Weitere Bücher der Reihe

Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion ist die Gelegenheit alle fünfhundert dieser zeitlos schönen Liebesromane zu sammeln, die die gefeierte Liebesromanautorin geschrieben hat.

Die Reihe trägt den Namen Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion weil sie Geschichten solche der wahren Liebe sind. Jeden Monat sollen zwei Bücher im Internet veröffentlicht werden, bis alle fünfhundert erhältlich sind.

Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion, klassisch schöne Romane wahrer Liebe erhältlich überall für alle Zeit.

  1. Der Fluch der Hexe
  2. Die Brigantenbraut
  3. Zärtliche Indira
  4. Ein Fremder kam vorbei
  5. Der Clan der McNarn
  6. Der Liebesschwur
  7. Jawort unter Fremden Sternen
  8. Gefangene der Liebe
  9. Laß mich bei dir Sein
  10. Das Traumpaar
  11. Bezaubernde Hexe
  12. Die Zärtliche Versuchung
  13. Liebe unter Fremdem Himmel
  14. Hochzeit Mit dem Ungeliebten
  15. Hochzeit Mit dem Ungeliebten
  16. Liebe unterm Tropenmond
  17. Weiße Lilie
  18. Amor in Sankt Petersburg
  19. Die Zähmung der Wilden Lorinda
  20. Die Zigeuner-prinzessin
  21. Flucht ins Gluck
  22. Die Einsame Frau das Herzogs
  23. Sehnsucht nach dem ersten Kuß
  24. Schlittenfahrt ins Glück
  25. Das Mädchen und der Maler
  26. Die Weiße Sklavin
  27. Bleib bei mir, Kleine Lady
  28. Die Braut des Rebellen
  29. Nur ein Hauch von Liebe
  30. Geheimnis um Virginia
  31. Liebestrommeln auf Haiti
  32. Ich Schenke dir mein Herz
  33. Das Glück hat deine Augen
  34. Liebesglück in Schottland
  35. Der Herzensbrecher
  36. Die Flamme der Liebe
  37. Die Schmugglerbraut
  38. Der Marquis und das Arme Mädchen
  39. Die Herrin des Clans
  40. In Deinen Armen will ich Trämen
  41. Liebe mit Hindernissen
  42. Die Kapelle im Wald
  43. Zauber des Herzens
  44. Verzieh mir Liebster
  45. Der Prinz und die Tänzerin
  46. Triumph der Liebe
  47. Geliebte Lady
  48. Heimliche Liebe
  49. Ich Liebe Sie, Mylord
  50. Alle Zärtlichkeit für Dich
  51. Das Gefährliche Spiel
  52. Irrwege der Liebe
  53. Heimliche Brautschau
  54. Das Wunder der Liebe
  55. Geliebte Dominica
  56. Die Maske der Liebe
  57. Geliebte Stimme
  58. Die Liebenden von Valmont
  59. Die Vernunftehe
  60. Die Heimliche Geliebte
  61. Ich Begleite dich auf Allen Wegen
  62. Wie ein Trauma us der Nacht
  63. Reise ins Paradies
  64. Alvina, Engel meines Herzens
  65. Entführer meines Herzens
  66. Geküßt von Einem Fremden
  67. Dein Zärtlicher Blick
  68. Meine Stolze Prinzessin
  69. Verliebt in einen Engel
  70. Verwundetes Herz
  71. Im Garten der Liebe
  72. Indischer Liebeszauber
  73. Die Brautfahrt
  74. Die Intrigen der Lady Brandon
  75. Der Herzensdieb
  76. Porträt Eines Engels
  77. Diona und ihr Dalmatiner
  78. Sternenhimmel über Tunis
  79. Ein Junggeselle wird Bekehrt
  80. Liebe im Hochland
  81. Jagd nach dem Glück
  82. Deine Liebe ist ein Juwell
  83. Bis Daß der Tod uns Scheidet
  84. Lektion in Sachen Liebe
  85. Geliebt und glücklich
  86. Entscheidung des Herzens
  87. Im Zeichen der Liebe
  88. Opfer der Gefühle
  89. Garten der Sehnsucht
  90. Lady Bartons Rache
  91. Reise im Glück
  92. Nur die Liebe Zählt
  93. Prinzessin meines Herzens
  94. Liebe im Wüstensand
  95. Atemlos aus Lauter Liebe
  96. Liebende auf der Flucht
  97. Das Pfand der Liebe
  98. Melodie des Herzens
  99. Alles Glück der Erde
  100. Magie des Herzens
  101. Im Banne der Hexe

Fesseln der Liebe

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2019

Copyright Cartland Promotions 1977

 

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

Zur Autorin

Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein.  Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.

