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Der Autor

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Jonathan Gutmann arbeitet als Fachpfleger für Psychiatrische Pflege auf einer akutpsychiatrischen Station der Klinik Hohe Mark in Oberursel (Taunus). Er bekleidet dort die Stabsstelle Qualitätssicherung und Pflegeentwicklung, er ist Chefredakteur des Taunus Magazins und Mitglied des Klinischen Ethik-Komitees. Darüber hinaus ist er Autor, Burn-out-Berater und Stressbewältigungstrainer.

Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) und der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege (DFPP).

Mit seinen Veröffentlichungen möchte er einen Beitrag zur Entstigmatisierung psychischer Störungen und zur Humanisierung der Psychiatrie leisten. Ebenso wichtig sind ihm der trialogische Gedanke, ein multiprofessionelles Miteinander auf Augenhöhe sowie die Themen Humor, Empowerment und Recovery.

Der Autor lebt mit seiner Familie in Offenbach am Main.

E-Mail: Jonathan.Gutmann@web.de

Jonathan Gutmann

Humane Psychiatrie

Psychosoziale Versorgung zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

 

Print:

ISBN 978-3-17-035094-6

 

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-035095-3

epub:    ISBN 978-3-17-035096-0

mobi:    ISBN 978-3-17-035097-7

Für Tom, Lina und Noa Malin

Inhalt

  1. Geleitwort von Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz
  2. Geleitwort von Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Bock
  3. Vorwort
  4. Humane Psychiatrie von A bis Z
  5. Abbau von Barrieren im Kopf
  6. Achtsamkeit
  7. Adhärenz
  8. Akzeptanz
  9. Alternative Behandlungsmethoden und -ansätze
  10. Ambiguitätstoleranz
  11. Ambulant vor stationär
  12. Angehörigenarbeit
  13. Aufsuchende Hilfen
  14. Authentizität und Kongruenz
  15. Autonomie
  16. Begegnung auf Augenhöhe
  17. Behutsamer Umgang mit Psychopharmaka
  18. Berufspolitisches Engagement
  19. Besuchskommissionen
  20. Betreutes Wohnen in Familien
  21. Bewegung/Sport
  22. Bezugspflege
  23. Bürger-Profi-Mix
  24. Case Management
  25. Containment
  26. Debriefing
  27. Deeskalations- und Konfliktmanagement
  28. Dienstkleidung vermeiden
  29. Eltern-Kind-Behandlungen
  30. Empathie
  31. Empowerment
  32. Entlassmanagement und Nachsorge
  33. Entstigmatisierung
  34. Enttabuisierung
  35. Ernährung
  36. Ethik
  37. Faire Finanzierungssysteme und neue Behandlungs- und Versorgungsformen
  38. Flexibilität
  39. Fort-/Weiterbildung
  40. Gemeindenahe Versorgung mit Sektorisierung und Versorgungsauftrag
  41. Gemeinsame Sprache finden
  42. Gesundheitsförderung
  43. Hausbesuche
  44. Hoffnung
  45. Humor
  46. Individualität
  47. Inklusion
  48. Kontextualisierung
  49. Kontinuität
  50. Krankheitsbegriff und -verständnis
  51. Krisenbetten und Weglaufhäuser
  52. Kultursensibilität entwickeln
  53. Lebenswelt- und Sozialraumorientierung
  54. Leitbilder
  55. Lösungsorientierung
  56. Medikamente kontrolliert absetzen
  57. Mensch statt Diagnose
  58. Menschenwürdige Personalbemessung
  59. Milieugestaltung
  60. Mitarbeiterentwicklungsgespräche
  61. Multiprofessionelles Miteinander
  62. Nachbarschaftshilfe
  63. Nächstenliebe und Solidarität
  64. Need Adapted Treatment und Offener Dialog
  65. Niederschwellige Angebote
  66. Offen geführte Akutpsychiatrie
  67. Offenheit und Lernbereitschaft
  68. Öffentlichkeitsarbeit
  69. Partizipation
  70. Peer-Arbeit und EX-IN-Genesungsbegleitung
  71. Persönliches Budget
  72. Potsdamer Tisch
  73. Prävention
  74. Professionelle Nähe
  75. Psychiatrische Forschung
  76. Psychoedukation
  77. Psychohygiene
  78. Psychoseseminar
  79. Psychotherapie in der Psychiatrie
  80. Qualitätssteuerung
  81. Recovery
  82. Reflexionsverfahren
  83. Rehabilitation
  84. Resilienz
  85. Respekt
  86. Ressourcenorientierung und -aktivierung
  87. Risiko- und Suizideinschätzung
  88. Salutogenese
  89. Selbstheilungskräfte unterstützen und stärken
  90. Selbsthilfe vor Fremdhilfe
  91. Self-disclosure
  92. Sinnfindung
  93. Skills statt Medikamente
  94. Soteria
  95. Sozialpsychiatrische Dienste
  96. Soziotherapie
  97. Spiritualität
  98. Stationszimmer abschaffen
  99. Tiere und tiergestützte Therapie
  100. Transparenz
  101. Trialog
  102. UN-Behindertenrechtskonvention
  103. Unabhängige Beschwerdestellen
  104. Validation
  105. Verhandeln statt behandeln
  106. Vernetzungen ausbauen und pflegen
  107. Vorausverfügungen
  108. Wertschätzung
  109. Zeit
  110. Zwang vermeiden
  111. Fazit oder: vom Anspruch zur Wirklichkeit
  112. Trialogisches Nachwort
  113. Literatur
  114. Sachregister
  115. Personenregister

 

Geleitwort von Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz

 

 

 

Mit seinem Buch »Humane Psychiatrie – Psychosoziale Versorgung zwischen Anspruch und Wirklichkeit« greift Jonathan Gutmann die entscheidende Frage der Mitmenschlichkeit in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung auf. Denn die Geschichte der Psychiatrie ist über weite Strecken von Unmenschlichkeit gekennzeichnet, und jede moderne Versorgung muss sich der Frage stellen, wie eine menschenwürdige und den Betroffenen individuell gerecht werdende Versorgung aussehen muss. Gutmann betont dabei den wichtigen Unterschied zwischen dem Menschsein, das uns »durch die Geburt geschenkt« wurde, und der Menschlichkeit, die einer »bewussten Entscheidung« bedarf. Wie genau diese Menschlichkeit umzusetzen ist unterliegt, auch das betont Gutmann, sozialen und kulturellen Einflüssen und nicht zuletzt dem Erfolg der Auseinandersetzung der Betroffenen und ihrer Angehörigen in ihrem Kampf um eine menschenwürdige Behandlung. Gutmann spricht hier die Psychiatriereform an, die mit der nur teilweise geglückten Auflösung der Großkrankenhäuser nach hoffnungsvollem Beginn in vielen Bereichen steckengeblieben ist. So gibt es eine Orientierung auf den Lebensraum und auf die Versorgung psychisch Kranker im Wohnbezirk statt der zuvor praktizierten Isolierung in übergroßen Kliniken. In diesen Wohnbezirken gibt es aber nach wie vor Vereinzelung, Ausschließung und Diskriminierung. Die Inklusion als Leitbild einer modernen Versorgung wird allzu oft weder im Rahmen der Wohnverhältnisse noch der Beteiligung am Arbeitsleben oder der gleichberechtigten Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungen verwirklicht.

