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Bettina Schmidt

Die Alchemie der Wechseljahre

Die Zeit der Veränderung und des Neuanfangs natürlich begleiten

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Die Informationen in diesem Buch sind nach bestem Wissen und Gewissen dargestellt. Die Autoren und der Verlag übernehmen jedoch keine Haftung für irgendwelche Schäden aus dem richtigen oder unrichtigen Gebrauch der in diesem Buch vorgestellten Methoden. Diese sind zur Information und zur Weiterbildung gedacht.

1. Auflage 2019
© 2018 by Windpferd Verlagsgesellschaft mbH, Oberstdorf
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Verwendete Illustrationen: Evgenii Naumov @123rf.de
Vignette im Innenteil: Jennifer Jünemann | www.bitdifferent.de unter Verwendung einer Illustration von Anna Volkova @123rf.de
Lektorat: Sylvia Luetjohann
Satz und Layout: Marx Grafik & ArtWork

eISBN 978-3-86410-248-6
www.windpferd.de

Inhalt

Vorwort

1. Kapitel

Ich werde 50

2. Kapitel

Die Nachtseite der mittleren Jahre oder die Mystik des Lebens

3. Kapitel

Die Anatomie der Wechseljahre

4. Kapitel

Die Matrix der Wechseljahre

5. Kapitel

Die Ernährung und was ein gewöhnlicher Baumarkt damit zu tun hat

6. Kapitel

Die Schüßler-Salze

7. Kapitel

Gegen alles ist ein Kraut gewachsen

8. Kapitel

Homöopathie als sanfte Methode zur Linderung von Beschwerden in den Wechseljahren

9. Kapitel

Ein Koffer voller Erinnerungen oder Das Jahr, in dem ich 50 wurde

10. Kapitel

Wechselnde Geschichten von Frauen für Frauen

Nachwort

Wir sind alle nur Sternenstaub

Anhang

Warum Homöopathie wirkt – ein Erklärungsversuch

Vorwort

„So, wie du den Weg, den das Eis die Berge hinab nimmt, nicht ändern kannst, liegt es nicht in deiner Hand, was auf dieser Welt passiert, du kannst nicht beeinflussen, wann die Krabbentaucher zurückkehren oder die Wale. Du kannst nur auf sie warten und sie dann jagen, wenn sie da sind. Das Einzige, was du bestimmen kannst, ist, wie du selbst die Welt siehst.“

(Birgit Lutz, Grenzerfahrung Grönland, S. 18)

In der Regel zwischen dem 45. und dem 55. Lebensjahr stehen Frau und Mann am Scheideweg ihres Lebens und haben nun die Qual der Wahl, in welche Richtung sie sich für den Rest ihres Lebens orientieren wollen. In dieser Zeit um die 50 haben sie meistens einen Job, den sie oft nicht mehr weitermachen wollen, weil er ihnen häufig sinnentleert erscheint. Schon allein der Gedanke, ihn noch weitere, ja, 17 Jahre durchziehen zu müssen, macht Angst und treibt sie in depressive Verstimmungen, die oft zu Schlaflosigkeit und innerer Unruhe mit Herzrasen und nervösen Störungen führen. Dann geraten die Körperhormone noch außer Rand und Band und schließlich bleibt oft kein Stein des bisherigen Lebens auf dem anderen. Familien werden im schlimmsten Fall auseinandergerissen, denn die Jagd nach etwas Besserem, Neuem, nach etwas, das einem noch einmal einen Kick versetzt, hat begonnen. Klingt alles nicht sehr vielversprechend, oder?