1

Die Herzogin de Savigne hob ihren Blick und sah ihren Cousin, Seine Eminenz Kardinal de Rochechant, an, der ihr am offenen Kamin gegenübersaß.

Mit einem leichten Zittern in der Stimme fragte sie: »Was hat Aristide denn diesmal... getan?«

»Ich bin eigens gekommen, um mit Ihnen darüber zu sprechen, meine Liebe«, erwiderte der Kardinal.

»Ich vermutete es beinahe«, sagte die Herzogin leise. »Sie hätten die lange Reise von Paris nicht auf sich genommen, nur um mich zu sehen.«

Der Kardinal lächelte.

»Das klingt wenig schmeichelhaft und galant«, entgegnete er. »Sie wissen, Louise, daß ich, wenn es meine Zeit erlaubt, sehr gern zu Ihnen komme, doch mein heutiger Besuch schien mir aus einem völlig anderen Grund äußerst dringlich.«

Die Herzogin faltete die schmalen Hände, so daß die bläulich schimmernden Adern noch deutlicher hervortraten. Die Ringe an den Fingern schienen viel zu schwer für diese feingliedrigen Hände.

»Sagen Sie mir die Wahrheit, Xavier. In welchen Skandal ist Aristide denn nun wieder verwickelt?«

»Sie wollen wirklich die volle Wahrheit wissen?« fragte der Kardinal.

»Ich weiß doch, daß Sie sie mir ohne Rücksicht auf meine Wünsche zu enthüllen beabsichtigen«, antwortete die Herzogin mit leichter Ironie. »Und deshalb möchte ich sie hören, ohne daß Sie sie in schöne Worte kleiden und versuchen, meine Gefühle nicht zu verletzen.«

Der Kardinal zögerte einen Augenblick, bevor er in ziemlich barschem Ton die Feststellung traf: »Aristide bringt den Namen der Familie Savigne in solchen Mißkredit, daß er für viele bereits gleichbedeutend ist mit Lasterhaftigkeit, Zügellosigkeit und Skandal.«

Die Herzogin schien nach Luft zu ringen, obwohl das, was sie eben gehört hatte, sie nicht überraschen konnte. Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie ihren Cousin mit kaum vernehmlicher Stimme bat: »Erzählen Sie mir... alle Einzelheiten.«

Sie war einmal eine sehr schöne Frau gewesen, das Leben hatte jedoch inzwischen tiefe Furchen in ihr Gesicht gegraben, und Krankheiten hatten ihre Haut so blaß werden lassen, daß sie durchsichtig zu sein schien.

Die Herzogin wirkte so zerbrechlich, als würde ein leichter Windstoß genügen, um sie wegzutragen. Der Kardinal war bei seiner Ankunft im Schloß von ihrer schlechten Verfassung unangenehm überrascht und schockiert worden.

Er hatte es für seine Pflicht gehalten, eigens von Paris hierher zu kommen, um sie um ihre Unterstützung zu bitten.

Niemand wußte besser als er, welchen Schaden Aristokraten wie der junge Herzog von Savigne dem Land in dieser besonderen historischen Situation zufügten mit ihren Extravaganzen und Orgien, die immer mehr zum Stein des Anstoßes wurden.

Der »Weiße Terror« nach der Schlacht von Waterloo war kaum mit der blutigen Schreckensherrschaft zweiundzwanzig Jahre davor, 1793, zu vergleichen gewesen. Die Juli-Revolution des Jahres 1830 hingegen, noch keine zwei Jahre her, hatte das ganze Land mit Angst und Sorge erfüllt.

Aus Protest gegen den intoleranten und reaktionären König Karl X. war es in Paris zu Aufständen gekommen. Die Börse war in Brand gesteckt worden, das Waffen- und das Pulverlager den Aufrührern in die Hände gefallen. Der Louvre und die Tuilerien wurden von ihnen besetzt.