Gutmann spricht verschiedenste Themenbereiche an, die in diesem Rahmen wichtig sind, vom »Abbau der Barrieren im Kopf« bis zur Beteiligung psychiatrieerfahrener »Ex-Inler«, von der Organisation der Diskussion im trialogischen Raum unter Einbeziehung von Angehörigen, Betroffenen und Professionellen bis hin zur obligatorischen Beteiligung der Betroffenen und ihrer Angehörigen bei der Planung der Versorgung. Er spannt dabei einen weiten Bogen von unterschiedlichen traditionellen und alternativen Behandlungsansätzen bis hin zu derzeit viel diskutierten Begriffen wie der »Achtsamkeit« oder der »Akzeptanz« als Werte des mitmenschlichen Umgangs im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie. Es gelingt ihm damit, den allzu oft nur zum Schlagwort verkommenen Begriff der »ganzheitlichen« Sicht auf psychisch kranke Menschen in ihrer Umwelt und Mitwelt differenziert anzusprechen und zu erörtern. Als Arzt wird man nicht allen Therapie-Empfehlungen zustimmen können, der Evidenzgrad der Behandlung mit Bachblüten versus mit Lichttherapie unterscheidet sich in wissenschaftlichen Studien. Entscheidend ist aber, hier die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen ernst zu nehmen und sie in das Zentrum der psychiatrischen Versorgung zu stellen. In diesem Sinne ist das Buch von Jonathan Gutmann eine sehr wichtige Lektüre und es ist ihm eine weite Verbreitung zu wünschen.

Berlin im April 2019

Andreas Heinz

Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

 

Geleitwort von Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Bock

 

 

Mit welchen Worten schaffen wir eine neue, eine humane Psychiatrie? Welche Begriffe braucht die neue Entwicklung, welche bringt sie neu hervor? Welche schafft oder interpretiert sie neu?

Die Worte, mit denen wir uns über die Ziele, Möglichkeiten und Wege künftiger Psychiatrie verständigen, müssen Menschenwürde atmen, müssen – auch in größter Not – den Menschen als handelndes Wesen spiegeln. Müssen seine Individualität und Subjektivität ebenso wie seine Sinnsuche und Sozialität vermitteln. Vor allem aber müssen diese Worte anders als Fachchinesisch der trialogischen Übersetzungsarbeit dienen und allgemein verständlich sein.

Der Autor möchte Weichen stellen, der Psychiatrie helfen, ihr Menschenbild zu reflektieren. Er möchte Barrieren im Kopf beseitigen, die unsere Phantasie einengen, unsere Kreativität beschränken und unseren Elan blockieren; denn diese Psychiatrie ist noch nicht so wie sie sein muss und kann.

Kann ein »Wörterbuch« Antworten geben auf anthropologische, philosophische und ethische Fragen im Zusammenhang mit psychischer Krankheit und Gesundheit? Eigentlich nein und dann wieder doch. Die Auswahl der vorgestellten und brillant gut beschriebenen Begriffe ist alles andere als zufällig. Sie geschah im Trialog. Zwischen professioneller Fürsorge, dem Autonomiewunsch Erfahrener und der Sorge Angehöriger brauchen wir Verständigung und dafür passende Begriffe. Vor allem aber brauchen wir Worte für unsere Zweifel an der Entität von Krankheit, der Totalität von Institutionen und der Arroganz von Professionen. Für die Notwendigkeit ebenso wie für die Widersprüchlichkeit therapeutischer Beziehungen. Für die Verständigung im Trialog wie auch zwischen den Berufsgruppen sowie zwischen sozialer und biologischer Psychiatrie. Für die Formulierung individueller Ambivalenzen, sozialer Konflikte und gesellschaftlicher Widersprüche.

Nicht nur die Auswahl der Begriffe war eine Kunst, sondern auch die Klarheit der Sprache und die Lesbarkeit der Texte – hinsichtlich Umfang und Verständlichkeit. Dafür möchte ich dem Autor herzlich danken.

Ich wünsche dem Buch, dass es zum Mitdenken, Weitersuchen und Neuformulieren einlädt, damit wie die Sprache auch die Psychiatriereform lebt und über Worte hinaus mächtige Kräfte mobilisieren kann.

Was haben Hoffnung, Humor und Sinnsuche gemeinsam, was Partizipation und Spiritualität? Zum Beispiel den Bezug zur Psychiatriereform. Was ist ein Potsdamer Tisch? Wie kommt man von Psychoedukation zu Recovery-Orientierung? Ich empfehle dieses Buch zum Nachschlagen ebenso wie als roten Faden, als Basis und Orientierung.

Hamburg im Mai 2019

Thomas Bock

Leitung Spezialambulanz für Psychosen und Bipolare Störung, Krisentagesklinik Jugendliche und junge Erwachsene mit Psychosen – Zentrum für Psychosoziale Medizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

 

Vorwort

 

 

Ich möchte dieses Buch gerne mit einer kleinen Gebrauchsanweisung beginnen. Zunächst ist mir wichtig zu betonen, dass das Buch nicht den primären Anspruch hat, das Rad komplett neu zu erfinden. Es wäre schön, wenn es eher als eine Art Weichensteller für eine zukünftige, innovative und humane Psychiatrie fungieren würde. Da mir der Wunsch nach Philanthropie zu verwegen scheint, beschränke ich mich auf Humanität, welche sehr eng mit diesem Begriff verbunden ist. Ich möchte im vorliegenden Buch von curatio humana sprechen. Der Begriff human stammt aus dem Lateinischen humanus und bedeutet menschlich oder menschenwürdig. Das Wort humanitas beschreibt die echte Menschlichkeit. Der Begriff curatio bedeutet etwa so viel wie Behandlung oder Heilung. Curatio humana möchte ich demnach als den menschlichen Umgang im Rahmen eines ressourcenorientierten, holistisch-humanistischen Menschenbildes verstehen. In einer ganzheitlichen Betrachtungsweise wird hierbei der Mensch als einzigartiges, besonderes, selbstbestimmtes Individuum gesehen, dessen Würde unantastbar ist. Dabei ist die allumfassende Akzeptanz und Respektierung des Menschen (auch seiner psychischen Besonderheiten sowie subjektiven Wahrnehmungen und seines subjektiven Sinnes)von zentraler Bedeutung. Dies sollte in der Psychiatrie eine conditio sine qua non sein – eine notwendige Voraussetzung für gelingenden Umgang miteinander. Aus welchen Hintergründen man sich seinen Mitmenschen gegenüber human verhält, soll in diesem Buch nicht von vorrangiger Bedeutung sein. Viel wichtiger erscheint mir eine generelle humane Verhaltensweise.