Doch im Keim des sterbenden Lebens liegt schon der Keim eines neuen. Es ist spannend, letztendlich bei sich selbst zu sehen, wie der Mensch sich noch einmal komplett neu erfindet. Was für ein Mut und eine innere Kraft treiben uns voran? Sind das die Wechseljahre oder ist es nur der 50. Geburtstag? Und gibt es sie wirklich, die Wechseljahre, oder werde ich einfach nur alt? Eine eindeutige Antwort darauf scheint es nicht zu geben. Dennoch kann frau sich sicher sein, dass etwas wechselt. Mit einer großen Portion Glück findet dieser Wechsel nur auf körperlicher Ebene statt. Oder vielleicht ist das Glück, wenn nichts passiert, außer dass die monatlichen Blutungen wegfallen, auch Ignoranz? Wer seine Seele und seinen Körper verleugnet, der kann alt werden, keine Frage, doch die Frage nach dem Wie bleibt unbeantwortet. Die Jahre des Wechsels sollten Grund genug sein, sich sein Leben noch einmal genauer anzuschauen.

Ich habe versucht, den esoterischen Part weitgehend auszusparen, aber ganz ausknipsen kann man ihn nicht. Auch darauf muss man sich einlassen, nicht auf die Esoterik, aber auf die Mystik des Lebens. Nicht ganz einfach, wenn man wenig damit zu tun hat oder zu tun haben will. Meiner Ansicht nach hat die Nabelschau der Nachtseite unserer Seele mit Angst zu tun: Angst vor dem Unbekannten, vor dem Unbeherrschbaren. Es ist in unseren Genen, in unserer DNS gespeichert. In Zeiten tiefster Entspannung kommt es plötzlich in uns hoch und macht uns Angst, obwohl wir das Wissen tief in uns tragen, dass alles gut wird und alles ist, wie es ist. Ich glaube, neugierig muss man bleiben, denn das Leben hat noch so viele spannende Momente zu bieten. Doch die klopfen nicht an die Tür, sondern man muss sich selbst auf Trüffelsuche begeben. Sie liegen überall herum, man muss nur die Augen offenhalten und sich bücken, um sie auszugraben.

1. KAPITEL

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Ich werde 50

„My way is not the only way“

– Angaangaq Angakkorsuaq, Ältester der Eskimo-Kalaallit –

Anfang Mai sitze ich im Reisebüro. Vor mir eine fesche Brünette, gepflegt und mit schönen rot lackierten Fingernägeln. Als ich ihr erzähle, dass ich vor kurzem 50 geworden bin, lacht sie laut auf und wirft ihren Kopf in den Nacken. Gut sieht sie aus, stelle ich neidlos fest. „Ja“, sagt sie, „ich bin letztes Jahr auch 50 geworden und alle meinten, das ist doch furchtbar und ich wäre nun bestimmt sehr traurig.“ Wieder lacht sie. „Aber wissen Sie was?“, sie lacht erneut, „ich habe mich noch nie so gut gefühlt in meinem Leben. Und ich habe jeden Tag gefeiert.“ Ich bin begeistert. Wenn ich in einem Jahr auch so aussehe … wunderbar. Doch zuvor möchte ich im August mit meiner kleinen Familie nach Hawaii. Ich nehme es schon einmal vorweg: Daraus wurde nichts. Kurz bevor wir die Reise antreten wollen, wird der italienische Opa sehr krank. Anstatt nach Hawaii geht es nach Frankreich, dann können wir schneller nach Hause, sollte es dem Opa schlechter gehen. Ja, auch das gehört nun dazu, die Eltern sind eben mit uns alt geworden. Alt werden und Wechseljahre, Themen, die schon seit einiger Zeit auf meiner Agenda stehen.

Irgendwie ist sehr viel mit mir passiert und ich stelle in diesem Jahr fest, sozusagen im Rückblick, dass mich die Wechseljahre physisch nicht so sehr im Würgegriff haben, doch psychisch allemal. Ich komme in diesem Jahr zu dem Entschluss, ich bin der Tiefe meiner selbst noch nie bewusst so nah gewesen. Meine persönliche Nabelschau bewirkt, dass ich bestimmte Situationen in meinem Leben nun besser verstehe und ich mich sehr viel besser so annehmen kann, wie ich bin. Ich brauche keine Bestätigungen durch andere mehr, ich bin mir selbst gut genug. Das ist ein schönes Gefühl, selbst wenn es nicht immer präsent ist.

