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Cora N. Lee, Nora Harp

Liebesgeflüster - Koffer ins Glück

Liebesroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Koffer ins Glück

 

 

 


Liebesgeflüster

 

Cora N. Lee

 

 

 

Kapitel 1

Wie besessen rührte Tabitha in ihrer Kaffeetasse herum. Ihre Schultern zuckten. Das Taschentuch, das sie in der Linken zerknüllte, war triefnass. »Er hat …«, stotterte sie, »er hat gesagt, ich …« Sie lehnte sich an Romy an. »… ich bin sowieso nicht sein Typ, mit meinen Sommersprossen.«

»Der Kerl hat doch eine Meise!«, antwortete ihre Freundin viel lauter als nötig. »André sieht selber aus wie Angelo Kelly in hässlich und dann sagt er dir so was! Du bist so schön!« Sie strich Tabby über das lockige, dunkelrote, volle Haar und die zarten Schultern.

»Ich kann ja nicht mal ordentlich kochen, hat er gesagt«, schluchzte Tabitha, »und aufgeräumt hätte ich auch nicht. Und dann ruiniere ich auch noch das neue Kostüm, das er mir geschenkt hat.«

»Hör mal, du bist doch nicht seine Haushälterin!«, empörte sich Romy, »überhaupt, es ist deine Wohnung. Wenn du keine Lust zum Aufräumen hast, dann lässt du es bleiben.«

»Und ich hab das Kostüm nicht versaut. Es war dieser Kellner. Der hat mir den Rotwein über Rock und Bluse geschüttet!«

»Genau!«. Romy schüttelte den Kopf. »André hätte pünktlich da sein sollen, der A…, dann wäre das nicht passiert. Aber er hat ja …«

»Er ist so ungerecht!« Tabitha richtete sich auf. Romys Haltung gab ihr Mut.

»Er ist André und der war schon immer so. Ich habe nie verstanden, was du an ihm findest«, setzte ihre Freundin noch eins drauf.

Das war übertrieben, fand Tabby. »So doof, wie du denkst, ist er nicht. Er hat auch seine guten Seiten!«, protestierte sie. »Er ist großzügig!«

Romy stand wortlos auf, ging ins Bad und kam mit einem Gegenstand in der Hand wieder: »Schau, wie großzügig er ist. Er verteilt Veilchen!« Sie hielt den Vergrößerungsspiegel vor Tabbys Augen. Das linke war dunkelblau umrahmt und geschwollen.

Entsetzt wendete sich Tabitha von ihrem Spiegelbild ab und fing erneut an zu weinen.

»Du musst ihn anzeigen.« Romy nahm ein Taschentuch und drückte es ihrer Freundin in die Hand.

In sich zusammengesunken schüttelte Tabby den Kopf.

»Du kannst das nicht einfach hinnehmen.«

»Er ist mein Freund!«

»Er hat dich betrogen. Hast du mir nicht erzählt, dass er nach einem fremden Parfüm gerochen hat?«

Tabby nickte zaghaft.

»Er schlägt dich, er benutzt dich als Haushälterin und du sagst, er ist dein Freund?«

Mit schmerzhaft aufgerissenen Augen blickte Tabitha in Romys kantiges Gesicht. »Wenn du es so formulierst …« Sie dachte nach. »Liebe sollte sich anders anfühlen, stimmt.« Tabby knüllte das Taschentuch zusammen. Sie steckte es in den Jackenärmel und richtete sich auf. Mit geradeausgerichtetem Blick legte sie die Hände in den Schoß und starrte die Wand an. Sie überlegte intensiv, schaute schließlich ihre große, robuste, brünette Freundin an. »Du sagst, ich soll mich von ihm trennen. Aber wo bleibe ich dann? Und ich kann doch nicht zur Polizei gehen und meinen eigenen Freund anzeigen. Nein, das mache ich nicht.«

»Du schmeißt ihn einfach raus«, entgegnete ihre Freundin entschlossen. »Es ist doch deine Wohnung.«

»Wie soll ich das denn tun? Und wo bleibt er dann?«

»Nachdem er dich so zugerichtet hat, sollte das deine geringste Sorge sein.« Romy schüttelte energisch den Kopf.

»Du verstehst das nicht.« Tabbys Stimme klang kläglich.