Betrachten wir die Tatsache, dass jeder Mensch dem Risiko ausgesetzt ist, im Laufe seines Lebens selbst psychisch zu erkranken oder Angehöriger eines psychisch erkrankten Menschen zu werden, müsste eigentlich schon geklärt sein, warum für eine humane Psychiatrie geworben und gekämpft werden muss.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das Menschenbild, das jeder von uns – bewusst oder unbewusst – in sich trägt. Ist dieses in Stein gemeißelt oder bedarf es vielleicht der ein oder anderen Korrektur oder Richtungsänderung? Was macht uns als Menschen aus? Wird der Mensch als Einheit aus Körper, Geist und Seele verstanden? Wird jeder Mensch als einzigartiges Individuum anerkannt? Zu Beginn müssen sich weitere Fragen bezüglich der Reflexion des eigenen Standpunktes gestellt werden: Welche Weltanschauung liegt uns zugrunde? Welche Werte vertreten wir? Für wen oder was wollen wir einstehen? Wenn die Psychiatrie sich als human bezeichnen möchte, muss sie sich verschiedenen anthropologischen, philosophischen und ethischen Fragestellungen widmen und Antworten darauf finden.

Ich bin der Auffassung, dass unser Menschenbild von Humanität geprägt sein muss. Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit müssen in unserer heutigen Gesellschaft wieder mehr an Wert gewinnen, denn menschlicher Umgang miteinander kann präventiv, gesundheitsfördernd und heilend wirken. Dabei spielt die persönliche Integrität eine wesentliche Rolle. Die eigenen Überzeugungen, Werte und Ideale spiegeln sich im Verhalten und Handeln (Wort und Tat) wider. Dem menschlichen Denken müssen entsprechende Taten folgen. Das Menschsein wurde uns durch die Geburt geschenkt – Menschlichkeit bedarf einer bewussten Entscheidung dazu. Sie kann durch die Kultur, Sozialisation, Erziehung, Prägung, Erfahrung, Wertevorstellung und das vorhandene Menschenbild beeinflusst werden. Daher möchte dieses Buch zur bewussten Entscheidung für einen menschlichen Umgang innerhalb der psychiatrischen Versorgung (und vielleicht auch darüber hinaus) aufrufen.

Eine weitere Devise, auf die dieses Buch aufbaut, lautet errare humanum est – Irren ist menschlich.

Alle Bemühungsversuche nach Omnipotenz scheinen zum Scheitern verurteilt. Unser Wissen, die vermeintlich korrekten Ansichten und Auffassungen bedürfen regelmäßiger Reflexion, Anpassung und Korrektur. Daher möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass der Begriff human nicht für jeden Menschen das gleiche bedeutet. Was für einen Experten durch Fachwissen unter human verstanden wird, muss noch lange nicht gleichwohl für einen Experten durch Erfahrung gelten.

Der Weg zur Humanität in der Psychiatrie ist eine lange Reise der Selbsterkenntnis, gepaart mit vielen konstruktiven und wohlwollenden Auseinandersetzungen und Gesprächen mit Betroffenen, Angehörigen und professionellen Helfern. Wir müssen uns auf die gemeinsame Reise nach der wahren Humanität machen – eine Definition von Humanität finden, die allen Beteiligten gerecht wird.

Wirft man nun einen Blick auf die psychiatrische Versorgung, wird schnell deutlich, dass nach der Reform gleich vor der Reform ist. Zwar gibt es keine Irrenanstalten mehr, aber so manche Begrifflichkeit wie »Zentrum für seelische Gesundheit« kann täuschen und es ist längst nicht überall das zu finden, was angepriesen oder nach außen dargestellt wird. Die Psychiatrie befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen fürsorglichem Paternalismus, Autonomiewunsch der psychisch erkrankten Menschen sowie Sorgen und Forderungen von Angehörigen und der Bevölkerung.

Wenn man Gesetze als Top-Down-Versuche erachtet, die bisher teilweise kläglich gescheitert sind oder zumindest nicht den erhofften Effekt hatten (z. B. das Bundesteilhabegesetz oder die UN-Behindertenrechtskonvention), ist es vielleicht an der Zeit, die Bottom-Up-Variante zu wählen. Menschen, die an der Basis arbeiten, erleben meist zuerst veränderungswürdige Prozesse, da sie diesen täglich hautnah in der Praxis ausgesetzt sind. Sie müssen nur endlich (wieder) lernen, diese anzuprangern und ihr Bestmögliches zum Anstoß einer Veränderung beizutragen. Womöglich kann nur das Ineinandergreifen beider Ansätze zu einer nachhaltigen Verbesserung führen.

Die psychiatrische Versorgung muss ihren Anspruch und die Wirklichkeit stets kontinuierlich reflektieren und gegebenenfalls auf neue Anforderungen, Widersprüche und Rückschritte reagieren. Dazu muss sie sich auch hinterfragen, ob sie den Ansprüchen und Wünschen von Betroffenen und Angehörigen gerecht wird. Darf die Psychiatrie sich als medizinische Fachdisziplin bezeichnen, die den Menschen wirklich ganzheitlich im Blick hat – und nicht nur seine Diagnose?

Psychiatriekritische Menschen gibt es viele. Wichtig ist allerdings, Änderungsvorschläge aufzuzeigen und den Worten entsprechende Taten folgen zu lassen. Hier könnte man bei Philippe Pinel und William Tuke anfangen, die eine gewalt- und zwangsfreie Psychiatrie einführten und mit Wilhelm Griesinger und seinem mehrdimensionalen Verständnis von Psychiatrie fortfahren. Erving Goffman, Franco Basaglia, Thomas Szasz, Ronald D. Laing, Michel Foucault oder David Cooper haben mit ihren Beiträgen zu einer kritischen Betrachtung und Hinterfragen der Institution Psychiatrie geführt. Nicht zuletzt kann man in Deutschland beispielsweise das Schaffen von Caspar Kulenkampff, Klaus Dörner oder Asmus Finzen benennen.