Truppen marschierten in die Viertel der Aufständischen, konnten aber nichts ausrichten in den engen Gassen, weil sie aus den Fenstern mit Möbelstücken beworfen wurden.

Sechstausend Barrikaden verwandelten fast ganz Paris in eine belagerte Festung. König Karl X. wurde zur Abdankung gezwungen und der Herzog von Orleans, Ludwig Philipp, ein Nachkomme Ludwigs XIV., gebeten, seinen Platz einzunehmen und Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.

Dies konnte ihm jedoch nur glücken, wenn es ihm gelänge, das Vertrauen des Volkes wiederzugewinnen, doch die Einstellung und das Verhalten von Vertretern des Ancien Regime wie des Herzogs de Savigne machten ihm dieses Unterfangen noch schwerer, als es ohnehin schon war.

Die Herzogin verharrte schweigend, bis der Kardinal fortfuhr: »Es sind nicht nur die wüsten Orgien, die Aristide beinahe täglich gibt oder an denen er teilnimmt, es sind auch seine Mätressen, mit denen er sich in den Straßen von Paris zeigt, und die Geschichten von sündhaft teuren Geschenken, die er ihnen macht, die jene, die Hunger leiden, unruhig werden lassen, um es einmal vorsichtig auszudrücken.«

»Sie befürchten ein erneutes Aufflackern von Gewalt?« warf die Herzogin ein.

»Es besteht die Gefahr, daß es wieder zu Aufständen kommt«, erwiderte der Kardinal. »Um einen solchen Gewaltausbruch zu verhindern, ist es nach meiner Ansicht von größter Wichtigkeit, daß die Adligen, die auf ihre Schlösser, ihre Besitztümer und an den ihnen zustehenden Platz in der Gesellschaft zurückgekommen sind, denen, die in den letzten sechzehn Jahren so tiefes Leid ertragen mußten, ein Beispiel geben.«

»Sie haben recht, Xavier«, pflichtete die Herzogin bei. »Sie haben nur zu Recht. Haben Sie schon mit Aristide darüber gesprochen?«

Der Kardinal lachte kurz auf, doch war ihm nicht nach einem Scherz zumute.

»Meine liebe Louise, glauben Sie tatsächlich, er würde auf mich hören? Er hat oft genug geäußert, auch in aller Öffentlichkeit, daß die Religion sich selbst überlebt hat. Wenn er während der letzten zehn Jahre einmal die Messe besucht haben sollte, so habe ich davon nichts erfahren.«

Die Herzogin schlug die Hände vor das Gesicht; sie zitterten.

»Wie konnte es mit ihm nur so weit kommen... mit meinem Sohn!« hauchte sie.

»Ich vermute, es rührt alles von jenem bedauerlichen Ereignis in seinem Leben her«, sagte der Kardinal.

Die Herzogin sah den Kardinal zustimmend an. Beide dachten an das tragische Geschehen, das Aristides Jugend überschattet und aus dem glücklichen jungen Mann einen Zyniker gemacht hatte, der mit der Zeit immer verbitterter wurde.

»Ein Skandal folgt dem anderen«, fuhr der Kardinal nach einer Weile fort. »Erst vor zwei Wochen versuchte eine junge Frau, die in Theaterkreisen recht bekannt ist, obwohl ich sie nur mit Vorbehalt eine Schauspielerin nennen möchte, sich das Leben zu nehmen.«

Die Herzogin stieß einen leisen Schrei des Entsetzens hervor, doch der Kardinal ließ sich nicht unterbrechen.

»Sie hatte einen Abschiedsbrief hinterlassen, der in allen Zeitungen veröffentlicht wurde. In ihm gab sie als Grund für ihren verzweifelten Schritt Aristides schändliches Verhalten ihr gegenüber an.«

»War sie seine Mätresse?«

»Nur eine von vielen. Es hat den Anschein, als habe er sie auf eine recht grobe Art verstoßen, und sie sei zu der Überzeugung gekommen, Gott stehe ihr bei, daß das Leben ohne ihn nicht mehr lebenswert wäre.«

»Frauen... immer wieder Frauen!« murmelte die Herzogin.