Nun muss ich dazu sagen, dass ich das große Glück habe, in einer Welt zu leben, die es mir erlaubt, mich eingehend mit einer persönlichen Innenschau zu beschäftigen. Während andere Frauen auf dem Mittelmeer um ihr Leben kämpfen oder in Kriegsgebieten auf der Flucht sind, ist mir als Europäerin der Luxus gestattet, wie die alten Griechen zu philosophieren und mir Gedanken darüber zu machen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dazu durfte ich die Zeit der Wechseljahre sozusagen als Entschuldigung zur Ausrede nutzen, wenn ich schon wieder einmal vor lauter Gedankenströmen nicht schlafen konnte und die dunklen Ringe um meine Augen es zu ansehnlicher Größe schafften. Obwohl mein Gedankenaustausch mit anderen Wissenden und Suchenden nicht in den luftigen Hallen griechischer Bauwerke stattfindet, sondern im Wohnzimmer mit dem Laptop auf dem Schoß. Was für ein unbeschreiblicher Luxus, genügend Zeit zur Verfügung zu haben, um einfach nur zu denken. Früher war das meist den Männern vorbehalten, denn oft war es nur ihnen erlaubt, sich dem Reichtum der Gedanken hinzugeben, um sie danach kundzutun.

Es ist das Jahr 2016 und es wird ein Sterbejahr werden. Doch ich weiß davon noch nichts und nehme mir vor, nur schöne Dinge zu tun – selbst wenn man mich für bekloppt hält, weil ich unglaublich viel Geld ausgeben werde, denn ich habe eine Entschuldigung oder gleich zwei: Ich werde fünfzigund ich bin in den Wechseljahren. Doch es sind noch ein paar Monate hin bis zu meinem Geburtstag. Es ist Januar und ich sitze in der Küche und überlege, was ich dieses Jahr gern Besonderes machen möchte. Nun, ich würde gern nach Alaska und Hawaii fliegen und mit einer Freundin in einem alten Moskwitsch durch Russland fahren. Sich einfach treiben lassen und schauen, was so passiert. Bei Letzterem weiß ich nicht, wie ich meine vierwöchige Abwesenheit meiner Familie verkaufen soll, und so rutscht dieses Unternehmen wieder einmal nach unten auf der „Before I die“-Liste. Was kann ich nur tun, damit das Jahr, in dem ich 50 werde, besonders wird? Plötzlich kommt mir eine Idee: Ich wollte immer schon nach Bayreuth auf die Festspiele! Schauen wir doch einmal, wie man sich bewirbt. Denn so hat es mir eine Freundin beschrieben. Man bewirbt sich und irgendwann ist man dran und kann sich die Tickets kaufen. So war es jedenfalls bis vor zwei Jahren, denn als ich auf die Webseite der Bayreuther Festspiele schaue, bin ich in diesem Augenblick online zum Ticketkauf. Meine Güte, ich kann sofort Karten haben für die Wagner-Festspiele. Sofort! Ich muss mich innerhalb von 10 Minuten entscheiden. Doch wer kommt mit mir mit? Allein? Ich weiß nicht. Ich schreibe eine Nachricht an meine Freundin Carola, wir kennen uns schon seit unserem 16. Lebensjahr. Sie ist begeisterte Operngängerin. Und sie sagt zu! Ich habe noch vier Minuten. Oh Mann, die Tickets sind ganz schön teuer. Doch wurscht, ich kaufe sie. Bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen sind wir dabei! Herzlichen Glückwunsch. Auch wenn ich bis dato nicht weiß, dass dieses Jahr in Bayreuth ganz anders sein wird. Kein roter Teppich, keine Stars und Sternchen. 2016 wird schon wieder ein Jahr des Terrors, ein Jahr des Angriffs auf unsere demokratische Freiheit sein. Noch weiß ich nichts davon und bin komplett aus dem Häuschen vor Freude. Carola und ich werden in den nächsten Monaten bei eBay unglaublich schöne lange Festtagskleider zu unglaublich günstigen Preisen ersteigern. Wir werden uns künstliche Wimpern unter sehr anstrengenden Bedingungen bei der Kosmetikerin ankleben lassen und French Nails auf die Fußnägel drapieren. Wir werden toll aussehen mit unseren künstlichen Beautygeheimnissen. Doch einen Tag, bevor die Reise losgehen soll, passiert das Unfassbare: Carola ruft mich an und erzählt mir mit tränenerstickter Stimme, dass sie nicht mitkommen kann. Ihr Vater ist plötzlich gestorben und jetzt wäre so viel zu regeln. Das Leben hat volle Breitseite zugeschlagen. Wir fahren trotzdem zwei Tage später, Carola braucht dringend Abstand. Es wird eine schöne Zeit mit viel Wehmut, denn ich kannte ihren Papa 25 lange Jahre. Einen Tag, bevor wir wieder nach Hause reisen, stirbt unerwartet der Mann einer Freundin. Ich bin fassungslos und diesmal haut es mich ordentlich aus den Latschen. Das war ein Toter zu viel in so kurzer Zeit, denn auch 2015 sind zwei Menschen gegangen, die, vom Alter her gesehen, doch noch bei uns sein sollten. Ich werde unsicher und habe Angst, dass es noch mehr Tote in meinem persönlichen Freundes- und vielleicht auch Familienkreis geben wird. Doch es bleibt bis zum Ende des Jahres ruhig, auch wenn der italienische Opa Mitte des Jahres mit einem heftigen Schlaganfall noch für viel Aufregung sorgen wird.