Dieses Buch soll in erster Linie weniger als Kritik, sondern vielmehr als Denkanstoß zu einem möglichen Veränderungsprozess verstanden werden. Dies impliziert eine ständige kritisch-reflektierende Grundhaltung. Gelegentlich werden professionelle Helfer nämlich von einer gewissen Betriebsblindheit erfasst. Davor schützen kann beispielsweise die regelmäßige, kritische Selbstreflexion oder der Trialog.

Wie die Psychiatrie flächendeckend zu einer humanen Institution werden könnte, ist keine einfache Frage und lässt sich erst recht nicht in einem einzigen Satz beantworten. Die psychiatrische Versorgung kann heute nicht vereinheitlicht dargestellt werden. Inhalte, Aufgaben oder Ziele lassen sich selbstverständlich abbilden, aber es muss sich die Frage gestellt werden, ob das theoretische Abbild in der Praxis wirklich immer auch genauso umgesetzt wird. Ich wage zu behaupten, dass dies leider nicht immer bzw. nicht überall der Fall ist. Zum jetzigen Zeitpunkt mag die Unmöglichkeit einer Verallgemeinerung auch gut sein, da somit ein Schubladendenken vermieden werden kann. Leider herrscht genau diese Denkweise häufig vor und der Psychiatrie sowie den psychischen Störungsbildern lastet ein unverkennbares Stigma an. Interessant kann hierbei die Fragestellung sein, wie man selbst behandelt werden möchte, würde man persönlich von einer psychischen Erkrankung betroffen und auf psychiatrische Hilfe angewiesen sein.

Der psychiatrische Arbeitsalltag zeigt, dass menschliche Beziehungen gleichwohl heilsam als auch zerstörerisch sein können. Michael Balint spricht vom Arzt als Medikament und Heilmittel. Gleichzeitig warnt er dabei aber auch vor Iatrogenität. »Nicht die Flasche Medizin oder die Tabletten seien ausschlaggebend, sondern die Art und Weise, wie der Arzt sie verschreibe – kurz, die ganze Atmosphäre, in welcher die Medizin verabreicht und genommen werde. […] Bald jedoch kamen wir in unseren Diskussionen darauf, daß es für dieses hochwichtige Medikament keinerlei Pharmakologie gibt. Um es auf eine Weise auszudrücken, die dem Arzt vertraut ist: In keinem Lehrbuch steht etwas über die Dosierung, in welcher der Arzt sich selbst verschreiben soll; nichts über Form und Häufigkeit, nichts über heilende oder erhaltende Dosen usw. Noch beunruhigender ist der Mangel an Literatur über die Risiken dieses Medikaments, über die vielfältigen allergischen Zustände, auf die man die Patienten zu beobachten hat, oder über etwaige unerwünschte Nebenwirkungen.« (Balint 2010, S. 15).

Diese Erkenntnis hat nicht nur für Ärzte Relevanz, sondern sie sollte für jeden professionellen Helfer eine Maxime sein. Helmchen vergleicht diese Dualität zwischen Nutzen und Risiko psychiatrischer Behandlung mit dem Janusgesicht (Helmchen 2017).

Der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen beinhaltet automatisch die regelmäßige Konfrontation mit bestimmten Widersprüchen. Basaglia beschreibt dazu: »Vorläufig ist es wichtig, daß es uns gelingt, unsere Widersprüche aufrechtzuerhalten, uns mit ihnen auseinanderzusetzen und sie zu akzeptieren, ohne der Versuchung zu unterliegen, sie von uns zu weisen, um sie zu negieren. Daher könnte es die Aufgabe der heutigen Psychiatrie sein, die Suche nach einer Lösung für die Geisteskrankheit abzulehnen, um sich stattdessen dieser besonderen Art von Kranken als einem Problem zu nähern, das – schon allein, weil es in unserer Wirklichkeit vorhanden ist – einen ihrer widersprüchlichen Aspekte darstellen kann, für dessen Lösung neue Wege der Forschung und neue therapeutische Strukturen gefunden werden müssen.« (Basaglia 1974b, S. 16).

Die Individualität von Menschen erfordert individuelle Behandlungsmöglichkeiten und verschiedene Optionen. Wichtig ist dabei immer der Einbezug von Wünschen psychisch kranker Menschen. In diesem Buch sollen zentrale und bedeutungsvolle Begriffe sowie Konzepte, die zu einer verbesserten, humaneren psychiatrischen Versorgung beitragen können, aufgegriffen und näher beleuchtet werden. Die Begriffe sind in alphabetischer Reihenfolge angelegt und können wie ein alternatives Psychiatrie-Lexikon oder Wörterbuch gesehen werden, welches immer wieder Änderungen und Ergänzungen benötigt. Die Begriffe sind das Ergebnis vieler gemeinsamer Gespräche mit Experten durch Fachwissen (professionelle Helfer), Experten durch Erfahrung (Betroffene) und Experten durch Miterleben (Angehörige). Ergänzt und komplettiert wurde die Begriffsliste von Prof. em. Dr. med. Dr. phil. Klaus Dörner, Prof. em. Dr. med. Luc Ciompi, Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Thomas Bock, Dr. med Andreas Richter, Prof. Dr. med. Markus Steffens, Dr. med. Volkmar Aderhold, Dr. med. Martin Zinkler, Hilde Schädle-Deininger und Sibylle Prins.

Über jeden einzelnen Begriff ließen sich ganze Bücher schreiben. Verzeihen Sie mir daher bitte, dass ich mich in Bezug auf die Kompaktheit dieses Buches auf die für mich wesentlichen Dinge kurz und bündig beschränken musste. Dass einigen Begriffen etwas mehr Raum gegeben wird, liegt vermutlich an ihrer gegenwärtigen Brisanz und meiner emotionalen Bindung zum jeweiligen Themenbereich.

Das Buch kann einerseits als Nachschlagewerk genutzt werden. Da aber viele Begrifflichkeiten aufeinander aufbauen und auch ineinander greifen, rate ich dazu, es im Ganzen zu lesen. Dies untermauert wieder meinen Anspruch an eine ganzheitliche Betrachtungsweise unter Einbezug des jeweiligen Kontextes. Es geht in diesem Buch in erster Linie um die Haltungsfrage. Aus dieser heraus müssen ökonomische, politische, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen angepasst und neu geschaffen werden. Die Begriffe und Konzepte in diesem Buch sollen dazu beitragen, die eigene Haltung zu hinterfragen und die einzelnen Inhalte der Schlagwörter im psychiatrischen Alltag mehr in den Fokus zu rücken. Eine humane Psychiatrie kann nur so human sein, wie die Menschen, die sie gestalten. Ohne den Versuch des Verständnisses eines holistischen Denkansatzes besteht die Gefahr, dass einzelne Punkte widersprüchlich oder gar unverständlich erscheinen.