Der Kardinal schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Aristide ist nun dreißig. Es ist an der Zeit, daß er heiratet und dafür sorgt, daß dieses Geschlecht nicht ausstirbt.«

Die Herzogin sah ihn etwas verwundert an, und er fügte schnell hinzu: »Louise, Sie wissen ebenso gut wie ich, daß ohne einen Erben der Titel und der Besitz an den älteren Cousin fällt, der am Montmartre unter den Künstlern lebt, sich ganz offen als Republikaner bekennt und nicht nur alle Titel, sondern auch persönlichen Besitz verdammt.«

»Der Himmel weiß, was mit dem Besitz geschieht, wenn er ihn erbt.«

»Weiß Aristide von dieser Regelung?«

»Natürlich weiß er alles!« erwiderte der Kardinal, »aber, ganz offen gesagt, es kümmert ihn nicht!«

Seine Stimme nahm einen schärferen Ton an, als er fortfuhr: »Es scheint ihn derzeit überhaupt nichts zu kümmern, nicht einmal die Frauen, mit denen er sich aus einer Laune heraus einläßt und die er dann ohne Rücksicht auf ihre Gefühle wieder verstößt, sobald sie ihn langweilen.«

Er kniff die Augenbrauen mißbilligend zusammen.

»Und Aristide langweilt sich sehr schnell!«

»Aber wie können wir ihn... zu einer Heirat bewegen? Und wenn er verheiratet wäre, würde das... irgendwie nützen?«

»Ich weiß es leider nicht«, antwortete der Kardinal. »Offen gesagt, mein Gefühl sagt mir, es könnte eine Lösung sein und ihn von Paris fernhalten. Es ist sein schlechter Ruf, der so großen Schaden anrichtet. Über ihn wird immer Neues in den Pariser Journalen berichtet, und Sie wissen, Louise, was das bedeutet.«

Die Herzogin seufzte aus tiefstem Herzen.

»Ich habe schon oft darum gebetet, daß Aristide heiratet und mir einen Enkel schenkt, nein, nicht nur einen, sondern viele Enkel«, sagte sie. »Ich habe es stets zutiefst bedauert, daß ich selbst nur einem Kind das Leben schenken konnte.«

»Zumindest konnte Leon in Frieden dahinscheiden, weil er wußte, daß er einen Sohn hatte«, versuchte sie der Kardinal zu trösten.

»Er würde keinen Frieden finden, könnte er ihn jetzt so sehen«, entgegnete die Herzogin.

»Aus diesem Grunde, liebe Louise, müssen wir etwas unternehmen.«

»Sie werden mit ihm über eine Eheschließung sprechen?«

Der Kardinal schüttelte den Kopf.

»Nein, Louise, Sie müssen das tun.«

Er erhob sich von dem Stuhl mit der hohen Lehne, auf dem er die ganze Zeit gesessen hatte, und durchquerte das Zimmer in Richtung auf das Fenster.

Als er in seiner roten Robe über den kostbaren Teppich schritt, tauchten die durch das Fenster einfallenden Sonnenstrahlen die unbezahlbaren Schätze, mit denen das Schloß ausgestattet war, in gleißendes Licht.

Wie durch ein Wunder war das Château Savigne während der Schreckensherrschaft des Jahres 1793 von Verwüstungen weitgehend verschont geblieben.

Im Gegensatz zu den anderen Schlössern in der Umgebung war es kaum geplündert worden, darüber hinaus war der Großvater des jetzigen Herzogs so weitsichtig gewesen, den Großteil der unbezahlbaren, von Generation zu Generation weitervererbten Schätze an einen sicheren Ort bringen zu lassen, wo sie die Anhänger der Revolution nicht finden konnten.

Nun waren sie wieder an ihrem alten Platz und machten das Château Savigne, so fand der Kardinal, zu einem der schönsten in ganz Frankreich.

Er gestand sich zwar selbst eine gewisse Voreingenommenheit ein, doch er liebte dieses Schloß, das er in seiner Jugend kennengelernt hatte, als seine schöne Cousine Louise dem Herzog de Savigne angetraut wurde.

Er blickte über den großen Park, wo Damwild zwischen den Bäumen dahinzog, und in der Ferne konnte er das silberne Band der Loire erkennen, das sich durch die Landschaft wand.

Große, schöne Schlösser standen beiderseits des Flusses und in seiner näheren Umgebung.