2. KAPITEL

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Die Nachtseite der mittleren Jahre oder die Mystik des Lebens

„What a wonderful life I’ve had!
I only wish I’d realized it sooner“

– Colette in The Happiness Project von Gretchen Ruben –

Einigen wir uns darauf, dass es die Wechseljahre gibt, denn sonst hätte ich weder dieses Buch geschrieben noch hätten Sie es gekauft. Meiner Ansicht nach ist die Zeit der Wechseljahre geprägt von Jahren sichtlicher körperlicher Veränderungen, aber vor allem bemerken wir die Grenzen unserer persönlichen Leistungsfähigkeit jetzt spürbar. Ich könnte fast sagen, es passiert in einer einzigen Nacht. Man wacht auf und von Stund an geht nichts mehr so, wie es vorher ging, überall zwickt und zwackt es. Vielleicht zwickte und zwackte es vorher auch schon ordentlich, das ist natürlich von Frau zu Frau unterschiedlich. Doch nun scheint eben auch der Zeitpunkt gekommen, wo zusätzlich etwas innerlich passiert. Auf einmal ist der Morgen anders als der Morgen davor, irgendetwas ganz tief im Bauch grummelt vor sich hin. Ein noch nie dagewesenes Gefühl meldet sich, das sich zunächst sehr fremd anfühlt. Für mich persönlich bedeutet die Zeit der Wechseljahre die letzte große Korrektur im Leben. Eine Korrektur von tiefgreifender Qualität, die solche Überlegungen hinterfragt wie: Woher komme ich, wohin gehe ich, was macht mich aus, warum existiere ich, weshalb ist mein Leben so und nicht anders und bin ich glücklich damit? Jetzt geht es ans Eingemachte, an den Urschleim, an die Basis. Und wer trotzdem so weitermacht wie bisher, dem setzt der Körper immer heftigere Grenzen. Sicherlich geht das Leben auch so weiter. Dennoch wäre dieses Leben schöner, wenn wir aus der Phase der ungewohnten Befindlichkeiten, sozusagen unserer persönlichen Nabelschau gefestigt herausgingen. Der Zeitpunkt ist gut!

