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Annabelle Benn

Süße Küsse





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Marmelade final 130918

 

Süße Küsse

Ein sinnlicher Kurzroman

zum Schmunzeln, Seufzen und Sich-Wohlfühlen

 

von Annabelle Benn

* Kapitel Zwei *

* Kapitel Drei *

* Kapitel Vier *

* Kapitel Fünf *

* Kapitel Sechs *

Eure Annabelle Benn

 

* Kapitel 1 *

 

 

 

Süße Küsse

Ein sinnlicher Kurzroman

zum Schmunzeln, Seufzen und Sich-Wohlfühlen

 

von Annabelle Benn

 

Copyright: Annabelle Benn, 2018, Deutschland

Cover: Eva Talia, Bildrechte bei Anja Richter

Jegliche Vervielfältigung, auch auszugsweise, ist nur nach schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Impressum:

R.O.M Autorenclub, R.O.M. logicware, Pettenkoferstr. 16-18, 10247 Berlin

Annabelle.benn@outlook.de

 

 

 

 

 

 

 

 

* Kapitel Eins *

 

 

„So, bitteschön!“ Ella schaltete den Föhn aus und lächelte Lena im Spiegel an. „Na, wie gefällt es Ihnen?“

Langsam öffnete Lena die Augen. Über eine Stunde hatte sie fieberhaft in einem an und für sich langweiligen Roman gelesen, denn um nichts in der Welt wollte sie einen Blick von ihrer halb-fertigen neuen Haarpracht erhaschen. Sie wollte kein allmähliches Dämmern, sondern das volle Abrakadabra-Bumm-und-Peng-Erlebnis. Das „Das ist Ihre neue Frisur und hier geht‘s zu Ihrem neuen Leben. Bitteschön. Macht 99,90 €“-Ding.

Endlich war es so weit.

Scheu blinzelte sie und wagte kaum zu glauben, was sie sah.

„Bin das ich?“, wisperte sie mit trockenem Mund und berührte vorsichtig ihr Haar. Es war so unglaublich weich und glatt! Mit angehaltenem Atem strich sie über die gesamte Länge. Unfassbar! Wie Samt und Seide fühlte es sich an. Einfach traumhaft.

Sie bekam nicht mit, ob und wie Ella darauf reagierte, denn zu sehr war sie von der attraktiven Frau im Spiegel fasziniert. Oder zumindest von ihrem Haar, das wie süßer Nusslikör über ihre Schultern floss und das Licht reflektierte. Das war das Haar einer Diva, einer Prinzessin, aber doch nicht das der entlaufenen Braut eines Waldschrats. Folglich konnte es unmöglich ihres sein. Also: Wer war das?

„Bin das wirklich ich?“, stieß sie hervor und schüttelte den Kopf.

Die junge Friseurin lachte. „Also, wenn Sie mich fragen, ja!“ Bestens gelaunt zwinkerte sie ihr zu, machte dann ein paar Schritte um ihre Kundin herum und betrachtete stolz ihr Werk. „Wunderschön, nicht wahr? Was für eine Verwandlung!“

Lena konnte es nicht glauben. Ja, in der Tat! Was für eine Verwandlung!

Vor etwas mehr als zwei Stunden hatten ihre Haare zwar noch bis zu ihrer schlanken Taille gereicht. Aber gut ausgesehen hatte das nicht. Im Gegenteil. Seit Jahren hatte sie die Spitzen nicht nachgeschnitten, weder das Ach-so- natürliche-Aschblond aufgepeppt noch die vereinzelten weißen Haare überfärbt.

Natürlich! Absolut natürlich hatte er sie gewollt, hatte immer nur davon geredet, wie oberflächlich, verachtenswert und seelenlos all die Menschen seien, die Trends nachliefen und was auf Äußerlichkeiten gaben. Allein die inneren Werte seien es, die zählten. Für ihn. Aber nicht mehr für sie. Denn war das Äußere nicht ein Spiegel des Inneren?

 

Jetzt war die einst struppige Mähne um mindestens dreißig Zentimeter kürzer, dafür schwungvoll durchgestuft und die Nicht-Farbe war unter einem schimmernden Kastanienbraun verschwunden, das das Moosgrün ihrer Augen intensiv leuchten ließ.

