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Mami Bestseller
– Staffel 5 –

E-Book 41-50

Marianne Schwarz
Cornelia Waller
Christiane von Torris
Lieselotte Immenhof
Anne Bodmann
Isabell Rohde

Impressum:

Epub-Version © 2021 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-844-2

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Leseprobe:
E-Book 41-50

Leseprobe

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie, bestehend aus 75 in sich abgeschlossenen Romanen. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung.

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Kein Vater für Conny?

Aber einer hat die Mami doch so lieb

»Also, dann auf Wiedersehen, Kleines, und ich wünsche dir einen guten Heimflug!« Der hochgewachsene dunkelhaarige Mann nahm das zierliche blonde Mädchen in die Arme und küßte es.

Astrid schloß die Augen und schmiegte sich an seine Brust. Eine unerklärliche Traurigkeit stieg in ihr auf, sie wünschte, dieser Kuß würde nie enden. Doch es half nichts, der Flug war aufgerufen, sie mußte sich beeilen.

»Wirklich auf Wiedersehen?« fragte sie, als Guido Brambeck sie freigab.

»Aber sicher, Dummerle«, lächelte er, und seine weißen Zähne blitzten in dem tiefgebräunten Gesicht. »In zwei Wochen bin ich ja auch wieder in Hamburg, dann rufe ich dich an, okay?«

Sie nickte und griff nach ihrem Handgepäck. »Bis bald also. Und danke für die zauberhaften Tage, Guido.«

»Und ich danke dir dafür«, murmelte er und strich ihr eine Locke aus der Stirn.

Astrid ging, und als sie nach ein paar Schritten umdrehte, hob er die Hand und winkte. Sie winkte zurück und wandte sich dann hastig wieder um. ­Tränen trübten ihren Blick, und das sollte er nicht sehen. Am Ende hielt er sie noch für ein überspanntes Gäns­chen, wo sie sich doch schon sobald wiedersehen würden!

Im Flugzeug bekam sie einen Fensterplatz. Sie schluckte krampfhaft, konnte aber nicht verhindern, daß ihr nun doch ein paar Tränen über die Wangen kullerten.

»Ja, ja, der Abschiedsschmerz«, hörte sie ihre Nachbarin mitfühlend sagen. Eine stark geschminkte Enddreißigerin, ein wenig zu sehr auf jung gemacht. »Vergessen Sie ihn, Kleine. Urlaubsbekanntschaften sind nicht von Dauer, ich spreche aus Erfahrung.« Sie verzog bitter den tiefrot geschminkten Mund.

Astrid trocknete hastig ihre Tränen. »Aber es gibt doch wohl auch Ausnahmen«, erwiderte sie gepreßt.

»Das dachte ich am Anfang auch immer, aber selbst wenn man sich zu Hause noch ein paar Mal wiedergetroffen hat, ist es am Ende doch im Sand verlaufen. Der eine wohnt im Norden, der andere im Süden, und man kann sich nicht so oft sehen oder…«

»Wir wohnen aber beide in Hamburg«, fiel Astrid ihr ins Wort.

»Glauben Sie wirklich dieser blendend aussehende Typ, von dem Sie sich gerade abschiedet haben, wird für den Rest seines Urlaubs allein bleiben?« Ihre Sitznachbarin lächelte spöttisch. »So einer kann doch an jeden Finger eine haben, und auf Ibiza gibt es um diese Zeit hübsche Mädchen wie Sand am Meer, die es so einem Mann doch so leicht machen.«

Astrid warf ihr einen zornigen Blick zu. Wenn diese alte Schachtel selbst schlechte Erfahrungen gemacht hatte, mußte sie anderen mit ihrem Pessimismus nicht auch noch das Herz schwermachen.

»Ich weiß, was Sie denken«, sagte die jetzt, »aber vielleicht werden Sie noch einmal an mich denken, obwohl ich es Ihnen wirklich nicht wünsche.«

Astrid antwortete nicht. Sie zog die Illustrierte aus ihrer Tasche, die Guido ihr auf dem Flughafen noch gekauft hatte, und vertiefte sich darin. Zumindest tat sie so, denn sie betrachtete nur gleichgültig die Bilder darin, während ihre Gedanken zurückwanderten.

Gleich am dritten Urlaubstag hatte sie Guido Brambeck kennengelernt. In einem der kleinen Straßencafés hatte er sich an ihren Tisch gesetzt, sie waren ins Gespräch gekommen und hatten gleich munter geflirtet. Sie war zutiefst beeindruckt, daß dieser gutaussehende Mann, dem alle Frauen nachblickten, sich für sie zu interessieren schien, wo es hier wirklich attraktive Mädchen in Hülle und Fülle gab. Es war nicht so, daß Astrid an Minderwertigkeitskomplexen litt. Daß sie hübsch war, hatten ihr schon andere Männer gesagt, und der Blick in den Spiegel sagte es ihr auch. Das hübscheste in ihrem feingeschnittenen Gesicht mit der kleinen geraden Nase und dem weichgeschwungenen Mund waren ihre mandelförmigen Augen, die so grün wie ein Bergsee und von einem Kranz langer dunkler Wimpern umgeben waren. Über ihrer Erscheinung lag der Schmelz der Jugend, denn sie war gerade neunzehn, und oft schätzte man sie jünger.

Auch Guido hatte sie siebzehn geschätzt und sich gewundert, daß sie ganz allein in Urlaub gefahren war. Er hatte die ältere Dame, die zuerst an ihrem Tisch gesessen hatte, für ihre Mutter gehalten, wie er lachend erklärt hatte. Und das zeigte Astrid, daß er sich keineswegs zufällig an ihren Tisch gesetzt haben konnte, sondern sie offenbar schon eine Weile im Auge gehabt hatte. Das schmeichelte ihr ebenso wie seine bewundernden Blicke und der Charme, mit dem er sich um sie bemühte.

Plötzlich bedauerte sie nicht mehr, daß ihre Freundin Ulla, die sie eigentlich hatte begleiten wollen, wegen einer Blinddarmoperation ins Krankenhaus gemußt hatte. Zunächst hatte sie den Urlaub sogar absagen wollen, aber er war gebucht, und ohne triftige Gründe konnte sie so kurz vorher nicht mehr zurücktreten.

