasierapparat, der plötzlich unter Strom stand. Ich habe nichts Greifbares, Beweisbares, wenn Sie mich so fragen. Aber ich bin sicher, daß man mich umbringen will.«

»Wer würde davon profitieren?« stellte Rander seine nächste Frage.

»Mister Rander denkt in diesem Zusammenhang an Erbberechtigte«, präzisierte der Butler.

»Sie meinen Ron – meinen Sohn?« Maudling starrte den Butler überrascht an.

»Zum Beispiel«, sagte Parker trocken.

»Nun, Ron würde alles erben. Natürlich! Ich bin Witwer. Aber sie glauben doch nicht im Ernst daran, daß mein Sohn …«

Er brach ab und starrte trübe vor sich hin.

»Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Jungen?« erkundigte sich Mike Rander.

»Nun, nicht gerade sonnig«, gab Paul Maudling zurück. »Sie sehen ja, daß er zusammen mit diesem Patterson ein Safari-Unternehmen aufgezogen hat. Dabei brauchte ich ihn dringen für meine eigenen Geschäfte. Doch Ron spielt da nicht mit. Und vielleicht hängt das mit mir zusammen, ich bin nicht gerade geduldig oder tolerant …«

»Gibt es Konkurrenten, die Ihren Tod wünschen?« fragte Josuah Parker.

»Eine ganze Reihe. Und sie alle wünschen mir die Pest an den Hals«, sagte Maudling. »Ich besitze eine Hotelkette hier in Kenia und drüben in Tansania. Ich arbeite mit repräsentativen europäischen und amerikanischen Reiseunternehmen zusammen. Meine Häuser sind voll besetzt. Ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, daß ich es geschafft habe.«

»Sie besitzen auch in Südafrika Hotels?«

»Natürlich. Von dort aus habe ich mich ja ausgebreitet.«

»Wenn Sie von Mord sprechen. Maudling, denken Sie da an einen bestimmten Konkurrenten?« erkundigte sich der Anwalt.

»Nun ja. Einer ist mir ganz besonders gewogen. Will Hagerty.«

»Was ist mit ihm?«

»Ich übernahm seine Hotels, als er Pleite machte.«

»Hatten Sie je Streit mit diesem Hagerty?«

»Und ob! Er wirft mir noch heute vor, ich hätte ihn ausgetrickst und ausgebootet. Dabei war er nur unfähig und hatte sich übernommen. Seine Hotels fielen mir wie reife Früchte in den Schoß.«

»Wo befindet Mister Hagerty sich zur Zeit?«

»Wo genau, weiß ich natürlich nicht. Aber er hat auch ein Safari-Unternehmen. Er pendelt zwischen Kenia und Tansania.«

»Hat Hagerty Ihnen jemals gedroht?«

Maudling lachte trocken auf.

»Gedroht?! Erleben Sie Hagerty, wenn er wieder mal betrunken ist.«

»Darf ich mir erlauben, noch mal zurück auf Ihren Sohn zu kommen?« schaltete der Butler sich ein. »Ihr Verhältnis zu ihm kann man also keineswegs als gut bezeichnen!«

»Wir gehen uns gern aus dem Weg. Ich kann einfach nicht verstehen, warum der Junge nicht mit mir zusammenarbeitet. Kein Verantwortungsgefühl, verstehen Sie. Nichts als Liebschaften und kleine Abenteuer im Kopf. Er will es ohne mich schaffen. Was, frage ich mich immer wieder? Was will er allein schaffen?«

»Darf ich unterstellen, daß Sie ihm bereits mehrfach mit einer generellen Enterbung gedroht haben?« stellte der Butler seine nächste Frage.

»Natürlich. Ist ja auch zu verstehen. Ich habe ihm sogar ein Ultimatum gestellt. Wenn er bis September nicht bei mir einsteigt, werde ich mein Testament ändern.«

»Das sind noch gut zwei Monate«, warf Rander ein.

»Hören Sie, Rander, Sie glauben doch nicht wirklich, daß mein Sohn mich umbringen will«, entrüstete sich Maudling, »das traue ich Ron nun wirklich nicht zu. Nein, nein, der oder die Mörder sind aus Gründen hinter mir her, die ich mir einfach nicht erklären kann.«

Parker wollte gerade seine nächste Frage stellen, als ihn ein vielstimmiger Gesang unterbrach, der vom Lagerfeuer zu ihnen herüberdrang.