»Stimmt, ich kann nicht verstehen, weshalb du dir Gedanken darum machst, es könnte dem Typen, der dich einfach schlägt, schlecht gehen. Du müsstest ihm die Pest an den Hals wünschen! Ich tu das jedenfalls. Ich guck den nicht mehr von hinten an.«

Romy ist so mutig, sie traut sich, allein zu leben, dachte Tabitha. Und ich? Kann ich das nicht auch? Brauche ich André wirklich? »Darf ich heute Nacht bei dir bleiben?«

»Na klar, Süße. Und morgen setzt du ihn vor die Tür. Ich komme mit, damit er nicht noch mal handgreiflich wird.«

»Nein, das mache ich besser allein. Ich weiß schon wie und wann!« Das klang jetzt richtig entschlossen. Tabby war von sich selbst überrascht. Ja, ich sollte es wirklich tun. Ihr Herz klopfte vor Aufregung. Angst spürte sie erstaunlicherweise nicht.

Romy bereitete ihr die bequeme Couch vor. Dort schlief Tabby manchmal, wenn die Freundinnen sich verquatscht hatten. Kater Tyson schaute vergnügt und sprang sofort auf das Kopfkissen. Sein Frauchen hatte noch nicht einmal die Decke ausgebreitet. Tabitha lächelte. Heute Nacht musste sie nicht allein bleiben. Der Kater würde zu ihr kommen und sie in den Schlaf schnurren.

»Wirst du mir wieder untreu, Tyson?«, fragte Romy lachend. »Komisch, das macht er nur bei dir.« Die Frauen umarmten sich, dann verschwand Romy im Bad.

Kurze Zeit später hatte auch Tabitha ihre Abendtoilette erledigt und legte sich zu der Katze auf die Couch. An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Ihr ging durch den Kopf, wie sie im Neuen Café im Tiergarten gesessen hatte.

 

Sie hatte sich extra schön gemacht und das neue Kostüm getragen. Es kam nicht oft vor, dass André mit ihr ausging. Bescheuert war sie sich vorgekommen, als der Ober nach Stunden des Wartens zu ihr kam und ihr Kekse brachte, damit sie nicht vor Hunger vom Stuhl fiele.

Endlich hatte sie eingesehen, dass ihr Freund sie einfach vergessen hatte. Zu allem Überfluss war dieser merkwürdige Kellner direkt neben ihr gestolpert, der Rotwein auf dem Tablett kippte um und über ihr neues Kostüm. Wie blöd sie sich erst vorgekommen war, als sie André im Flur vorfand, wie er mit einem Taschentuch in seinem Gesicht herumwischte, und nach einem fremden, aufdringlichen Parfüm roch. Was für ein Scheißtag!

Am allerschlimmsten jedoch war, dass er sie mit vorwurfsvoller Stimme angegriffen hatte: »Wo kommst du jetzt her?«

»Das weißt du doch!«

»Hast eine Orgie gefeiert ohne mich, was?« Er verzog das Gesicht zu einem hässlichen Grinsen. Auf seiner rechten Wange waren rote Spuren zu erkennen.

»Ich? Du wischst dir doch Lippenstift ab und riechst nach Puff!«

Rumms.

Die Tränen waren ihr in die Augen geschossen, sie hatte sich gekrümmt und hielt sich das Gesicht. Es tat so weh! Nicht nur das Auge, nein, auch ihr Herz. Das war doch nicht ihr André?

 

Sie schaute auf das Handy. Was sie erwartet hatte, wusste sie nicht. Niemand hatte sie angeschrieben – niemand, auch André nicht. Dabei hatte er Gründe genug, sich bei ihr zu entschuldigen. Doch sein eisiges Schweigen sagte einiges aus. Offensichtlich wollte er sie nicht mehr.

Ein Krampf in ihrer Brust tat so weh, sie schluchzte und auch das schmerzte. Sie dachte an Romys Reaktion. Sie war wütend geworden, als sie erfahren hatte, was er Tabitha angetan hatte. War das nicht eigentlich die richtige Reaktion? Tabitha hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, aber ihr Freund. Ach, wie ungerecht.

Das war nicht umsonst, André, sagte sie sich. Morgen früh vor der Uni fahre ich nach Hause und stelle dir deinen Koffer vor die Tür. Ich lasse mich nicht ungestraft schlagen! Dann bin ich wieder Herrin über meine Wohnung, und du bleibst, wo der Pfeffer wächst! Kurz malte sie sich aus, wie sie auf seinen Untermietvertrag schrieb: Dieser Vertrag ist wegen eines tätlichen Angriffs auf die Wohnungsbesitzerin fristlos gekündigt.