Nachdem Karl VII. im 15. Jahrhundert von den Engländern aus Paris vertrieben worden war, verbrachte er die meiste Zeit in Tours und auf den Schlössern im umliegenden Herzogtum.

Während der folgenden zweihundert Jahre teilten viele seiner Nachfolger auf dem französischen Thron seine Vorliebe für die Touraine.

Weil sich der König so häufig im Tal der Loire aufhielt, sahen sich die Adligen bei Hofe gezwungen, seinem Beispiel zu folgen.

Aus diesem Grund entstanden ungewöhnlich viele Schlösser an den Ufern der Loire und ihrer Nebenflüsse.

Immer größere und majestätischere Schlösser wurden errichtet, weil jeder Adlige seinen Nachbarn übertreffen und ein noch prächtigeres Château bauen lassen wollte.

Viele der Schlösser waren vordem mittelalterliche Festungen gewesen, die dann mit Beginn der Renaissance in Meisterwerke der zeitgenössischen Architektur verwandelt wurden. Ihre prunkvolle Schönheit versetzte alle, die sie sahen, in Erstaunen, denn solchen Prunk würde man in diesem Teil Frankreichs nicht erwarten.

Inzwischen waren die Eigentümer, die während der Revolution geflohen waren, zurückgekommen, um ihre Häuser wieder in Ordnung zu bringen. Viele von ihnen sahen sich dabei vor die schwierige Aufgabe gestellt, riesige, leere, weil geplünderte Räume völlig neu einrichten zu müssen.

Auch wenn sie große Anstrengungen unternehmen mußten, sie waren es wert, dachte der Kardinal bei sich; und wenn viele Adlige solche Mühen auf sich nahmen, warum konnte dann der junge Herzog de Savigne nicht ihrem Beispiel folgen?

Er bemerkte, daß die Herzogin noch immer wartend am Kamin saß; er ging deshalb zurück zu ihr und sagte: »Es gibt nur einen Menschen, Louise, der Aristide zur Vernunft bringen kann, und das sind Sie!«

»Aber wie? Warum sollte er denn plötzlich auf mich hören, wenn er es schon seit Jahren nicht mehr getan hat?«

»Ich habe das Gefühl, obwohl es mich täuschen kann ,«, sagte der Kardinal zögernd, »daß er Sie auf seine Weise immer noch liebt. Wenn er glauben müßte, Sie seien todkrank, würde er Ihnen vielleicht Gehör schenken.«

»Ich todkrank!« rief die Herzogin erschrocken aus.

Ihr Blick traf sich mit dem des Kardinals, der daraufhin seinen Stuhl näher an den ihren rückte und sich wieder setzte.

»Hören Sie mir bitte zu, Louise...« begann er.

 

 

Anfangs ging es noch recht förmlich zu, mit der Zeit jedoch entwickelte sich ein immer tolleres Treiben.

Die fünfzig Gäste waren nach dem exquisiten Diner immer fröhlicher und ausgelassener geworden; Erregung spiegelte sich in ihren erhitzten Gesichtern.

Die Damen saßen noch an der Tafel, und es war nicht zu übersehen, daß sie sich immer ungezwungener gaben - ihre Koketterien hatten sich zu sinnlichen Verlockungen gewandelt, die ihre Begleiter augenscheinlich unwiderstehlich fanden.

Am Kopf der Tafel saß der Herzog de Savigne zurückgelehnt in seinem Stuhl mit der hohen, von seinem geschnitzten Wappen gezierten Lehne und beobachtete seine Gäste mit einem Gesichtsausdruck, der nur schwer zu deuten war.

Diejenigen, die ihn gut kannten, fragten sich häufig, wie es ihm gelang, auf seine etwas seltsame Art so unnahbar und desinteressiert zu erscheinen an dem, was um ihn herum vorging, wenn er sich amüsierte.

Zu seiner Rechten wie zu seiner Linken saß ein hübsches Mädchen. Beide versuchten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, indem sie ihm ab und zu etwas ins Ohr flüsterten und ihm dabei tiefe Einblicke in ihre Dekolletés gewährten.

Das Lachen wurde immer lauter, schließlich aber von der Musik übertönt, die von der Galerie am anderen Ende des Festsaals erklang.

Das Haus, in dem der Herzog in Paris residierte, gehörte zu den größten und imposantesten an den Champs-Elysees.