»Du lernst auf Ibiza bestimmt Leute kennen«, hatte Ulla, die bereits einmal dort gewesen war, versichert. »Sollst sehen, vielleicht bist du noch ganz froh, daß ich nicht mitkommen konnte.«

Aber Astrid war ziemlich skeptisch losgeflogen, denn es lag ihr nicht, schnelle Kontakte zu schließen wie Ulla, die damit nie Schwierigkeiten hatte. Im nachhinein schien es ihr, als habe es so sein sollen.

Bis über beide Ohren hatte sie sich in Guido Brambeck verliebt, mit dem sie sich am nächsten Tag am Strand verabredet hatte. Von da waren sie unzertrennlich gewesen. Ohne lange zu überlegen, hatte sie Guidos Einladung angenommen, mit ihm auf seiner Jacht um die Insel zu schippern. Als er ihr erzählt hatte, daß er ein Segelboot besitze, hatte sie sich eine kleine Jolle vorgestellt und war aus allen Wolken gefallen, als sie das elegante Boot mit allem Komfort gesehen hatte. Inzwischen wußte sie, daß Guidos Vater eine Fabrik besaß und die Brambecks zu den oberen Zehntausend von Hamburg gehörten. Guido hatte Jura studiert und erholte sich gerade vom Schreiben seiner Doktorarbeit.

Natürlich war ihr von Anfang an bewußt gewesen, was für eine Kluft zwischen ihnen bestand. Was war denn eine kleine Friseuse gegen den Sohn einer solchen Familie!

Astrid hatte nach der Mittelschule eine Lehre als Friseuse begonnen, um ihrer verwitweten Mutter nicht länger auf der Tasche zu liegen. Später, so hatte sie sich gesagt, könnte sie dann immer noch Maskenbildnerin werden, denn sie wollte unbedingt etwas Kreatives machen, besaß alle Voraussetzungen dafür. Doch vor einem Jahr war die Mutter gestorben, sie war nun ganz auf sich gestellt gewesen. Ihr Chef hatte ihr nach der Gesellenprüfung angeboten, weiter bei ihm zu arbeiten, und sie hatte zugesagt und darauf verzichtet, gleich die Ausbildung zur Maskenbildnerin anzufangen. Immerhin war der Salon einer der besten in Hamburg. Sie arbeitete gern dort und verdiente nun auch recht ordentlich. So hatte sie sich diesen ersten Urlaub geleistet.

Guido war aufgeklärt darüber, was sie war, und er hatte ganz gelassen darauf reagiert. Was jemand mache, so meinte er, sei schließlich egal, wenn es ihm nur Spaß mache, und schließlich könne nicht jeder studieren.

»Wahrscheinlich ist es sogar befriedigender, Leute zu verschönern, als Paragraphen zu reiten«, hatte er grinsend hinzugefügt.

Keiner der jungen Männer, die sie kannte, war wie er, jeder Vergleich mußte zu seinen Gunsten ausfallen. So wünschte Astrid nichts mehr, als daß sich ihre Beziehung in Hamburg fortsetzen würde. Auch Guido wollte sie wiedersehen, wieder und wieder hatte er es ihr gesagt, und sie wollte sich von einer enttäuschten alten Jungfer, wie ihre Nachbarin vermutlich war, nicht irremachen lassen!

*

Drei Wochen waren vergangen. Seit einer Woche mußte Guido nun auch wieder in Hamburg sein, und täglich hatte Astrid auf seinen Anruf gewartet. Sie versuchte, nicht zu enttäuscht zu sein und redete sich ein, daß er sich schon noch melden würde. Wenn man von einer längeren Reise zurückkam, hatte man ja wieder einiges zu tun. Aber nachdem eine weitere Woche ohne eine Nachricht vergangen war, stiegen Zweifel in ihr auf. Hatte sie sich vielleicht verhört, wartete er am Ende darauf, daß sie sich zuerst meldete?

Sie wußte, Guido lebte noch in der Villa seiner Eltern, wo er eine eigene Wohnung in einem Anbau besaß und auch einen eigenen Telefonanschluß. Sie suchte die Nummer heraus, aber dort meldete sich niemand. Auch nicht zu Tageszeiten, da jemand eigentlich zu Hause sein mußte.

War ihm am Ende etwas zugestoßen? Schließlich überwandt sie sich und wählte die Privatnummer seiner Eltern. Irgendein dienstbarer Geist nahm ab, und sie fragte, ob Guido zu sprechen sei.

»Wer ist denn da bitte?« wollte die männliche Stimme wissen.

Astrid stutzte plötzlich. Klang sie nicht wie die von Guido? Sie nannte ihren Namen und bat, Herrn Brambeck junior auszurichten, daß er sie bitte anrufen solle.

»Ich werde es Herrn Brambeck ausrichten«, versprach der Mann am anderen Ende der Leitung und legte auf, noch ehe sie sich bedanken konnte. Auch seine letzten Worte erinnerten Astrid an Guidos Stimme. Das mochte Zufall sein, aber je länger sie darüber nachdachte, um so sicherer wurde sie. Und wenn ihre Vermutung stimmte, bedeutete es nichts anderes, als daß Guido sich verleugnete!

Als wiederum einige Tage vergingen, ohne daß er zurückrief, war sie dessen ganz sicher. Sie war tief enttäuscht. Wie billig, sich auf diese Weise zu verleugnen und nicht einmal den traurigen Mut zu haben, ihr offen zu sagen, daß er kein Interesse mehr habe, sie wiederzusehen!

Sie war für ihn nichts weiter, als ein kleines Urlaubsabenteuer gewesen, und er hatte trotz seiner Liebesschwüre immer gewußt, daß es so war!

Ulla war sehr mitfühlend und triumphierte nicht, weil sie recht gehabt hatte.