Ziel dieses Buches ist es, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken, den Horizont zu erweitern und einer ganzheitlichen Betrachtungsweise des Menschen innerhalb der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung gerecht zu werden. Man kann Menschen schließlich nicht ändern, sie können sich nur selbst ändern.

Das Buch möchte die Vielfalt der Behandlungs- und Umgangsmöglichkeiten innerhalb der psychiatrischen Versorgung aufzeigen und in den Mittelpunkt rücken. Es möchte ermutigen, die eigenen Denkweisen regelmäßig kritisch zu hinterfragen, auf seinen Bestand hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern. Die Inhalte des Buches sind gepaart von objektiven, subjektiven sowie dem Zusammenspiel beider Wahrnehmungen. Subjektive Wahrnehmung aller Beteiligten der psychosozialen Versorgung sollten ernst genommen, akzeptiert und aufgegriffen werden.

Mir ist bewusst, dass dieses Buch zu Differenzen führen wird. Diese sind meiner Meinung im psychiatrischen Alltag auch sehr wichtig, um kontrovers diskutiert zu werden und gegebenenfalls zu einem Umdenken zu führen. Ich habe mich bemüht, dieses Buch in einer möglichst einfachen, verständlichen Sprache zu verfassen, da ich die Hoffnung hege, dass es nicht nur von professionellen Helfern gelesen und diskutiert wird, sondern auch von Betroffenen und Angehörigen.

Ich möchte noch anmerken, dass auch Worte gewisse Risiken und Nebenwirkungen beherbergen. Ein Risiko dieses Buches mag sein, dass es versucht, an bisherigen Denk- und Verhaltensweisen zu rütteln. Sie sollten das Buch daher mit einem gesunden Skeptizismus betrachten.

Ein letzter Hinweis bezüglich der Genderisierung: Um den Lesefluss nicht zu unterbrechen, habe ich mich hauptsächlich auf die männliche Schreibweise beschränkt. Selbstverständlich spreche ich damit alle Geschlechter an.

Offenbach im Herbst 2018

Jonathan Gutmann

 

Humane Psychiatrie von A bis Z

 

 

Abbau von Barrieren im Kopf

Damit es zu einer Verbesserung und Humanisierung der psychiatrischen Versorgung kommen kann, bedarf es des Abbaus unterschiedlicher Barrieren in den Köpfen vieler Menschen. Nicht nur professionelle Helfer müssen zum Umdenken angeregt werden, auch die Gesellschaft, Politiker, Angehörige und Betroffene selbst sind dazu angehalten, ihre Sichtweisen immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls zu erneuern oder zu ändern. Die psychiatrische Versorgung hat sich die letzten Jahrzehnte – vor allem durch Anstoß der Psychiatrie-Enquete – (größtenteils) stetig weiterentwickelt und verbessert. Dennoch besteht vielerorts noch dringender Handlungsbedarf auf dem Weg zu einem optimalen Behandlungsspektrum. Zentrale Themen sollten dabei (auch gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention) Inklusion, Teilhabe sowie die Wertschätzung der Einzigartigkeit und auch Andersartigkeit eines jeden Menschen sein. Psychisch kranke Menschen dürfen niemals ausgeschlossen und stigmatisiert werden. Sie haben ein Recht auf Leben, Schutz der Menschenwürde und -rechte, Nichtdiskriminierung, Akzeptanz, Toleranz, Teilhabe, Leben in der Gemeinschaft, Achtung der Privatsphäre, Chancengleichheit, Bildung, Arbeit, Rehabilitation, Andersartigkeit, Eigenständigkeit, Gleichberechtigung und Entscheidungsfreiheit (vgl. Bundesgesetzblatt 2008).

Es muss darauf geachtet werden, dass die Errungenschaften der letzten Jahre nicht wieder zunichte gemacht werden. Betrachtet man so manche gesundheitspolitische Entscheidung, scheinen neben den Barrieren im Kopf auch teilweise noch Scheuklappen dazugekommen zu sein. Der Abbau dieser Barrieren muss in den Köpfen der einzelnen Menschen beginnen. Es muss Bewusstsein geschaffen werden und Betroffenheit entstehen. Erst dann können weitere zielführende Schritte und Maßnahmen zur Verbesserung geplant und eingeleitet werden.

Was muss passieren, dass es zu einem Abbau der Barrieren in den verschiedenen Köpfen kommt?

Neben einer regelmäßigen Selbstreflexion bedarf es ebenfalls der Fremdreflexion. Kritikfähigkeit und der anschließende Änderungswille sowie das aktive Tun spielen dabei eine entscheidende Rolle. Reflexion sollte als verbindliche Pflichtaufgabe unserer Gesellschaft angesehen werden.

Gegebenheiten sollten kritisch hinterfragt werden. Eine differenzierte und kontinuierliche Auseinandersetzung mit psychischen Störungsbildern ist eine Grundvoraussetzung, um ein Verständnis für Denk-, Sicht- und Verhaltensweisen entwickeln zu können sowie Wünsche psychisch kranker Menschen besser zu verstehen, zu deuten und damit professionell und empowermentorientiert umgehen zu können. Betroffene sollten dazu ermutigt werden, sich selbst mit ihrer Störung und ihren Problematiken gezielt auseinanderzusetzen, denn Wissen ist Macht. Nichtwissen scheint in diesem Fall problematisch und stellt ein Hindernis für Recovery dar. Psychoedukation, Psychoseseminare und Trialog sind probate Mittel im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Erkrankung und sollten Selbstverständlichkeit in der psychosozialen Versorgung sein.

Psychisch kranke Menschen dürfen nicht als Sonderlinge, Exoten, Außenseiter und Personen, die selbst an ihrer Erkrankung schuld wären, angesehen werden. Der beste Weg, etwas über einen psychisch kranken Menschen zu erfahren, ist der direkte persönliche Kontakt mit ihm. Die Einbeziehung Betroffener und die Begegnung auf Augenhöhe sollten zur Selbstverständlichkeit gehören bzw. werden. Machtgefälle und Omnipotenzgefühle sind in der Psychiatrie fehl am Platz. Professionelle Helfer müssen daher Veränderungs- und Lernbereitschaft zeigen.

Es wird (wieder) Zeit, mehr den Menschen in den Blick zu nehmen und ihn nicht auf seine Symptome zu reduzieren. Der Weg muss weg von einer einseitigen, defizitären Blickweise hin zu einer partizipativen, salutogenetischen Herangehensweise führen. Im Zweifelsfall hilft es als Experte durch Fachwissen meist, wenn man sich die Frage stellt, wie man selbst behandelt werden möchte, wäre man an der Stelle seines Gegenübers. Es ist ebenso wichtig, dass Vorurteile beseitigt werden. Alternative Behandlungsansätze und -methoden müssen mehr in den Blickpunkt gerückt werden und Betroffene und Angehörige sollten in der Praxis (und auch in der Forschung) mehr miteinbezogen werden. Peer-Arbeit und EX-IN-Genesungsbegleitung sollten weiter ausgebaut werden und selbstverständlicher Bestandteil der Versorgung sein.