Kaum ein Passant ging daran vorüber, ohne die vergoldeten Spitzen des Gitterzaunes zu bemerken und sich neugierig zu fragen, was denn wohl im Augenblick in den riesigen Räumen geschah, die beinahe täglich von Reportern beschrieben wurden, die auf ihrer Jagd nach pikanten Geschichten für ihre Zeitungen offensichtlich Zugang zu diesem Haus hatten.

Über den Verlauf des heutigen Abends würde, dessen war sich mancher der anwesenden Adligen mit einem unguten Gefühl sicher, in allen Einzelheiten im Figaro und in Le Temps berichtet werden.

Viele hofften darauf, daß dabei ihr Name nicht erwähnt wurde. Aber keiner wußte, wer denn nun eigentlich für die Presse arbeitete und von ihr bezahlt wurde.

Sie wußten nur genau, daß derjenige, der über die Exzesse des heutigen Abends berichten würde, unter den Anwesenden, möglicherweise sogar unter den Angehörigen ihres Standes zu suchen sein würde.

»Ich muß Ihnen etwas erzählen, Durchlaucht«, sagte das Mädchen zur Rechten des Herzogs. »Es ist etwas sehr Unanständiges, aber Sie werden bestimmt darüber lachen.«

»Ich höre«, erwiderte der Herzog gelangweilt.

»Hören Sie nicht auf sie!« mischte sich das Mädchen zu seiner Linken ein. »Sie will Ihnen etwas über mich erzählen, aber ich schwöre Ihnen, daß es nicht wahr ist. Versprechen Sie mir, daß Sie ihr nicht glauben.«

»Wie kann ich das versprechen, wenn ich noch nicht einmal gehört habe, was sie mir sagen will?«

»Ich versichere Ihnen, daß es nicht die Wahrheit sein kann, denn Aimie erfindet immer irgendwelche Geschichten!«

»Du mußt mich schon selbst entscheiden lassen«, antwortete der Herzog.

»Nun gut, warum nicht«, gab sich Rosette zufrieden. »Aber Sie werden feststellen müssen, daß ich unschuldig bin.«

Sie blickte den Herzog dabei provozierend an, doch der lächelte nur zynisch zurück.

»Ich bezweifle, ob jemand das kann, Rosette! Trotzdem möchte ich nun hören, was du getan haben sollst.«

»Ich werde es Ihnen gleich erzählen«, sagte Aimie nun ebenfalls zufrieden.

Während sie sich nach vorne beugte, um dem Herzog die Geschichte zuzuflüstern, erhoben sich, angeregt durch die Musik, einige der Gäste und begaben sich zur Tanzfläche am anderen Ende des Saales.

Das, was sie dort aufführten, war kaum als Tanz zu bezeichnen und gehörte viel eher in die berüchtigten Tanzsäle als in ein vornehmes Haus an den Champs-Elysees.

Die übrigen Gäste waren viel zu stark mit sich selbst beschäftigt, als daß sie sich für die interessierten, die ihrer Tanzleidenschaft frönten. Die Männer knöpften sich die Westen auf, die Abendkleider der Frauen glitten von den weißen Schultern.

Wie auf ein vorher vereinbartes Zeichen löschten Diener die Kerzen in den Lüstern, so daß nur noch die in den Wandleuchtern und im Kandelaber auf der Tafel die Szenerie erleuchteten.

In diesem Augenblick wurde das im Flüsterton geführte Gespräch der beiden Mädchen mit dem Herzog durch eine auffallend gekleidete, feurig blickende dunkelhaarige Schöne unterbrochen, die ganz Paris mit ihren Auftritten im Theâtre des Varietés begeistert hatte.

Sie war erst später, nach dem Ende ihrer Vorstellung, zu der Gesellschaft gestoßen und hatte, weil das Diner schon im Gange war, einen Platz weiter unten an der Tafel und nicht, wie von ihr erhofft, an der Seite des Herzogs einnehmen müssen.

Nun war sie an seinen Platz gekommen, und der Ausdruck in ihren feurigen Augen sagte ihm, daß sie willens war, es mit jeder Rivalin um seine Gunst aufzunehmen.

»Monsieur, Sie vernachlässigen mich!« gurrte sie mit einem schneidenden Unterton in der Stimme.