»Vergiß ihn«, beschwor sie sie, »so ein Mann ist nun mal nichts für Mädchen wie uns. Außerdem ist er ein Miesling, wenn er dich so abzuwimmeln versucht. Für so einen bist und solltest du dir viel zu schade sein.«

Astrid versuchte, sich das auch immer wieder klarzumachen, aber wenn sie abends im Bett lag und nicht schlafen konnte, mußte sie an die schönen Stunden unter südlicher Sonne, an Guidos Küsse und seine leidenschaftlichen Zärtlichkeiten denken. Er hatte sie erst richtig zur Frau erweckt, ihr Herz wollte einfach nicht glauben, daß nun alles aus und vorbei sein sollte!

Sogar im Dienst, während sie die Köpfe der Kundinnen verschönte, wanderten ihre Gedanken öfter zu ihm.

Die Damen, gewöhnt, daß »Fräulein Astrid«, wie sie hier gerufen wurde, immer so munter mit ihnen plauderte, wunderten sich, daß sie manchmal geistesabwesend war.

Ja, es schlug ihr regelrecht auf den Magen mit der Zeit. Besonders wenn sie mit scharf riechenden Essenzen zu tun hatte, wurde ihr öfter speiübel. Schon zweimal war es in der letzten Woche vorgekommen, daß sie sich bei der Kundin hastig hatte entschuldigen und zur Toilette hatte rennen müssen.

Heute, sie bediente gerade Frau Seidel, eine langjährige gute Kundin, überkam es sie wieder. Ihr Magen hob sich, sie sah im Spiegel, wie blaß sie wurde, und dann mußte sie auch schon wieder hinauseilen. Als sie zurückkam, sah Frau Seidel sie forschend an.

»Na, Fräulein Astrid, haben Sie das öfter?«

»Zumindest in letzter Zeit vertrage ich so starke Gerüche nicht mehr so gut«, erwiderte diese. Ihr war immer noch etwas flau.

»So war es bei mir, als ich in anderen Umständen war.« Frau Seidel lächelte. »Aber bei Ihnen können es natürlich ganz andere Ursachen sein.«

»Das denke ich auch«, nickte Astrid, doch plötzlich wurde ihr ganz weich in den Knien. Warum eigentlich, auch sie konnte ja… Lieber Himmel!

»Ich habe Ihnen doch nicht etwa einen Schreck eingejagt?« fragte Frau Seidel betroffen, als sie im Spiegel sah, wie verstört die junge Friseuse auf einmal dreinschaute.

»Na ja, an diese Möglichkeit habe ich überhaupt nicht gedacht«, murmelte Astrid.

»Aber Kindchen, heutzutage nehmen die jungen Mädchen doch die Pille, was sollte da passieren. Bei uns damals war das noch anders, aber Sie brauchen sich da doch keine Sorgen zu machen, oder?«

»Nein, nein«, sagte Astrid hastig und zwang sich zu einem Lächeln, »aber im ersten Augenblick bekommt man halt doch einen Schreck. Ich glaube, ich gehe mal zum Arzt, vielleicht habe ich es mit dem Magen wie meine Mutter.«

»Ja, so was vererbt sich oft, lassen Sie es nur nicht schleifen, damit nichts Chronisches entsteht.« Die Seidel sprach dann lang und breit über einen Fall in ihrer Verwandtschaft.

Astrid nickte nur manchmal, aber sie hörte gar nicht richtig zu.

Die Vorstellung, sie könne schwanger sein, schwanger von einem Mann, der nichts mehr von ihr wissen wollte, jagte ihr kalte Schauer über den Rücken.

Sie war froh, daß wenig später Feierabend war und sie gehen konnte. Sie traf sich mit Ulla, denn sie mußte mit jemandem darüber reden.

*

Ulla riet ihr, einen Test machen zu lassen, und der bestätigte ihren Verdacht! Astrid war völlig verzweifelt, aber als Ulla andeutete, daß sie dieses Kind ja nicht unbedingt bekommen müsse und es doch Mittel und Wege gäbe, das zu verhindern, wehrte sie entsetzt ab. Das Beispiel ihrer Tante Marlene, die in jungen Jahren zu einem Pfuscher gegangen war, stand ihr vor Augen. Seitdem hatte die Tante kein Kind mehr bekommen können, obwohl sie und der Mann, den sie später geheiratet hatte, es sich so sehnsüchtig gewünscht hatten.

»Tue so etwas nie, Kleines«, hatte sie die Nichte beschworen, als sie ihr in einer stillen Stunde diese Geschichte einmal gestanden hatte. »Wenn ich damals ein uneheliches Kind bekommen hätte, weil ich den Vater des Kindes nicht heiraten wollte, Herbert hätte mich auch mit dem Kind geheiratet, und wir hätten später noch weitere Kinder bekommen können. Nie wieder habe ich in meinem Leben etwas so bitter bereut wie meine damalige Feigheit. Ich dachte, ich schaffte es nicht, ein Kind allein aufzuziehen, weil ich noch so jung war. Aber du weißt ja, man schafft mehr als man oft glaubt.«

Tante Marlene, sie würde sie verstehen! Astrid fuhr sofort nach Pinneberg, wo Tante Marlene, inzwischen verwitwet, ein kleines Wollgeschäft betrieb. Die jüngere Schwester ihrer Mutter hing sehr an ihr, sie war die einzige Verwandte, zu der Astrid noch einen innigen Kontakt hatte. Zunächst war sie auch etwas erschüttert, als Astrid beichtete, wie es um sie stand und ihr von Guido erzählte, aber dann reagierte sie so, wie Astrid erhofft hatte.

»Du wirst das Kind bekommen, ob mit oder ohne Vater«, erklärte sie resolut. Sie redete Astrid zu, Guido zumindest wissen zu lassen, daß sie schwanger wäre. »Habe bloß keinen falschen Stolz, Kindchen, du wirst diesen Kerl doch nicht aus seiner Verantwortung entlassen? Wenn er dich nicht heiraten will, was aus seinem Verhalten fast anzunehmen ist, dann soll er wenigstens für das Kind bezahlen. Ich finde, du bist es auch dem Kind schuldig, den Vater nicht zu verschweigen, und bedenke auch, daß jetzt uneheliche Kinder erbberechtigt sind.«

»Als ob es mir darum ginge, Tante Marlene!« meinte Astrid betroffen.