„Neues Haar, neues Leben!“, bemerkte Ella lächelnd, nahm einen großen runden Spiegel und ging damit um Lena herum, damit sie sich auch von hinten betrachten konnte.

„Oh ja!“, seufzte diese und konnte sich an sich selbst nicht sattsehen. Eitelkeit war eine Sünde, eine ganz schlimme noch dazu, das wusste sie - aber – Fuck it! Fuck Egon und seine ganzen Sprüche! Oh, wie sehr sie diesen selbsternannten Heiligen verabscheute!

Liebe war keine Sünde, dachte sie trotzig, denn jetzt endlich begann sie, sich wieder selbst zu lieben!

„Die Farbe passt hervorragend zu Ihrem Teint und den Augen. Genau, wie wir es uns vorgestellt hatten, nicht wahr?“, fragte Ella und riss sie aus ihrem aufkeimenden Groll.

„Ja, das tut sie. Vielen herzlichen Dank für die großartige Beratung!“, lobte Lena über das gesamte Gesicht strahlend.

„Wenn Sie wollen, könnten Sie sich noch schminken lassen. An jedem ersten Samstag im Monat haben wir eine kostenlose Make-up Beratung und meine Kollegin Sara hat gerade nichts zu tun, nicht wahr, Sara?“, fragte sie an eine junge Frau mit wunderschönen blonden Haaren gewandt. Diese nickte freundlich und kam zu ihnen herüber.

Lächelnd besah sie sich Lenas neue Frisur. „Sie haben so große Augen. Die könnten Sie mit wenigen Strichen noch viel stärker zur Geltung bringen. Darf ich?“

„Ähm – wie spät ist es denn?“ Nervös hielt Lena nach einer Uhr Ausschau.

„Kurz vor zwölf.“

„Also, bis eins hätte ich schon Zeit, aber spätestens dann muss ich los“, überlegte sie laut, da ihr der dringend notwendige Besuch im Baumarkt einfiel. Allerdings hatte sie bereits Honig geleckt und wollte noch besser aussehen, als sie es mit der schicken Frisur allein schon tat. Wenn schon eitel, dann richtig, dachte sie und streckte Egon innerlich die Zunge heraus.

„Bis dahin sind wir längst fertig. Außer sie möchten noch eine Mani-Pedi. Aber selbst dann geht es sich noch aus, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass Emily“, Sara sie zeigte mit dem Kopf zu einer Brünetten, „und ich gleichzeitig arbeiten?“

„Mani-Pedi?“, fragte Lena, die einen Moment brauchte, um zu verstehen. „Ach so … und zu zweit?“

„Ja. Wir machen Ihnen einen Sonderpreis. Jetzt im August ist nicht viel los, wie Sie sehen.“

„Das liegt an der Hitze, nehme ich an ...“, wandte Lena ein.

„Auch, und an den Ferien. Bis dreizehn Uhr sind Sie fertig und megaschick für Ihr Date heute Abend.“

Lena riss die Augen auf. „Date? Ich hab doch kein Date!“

„Nein?“

„Nein!“

„Oh …“ Ratlos sahen Ella und Sara sich an.

„Also, dann – was nicht ist, kann ja noch werden! Warten Sie mal kurz!“, rief Ella und eilte davon. Sekunden später kam sie mit einem Flyer zurück. „Single Party im Alpenhain.“

Zweifelnd beäugte Lena das Stück Papier, drehte und wendete es und lachte glucksend auf. „Aha. Interessant. Gut. Danke. Ich überleg‘s mir mal.“

„Das ist der Hammer dort! Wir gehen auch ab und zu hin. Also ich ja nur als Begleitung“, haspelte Ella, drehte ihren Ehering am Finger und schielte zu Sara, die zustimmend nickte.

„Dort lernt man jede Menge Leute kennen. Kein derbes Anmachen. Hat echt Stil der Laden! Und die Musik geht voll ab.“

Eine richtige Disko? Oder hieß das nicht längst Club? Lena biss sich auf die Unterlippe und senkte den Kopf. Dafür war sie doch viel zu alt! Wann war sie eigentlich zuletzt in einer gewesen? Richtig – in ihrem vorigen Leben! Bevor … Vor Egon … Allein der Name! Wie konnte man sein Kind nur so nennen! Ego-Egon, dachte sie bitter und schüttelte sich erneut.