»Das würde mir nie längere Zeit möglich sein, Susanne«, erwiderte der Herzog.

»Warum schicken Sie dann nicht diese Kanaillen einfach weg und schenken mir Ihre geschätzte Aufmerksamkeit?« fragte Susanne.

Aimie und Rosette warfen ihr giftige Blicke zu, doch sie fuhr davon unbeeindruckt fort: »Was können sie Ihnen denn bieten Ihnen, der das Vollkommene sucht und sich rühmt, in jeder Beziehung ein Connaisseur zu sein?«

Der Herzog schien amüsiert, blieb jedoch eine Antwort schuldig.

»Wenn Sie wie einst der schöne Paris aufgefordert würden, ein Urteil zu fällen, wären Sie, davon bin ich überzeugt, nie im Zweifel, wem Sie den goldenen Apfel überreichen würden.«

»Das glaubst vielleicht du, Susanne!« entgegnete Aimie spitz. »Wir sind da überhaupt nicht so überzeugt!«

Susanne musterte ihre Kontrahentin verächtlich.

»Du störst hier nur, Susanne«, meldete sich Rosette zu Wort. »Wir versuchen, Seine Durchlaucht zu unterhalten, aber es ist für Seine Durchlaucht und für uns bestimmt nicht sehr angenehm, dir zuhören zu müssen, wenn du hier herumkrähst wie ein Gockel auf dem Mist!«

Susanne nahm eine theatralische, zugleich aber auch drohend wirkende Pose ein und sah den Herzog mit einem Ausdruck in den Augen an, durch den er sich herausgefordert fühlte.

»Es liegt nun an Ihnen, Durchlaucht«, hauchte sie, und allein die Art, wie sich dabei ihre Lippen bewegten, stellte schon eine Aufforderung dar.

Auch Aimie und Rosette sahen den Herzog an. Es gab nun keinen Zweifel mehr, daß die drei Frauen gespannt auf ein Urteil aus seinem Mund warteten.

»Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt und ich mich richtig an diese Sage erinnere«, begann der Herzog etwas zögernd nach kurzem Nachdenken, »dann war es doch so, daß die Göttinnen, die Paris um sein Urteil gebeten hatten, ihm alle ihre Reize enthüllten.«

Einen Augenblick lang geschah nichts, doch dann streifte Susanne mit einem kurzen Lachen ihr Kleid von den Schultern, und Aimie und Rosette beeilten sich, ihrem Beispiel zu folgen.

Der Herzog zeigte keinerlei Regung, fragte dann aber nach einer Weile ziemlich desinteressiert: »Was soll denn nun der Preis, der goldene Apfel, sein?«

»Natürlich eine Nacht mit Ihnen, Durchlaucht«, antwortete ihm Susanne.

Wieder entstand eine kleine Pause, während der der Herzog die drei Frauen betrachtete, die vor ihm standen und von denen jede zuversichtlich war, die Gewinnerin dieses Preises zu sein.

Der Richterspruch fiel ihm nicht leicht, denn er konnte bei keiner der drei einen entscheidenden Vorzug entdecken. Susanne hatte vielleicht die schmalere Taille, doch waren ihre Schenkel kräftiger als die von Rosette, und Aimies Brüste waren voller.

Schließlich sagte der Herzog scheinbar immer noch gelangweilt, doch verriet seine Stimme ein gewisses Amüsement: »Ich kann nur das salomonische Urteil fällen, den Preis euch allen dreien zuzuerkennen. Zum Glück ist mein Bett groß genug!«

Ein kurzer Aufschrei des Erstaunens war zu hören, doch war auch zu erkennen, daß die Frauen sich vorbehaltlos und willig seinem Spruch beugen würden.

Der Herzog blickte über die Schar seiner Gäste und sah, daß, wie es die Zeitungen nennen würden, ‚eine Orgie wie im alten Rom‘ im Gange war.

Susanne raffte ihr am Boden liegendes Kleid zusammen, hob es auf, bedeckte damit ihre Brüste und flüsterte ihm zu: »Worauf warten wir noch?«

Der Herzog warf ihr einen tadelnden Blick zu.