»Jetzt vielleicht nicht, aber später wirst du noch einmal froh sein. Im übrigen schlage ich vor, daß du dann zu mir ziehst und dir hier eine Stellung suchst. Zusammen schaffen wir es schon, da bin ich ganz sicher. Später, wenn es größer wird, suchen wir uns jemanden, der ins Haus kommt und das Kleine betreuen kann. Weißt du, ich freue mich jetzt eigentlich auf das Kind. Wie schön, daß es mir wenigstens noch vergönnt ist, so ein kleines Wesen aufwachsen zu sehen.« Tante Marlene blickte ganz versonnen drein.

Auch Astrid fühlte sich nach dem Gespräch mit ihr sehr erleichtert und war nun wieder viel zuversichtlicher. Sie beschloß, Guido brieflich mitzuteilen, daß er Vater wurde.

Es fiel ihr nicht leicht, diesen Brief zu schreiben. Die ersten Entwürfe wanderten in den Papierkorb, bis sie schließlich zufrieden war. Sie beschränkte sich darin auf die ganz sachliche Mitteilung, stellte keine Forderung und von Gefühlen war auch nicht die Rede.

»Das hast du gut gemacht«, nickte Tante Marlene anerkennend, als sie ihn gelesen hatte, »damit vergibst du dir nicht das Geringste. Aber schick ihn als Einschreiben, damit er nicht behaupten kann, ihn nie bekommen zu haben.«

Das tat Astrid, aber erst zwei Wochen später, jeden Tag war sie gespannt zum Briefkasten gelaufen, kam eine Antwort. Nicht von Guido selbst, sondern von seinem Anwalt!

Dieser teilte ihr in dürren Worten mit, daß sein Mandant die Anerkennung der Vaterschaft verweigere und es unter Umständen auf einen späteren Prozeß ankommen lassen würde!

Astrid war völlig geschockt über so viel Kaltschnäuzigkeit. In diesem Augenblick erstarben die Gefühle, die sie trotz allem noch für diesen Mann gehabt hatte.

»Dann soll es nur zum Prozeß kommen«, meinte Tante Marlene empört, »du wirst nicht nachgeben, Kind, dafür sorge ich! Die wollen dich doch nur ins Bockshorn jagen, weil sie glauben, daß du nicht den Mut hast, die Sache durchzuboxen. Wenn sie merken, daß du dazu entschlossen bist, werden sie klein beigeben, da bin ich fast sicher.«

»Dazu muß das Kind erst einmal da sein, Tante«, erwiderte Astrid, »und ob ich die Nerven habe, das durchzustehen, weiß ich wirklich noch nicht.«

»Damit die denken, du bist deiner Sache am Ende nicht sicher?«

»Ach, Tante Marlene, was die denken, ist mir herzlich egal.«

»Wir werden ja sehen, wenn es soweit ist«, beendete diese die Debatte, aber ihre entschlossene Miene verriet, daß sie nicht ruhen und rasten würde, bis die Nichte sich zu diesem Schritt entschloß.

Wenige Wochen später zog Astrid zu ihr in das hübsche alte Häuschen, das vor einigen Jahren vollständig renoviert worden war. Platz für zwei und später auch drei war reichlich vorhanden.

Ihr Chef, dem sie alles gestanden hatte, reagierte großartig. Er bat sie, so lange zu bleiben, wie es das Gesetz vorschrieb und beschwor sie, auch später, wenn das Kind geboren war, weiterhin bei ihm zu bleiben, denn auf so eine gute Kraft wolle er auf keinen Fall verzichten, erklärte er. Er bewunderte ihren Mut, das Kind zu bekommen.

»Sollte jemand von den Kolleginnen oder Kunden darüber ein Wort verlieren, bekommen sie es mit mir zu tun!« drohte er.

Aber das erwies sich als unnötig, alle waren sehr nett zu Astrid. Mit der Zeit begann sie, sich auf das Kind zu freuen. Sie schwor sich, ihm Mutter und Vater zugleich zu sein und alles zu tun, damit das kleine Wesen nie etwas entbehren mußte.

*

So vergingen einige Monate. Man sah ihr ihren Zustand bereits an, und natürlich gab es Kundinnen, die arglos wissen wollten, ob sie denn inzwischen verheiratet sei. Offen bekannte Astrid sich dazu, daß sie ihr Kind ohne den Vater bekommen würde, und sie erlebte so gut wie nie, daß man sie deswegen schief ansah. Nur einmal hatte sie ein Erlebnis, das sie eine Zeitlang durcheinander brachte. Eine ihrer Kundinnen, die nur von ihr frisiert werden wollte, war Christina Jansen, die Tochter eines Reeders. Sie mochte zwei, drei Jahre älter sein als sie selbst, war ein gutaussehendes dunkelhaariges Mädchen, das immer sehr nett zu ihr war.

Auch heute war sie wieder sehr zufrieden mit der neuen Frisur, die Astrid ihr vorgeschlagen hatte.

»Toll haben Sie das gemacht, Fräulein Astrid!« lobte sie, als sie ihr den Handspiegel gereicht hatte, damit sie sich von allen Seiten betrachten konnte. Dann wurde sie ein wenig verlegen. »Frau Astrid, sollte man Sie jetzt wohl anreden, nicht?« fügte sie hinzu, während ihr Blick an ihr hinunterging. Die lose Bluse, die Astrid trug, verbarg ihren Zustand nicht mehr.

»Ach, lassen Sie es nur dabei, Fräulein oder Frau, was macht das schon«, lächelte Astrid.

Christina Jansen begab sich zur Kasse, und Astrid brachte ihrem Chef das Zettelchen, auf dem angekreuzt war, was gemacht worden war. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ein hochgewachsener Mann trat ein.

Astrid stand sekundenlang wie erstarrt und spürte förmlich, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Es war Guido!