Barrieren bestehen oftmals nicht nur zwischen Experten durch Fachwissen und Experten aus Erfahrung, sondern auch zwischen den verschiedenen professionellen Berufsgruppen selbst. Keine oder zumindest flache Hierarchien werden von multiprofessionellen Teams sehr begrüßt. Dadurch wird zu einem Gemeinschaftsgefühl, was auf Gleichberechtigung basiert, beigetragen.

Ein weiterer Punkt, über den nachgedacht werden sollte, ist die Sprache professioneller Helfer. Sehr häufig wird im Alltag eine Fachsprache genutzt, die für Laien nur schwer verständlich ist. Es wäre daher sinnvoll, eine gemeinsame Sprache zu finden und zu entwickeln, mit der auf Augenhöhe mit dem Gegenüber kommuniziert wird.

Es muss an dieser Stelle auch angemerkt werden, dass rein wirtschaftliches Denken im Gesundheits- und Sozialwesen keinen Platz hat, da es humanes Denken in den Hintergrund stellt.

Ebenso muss der »Evidenz-Gedanke« in Frage gestellt werden. Selbstverständlich soll gemessen werden, was zu messen ist. Allerdings lassen sich beispielsweise weiche Faktoren, wie eine gute Beziehung oder Empathie lediglich beobachten. Daher besteht der Wunsch nach mehr qualitativer statt quantitativer Überlegungen in der psychiatrischen Arbeit.

Achtsamkeit

Ein Thema, das ebenfalls die Köpfe der Menschen und ihr Denken betrifft, ist Achtsamkeit (engl. mindfulness). In der heutigen Zeit fällt es den Menschen zunehmend schwerer, achtsam und (vor)urteilsfrei zu leben. Aufmerksam im Hier und Jetzt zu sein scheint für eine Vielzahl von Menschen unmöglich. Entweder verharren sie gedanklich in der Vergangenheit oder sie machen sich bereits Gedanken und Sorgen um die Zukunft. Manche Menschen laufen auch einfach nur auf Autopilot. Ein chinesisches Sprichwort besagt: »Wer die Gegenwart nicht genießt, wird in der Zukunft keine schöne Vergangenheit haben.« Menschen neigen dazu, Dinge schnell zu bewerten – und das häufig auf negative Art und Weise. Sie geben den Dingen keine Chance auf Veränderung. Dadurch werden sie zu pessimistischen oder nihilistischen Personen. Der Blick für die kleinen, schönen Dinge im Leben, die es eigentlich verdient hätten, Dankbarkeit in uns auszulösen, gerät aus dem Fokus: ein Dach über dem Kopf, das Essen auf dem Tisch, das Bett zum Schlafen, die Kleidung, die man trägt, Familie und Freunde, das Lächeln anderer Menschen und vieles andere mehr. Der Alltag läuft oft gleich und routiniert ab, was dazu führt, dass andere Einflüsse nicht mehr wahrgenommen werden. Ein achtsamer Umgang mit den Mitmenschen scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein. Ebenso eine achtsame Haltung dem Leben gegenüber. Achtsamkeit hat etwas mit Aufmerksamkeit zu tun. Zentral dabei sind die wertungsfreien Wahrnehmungen unserer Sinne. Achtsam zu leben ist ein Prozess. Da Achtsamkeit ein wichtiger Schritt zu mehr Gelassenheit im Leben ist, ist eine bewusste Auseinandersetzung damit notwendig. Achtsamkeitsbasierte Therapien zeigen eine Evidenz zur Prävention sowie der Behandlung von Depression und Ängsten (Gotink et al. 2015).

In der psychiatrischen Versorgung bedarf es eines achtsamen Umgangs mit allen Beteiligten (Patienten, Angehörigen, Kollegen, aber auch mit der eigenen Person). Achtsamkeit lenkt den Blick auf den Menschen und wertet nicht. Sie zeugt von einer Offenheit allen Daseins und der Vielfalt menschlichen Lebens gegenüber. Sie ist dabei behilflich, sich nicht mit anderen Menschen zu vergleichen und somit in einen negativen Gedankenstrudel des Neids zu verfallen. Achtsamkeit steigert die Konzentration, kann den Menschen zur Entspannung führen und vor Burn-out schützen. Sie kann ein Weg der Befreiung sein.

In der Care-Ethik bedeutet Achtsamkeit eine besondere Form der Aufmerksamkeit, die den Blick auf die Bedürfnisse der hilfe- und unterstützungsbedürftigen Menschen richtet.

Adhärenz

Als Adhärenz (engl. adherence) wird die Therapietreue eines Patienten bezeichnet. Sie bedeutet die Einhaltung und Umsetzung der gemeinsam vereinbarten und erarbeiteten Therapiemaßnahmen und -ziele. Der Begriff Compliance sollte von Adhärenz abgelöst werden. Compliance legt hinsichtlich des Erstellens von Therapiezielen und -plänen weniger Wert auf die Gemeinsamkeit. Wer den Vorschlägen des Therapeuten nicht folgt, ist nicht compliant. Er boykottiert die Behandlung, gilt als Störenfried oder Querulant. Diese Sichtweise ist negativ besetzt und zu einseitig. Andere Bereiche zeigen bereits, was diktatorische Regimes bewirken und wie diese sich auf das Wohlbefinden der einzelnen Menschen auswirken. Adhärenz dreht sich vielmehr darum, dem Patienten auf Augenhöhe zu begegnen, ihn als Individuum zu schätzen und zu akzeptieren sowie gemeinsam nach Behandlungs- und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Der psychisch kranke Mensch hat das gleiche Mitspracherecht wie der Arzt, Therapeut oder die Pflegefachperson und verschiedene Wahlmöglichkeiten – anders als bei Compliance. Durch die Gemeinsamkeit entsteht ein Gefühl der Wertschätzung und des Vertrauens. Der Betroffene sieht sich als gleichberechtigter Partner, fühlt sich einbezogen und ernstgenommen. Daraus entsteht ein Nährboden für Veränderung und Wachstum. Vor allem für den Ausgang einer Behandlung ist dies äußerst entscheidend. Wird jemand mehr oder weniger dazu gezwungen, beispielsweise Medikamente gegen seinen Willen einzunehmen, wird er sie womöglich nach geraumer Zeit eigenmächtig wieder absetzen. Auch der Begriff der Krankheitseinsicht eines Betroffenen ist dementsprechend zu hinterfragen. »Krankheitseinsicht ist nicht als Vorleistung des Patienten zu verstehen, sondern als Aufgabe des Therapeuten. Er hat Einsicht zu nehmen – nicht so sehr in eine abstrakte Krankheit, sondern vielmehr in die konkrete Lebenssituation eines unverwechselbaren Menschen.« (Bock 2010, S. 29).