„Also, ja, gut. Warum eigentlich nicht!“ Lena nickte, denn die immer leicht unreine und gerötete Haut passte nicht mehr zu der Haarpracht. Sie folgte Sara, ließ sich in einen bequemen Stuhl sinken und stieß wenig später den nächsten entzückten Schrei aus. Die Frau, die ihr jetzt aus dem Spiegel entgegenblickte, hatte Pepp und Klasse. Vor allem aber wirkte sie natürlich schön. Bei dem Wortspiel grinste Lena verschmitzt. Ja, natürlich war sie schön, aber nicht ganz so natürlich wie Egon das wollte. Auch die Brauen waren gezupft und ließen ihr Gesicht so weicher erscheinen. Unglaublich, dachte sie bei sich, was so ein paar Handgriffe für einen Unterschied machen können.

„Da sehen Sie, was so ein bisschen getönte Tagescreme und ein bisschen Make-up ausmachen.“

Mit einem dicken Kloß im Hals nickte Lena. „Unglaublich.“

„Ja? Ich freue mich, dass es Ihnen gefällt!“

„Gefällt?“ Lena rang nach Atem. „Gefällt ist überhaupt kein Ausdruck! Das bin ja gar nicht mehr ich! Ich meine, so sah ich früher aus!“

Sie kniff die Augen zusammen und streckte den Kopf nach vorn. Die Frau im Spiegel kniff die Augen zusammen und streckte den Kopf nach vorn. Ja, doch, das war keine Täuschung: Das war sie.

„Dann sind Sie zufrieden?“, fragte Sara gerührt und legte ihr sacht die Hand auf die Schulter.

„Ja“, flüsterte Lena benommen und legte ihrerseits ihre kurz auf Saras, zog sie dann aber erschrocken weg.

Sara betrachtete sie eine Weile, dann winkte sie Emily zu sich und sagte: „Dann hübschen wir jetzt noch die Hände und Füße auf, okay?“

Aber – siedend heiß fiel es ihr ein: Sie hatte nichts zum Anziehen! Sie überschlug den Zeitplan, gab sich eine Stunde zum Shoppen, eine Stunde, die sie nicht hatte, wenn sie die Regale kaufen, aufbauen und meditieren… ach, Jahr und Tag hatte sie meditiert und was hatte es gebracht? Genau! Egon!

Völlig verwandelt verabschiedete sie sich mit einem üppigen Trinkgeld von den drei Verschönerungs-Feen. Am liebsten wäre sie ihnen spontan um den Hals gefallen, ließ es aber bleiben.

Und jetzt neue Kleidung! Nun hüpfte sie doch, aber nur mit einem Bein und nur kurz. Verstohlen sah sie sich um, ob jemand ihre Albernheit bemerkt hätte. Hatte zum Glück niemand. Nur nicht trödeln! Denn wenn sie die Regale heute nicht besorgte, würde sie sie nie kaufen, dafür kannte sie sich zu gut. Und sie brauchte die Abstellflächen. Dringend. Also: Eine Stunde, ermahnte sie sich und stellte resolut den Handy-Wecker.

„Mit einem Push-up BH wäre es perfekt“, sinnierte die Verkäuferin und bevor Lena noch etwas antworten konnte, hob diese freundlich aber bestimmt die Hand.

 

„Natürlich. Die Schuhe auch?“

„Ja, sicherlich.“ Die Verkäuferin grinste breit und nickte wissend.

 

Ihr!

Keine weiteren Shopping-Eskapaden, auch wenn sie sich nach der jahrelangen Abstinenz wie ein Drogen-High anfühlten.

Das nächste Geld würde für Regale über den Ladentisch wandern. Regale für die Marmelade.

Am Tempolimit brauste sie in den Baumarkt, wo sie die bescheuerten Regale für die mindestens genau so bescheuerten Gläser mit eingekochten Früchten endlich erstehen würde. Und wer war schuld an dem ganzen Stress? Egon natürlich! Weil man Essen, also auch Fallobst, nicht wegwarf und weil ihr mit jedem Topf Marmelade bewusster wurde, wie dumm sie gewesen war.