Er sah sie nicht gleich, weil er auf Christina Jansen zuging und ihr lächelnd auf die Schulter tippte. Sie fuhr herum.

»Ach, du bist es, Liebling!« rief sie erfreut, und dann küßten sich die beiden ungeniert.

Dann erst entdeckte Guido das Mädchen im Hintergrund, das ihn so fassungslos anstarrte. Das Blut schoß ihm ins Gesicht, hastig wandte er sich ab.

»Können wir gehen?« fragte er Christina, und seine Stimme klang etwas belegt.

»Kein Wort zu meiner neuen Frisur, typisch Mann«, schmollte Christina. »Dabei hat Fräulein Astrid sich heute selbst übertroffen.«

»Aber du schaust doch immer zauberhaft aus«, murmelte er, legte den Arm um ihre Schultern und wollte sie hinausdirigieren.

»Warte, ich muß doch noch die Rechnung bezahlen!« Christina holte ihre Geldbörse heraus.

Astrid drehte sich abrupt um und ging grußlos wieder nach hinten. Etwas betroffen blickte Christina ihr nach, denn sie hatte ihr noch ein Trinkgeld geben wollen. Es fiel immer sehr großzügig aus, und so tat sie es diesmal in die Spardose, die für jede der Friseusen auf einem Regal stand.

»Auf Wiedersehen, Fräulein Jansen!« Brinkmann, Astrids Chef, geleitete die gute Kundin zur Tür und öffnete sie.

Astrid war außerstande, sich gleich der nächsten Kundin zu widmen, die schon in der Kabine wartete. Sie begab sich in den gemütlichen kleinen Aufenthaltsraum und ließ sich dort auf einen Stuhl sinken.

Christina Jansen war also Guidos Freundin, daran gab es keinen Zweifel! Ein Mädchen aus seinen Kreisen, mit dem sie sich natürlich nicht messen konnte. Wie peinlich diese überraschende Begegnung ihm gewesen war, war nicht zu übersehen. Das Mädchen, mit der er eine Liebschaft gehabt hatte, war die Friseuse seiner Freundin, was für eine blöde Situation!

Als sie am Abend der Tante davon erzählte, konnte sie es schon wieder mit einem spöttischen Lächeln tun.

*

Drei Monate später wurde Astrids Kind, ein gesundes kleines Mädchen, geboren. Es war keine leichte, aber eine komplikationslose Geburt, und als Astrid erschöpft ihr Kind im Arm hielt, war sie so glücklich wie jede junge Mutter.

»Was für ein entzückendes Baby«, fanden alle, und Tante Marlene war vom ersten Augenblick verliebt in ihr kleines Großnichtchen, das den Namen Constanze tragen sollte.

Schon am Tag nach der Geburt, als das Kind auf dem Standesamt angemeldet werden sollte, mußte Astrid sich entscheiden, ob sie den Namen des Vaters angeben oder verschweigen wollte. Sie zögerte sekundenlang, als die Kliniksekretärin die entscheidende Frage gestellt hatte.

»Geben Sie ihn an, Frau Hollmann«, sagte diese, der ihr Zögern nicht entging. »Sie tun Ihrem Kind keinen Gefallen, wenn in seinen Akten immer wieder das ›Vater unbekannt‹ steht, glauben Sie mir.«

»Also gut.« Astrid gab sich einen Ruck und nannte Guidos Namen.

»Brambeck? Von der Firma Brambeck und Co.?« fragte die Sekretärin erstaunt, denn die Firma war bekannt in Hamburg.

Astrid nickte nur.

Nun mochten die Dinge, die zweifellos unangenehm sein würden, ihren Lauf nehmen! Das Jugendamt würde Guido von sich aus wegen Unterhaltszahlung anschreiben, wie ihr die Sekretärin erklärte.

»Und wenn Sie dabei bleiben, daß Brambeck der Vater ist, werden Sie notfalls einen Prozeß anstrengen, falls er es bestreiten würde.«

»Ich fürchte, das wird er«, seufzte Astrid.

»Da bin ich nicht so sicher. Solche Herrschaften scheuen öffentliche Skandale«, lächelte Frau Melchior, die damit ihre Erfahrungen hatte.

Und sie sollte Recht behalten! Offenbar war man sich im Hause Brambeck über die Folgen eines solchen Prozesses im klaren und wollte es nicht darauf ankommen lassen. Überraschend erkannte Guido die Vaterschaft an. Das bedeutete, daß er auch Unterhaltszahlungen für die kleine Constanze zu zahlen hatte, die angesichts der Vermögenslage der Familie nicht kleinlich angesetzt wurden.

Im Familienkreis empfand man das Ganze als höchst ärgerlich. Seine vornehmen Eltern waren schockiert, als er sich gezwungen sah, es ihnen zu beichten. Natürlich war ihnen klar, daß die Unterhaltszahlungen für das Kind noch das Geringste waren.

»Das Kind wird eines Tages erbberechtigt sein, so wie deine ehelichen Kinder, die du einmal haben wirst, das weißt du wohl«, brummte Albert Brambeck, Guidos Vater.

»Ich bin schließlich Jurist, Vater. Deshalb dachte ich ja auch daran, die Vaterschaft nicht anzuerkennen.«

»Den Skandal können wir uns nicht leisten. Was würde denn auch Christina sagen, wenn es ihr zu Ohren käme. Nein, nein, es war schon gut, daß du es nicht darauf hast ankommen lassen. Aber sage mal, zweifelst du eigentlich selbst, daß das Kind nicht von dir ist?«

»Nein…, eigentlich nicht«, gestand Guido stockend.

»Und was macht dich so sicher?« fragte seine Mutter, eine noch jugendlich wirkende Anfangfünfzigerin, spitz. »Ein Mädchen, das so schnell mit einem Mann intim wird, kann doch wohl…«

»Ich war der erste Mann in ihrem Leben, Mutter«, fiel Guido ihr ins Wort.

»Wirklich?« Überrascht sah sie ihn an, denn diese Tatsache entsprach so gar nicht dem Bild, das sie sich von diesem Mädchen gemacht hatte. Es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte in ihr ein leichtfertiges Frauenzimmer sehen können.

