Peter B. Zunke

Ein

Erlesenes

Ragout

Inhalt

DAS VERGESSENE OSTEREI

AUF REBHUHNJAGD

DER HÖHLENFORSCHER

DER SCHATZ

ÄPFEL

DER GÜLDENE STAB

DER RIESE

MARMELADENGEDANKEN

ALEXANDRA

SUPPE

RAVIOLI

SANDKUCHEN

AM PFANNKUCHEN-ECK

TOMATEN

SCHAUMKÜSSE

ZWETSCHGENKUCHEN

EINE PILZPFANNE

EIN ERLESENES RAGOUT

BURGUNDERBRATEN

DIETER KAUFT KUCHEN

DAS VERGESSENE OSTEREI

Das Ei war sehr aufgeregt. Am gestrigen Tag hatte man seine helle Schale mit bunten Farben bemalt, es sah mit seinen roten, blauen und goldenen Streifen richtig vornehm aus. Dann war es dunkel geworden, und als die ersten Morgenstrahlen durch das Küchenfenster gefallen waren, war das nun hübsch bemalte Ei mit anderen zusammen in eine Tüte gesteckt worden, ein kurzer Gang, und dann wurde das Ei in ein Bett aus Moos unter einem Baum abgelegt und eine tiefe Stimme sprach:

„Na denn, fröhliche Ostern!“

Das Ei war jetzt noch ein bisschen aufgeregter, es war ja auch ein Osterei geworden. Es lag da ganz behaglich in seinem Bett aus grünem Moos, die Sonne ließ die Farben, insbesondere das Gold, hell erstrahlen, und der Morgen breitete sich mit Vogelgezwitscher und zunehmendem Autolärm aus. Dann gab es auf einmal Kindergeschrei, zwei kleine Mädchen rannten mit leeren Bastkörbchen durch den Garten und suchten nach versteckten Osterüberraschungen, denn neben den bunt bemalten Ostereiern waren auch Eier aus Schokolade versteckt, und es gab Fondanthasen und Pralineneier und Schokoladenhasen und kleine bunte Eier mit Zuckerwasser gefüllt und und und.

Die beiden Mädchen bogen die breiten Büsche auseinander, suchten zwischen den Stapeln von aufgetürmten Backsteinen, unter den abgelagerten Ästen beim Schuppen, in der Dachrinne, stocherten in den Pflanzrillen der Beete, und immer, wenn eins der Mädchen etwas gefunden hatte, gab es juchzendes Geschrei, fröhliches Gekreisch und tosendes Gehüpf.

Doch plötzlich kam von Nord ein Regenschauer, der mit heftig geschleuderten Tropfen auf den Garten prasselte und Kinder wie Eltern hinein in das Haus drängte; dort saßen sie warm und trocken, beschauten sich die Ostergeschenke und sahen nur gelegentlich hinaus in das Grau und die immer stärker werdende Regenwand. Das Osterei unter dem Apfelbaum bekam nur hin und wieder einen Tropfen ab, die Äste beschirmten es ja gut. Erst am Abend, als die Sonne mit einem kleinen roten Rand hinter den Büschen und Sträuchern versank, hörte der Regen auf.

In der Nacht wurde es ein wenig kühler und das Osterei fröstelte, es war ja eher an Wärme gewöhnt. Aber als das erste Hellgrau des neuen Tages über den Himmel gekrochen kam, freute es sich, denn nun würden wieder die Kinder kommen und endlich endlich auch dieses eine Osterei finden und aufjauchzen und hüpfen und es wäre dann ein schöner Tag.

Aber zunächst geschah nichts. Dann immer noch nichts. Dann kroch gemächlich eine dicke schwarzbraune Kröte mit einer Haut voller kleiner Warzen einher, blieb vor dem Ei sitzen und zischte aus ihrem breiten Maul:

„Was bist du denn? Und so bunt bist du. Du warst ja noch nie hier im Garten.“

„Ich bin ein Osterei!“ sagte das Ei ganz stolz.