»Du bist viel zu ungeduldig, Susanne! Aber das war ja schon immer dein Fehler.«

»Ich bin ungeduldig, weil ich diesen aus der Gosse aufgelesenen Flittchen endlich beweisen möchte, daß sie überhaupt nichts von den galanten Künsten verstehen.«

Der Herzog wollte ihr gerade antworten, als ein Lakai, der die in Scharlachrot und Gold gehaltene Livree der Familie Savigne trug, an seine Seite trat.

Er hielt ihm ein silbernes Tablett entgegen, auf dem ein Brief lag, und sagte: »Dieser Brief wurde soeben von einem Kurier überbracht, Durchlaucht!«

Der Herzog blickte gleichgültig auf das Schreiben und war schon im Begriff, den Diener wieder wegzuschicken, als dieser noch hinzufügte: »Der Kurier kam vom Schloß Savigne.«

Der Herzog setzte sich im Stuhl auf und nahm den Brief vom Tablett.

Er öffnete ihn, las ihn, und erhob sich.

Ohne ein Wort zu den drei Frauen zu sagen, die auf seine Anordnungen warteten, ohne sie überhaupt noch eines Blickes zu würdigen, verließ er, gefolgt von seinem Diener, den Saal.

 

 

Während die Kutsche Seiner Eminenz Kardinal de Rochechant über die holprigen Straßen fuhr, fiel ihm wieder ein Gedanke ein, der ihm schon oft gekommen war: Es gibt keine schönere Gegend als diese, die man auch den ‚Garten Frankreichs‘ nannte.

Aber nicht nur die imposanten Schlösser waren der Grund dafür, sondern auch die vom Atlantik bis nach Tours, fast zweihundert Kilometer vom Meer entfernt gelegen, wehenden Brisen, die klimatische Verhältnisse schufen, wie man sie nur selten so weit im Landesinneren antrifft.

Dieses weite, fruchtbare Tal wurde auch als das ‚Lächeln Frankreichs‘ bezeichnet, das Lächeln, das an das der Mona Lisa erinnerte.

Dieser Vergleich war durchaus berechtigt, denn Leonardo da Vinci hatte seine beiden letzten Lebensjahre im Tal der Loire auf einem kleinen Schloß in der Nähe von Ambois verbracht.

Seit damals hatten sich im Laufe der Jahrhunderte an den Ufern der Loire mehr Romanzen abgespielt als an irgendeinem anderen Fluß.

Bald, so reflektierte der Kardinal, würde die Sommerhitze die Fluten des Flusses in viele kleine Wasserläufe teilen, die mit ihrem klaren, grünlich schimmernden Wasser zwischen gelben Sandbänken und schmalen Inselchen unter dem Olivgrün der herabhängenden Weidenäste träge dahinziehen.

In den kleinen Weinbergen an den sanft ansteigenden Hängen wuchsen jene lieblichen Weine heran, die der Kardinal viel lieber genoß als die vollmundigeren aus anderen Gebieten.

Eigentlich beschäftigte ihn jedoch nicht so sehr die Schönheit des Loire-Tales, die ihn immer wieder beeindruckte, sondern die Nachricht, die er am Morgen erhalten hatte.

Sie war ihm im Schloß Blois überbracht worden, wo er auf seiner Rückreise nach Paris bewußt einen Halt eingelegt hatte, um die Botschaft von der Herzogin abzuwarten.

Blois war früher einmal eine königliche Residenz gewesen, und der Kardinal fühlte sich hier sehr wohl, doch es fiel ihm schwer, an etwas anderes zu denken als an die dramatischen Ereignisse, die, wie er spürte, im Moment auf Schloß Savigne abliefen.

Mit beinahe hellseherischer Fähigkeit hatte er vorausgesehen, daß der Herzog nach Erhalt des Briefes von seiner Mutter unverzüglich und in größter Eile Paris verlassen und zu ihr reisen würde.

Die Herzogin hatte genau das geschrieben, was ihr der Kardinal geraten hatte.

 

Schloß Savigne, 12. Mai

Mein geliebter Sohn!

Ich bin bei schlechter Gesundheit und fühle, daß meine Tage gezählt sind. Ich bitte Dich, mich so bald wie möglich zu besuchen, denn mich quält der Gedanke, ich könnte aus dieser Welt scheiden, ohne ein letztes Mal Dein Gesicht gesehen und Deine Stimme gehört zu haben.