»Wirklich«, nickte er ironisch.

»Nun gut, das mit den Alimenten tut uns nicht weh, aber kann man nicht verhindern, daß das Kind später erbt? Irgendeine Gesetzeslücke müßtest du als Jurist doch ausfindig machen.«

»Wir werden sehen. Vielleicht ändert sich noch etwas, bevor es soweit ist. Zunächst erfreut ihr euch noch bester Gesundheit, und ich hoffe, die Tradition unserer langlebigen Vorfahren auch fortsetzen zu können«, grinste Guido etwas schief. »Notfalls kann man schon zu Lebzeiten durch Schenkungen das Erbe wesentlich reduzieren.«

»Hoffentlich redet das Mädchen nicht überall herum, daß du der Vater ihres Kindes bist. Ich überlege, ob man ihr nicht eine gewisse Summe Geldes anbieten sollte, damit sie den Mund hält«, meinte Albert Brambeck stirnrunzelnd.

»Ich glaube nicht, daß das nötig ist, Vater. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn Astrid Hollmann daraus Kapital zu schlagen versuchte.«

»Du scheinst eine gute Meinung

von ihr zu haben. Ich will doch nicht hoffen, daß du noch Verbindung mit ihr hast?«

»Unsinn! Für mich war das nie mehr, als ein kleines Abenteuer.«

»Und das Mädchen? Hast du ihr das auch von Anfang an klargemacht?«

Eine leichte Röte stieg Guido ins Gesicht. »Mein Gott, Vater, du weißt doch wohl noch aus eigener Erfahrung, was man halt so redet, wenn man ein bisserl verliebt ist. Versprechungen in bezug auf Ehe oder so habe ich jedenfalls keine gemacht. Aber für so ein naives kleines Mädchen ist offenbar schon eine Liebeserklärung so eine Art Heiratsversprechen. Ich hatte ihr versprochen, mich mal zu melden, wenn ich wieder da bin, das war es eigentlich auch.«

»Mich wundert nur, daß sie unter diesen Umständen das Kind überhaupt bekommen wollte. Ich meine, man hätte doch etwas unternehmen können. Das macht mich stutzig. Vielleicht war da doch Berechnung bei.«

»Glaube ich nicht, Vater. Ich sage dir ja, das Mädchen ist ziemlich naiv und romantisch, hätte es wohl als Sünde angesehen, etwas zu unternehmen.«

»So was gibt es heute noch«, bemerkte Hildegard Brambeck kopfschüttelnd. Und erst jetzt wurde ihr bewußt, daß das kleine Mädchen, das da geboren war, ihr Enkelkind war, ob Guido nun mit seiner Mutter verheiratet war oder nicht. Sekundenlang überlegte sie, ob sie nicht einfach ins Krankenhaus gehen und sich das Kind einmal ansehen sollte. In welchem Krankenhaus die Entbindung stattgefunden hatte, mußte schließlich zu erfahren sein, und es gab sicher mehr Besucher, die das Kind zu sehen verlangten. Doch dann fiel ihr ein, daß man heute wieder dazu übergegangen war, die Neugeborenen zu den Müttern ins Zimmer zu geben. Rooming-in nannte man das nun. Also war es gar nicht möglich, das Kind heimlich anzusehen. Und überhaupt, es war wohl auch besser so, sonst wurde man am Ende bloß noch sentimental!

*

»Ich werde das Geld für Conny nie angreifen«, erklärte Astrid, als die erste Zahlung auf einem eigens dafür eingerichteten Konto eingegangen war. Conny, so nannte sie ihr Töchterchen jetzt zärtlich.

»Das brauchst du ja auch nicht«, stimmte Tante Marlene ihr zu, die mit der Entwicklung der Dinge sehr zufrieden war. »Wenn du das Geld sparst und dann immer gut anlegst, hat unser kleiner Goldschatz eines Tages ein schönes Startkapital für eine solide Berufsausbildung. Vielleicht kann sie sogar einmal studieren.«

Astrid lachte. »Wie weit du schon vorausdenkst, Tantchen!«

Conny entwickelte sich prächtig, war ein lebhaftes, aber kein problematisches Baby. Ein halbes Jahr durfte Astrid sich ihr uneingeschränkt widmen, und sie genoß diese Zeit.

In dieser Zeit las sie in der Zeitung die Heiratsanzeige von Guido Brambeck und Christina Jansen. Sie erschien großformatig, auch im Namen beider Eltern, und auch Guidos frischerworbener Doktortitel wurde nicht verschwiegen. Astrid blieb ganz gelassen, es gab ihr nicht den geringsten Stich, wie sie erleichtert feststellte. Mochte er mit Christina Jansen glücklich werden, sie konnte es ihm jetzt sogar wünschen.

Keine noch so gute Heirat und kein Geld der Welt konnten sie glücklicher machen, als ihr Kind. Klein-Connys erstes Lächeln, ihre zunehmenden Reaktionen auf die Umwelt, empfand sie immer wieder als ein Geschenk.

Es fiel ihr zunächst schwer, wieder arbeiten zu gehen, obwohl sie die Kleine bei der Tante und der Kinderfrau, die zu deren Entlastung noch stundenweise ins Haus kam, in den besten Händen wußte. Doch es mußte nun einmal sein, und schließlich machte ihr ihre Arbeit nach wie vor Freude. Sie wollte sobald wie möglich ihre Meisterprüfung machen und träumte insgeheim davon, sich später einmal selbständig zu machen.

Vier Jahre vergingen, und inzwischen stand Astrid vor der Verwirklichung dieser Pläne. Gerade hatte sie ihre Meisterprüfung mit bestem Erfolg bestanden, auf die sie zielbewußt hingearbeit hatte.