Die Adhärenzraten bei Psychopharmakotherapie liegen nach einem Jahr bei etwa 50% (Lencer und Korn 2015). Die Gründe fehlender Therapietreue sind dabei sehr vielfältig. So werden unter anderem unzureichende Wirksamkeit, auftretende Nebenwirkungen, Selbststigmatisierung, kognitive Defizite oder fehlende Unterstützung aus dem Umfeld aufgeführt (ebd.). Häufig haben Menschen mit schizophrenen Erkrankungen Probleme mit der Therapietreue (Moritz et al. 2013; Rummel-Kluge et al. 2008). Eine adhärenzfördernde Maßnahme kann dabei beispielsweise kontinuierlicher, offener, individueller und ehrlicher Kontakt (auch regelmäßiges Monitoring) zwischen Behandler/Behandlungsteam und Patient sein. Eine ehrliche, empathische, wertschätzende therapeutische Beziehung ist wahrscheinlich der wichtigste Grundstein. Ein partizipativer Umgang auf Augenhöhe, dem Gegenüber genau zuhören und ihn ernst nehmen, ihn individuell und verständlich nach seinem Bedarf aufzuklären und ihm Zeit für Entscheidungen zu geben, verbessert ebenfalls die Therapietreue (Julius et al. 2012). Das Einbeziehen der Familien von Betroffenen in die Aufklärung und Behandlung zeigt eine verbesserte Langzeitwirkung (Byerly et al. 2007; Dolder et al. 2003; Julius et al. 2012). Gezielte, verständliche Psychoedukation zeigt ebenfalls positive Effekte (Pitschel-Walz et al. 2006). Eine Monotherapie (Burton 2005), Niedrigdosierung von Psychopharmaka oder Vereinfachung der Einnahme durch Umstellung auf Depotmedikation (wenn vom Betroffenen erwünscht) können gegebenenfalls in Betracht gezogen werden. Nicht verträgliche Medikamente sollten durch andere ersetzt werden. Zur Kostensenkung für Betroffene können Generika verordnet werden. Zuletzt sind Erinnerungshilfen und Hilfsmittel wichtige Faktoren, die zur Adhärenz beitragen können. Wenn Patienten Psychopharmaka ablehnen, sollte mit ihnen gemeinsam nach möglichen Alternativen gesucht werden. Sie dürfen dadurch keinen Nachteil in der Behandlung erhalten. Therapietreue zielt allerdings nicht nur auf die Pharmakotherapie ab, sondern beispielsweise auf den regelmäßigen Besuch von therapeutischen Gruppen oder dem Einhalten von Gesprächsterminen – eben alle gemeinsam vereinbarten Elemente, die zur Genesung beitragen sollen.

Akzeptanz

Das Wort Akzeptanz stammt aus dem Lateinischen (accipere) und bedeutet annehmen oder empfangen. Bevor man andere Menschen (und ihre Verhaltens- und Denkweisen) akzeptieren kann, muss man zunächst einmal sich selbst akzeptieren.

»Annahme und Akzeptanz ist mehr als das reine Anerkennen. Wir nehmen dann eine Situation oder eine Eigenschaft von uns als gegeben an, ohne sie zu verurteilen. Akzeptanz bedeutet nicht, dass man die aktuelle Situation gut finden oder gar lieben muss. Es bedeutet aber, selbst zu Dingen ja zu sagen, die wir uns nicht so wünschen, wie sie sind.« (Knuf 2016, S. 9). Von Marsha Linehan wird diese Annahme als »radikale Akzeptanz« bezeichnet (Linehan 1996). Zu allererst steht demnach die Selbstannahme. Ist man mit sich selbst nicht im Reinen, können Schwierigkeiten beim Bearbeiten von Selbstwertproblematiken psychisch erkrankter Menschen entstehen. Nicht authentische Selbstannahme kann zu einem Spannungsfeld führen und der therapeutischen Beziehung Schaden zufügen. Schlimmstenfalls kommt es zum Therapie- und Beziehungsabbruch. Es wäre daher wichtig, dass Menschen lernen, sich so anzunehmen und zu akzeptieren, wie sie sind. Das Streben nach Perfektionismus ist zum Scheitern verurteilt. Die eigenen Grenzen müssen anerkannt und akzeptiert werden. Von Oscar Wilde stammt dazu der Ausspruch: »Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben.« Selbstannahme beinhaltet die Fähigkeit der Selbstkritik, sich und sein Denken immer wieder kritisch zu hinterfragen. Dies ist in der psychosozialen Versorgung von äußerster Wichtigkeit. Es gilt, die Dinge individuell zu betrachten und immer auch den Kontext mit einzubeziehen.

In der psychiatrischen Versorgung muss auch akzeptiert werden, dass man nicht immer den Helden oder Retter spielen kann. Dieser Anspruch wäre verwegen! Wichtig ist die Akzeptanz des Gegenübers, so wie er ist. Psychisch kranke Menschen sollten so angenommen werden, wie sie sind. Diese Akzeptanz birgt Vertrauen in sich. Der Betroffene fühlt sich verstanden, ernstgenommen und wertgeschätzt. Somit kann eine vertrauensvolle Basis geschaffen werden, die für eine Therapie, Pflege, Begleitung und Betreuung äußerst wichtig ist. Wichtig ist zu verinnerlichen, dass die Annahme nichts mit Resignation zu tun hat (vgl. Knuf 2016). Das Akzeptieren von Meinungen, Ansichten, Symptomen oder Eigensinn psychisch kranker Menschen ist nicht immer einfach. Manchmal ist es auch eine Gratwanderung. Eine Psychiatrie ohne Eigensinn hat allerdings nichts mit Individualität und Kreativität zu tun. Bock schreibt ihr klar definierte Diagnosen, den Einsatz von standardisierter Medikation, ideenlose Konzepte und ein reserviertes Menschenbild zu. Er bezeichnet sie ohne Eigensinn als schlichtweg stupide (Bock 2014, S. 10). Für ihn sei Eigensinn weder krank noch gesund. Großer Eigensinn könne beispielsweise gesund sein und zur Genesung eines Betroffenen beitragen, während wenig Eigensinn auch krank machen könne (ebd., S. 20).