Dieses Buch entspricht der persönlichen Sicht meiner Wechseljahre. Es ist meine ganz persönliche Korrektur, auf die mich das Leben aufmerksam gemacht hat. Ich hatte die Wahl: Mache ich die Augen zu und laufe so schnell, wie es nur irgendwie geht, durch diese Zeit oder nehme ich die Herausforderung an, damit ich nicht in 10 oder 20 Jahren mit einer fetten Depression auf dem Sofa liege und es nicht mehr schaffe aufzustehen? Ich will den Rest meines Lebens – und das wird mit Sicherheit länger sein, als wir es uns vorstellen können – nicht mit Botox und „Mother’s little helpers“ camouflieren (oder tarnen). Wir sind die Ersten einer kriegsfreien Generation, die in einer Gesellschaft groß geworden sind, die es einer Frau erlaubt, eigene Entscheidungen zu treffen. Wir sind die Ersten, die über Wechseljahre sprechen dürfen – genauso wie über postnatale Depressionen, Fehlgeburten oder Schwangerschaftsunterbrechungen. Wir sind aber auch die Ersten, die die Chance haben werden, ein hohes Alter zu erreichen und dabei den größten Teil der Jahre jenseits der 80 dank einer ausgereiften Technik selbstständig zu bleiben. Die Kehrseite der Medaille ist: Noch nie haben wir uns von den Medien, der Gesellschaft und der Medizin dermaßen gängeln lassen, um fit, schön, schlank und leistungsfähig zu bleiben. Doch der eigene Körper fordert mit einem Mal Respekt ein, schließlich hat er uns den größten Teil unseres Lebens ohne Murren durch die Jahre getragen. Und weil man Respekt vor dem eigenen Ich lernen muss, und zwar über viele Jahre, sollte man spätestens jetzt damit anfangen. Wer täglich seine Seele ignoriert und seinen Körper vergewaltigt, vor dem tut sich ein Abgrund auf, vor dem man dann jeden Tag mit den Füßen auf und ab wippt, bis man das Gleichgewicht verliert.

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Wechseljahre Wandlungsjahre seien. Ist es so, wandelt sich wirklich etwas? Fest steht: Bei den Frauen geht die Zeit der Fruchtbarkeit zu Ende, bei den Männern sinkt der Testosteronspiegel. Das alles passiert bei den meisten im Alter zwischen 40 und 55, die Generation Golf befindet sich in der Midlifecrisis. Diese Phase des Lebens nennt die Wissenschaft Klimakterium, was aus dem Griechischen kommt und so viel wie „kritische Zeit“ bedeutet. Nun kann man diese Zeit galant meistern, indem frau sich ihre kleine persönliche Botoxspritze in ihr Kosmetiktäschchen packt. Dann wird eben nicht mehr aufs Klo gegangen, um sich die Nase zu pudern, nein, frau spritzt sich gleich und direkt die Nasolabialfalte weg. Danach wirft sie sich noch ihre Hormonpräparate ein und weiter geht das Powershoppen. Wer Glück hat, der kann damit die ekelhaften Hitzewallungen auf ein erträgliches Maß reduzieren – genauso wie das Gewicht. Dennoch passiert es, dass frau in einer wichtigen Vorstandssitzung raus muss, weil ihr plötzlich und ohne Vorwarnung die Tränen in die Augen schießen. Dann juckt die Haut mit einem Mal und ausschlafen können wäre ebenfalls mal wieder schön. Ja, und im Rücken zwickt es ordentlich und auf der rechten Seite kann frau auch nicht mehr schlafen, weil die Schulter so wehtut. Und wenn frau dann doch endlich einmal eingeschlafen ist, dann wacht sie mitten in der Nacht auf, weil das Herz so rast. Dann wäre da noch die Sache mit den Nebenwirkungen bei der Hormoneinnahme, die Liste ist lang und macht Angst. Ja, die Zeit der Wechseljahre oder – wie es bei den Männern so schön umschrieben wird – die Midlifecrisis kann man jahrelang weg spritzen, weg trainieren, weg trinken, weg sabotieren. Doch eines Tages erwacht die Körperseele und haut uns anständig auf die Finger oder boxt uns ins Gesicht.