„Aha. Ein Ei also. Nun ja, und du heißt Ostern. Ich heiße Tusna. Ich komme vom Tümpel. Und so etwas buntes wie dich hab ich noch nie gesehen, noch nicht einmal, als ich noch eine Kaulquappe war. Und ich hab schon sehr viel gesehen, weißt du, ich kenne alles hier, alles was da kreucht und fleucht, und ich sag dir nur eines, nimm dich in acht vor den Drosseln. Wenn die dich sehen, ist es um dich geschehen. Aber die kommen erst am Nachmittag, wenn überhaupt. Da soll es ja ein paar Straßen weiter so eine neue Grube geben, voller Würmer, erst wollte ich da auch hin, aber dann hörte ich, dass sich dort allerlei Vogelgetier versammelt hat, und da bleibe lieber hier, denn Vögel und ich, wir vertragen uns nicht. Aber das liegt an den Vögeln. Nur an den Vögeln, damit wir uns recht verstehen. Nun, du scheinst da recht gut zu liegen, das Moos umhüllt dich aber nicht ganz, passt nur gut auf, dass dich keiner sieht, dem du schmecken kannst. Hrrrmm!“

Und damit kroch die Kröte langsam weiter.

Das Osterei wunderte sich ein wenig. Von Drosseln hatte es noch nie gehört. Aber es hatte ja auch noch nie eine Nacht im Garten gelegen und auch solch ein Tier oder Untier wie diese Kröte war dem Ei völlig neu.

Was für eine merkwürdige Welt das doch ist, dachte es gerade, als von links ziemlich flink ein blauschimmernder Panzer mit sechs Beinen herangekrochen kam. Eines der Beine kratzte das Ei und es sagte:

„Au!“

Der Panzer hielt inne, drehte sich und zwei blitzende Stielaugen über tastenden Fühlern beäugten das bunte Osterei.

„Na so was! Das ist ja ganz neu hier. Was soll denn das? Liegt hier mitten am Tag einfach so in der Gegend herum. Wo gibt`s denn das? Was machst du hier, na, komm, sag schon, wer bist du und was tust du hier?!“

Das Ei war ganz erschrocken, solch einen befehlenden Ton hatte es noch nie gehört. Also sagte es gehorsam mit bebender Stimme:

„Oh, ich… Ich bin ein Osterei und ich muss hier im Nest liegen, bis die Kinder mich finden.“

„Soso. Du bist also ein Osterei. Was auch immer das sein mag, aber du kannst hier doch nicht einfach im Weg rumliegen, also geschwind geschwind!! Ergreif dein Nest und zieh woanders hin. Hier nämlich liegst du mir mitten im Wege!“

„Aber ich kann doch nicht weg. Ich habe doch gar keine Beine!“

„Papperlapapp! Ich werde dir schon Beine machen. Ich bin der Käfer Herrmann und ich habe hier das Sagen. Also, auf auf, nimm dein Nest und wandle! Oder besser renne, bevor ich dich…“

„Aber es geht wirklich nicht, Herr Käfer, schauen Sie doch selber, ich kann einfach nicht weg, ich bin völlig beinlos.“

Die Stielaugen des Käfers gingen immer wieder heftig von oben nach unten und die Fühler zuckten hin und her.

„Tatsächlich. Keine Beine zu erkennen. Aber wie um alles in der Welt bist du denn hierher gekommen?“

„Das weiß ich auch nicht so genau. Man hat mich erst getragen und dann hier im Moos abgesetzt. Mehr kann ich nicht sagen.“

„Aha. Also stelle ich fest: keine Arme, keine Beine, kein Gedächtnis, nur einfach im weichen Moos liegen und mit all den Farben auf dem Leib protzen. du bist mir ein rechter Angeber. Mit dir ist ja sonst kein Staat zu machen, also bleib einfach hier liegen und verrotte so langsam. Ich hoffe, ich sehe dich nie wieder!“

Der Käfer gab sich selbst ein lautes Kommando, drehte sich und lief auf seinen starken Beinen davon.