»Jetzt singen sie wieder«, sagte Maudling und verzog sein Gesicht, »typisch für unsere deutschen Touristen. Ich kenne das von meinen Hotels her.«

*

Es war ein vielstimmiger Gesang im Marschrhythmus. Dieses Singen war nicht gerade schön, dafür aber besonders laut. Es war durchaus geeignet, nächtliche Raubtiere nachhaltig zu verscheuchen.

Parker war aufgestanden und sah zum Lagerfeuer hinüber.

Die Touristen – es handelte sich um eine Reisegesellschaft aus Deutschland – hatten dem Alkohol zugesprochen und fühlten sich augenscheinlich wohl.

»Was singen sie da eigentlich?« erkundigte sich Rander bei seinem Butler, »scheint Deutsch zu sein, oder?«

»In der Tat, Sir«, erwiderte der Butler, »wenn ich richtig verstehe, preisen die Herrschaften am Lagerfeuer die Vorzüge des Rheins und fragen wiederholt, warum es dort so schön ist.«

»Komische Leute«, sagte Rander und schmunzelte, »sind in Afrika und träumen vom Rhein!«

»In diesem Augenblick, Sir, scheint das Interesse der Herrschaften sich einem Landstrich zuzuwenden, den sie Westerwald nennen«, meinte Parker, der aufmerksam zuhörte. »Sie stellen gerade entschieden fest, daß über die Höhen dieses besagten Landstrichs ein kalter Wind pfeift.«

»Wie interessant«, kommentierte Rander.

»Sind aber sonst ganz nette Leute«, meinte Maudling.

»Scheint sich um Heimweh zu handeln«, stellte Mike Rander lächelnd fest.

»Durchaus nicht«, sagte Josuah Parker etwas irritiert, »von Heimweh kann ich im Moment nichts hören. Man fragte sich jetzt allgemein, wer das bezahlen soll, wobei nicht herauszuhören ist, welche Leistungen sie meinen. In diesem Zusammenhang wird jetzt die Frage gestellt, wer Pinke-Pinke hat. Ich möchte meinen, daß es sich bei diesem Ausdruck um die vulgäre Umschreibung für Geld handelt.«

Parker, Rander und Maudling hörten schweigend zu.

Die Touristen am Lagerfeuer wurden immer lauter. Ihr Gesang steigerte sich und wurde unverständlicher. Rander sah seinen Butler noch irritierter an.

»Ich versuche zu ergründen, welchem Thema die Herrschaften sich gerade zugewendet haben«, sagte Parker, der seine Deutschkenntnisse zusammenkratzte. »Wenn mich nicht alles täuscht, erwähnen sie gerade einen Jungen, der möglichst bald wiederkommen soll, wobei nicht herauszuhören ist, um welchen Jugendlichen es sich handelt.«

»Singen Sie nicht wieder vom Rhein?« fragte Rander.

»In der Tat, Sir, von diesem Fluß scheinen die Touristen sich nicht losreißen zu können. Sie wiederholen ihre schon einmal geäußerte Frage, warum es dort so schön ist.«

»Also, ich kann es ihnen bestimmt nicht sagen«, meinte Rander lachend, »bleiben wir bei unserem Thema, Maudling. Wer wußte von Ihrem Anruf? Wer wußte, daß Sie uns nach Kenia holten?«

»Meine Assistentin, Joan Christie. Nur sie allein!«

»Wer ist das?«

»Sie war lange Zeit meine Privatsekretärin. Ein sehr tüchtiges Mädchen. Ich habe sie vor einem halben Jahr zu meiner Assistentin gemacht.«

»Sie vertrauen ihr rückhaltlos?«

»Unbedingt!«

»Würde sie an Ihrem Tod profitieren?«

Maudling schüttelte langsam den Kopf.

»Nein«, sagte er dann etwas zögernd, »das heißt – später vielleicht.«

»Könnten Sie uns das etwas näher erklären?« wollte Rander wissen.