Klein-Conny war nun viereinhalb Jahre alt, ging bereits in den Kindergarten und hatte sich zu einem niedlichen kleinen Mädchen entwickelt. Die Ähnlichkeit mit ihrem Vater war unübersehbar. Sie war dunkel wie er, besaß aber die grünlichen Augen der Mutter, war ein graziles, lebhaftes Geschöpfchen. Ein Sonnenscheinchen, wie Tante Marlene immer liebevoll sagte. Sie verwöhnte Conny manchmal fast ein wenig zu sehr, wie Astrid fand, aber im allgemeinen gab es keine Probleme in Erziehungsfragen zwischen der älteren und der jungen Frau.

Conny hing sehr an ihrer Mami und nicht weniger an Tante Mali, wie sie sie liebevoll nannte. Einen Vater vermißte sie bis jetzt nicht, obwohl sie durch den Kindergarten gemerkt hatte, daß andere Kinder einen besaßen, sie aber nicht.

Einmal hatte sie wissen wollen, warum das so sei. Auf diese Frage hatte sich Astrid vorbereitet, früher oder später hatte sie sie ja erwartet. Behutsam hatte sie der Kleinen erklärt, daß ihr Papa ganz weit fort sei, und damit hatte Conny sich zufriedengegeben. Später, wenn sie in die Schule käme, wollte sie ihr dann wieder ein wenig mehr erklären und so offen wie möglich sein.

Astrid besaß inzwischen ein eigenes Auto, so war sie schneller am Arbeitsplatz und wieder zu Hause, zumal sie ja dann auch noch die Meisterkurse belegt hatte. Dort hatte sie einen netten Kollegen und seine Frau kennengelernt, mit denen sie sich angefreundet hatte. Wie sie, hatten Peter und Silvia Hartmann bereits mehrere Preise im Schaufrisieren gewonnen. Auch sie planten, sich selbständig zu machen. So ergab es sich zwangsläufig, daß sie beschlossen, zusammen diesen Schritt zu wagen, ihre Ersparnisse in einen Topf zu werfen. Auch Tante Marlene bestand darauf, noch einen Zuschuß von ihren Ersparnissen zu geben.

»Du bekommst sowieso, was ich zu vererben habe, warum nicht jetzt schon einen Teil davon, wo du es am dringendsten brauchst«, hatte sie gemeint, als Astrid zunächst protestiert hatte.

Zusammen ging man auf die Suche nach einem geeigneten Laden in der Innenstadt von Hamburg. Man war sich einig, daß es ein kleiner, aber exclusiver Salon werden sollte. Nur mit ein oder zwei Lehrlingen, ohne weiteres Personal, schließlich waren sie zu dritt. Ganz ohne einen Kredit war das nicht möglich, aber sie wollten ihn so schnell wie möglich tilgen.

In diesen Tagen rief Peter Hartmann Astrid an und bat sie, sich mit ihnen einen Laden anzusehen.

»Er ist super, du wirst staunen!« rief er freudig erregt und verriet nur noch, daß er ihn durch den Tip eines Freundes gefunden hatte.

Es war ein Glücksfall, wie Astrid dann später feststellte. Ein kleines Eiscafé war bis dahin darin gewesen, dessen Besitzer sich ein größeres Objekt gesucht hatte. Die Lage war hervorragend in einer belebten Seitenstraße des Fußgängerzentrums, die Miete noch erschwinglich. Sie planten sechs Bedienungsplätze, dazu einen abgeteilten Raum für kosmetische Behandlungen und eine gemütliche Warteecke. Auch für ein Entree mit Verkaufsabteilung blieb noch genug Platz. Ein kleines Hinterzimmer zur persönlichen Benutzung und ein kleines Lager war auch vorhanden.

Bereits am Tag der Eröffnung, den sie festlich begannen und dafür auch Sonderpreise angesetzt hatten, konnten sie über Mangel an Kunden nicht klagen. Zu ihnen gehörte auch Christina Brambeck. Nach wie vor wollte sie von Astrid bedient werden, und als sie hörte, daß diese sich selbständig machen wollte, erklärte sie sofort, daß sie dann weiterhin zu ihr kommen würde. Es war ganz deutlich, daß Guido ihr sein uneheliches Kind verschwiegen hatte. Zumindest hatte er ihr nie gesagt, wer die Mutter war, denn sie gab sich Astrid gegenüber völlig arglos.

Astrid hatte mit Peter und Silvia ausgemacht, daß sie künftig nur an vier Tagen in der Woche arbeiten wollte. Montags war das Geschäft ohnehin geschlossen, und auch dienstags war es in der Regel noch ein wenig ruhiger. So hatte sie drei volle Tage, an denen sie sich ihrem Töchterchen widmen konnte, denn das war ihr wichtiger als alles andere.

Schon nach wenigen Wochen gingen ihre Berechnungen auf. Der Salon lief hervorragend! Sie besaßen einen exclusiven Kundenkreis, darunter auch einige Prominente, wie Schauspielerinnen und Sängerinnen und viele Damen der besten Kreise.

»Ich habe ein wenig die Werbetrommel für Sie gerührt«, verriet Christina Brambeck ihr, als sie das erste Mal kam.

»Das ist sehr nett von Ihnen, Frau Brambeck«, lächelte Astrid erfreut.

»Nun, ich konnte es ja guten Gewissens tun. Schade, daß Sie keinen Herrensalon haben, dann hätte ich Ihnen auch meinen Mann geschickt.«

Der wäre bestimmt nicht gekommen, dachte Astrid, aber sie hob nur bedauernd die Schultern und erklärte, daß sie sich nun einmal auf die Damen spezialisiert hätten.

»Unheimlich schön haben Sie alles gestaltet. Das hat sicher eine Menge Geld gekostet, nicht?«

»Es war nicht ganz billig«, gab Astrid zu, »aber wir hoffen, unsere Schulden so schnell wie möglich abtragen zu können.«

*

Ein gesellschaftliches Ereignis stand bevor, und so war in diesen Tagen Hochbetrieb im »Frisierstübchen«, wie man den Salon in bescheidener Untertreibung genannt hatte.

Auch Christina Brambeck hatte sich angemeldet und ließ sich von Astrid eine elegante Abendfrisur legen. Astrid fand, daß sie etwas müde aussah, sie plauderte auch nicht so lebhaft wie sonst. Ob sie wohl Kummer hatte? Mit ihrem Ehemann womöglich? Über Persönliches sprach Christina nie, und natürlich fragte Astrid auch nicht, sie war ja nur froh darüber.