Das Osterei aber erholte sich nur allmählich von dem barschen Ton des Käfers. Dann aber, der Tag wurde immer sonniger und mit der Wärme kam auch die Erwartung auf eine gute Zeit wieder, wurde das Osterei fast übermütig und es fühlte, wie seine Farben leuchteten und besonders das Gold blitzte, da begann es erst zu summen und dann zu singen, nicht sehr laut, aber mit Gefühl.

Etwas Braungraues kam über das Gras herangesprungen und setzte sich direkt vor dem Osterei zwischen die Baumwurzeln.

„Da mache ich meinen morgendlichen Rundgang und was muss ich hören, aus den Wurzeln ertönt Musik. Wer bist du denn und was machst du hier?“

„Ich bin ein Osterei und ich warte auf die Kinder, die mich abholen wollen.“

„Aha. Ein Osterei. Was auch immer das sein mag. Ich bin ein Kaninchen und heiße Jasper. Ich bin mit meiner Familie schon seit Jahren hier in den Höhlen und Gärten zu Hause, aber so etwas wie dich hab ich hier noch nicht gesehen.“

Das Kaninchen klimperte mit seinen großen blanken schwarzen Augen und schnupperte am Ei.

„Du bist ganz hübsch bunt, alles glitzert so. Das würde mir nicht gefallen, da wäre ich ja viel zu auffällig, die Menschen würden mich sofort sehen und noch mehr als bisher jagen. Pass auf, wenn…“

Da war ein Geräusch, etwas quietschte, dann klang es wie Scheuern, Holz auf Holz. Das Kaninchen presste sich in den Boden, legte die langen Ohren an, die Augen starrten ängstlich, etwas klapperte und dann konnte man ein Auto hören.

„Uff, das war knapp!“

Das Kaninchen wedelte heftig mit den Ohren und hüpfte einen halben Meter nach vorn.

„Noch mal Glück gehabt. Na denn, ich muss mal wieder.“

Und schon hüpfte das Tier durch den Garten und war durch ein breites Loch im Drahtzaun verschwunden.

Der Tag ging seinen Gang. Das Osterei lag und wartete auf die Kinder, aber die waren weder zu hören noch zu sehen. Statt dessen kamen ein paar Fliegen, einmal eine dicke Hummel, die sich auf das Ei setzte und mit ihrem Rüssel an den Farben saugen wollte, dann aber enttäuscht von dannen flog. Gegen Mittag wanderten ein paar dunkle Wolkenschatten über den Rasen, am Nachmittag flatterte ein gelber Schmetterling heran und setzte sich, putzte seine Beine und flog dann elegant weiter durch die warme Luft. Das Osterei schaute und schaute sehr interessiert auf alles, was sich da so im Garten, in seinem Blickfeld tat. Der Abend kam und noch immer wartete das Osterei auf die Kinder. Vergeblich.

Die haben mich vergessen, dachte sich das Ei. Und was soll ich nun machen? Ich kann doch nicht einfach so hier herumliegen. Das bunte Osterei gab einen kleinen aber lauten Seufzer von sich. Es fühlte sich unnütz und allein.

Die Nacht brach an, und in der letzten Stunde dieses Tages kamen dunkle mächtige Gestalten durch das Loch im Zaun: eine Rotte Wildschweine begann, den Rasen mit ihren Schnauzen zu zerpflügen und in den Beeten nach Mäusen und Würmern zu suchen. Ein kleiner Frischling trippelte zum Apfelbaum und sah das Ei, quietschte leise, seine Mutter, eine erfahrene Bache, kam sofort herbei und stellte sich an die Seite ihres Kindes.

„Mama, was ist denn das?“

„Ich bin ein Osterei!“ sagte das Ei ganz stolz.