»Ich – ich werde sie heiraten«, gab Maudling zurück. »Wie gesagt, ich bin schon seit vielen Jahren Witwer. Ich brauche einfach einen Menschen, dem ich rückhaltlos vertrauen kann.«

*

Joan Christie war etwa dreißig Jahre alt, groß und schlank. Ihre Augen waren katzenförmig geschnitten, und sie erinnerte irgendwie an eine ägyptische Prinzessin aus der Zeit der Pharaonen. Joan trug einen Hosenanzug im Safari-Look und lief dem Wagen entgegen.

Paul Maudling schien die Anwesenheit seiner drei Gäste total vergessen zu haben.

Er stieg aus seinem Fahrzeug, hastig und ungeduldig, lief seinerseits auf die junge Dame zu und schloß sie in die Arme. Dann beantwortete er einige Fragen, die sie ihm hastig stellte.

»Miß Christie«, stellte er Joan dann dem Trio vor. Rander stellte seinerseits vor und sah sich dabei neugierig im Lodge um.

Das Buschhotel konnte sich sehen lassen.

Es bestand aus einer Anzahl kraalförmig gebauter Hütten mit Strohdach. Sie gruppierten sich um einen langgestreckten Steinbau, in dem die Hotelküche und die Speise- und Aufenthaltsräume untergebracht waren. Alles sah sehr gepflegt und einladend aus. Und teuer dazu.

Tabora Lodge stand auf einem sanften Hütel, der zu einem kleinen See hin abfiel. Die Ufer des Sees waren von einem Busch- und Baumgürtel umzogen. Spuren an den Ufern zeigten deutlich, daß es sich hier um eine vielbesuchte Waldtiertränke handeln mußte.

Auf einer Art Hochebene gab es einen kleinen Flugplatz für Sportmaschinen. Paul Maudling hatte sein Buschhotel sehr gut geplant. Wer die strapaziöse Anreise per Auto meiden wollte, konnte sich auch per Flugzeug einfliegen lassen.

»Sie können sofort Ihre Bungalows sehen«, sagte Joan, sich an Mike Rander wendend. »Ich bin froh, daß Sie endlich hier bei uns sind.«

»Ist inzwischen wieder etwas passiert?« wollte Rander wissen.

»Nicht direkt«, gab Joan Christie zurück, »aber die Boys haben einen Wagen beobachtet, der nicht hierher gehört. Sobald sie auf ihn Zufuhren, setzte er sich ab, als hätte er etwas zu verbergen.«

»Sie glauben …?«

»Irgendwie habe ich Angst«, redete Joan Christie weiter, »ich bin froh, daß die Reisegesellschaft abgefahren ist. Jetzt sind wir unter uns. Jetzt kann den Touristen wenigstens nichts passieren.«

»Womit rechnen Sie?« schaltete sich Sue ein.

»Ich weiß es nicht. Es ist nicht zu greifen oder zu beschreiben. Ich spüre nur, daß irgend etwas in der Luft liegt. Sie werden Paul nicht in Ruhe lassen.«

»Denken Sie jetzt an irgendeine bestimmte Person?«

»Nein, ich meine das allgemein. Ich meine die Mörder! Sie werden nicht aufstecken. Sie werden es so lange versuchen, bis sie endlich Erfolg haben!«

»Dagegen läßt sich hoffentlich etwas tun«, meinte Rander beruhigend, »bis auf uns und die Boys ist das Camp im Moment also leer?«

»Erfreulicherweise«, sagte Joan Christie, die sich jetzt an Paul Maudling wandte, »und wir sollten Tabora Lodge ebenfalls so schnell wie möglich verlassen, Paul. Hier sind wir auf die Dauer nicht sicher.«

»Darüber kann man noch ausführlich reden«, schlug Rander vor, der sich wunderte, daß sein Butler sich nicht am Gespräch beteiligte. Josuah Parker schien von einem Wandertrieb erfaßt zu sein. Er schritt gemessen an den Bungalows vorbei und verschwand dann zwischen den strohbedeckten Rundhäusern. Er machte wahrscheinlich so etwas wie eine Bestandsaufnahme und sondierte das Terrain.

Was übrigens haargenau stimmte.