Astrid hatte ihr gerade die Haare gewaschen, als Conny hereingestürmt kam.

»Mami, Tante Mali hat mir neue Schuhe und ein Kleidchen gekauft!« strahlte Conny und wies auf ihre Einkaufstüte, die sie in der Hand trug. »Soll ich es dir mal zeigen?«

Tante Marlene steckte den Kopf in die Kabine. »Entschuldige, Astrid, sie wollte unbedingt hereinschauen«, sagte sie ein wenig schuldbewußt. Sie wußte ja, heute war viel zu tun.

»Herzelein, ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Du zeigst mir alles nachher, wenn ihr mich abholt, ja?« Astrid beugte sich zu ihr hinunter, küßte sie und gab ihr einen liebevollen Klaps. »Und nun lauf wieder, sei so lieb!«

»Das ist also Ihr Töchterchen?« Christina Brambeck wandte sich um und streckte Conny die Hand hin. »Willst du mir nicht guten Tag sagen, du Süße?«

Conny gab ihr wohlerzogen die Hand. »Macht meine Mami dich

hübsch?« fragte sie unbefangen.

»Ja, Kleines, und das macht sie immer ganz toll«, lächelte die junge Frau. »Wie heißt du denn?«

»Constanze, aber du darfst Conny zu mir sagen«, erwiderte Conny zutraulich.

»Wie alt bist du?«

»Bald werde ich schon fünf«, antwortete Conny stolz und reckte sich. »Am 1. Mai habe ich nämlich Geburtstag, weißt du?«

»Nun, dann mußt du aber noch ein bißchen warten«, lächelte Christina amüsiert. »Aber ich werde es mir merken.«

»Schenkst du mir dann was?«

»Ich bitte dich, Schatz, so was sagt man doch nicht«, ermahnte Astrid ihr Töchterchen lächelnd.

Sie fühlte sich etwas beklommen. Wenn Christina Brambeck wüßte, wer der Vater von Conny war, würde sie wohl kaum so freundlich mit ihr sprechen!

»Aber nein, lassen Sie sie doch, sie ist so reizend«, lächelte Christina entzückt und strich Conny über die dunklen Locken. »Was wünscht du dir denn zum Geburtstag, Conny?«

»Ein Fahrrad«, kam es prompt. »Weil ich nämlich schon viel zu groß für ein Dreirad bin«, fügte sie auch gleich erklärend hinzu.

»Ein unbescheidenes Kind, wie Sie sehen!« Astrid lachte.

»Unschreiben, was ist das, Mami?« piepste Conny.

»Unbescheiden heißt es, und das ist man, wenn man sich so große Geschenke wünscht, die viel Geld kosten, Herzchen«, belehrte sie ihre Mami.

Bestürzt blickte Conny sie an. »Dann…«, sie dachte angestrengt nach, »dann wünsche ich mir eben Rollschuhe. Sind die auch teuer?«

»Nein, die sind nicht so teuer«, erwiderte Christina schnell, bevor Astrid etwas sagen konnte. »Und ich glaube, aus meiner Kinderzeit habe ich noch welche auf dem Speicher, die noch wie neu sind. Soll ich mal nachsehen und sie deiner Mami geben, wenn ich sie finde?«

Bevor sie nickte, warf Conny dieser erst einen fragenden Blick zu.

»Au ja, das wäre fein!« strahlte sie, als Astrid gewährend nickte.

»Was für ein reizendes Kind«, wiederholte Christina Brambeck, als die Kleine mit Tante Marlene wieder abgezogen war. »Sie sind zu beneiden, Frau Hollmann.« Ein Schatten flog über ihr Gesicht.

Astrid wußte, daß sie und Guido noch keine Kinder hatten, glaubte aber, sie wünschten sich keine. Nun begann sie zu ahnen, daß dem nicht so war. Christinas folgende Worte bestätigten das denn auch.

»Wir hätten auch so gern ein Kind, wissen Sie« sagte sie leise. »Leider kann ich keine bekommen, wie mir die Ärzte sagten. Und ich war nicht nur bei einer Kapazität.«

»Das tut mir leid für Sie«, murmelte Astrid betroffen und mit ehrlichem Mitgefühl. »Aber die besten Ärzte können irren, man hört doch immer wieder von fällen, in denen Frauen entgegen aller Diagnosen doch noch Kinder bekommen.«

»Sicher, aber ich kann nicht mehr an ein solches Wunder glauben. Auch mein Mann, der zuerst noch optimistisch war, hat die Hoffnung inzwischen aufgegeben.« Sie starrte trübe vor sich hin.

»Hat er das gesagt?« fragte Astrid betroffen, es klang auch ein wenig empört.

»Nicht direkt, aber man spürt es doch. Unsere Ehe…« Sie unterbrach sich, weil sie wohl merkte, daß dieses Geständnis allzu persönlich werden würde. »Nun ja, man muß sich eben damit abfinden.« Sie lächelte gezwungen.

»Vielleicht sollten Sie einfach nicht mehr daran denken und sich nicht selbst unter einen Zwang stellen. Wenn man so unter einem Druck steht, klappt vielleicht gerade deshalb nichts«, sagte Astrid tröstend.

Christina zuckte nur mit den Schultern und sprach dann von etwas anderem. Astrid mußte noch eine Weile über das Gespräch nachdenken. Wenn Guidos Frau wirklich kein Kind bekommen konnte, dann kam einem unwillkürlich der Gedanke, ob das Schicksal sich am Ende auf diese Weise an ihm rächte. Schlimm war nur, daß ihn das nicht allein traf, sondern diese doch nette Frau nicht weniger. Es schien die Ehe zu belasten, das hatte der unbeendete Satz doch beinhaltet. Wie gut konnte sie sich vorstellen, daß Guido nicht der Mann war, solch einen Schicksalsschlag mit seiner Frau zusammen durchzustehen. Ein Egoist war er, das hatte sie ja auch erfahren!

*