„Soso.“

Die alte Bache blickte auf das Osterei, dann sagte es zu ihrem Frischling:

„Damit du es lernst, ein Ei ist ein Ei und es schmeckt gut. Probier mal!“

Und der Frischling hörte auf Mutters Ratschlag und das buntbemalte Osterei verschwand im Maul des jungen Wildschweins.

Es schmeckte ihm sehr gut.

Für Mareike Liemann erdacht

AUF REBHUHNJAGD

Ritter Arne van Dries saß erwartungsvoll auf seinem Rappen und schaute am Waldesrand hinunter auf die Ebene, wo in der Ferne eine dünne Rauchfahne zu sehen war. Dort lag sein Schloss. Jetzt wurde sicher gerade das Mittagsmahl serviert; sein Frau Marie, eine geborene von und zu Oldenburg, saß nun mit beiden Töchtern im zugigen Saal vor dem Kamin, denn es war Herbst geworden in den nordischen Landen. Arne seufzte und wandte dann sein Ross um, es ging hinein in den dunklen Wald. Er war auf der Suche nach Rebhühnern. Er hätte so gern für seine Familie am Sonntag etwas Besonderes an Wildpret mitgebracht, aber seit der großen Jagd im letzten Monat mit dem Kurfürsten und dessen Gefolge waren Hirsche, Rehe und Wildschweine wie vom Erdboden verschwunden. Da waren Arne die Rebhühner eingefallen; die waren zwar kleiner und man brauchte davon eine ganze Menge, wenn alle satt werden sollten, aber die gab es noch. Erst in der letzten Woche hatte er eine Gruppe dieser Federvögel auf dem Acker von Bauer Knudsen gesehen. Er ritt so fürbass und schaute sich um. Er war nur selten in seinen Wäldern, meist ritt er aus, um auf einem Turnierplatz um Pokal und Sieg und Ehre zu kämpfen, oder auf eine andere Burg, um ein Fest zu feiern, einen Geburtstag oder einen Todesfall. Dann kam er immer in seiner dunklen Rüstung, mit geputztem Helm, auf dem die dunkelrote Helmzier weithin leuchtete. Heute war er nur mit einem leichten Lederwams bekleidet und den beiden Dolchen, die er zum Ausnehmen der Rebhühner benötigen wollte. Zum Fangen hatte er ein paar lederne Schlingen an der Satteltasche, denn wie der Freisasse Kleinfeld unlängst beim Heueinladen erzählt hatte, kann man die schlauen Vögel am Besten mit Schlingen fangen, die man auf den Laufwegen der Tiere auslegt.

Langsam schritt sein Rappe dahin.

Arnes Blick suchte zwischen den Buchen, Erlen und Weiden nach irgendeinem Tier, aber da sah er absolut nichts. Er kam an den Rand der Melsdorfer Au, ein kleiner Bach, der sich von dem Hügel hinunter ins Tal schlängelte; der Rappe beugte den Hals und trank von dem frischen Wasser. Der Ritter stieg ab, um dem Tier den Weg etwas zu erleichtern, nahm die Zügel in die Hand und führte das Pferd jetzt querab vom ausgetretenen Pfad durch den Wald, über faulende Stämme, hohe Farne, durch mit braungrauen Blättern gefüllte Senken und schlammige Pfützen ging es für beide. Arne schwitzte ein wenig, denn hier im Schatten hatte sich eine Art Hitze angestaut, die ihm unerklärlich war. Es konnte aber auch sein, dass diese ungewohnte Art der Bewegung daran schuld war. Er sah weißliche Pilze in Gruppen, hörte gelegentlich ein leises Rufen oder ein heimliches Rascheln, aber nirgendwo erblickte er ein Lebewesen. Kein Eichkater hüpfte durch die Zweige, kein Specht hämmerte, eine Stille war das, ihm ungewohnt und doch aufregend, er konnte sogar sein eigenes Blut in den Ohren pochen hören.

Schritt um Schritt ging es weiter hinein in den lichten Wald, das Laub zu seinen Füßen raschelte, da, plötzlich: ein Igel schob sich nach rechts in einen hohlen Baumstumpf hinein, lautlos. Igel, da war doch was?