Mir hat sie ordentlich auf die Finger gehauen. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich nun schon mit dem Thema Wechseljahre. Manchmal sehr zum Leidwesen meines sozialen Umfeldes, dem, wenn es ein bestimmtes Alter erreicht hat, von mir sofort mindestens eine präklimakterische Lebensphase angedichtet wird. Doch auch wenn ich vielleicht bei manch einer über das Ziel hinausschieße, frau möge mir verzeihen, bin ich leicht bis mittelschwer darüber entsetzt, wie wenig die Frauen ihren Körper kennen und das Thema Wechseljahre unbewusst zur Seite schieben. Erst wenn die Hitzewallungen unerträglich werden, fangen sie an, sich irgendwelche Pillen einzuwerfen. Alle anderen Symptome, die sich bis dato noch nicht mit aller Kraft ihren Weg in die Freiheit gebahnt haben, werden schön weggedrückt und zugedeckelt. Geht irgendwie, ist nicht so schlimm, passt schon. Das Problem, das ich sehe, sind nicht die Hitzewallungen, das Problem ist, dass sich oft unerklärliche körperliche Symptome (zum Beispiel Schlafstörungen, Gewichtszunahme, depressive Verstimmungen) manifestieren, die dann mit alternativen Heilmethoden zunächst nicht mehr behandelt werden können. Oft helfen da nur Antidepressiva oder in schweren Fällen eine Klinikeinweisung. Dabei hätte der Spruch „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ sicherlich einiges verhindern können. Wechseljahre sind physiologisch und unausweichlich. Psychologisch werden die Wechseljahre eher mit Niedergang, Alterung und Tod gleichgesetzt. Die sogenannten Naturvölker gehen nicht unbedingt menschlicher damit um als die westlichen Industrienationen. Bei den Gisu in Uganda verliert eine Frau, wenn sie keine Kinder geboren hat, ihren kompletten gesellschaftlichen Status und begeht oftmals Selbstmord. Im Tschad erhöht sich dagegen ihr gesellschaftlicher Status, vorausgesetzt sie hat Kinder geboren und damit dazu beigetragen, das Überleben der Sippe zu sichern. In Neuguinea werden die Wechseljahre der Frau unterschiedlich behandelt: Bei den Tin Dama zum Beispiel hat die Frau nach den Wechseljahren kein soziales Leben mehr. Mit der sogenannten Trauer-Eröffnungszeremonie wechselt die Frau nicht nur ihren Namen, sie verliert auch ihren Status und ihre körperliche Realität. Sie bleibt bis zu ihrem physischen Tod eine Art Medium zwischen den Lebenden und den Toten.1 Vielleicht hat dieses Verhalten damit zu tun, dass, wenn es um das Überleben der Sippe geht, darauf verzichtet werden kann, diese „alten“ Frauen mit durchzufüttern. Alte Männer lässt man in die Wüste ziehen, alte Frauen wurden zumindest früher sogar von anderen Stammesangehörigen getötet, wenn der Stamm sein Lager abbrach, wie zum Beispiel bei den Sami in Lappland, den San in der Kalahari-Wüste, den Omaha- und Katenai-Indianern in Nordamerika und den Ache-Indianern in Südamerika.

Sicherlich haben sich diese Rituale bei einigen Naturvölkern im Laufe der Zivilisation geändert, trotzdem sollten wir uns dessen bewusst sein, dass die Natur auch grausam sein kann.2