Weinmann schreibt: »Jeder Patient hat Anspruch auf seine eigene Geschichte, ohne dass einzelne Autoritäten diesen Sinn und die Bedeutung sofort monopolisieren und alle konkurrierenden Erklärungen verdrängen.« (Weinmann 2010, S. 209). Es müssen daher immer auch das individuelle, subjektive Krankheits- und Selbstkonzept sowie -verständnis beachtet und respektiert werden. Bestimmte Symptome (wie beispielsweise das Stimmenhören) sollten nicht zwangsläufig pathologisiert und wegtherapiert werden. Das Stimmenhören kann als ein Signal von Problematiken und Konflikten im Leben erachtet werden, welche nicht durch Unterdrückung beseitigt werden können (vgl. Romme und Escher 2007, S. 137).

Die Psychiatrie darf sich niemals zu Verallgemeinerung und eigener Verabsolutierung hinreißen lassen. Daher sind Leitlinien immer mit gewisser Vorsicht zu genießen, da sie nicht selten wenig bis keinen Spielraum für einen individuellen und flexiblen Umgang lassen.

Ein anzustrebendes Ziel wäre die wertschätzende, vorurteils- und wertungsfreie Zuwendung. Carl Rogers bezeichnet diese als »bedingungsfreies Akzeptieren« (Rogers 2013, S. 27). Es sollte immer im Sinne der Betroffenen gehandelt werden. Ihre Würde und ihre Rechte müssen geachtet, respektiert und eingehalten werden. Bei bestehender Eigen- oder Fremdgefährdung gilt es selbstverständlich einzugreifen. Wichtig sind dann allerdings ein gültiger Rechtsrahmen sowie die Begründung und Besprechung der eingeleiteten Schritte und Maßnahmen mit dem Betroffenen. Bei einem Einschreiten ist immer die mildeste Form zu wählen.

Die Akzeptanz ist nicht nur für professionelle Helfer wichtig, sondern sie ist auch ein wichtiger Schritt für Betroffene auf dem Weg der Genesung/Gesundung. Häufig haben Betroffene Probleme mit der Akzeptanz bestimmter Begebenheiten (z. B. die gestellte Diagnose und die daraus resultierende Behandlungsbedürftigkeit).Angehörige tun sich nicht selten ebenso schwer, bestimmte Begebenheiten anzuerkennen (z. B. »Mein Angehöriger ist psychisch krank.«). Die Akzeptanz und Annahme sind wichtige Schritte heraus aus der Krise, hin zu einer neuen Sichtweise. So kann die Erkrankung als Chance zur Veränderung angesehen werden. Ein erster Schritt kann die Akzeptanz der eigenen Menschlichkeit und somit auch der eigenen Fehlbarkeit sein.

Für Betroffene kann dabei die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) hilfreich sein. ACT ist ein verhaltenstherapeutisch/-analytischer und achtsamkeitsbasierter Ansatz, welcher von Steven Hayes begründet wurde. Das ACT-Modell (Hayes et al. 2014) beruht auf sechs Ansatzpunkten:

1.  Akzeptanz (von Gefühlen, Empfindungen, Gedanken und eigenen Reaktionen)

2.  Kognitive Defusion (eine Haltung gegenüber den eigenen Gedanken, die es ermöglicht, diese aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, ohne daraus Taten folgen zu lassen – diese also nicht wörtlich zu nehmen)

3.  Achtsamkeit (aufmerksames, wertungsfreies Dasein im Hier und Jetzt)

4.  Selbst als Kontext (Eigenes Selbst finden sowie Perspektivenwechsel durch flexiblen Umgang)

5.  Werte (und Ziele formulieren)

6.  Commitment (engagiertes, zielgerichtetes Handeln)

Dieses Konzept geht von einem flexiblen Selbstbild aus, das durch neue Sichtweisen positiv verändert werden kann.

Alternative Behandlungsmethoden und -ansätze

Der Ruf nach alternativen Behandlungsmethoden und -ansätzen wurde die letzten Jahre immer lauter. Problematisch ist in vielen Fällen, dass Studien nicht den standardisierten wissenschaftlichen Kriterien genügen und meist eine Evidenzbasierung fehlt. Viele Studien zeigen inhaltliche und/oder methodische Schwächen. Zu geringe Teilnehmerzahlen in den Studien lassen keine allgemeine Gültigkeit zu. Trotzdem sollten Alternativen nicht außer Acht gelassen werden. Es wäre an der Zeit, damit genauso wie mit dem subjektiven Sinn umzugehen. Der Wunsch nach Alternativen sollte gehört, ernstgenommen, unterstützt und individuell umgesetzt werden. Es gibt viele hilfreiche, erprobte und wirkungsvolle alternative Ansätze, die in der psychiatrischen Behandlung eingesetzt werden können. Viele interessante Ergebnisse unterschiedlicher Studien rechtfertigen den Einsatz von Alternativen. Selbstverständlich bedarf es in vielen Richtungen weitere Forschungsergebnisse zum Erreichen einer Evidenzbasierung. Gesunder Skeptizismus darf deshalb selbstverständlich vorhanden sein. Den verschiedenen alternativen Behandlungsansätzen sollte allerdings immer auch eine faire Chance eingeräumt werden, zumal die meisten von ihnen deutlich weniger (bis keine) Nebenwirkungen haben als Psychopharmaka. Zudem werden sie von Betroffenen und Angehörigen immer mehr eingefordert.

Es folgt die Auflistung einiger alternativer Behandlungsansätze und -methoden:

Akupunktur

Einige Studien bestätigen die Wirksamkeit von Akupunktur. Dabei zeigte sich eine verbesserte Symptomatik bei Menschen mit Depression oder generalisierter Angststörung (Eich et al. 2000; Lyons et al. 2012; MacPherson et al. 2013). In der Behandlung von Suchterkrankungen nimmt die Akupunktur zuletzt vermehrt Raum ein. Eine Meta-Analyse zeigte positiven Einfluss von Akupunktur in der Behandlung alkoholabhängiger Menschen (Shin et al. 2017). Ebenso bei Schlafstörungen kann Akupunktur gewinnbringend und nebenwirkungsfrei eingesetzt werden (Chen et al. 2007).

Bachblüten

Lemmer beschreibt den Einsatz von Rescue Tropfen (auch Notfalltropfen genannt) bei 23 Patienten mit Unruhe, Anspannung und Angstzuständen. Statt Promethazin 25 mg oder Lorazepam 0,5–1 mg erhielten die Patienten die Notfalltropfen. In 14 Fällen kam es zu einer deutlichen Besserung der Symptome, in drei Fällen zu einer leichten Besserung und lediglich bei sechs Probanden blieb die Symptomatik unverändert (Lemmer 2000, S. 161).

Homöopathie