Richtig, der alte Freisasse Krause hatte ihm erzählt, dass die Zigeuner gern Igel essen:

„Wisst Ihr, Herr, sie töten das Tier, nehmen es aus und packen es ganz in Lehm ein. Dann kommt diese Lehmkugel in die Glut ihres Lagerfeuers, und nach etwa einer Stunde holen sie es wieder hervor und brechen den jetzt harten Lehmpanzer auf. Dann können sie das Fleisch des Tieres ohne Mühe verzehren, denn die Haut und die Stacheln stecken dann fest im Lehmpanzer.“

Aber für seine Familie war ein Igelessen wohl nicht das Richtige. Arne hielt das Pferd an und tätschelte ihm den Hals.

„Ja, mein Alter, da werden wir aber ziemlich dumm ausschauen, wenn wir ohne gute Beute heimkommen werden.“

Er dachte an seine Ehefrau, an Marie. Die war immer bestrebt, dem Alltag in der Burg etwas Farbe zu geben, und neben der Erziehung der Kinder war sie sehr um eine gute Küche bemüht, denn schon wie ihre Mutter konnte sie aus den simpelsten Vorräten etwas höchst Wohlschmeckendes herstellen. Natürlich mit Hilfe von Koch und Küchenhelfern, von Gärtner und Waldpfleger, die ihr zur Hand gingen und für frische Lebensmittel sorgten, je nach Jahreszeit oder Möglichkeiten; denn so oft kamen fremde Händler nicht in diese Gegend. Marie ging jeden Tag nach dem Frühstück hinunter in die große Schlossküche und besprach mit dem Koch das Essen. Wenn ein Fest bevorstand oder sonst Gäste erwartet wurden, dann saßen die beiden an dem langen weißgescheuerten Tisch und schrieben alles auf, was zu besorgen war, was gejagt werden sollte, was aus dem Schlossteich gefangen werden musste. Für Arne war es mitunter wie Zauberei, was die Marie auf den Tisch brachte, besonders ihre Bratensoßen waren sehr delikat.

Langsam schritt er weiter. Zwischen den Blättern der hohen Bäume konnte er gut den Sonnenstand ermessen, aber was sollte es ihm nutzen, die genauere Tageszeit zu wissen? Er suchte nach Beute, nach Nahrung für seine Frau und Kinder, und so wurde seine Laune immer düsterer, je weiter er in den Wald hineinkam.

Schließlich kam er auf einen Waldpfad, da konnte er wieder aufsitzen und in munterem Trab weiterreiten. Auch dem Ross schien es nun besser zu gefallen, denn mit frohem Schnauben folgte das brave Tier den Windungen des Weges.

Dann war auf einmal der Waldrand erreicht und Ritter Arne verhielt das Pferd, tätschelte ihm den Hals und schaute in die Landschaft.

Er bemerkte den hellen Rauch aus einem hingeduckten Bauerngehöft, das von einer Feldsteinmauer umgeben war, und ritt im Schritt darauf zu. Das war der Hof des freien Bauern Lorenz, dort holte seine Marie oft mit beiden Töchtern im Herbst die Honigkruken; denn mit Honig gesüßte Kirschlimonade war eine Spezialität der Beiköchin, und die Kinder sowie das gesamte Gesinde tranken nur zu gern von dieser Köstlichkeit.

Als Ritter Arne sich der Toreinfahrt schon ziemlich genähert hatte, hörte er das Gackern von Hühnern und dann endlich auch das Krähen eines Hahnes. Nun, warum denn nicht, dachte er bei sich, wenn ich keine Rebhühner fangen konnte, dann kann ich mir doch ein paar Hühner mitnehmen und sie dem Koch bringen. Der wird daraus dann schon ein rechtes Wildpret kochen können, mit einer scharfen Soße vielleicht oder aufgeteilt als eine Art Suppe mit viel rotem Wein oder so, was weiß denn ich. Das werde ich alles dem Koch überlassen, Hauptsache ist doch, dass wir alle etwas Gutes zu essen haben und Marie sehr überrascht sein wird.

Als er durch die Hofeinfahrt ritt, konnte er links den Hühnerstall mit dem Auslauf erkennen, der von einem kleinen Weidenzaun abgetrennt vom übrigen Hof war. Er ritt weiter an die Seitenfront des Langhauses. Dann zog er überrascht die Zügel fest an und der Rappe stand sofort und schnaubte.

Vor sich sah der Ritter die rotgestrichene Seitentür, hinter der die Küche des Hauses lag, wie er wusste. Davor saßen die Bäuerin Gerlinde mit ihrer Magd Urte und sie saßen inmitten eines Federgewirbels. Die beiden Frauen rupften Rebhühner, sie waren so vertieft in ihre Arbeit, dass sie den Reiter zunächst gar nicht bemerkten. Die Federn flogen nur so um Köpfe und Leiber, der Boden war schon bedeckt von ihnen. Ritter Arne stieg ab und grüßte. Da endlich blickten die Frauen auf und erhoben sich halb, Bäuerin Gerlinde winkte und sagte:

„Ich grüße Euch, Herr Ritter! Seid nicht böse, wenn ich keine ordentliche Verbeugung machen kann, aber mein Rücken. Ich bin schon froh, wenn ich hier der Urte zur Seite stehen kann und ihr helfe, die Hühner zu rupfen.“

Magd Urte sagte kein Wort, nickte nur kurz und rupfte dann weiter. Arne trat näher und fragte, wo denn die vielen Rebhühner hergekommen seien.

„Aber Herr, wollt Ihr Euch über uns lustig machen? Der Waldpfleger und Jagdaufseher hat sie uns gebracht. Er meinte, dass Eure Herrin, Frau Maria, solch eine Lust auf gebratenes Rebhuhn habe, sie könne einfach kein Schwein mehr auf der Tafel sehen, und für Rindfleisch sei jetzt noch nicht die Zeit gekommen, und Gänse sind ja erst zu Martini fällig. Also hat Eure Herrin den Jagdaufseher beauftragt, als kleine Überraschung für Euch, dass er Rebhühner fangen solle, und der brachte sie dann her, denn Frau Maria weiß sehr wohl, dass unsere Betten es bitter nötig haben, neue Federn zu bekommen. Die alten Daunen und Hühnerfedern sind seit zwei Jahren schon in den Laken und ganz klumpig geworden, besonders bei dem Bauern. Aber der wälzt sich ja auch so oft herum, es ist eine Schande. Und da dürfen wir alle Federn haben, wenn wir die Vögel gut gerupft in Eure Küche bringen lassen. So war der Handel mit dem Waldpfleger und Jagdaufseher.“

„Ah ja. Ich sehe schon, dass sich alles ganz trefflich eingerichtet hat. Ihr werdet bessere und wärmere Nächte haben, vor allem in diesem Winter, und wir werden auf der Burg ein gutes Mahl zu uns nehmen können, nicht wahr?!“

„Ganz gewiss, werter Herr! Ich denke, wir werden gegen Abend hier fertig sein und dann kann die Urte mit dem Gespann die Vögel in Eure Küche bringen.“

Ritter Arne nickte den beiden fleißigen Frauen zu, bestieg seinen Rappen und machte sich auf den Rückweg.

Das war wieder typisch für seine Frau. Maria war mitunter zu ungeduldig, auch mit den Kindern; es konnte ihr zuweilen nicht schnell genug gehen. Und er, nun, Arne hatte keine sehr hohe Meinung von sich, aber auch er musste zugeben, dass seine Frau Maria und er im Laufe der Jahre nun öfter die gleichen Ideen, die selben Gedanken hatten. Wie jetzt die Sache mit den Rebhühnern. Und so ritt er leicht schmunzelnd und frohen Gemütes zurück zur Burg.