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STAR TREK

THE NEXT GENERATION

KOLLATERALSCHADEN

DAVID MACK

Based on
Star Trek
and
Star Trek: The Next Generation
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Bernd Perplies

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Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – THE NEXT GENERATION: KOLLATERALSCHADEN wird herausgegeben von Cross Cult Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler; Übersetzung: Bernd Perplies; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger;

Korrektorat: André Piotrowski; Cover Artwork: Alan Dingman, Satz: Rowan Rüster; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the EU.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – THE NEXT GENERATION: COLLATERAL DAMAGE

German translation copyright © 2020 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2019 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

TM & © 2020 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-323-7 (Oktober 2020) · E-Book ISBN 978-3-96658-324-4 (Oktober 2020)

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Gewidmet allen Träumen,
denen man entwachsen ist,
ohne sie je zu vergessen.

INHALT

HISTORISCHE ANMERKUNG

PROLOG FEBRUAR 2381

JANUAR 2387

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

KAPITEL 35

EPILOG

DANKSAGUNG

ÜBER DEN AUTOR

HISTORISCHE ANMERKUNG

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Der Prolog dieser Geschichte spielt im Februar 2381, eine Woche nach dem Ende der Borg-Invasion (STAR TREK – DESTINY).

Der Hauptteil des Romans trägt sich im Januar 2387 zu, etwa acht Wochen nach der Mission der Enterprise, das Generationenschiff der Nejamri abzufangen (STAR TREK – TNG »Vorhandenes Licht«), und zehn Wochen nachdem die Verbrechen von Sektion 31 publik gemacht wurden (STAR TREK »Sektion 31: Kontrolle«).

Nächstenliebe beginnt
in den eigenen vier Wänden –
aber wenn sie dort auch endet,
was ist sie dann wert?

PROLOG

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FEBRUAR 2381

Vor sieben Tagen ist meine Welt gestorben. Ermordet worden. Niedergestreckt wie ein tollwütiger Hund. Man hat sie brennen lassen, ohne dass eine lebende Seele verblieben wäre, die um sie hätte trauern können. Sie ist völlig grundlos zerstört worden.

Vom Gipfel des höchsten Berges auf Nausikaa blicke ich hinab auf verkohlte Schlacke. Eine geschwärzte Kugel, still und leer. Ein Nebel, der die Farbe von verrottendem Fleisch hat, hängt über den Ebenen zu meinen Füßen. Er passt zu der Leichenblässe unseres einst strahlenden Himmels, der jetzt durch ständige Schleier aus braunem Staub und grauem Rauch verhangen ist, die durch das gnadenlose Bombardement der Borg in die Atmosphäre geschleudert wurden.

Wo ich meine Geburtsstadt sehen sollte, das Land meiner Vorväter, das Heim meiner Familie … da ist nichts weiter als ein schwelender Krater, dessen tiefster Punkt noch immer in dem grünen Feuer glüht, das ihn erschaffen hat. Eine qualmende Wunde in der Landschaft. Ein leerer Raum, sowohl im übertragenen als auch im sehr direkten Sinne.

Ich will schreien. Meinen Kummer und meine Wut hinausheulen. Aber die Trauer raubt mir die Stimme, erstickt mich wie ein Strick um meine Kehle. Meine seitlichen Mandibeln beben. Meine Augen brennen vor Tränen des Zorns. Ich muss stark bleiben. Ich bin alles, was meinem Volk geblieben ist. Wenn ich schwach bin, werden die Letzten von uns vergehen.

Ich darf nicht wanken, darf keine Furcht zeigen. Ich muss es irgendwie schaffen weiterzumachen.

Hinter mir geben sich andere ihrer Trauer hin. Die Frauen und die Jünglinge lasse ich weinen. Die Männer brüllen, bis sie heiser sind, so als hofften sie, dass ihre Schreie das Grabtuch zerreißen könnten, das unsere Welt einhüllt. Sie brauchen das jetzt. Sie müssen sicher sein, dass sie ihre Tegoli den Vier Winden ausgeschüttet haben und nicht von ihnen erhört wurden.

Unsere Götter werden uns nie wieder klagen hören. Sie haben uns entweder verlassen, oder sie sind tot. Wie dem auch sei, sie spielen keine Rolle mehr. Die einzige Wahrheit, die es jetzt noch gibt, ist die, dass wir allein sind.

Und dass ich hätte hier sein sollen.

Ich hätte neben meinen Gefährtinnen und unseren Jünglingen sterben sollen. Yawa, kannst du mir jemals vergeben? Baru? Hörst du das Bedauern in meiner Stimme? Ich wünschte, ich hätte den Tag nicht erleben müssen, an dem ich plötzlich ohne euch beide dastehe. Ohne unseren eigensinnigen, leidenschaftlichen Jüngling. Wart ihr dankbar, dass ich nicht auf Nausikaa war? Habt ihr gehofft, ich würde euch rächen? Oder habt ihr mich verflucht, als ihr diese Welt verlassen habt? Mich einen Feigling genannt?

Ich schwöre auf eure Tegoli, dass ich kein Feigling bin. Wäre ich hier gewesen, hätte ich den Borg gezeigt, was Guramba wirklich bedeutet. Ich hätte sie für diese Schrecken mit Blut bezahlen lassen.

Das ist mehr, als die Föderation getan hat – denn sie hat nichts getan.

Kein einziges Schiff kam, um Nausikaa zu verteidigen.

Immer diese großen Worte, und wo war die Föderation dann, als wir sie brauchten? Die Borg waren deren Feinde. Ein Albtraum, den sie hervorgebracht hat. Eine Katastrophe, die sie auf die Galaxis losgelassen hat.

Wo war die Föderation, als unsere Welt in Schutt und Asche gelegt wurde?

Wo war die Föderation, als unsere Wahrzeichen vaporisiert und jede Spur unserer Geschichte, unserer Kultur, unserer Literatur, unserer Musik, unseres Erbes ausgelöscht wurde? Sie befand sich auf dem Rückzug, floh, um ihre wertvolle Erde zu beschützen.

Die große und viel gepriesene Sternenflotte rannte ängstlich davon, während die Borg die Ozeane meiner Welt durch die glühende Asche von sechs Milliarden Nausikaanern in Schlamm verwandelten.

Jetzt ist nichts mehr übrig. Kein einziger Überlebender existiert noch auf der Planetenoberfläche.

Die einzigen Nausikaaner, die in der Galaxis übrig sind, sind jene, die nicht in der Heimat weilten, als die Borg kamen. Eine Handvoll Schurken, Plünderer und unabhängiger Händler. Das, was bei unserem Volk einem Militär am nächsten kam, ist zusammen mit diesem Planeten gestorben. Genauso wie unsere streitsüchtige Regierung und jedes letzte bisschen an Reichtum, den wir als Zivilisation besaßen.

Wir waren schon immer eine stolze Spezies. Stark. Unabhängig. Furchtlos.

Aber jetzt sind nur noch so wenige von uns übrig. Eine falsche Entscheidung könnte unser Aussterben bedeuten.

Als ich aufwuchs, lernte ich, dass Nausikaaner niemals um etwas bitten. Nicht um Hilfe, nicht um Gefallen, nicht um Gnade. Was wir wollen, nehmen wir uns. Was wir haben, behalten wir. Das ist unsere Art. Aber wie holen wir uns unsere eigene Vergangenheit zurück? Unsere Identität? Tausende von Zyklen an Geschichte, Mythologie, Musik, Kunst, Literatur, Dichtung und Glauben … alles fort und verloren.

Alles, was wir waren. Zerstört in einem Blitz aus Licht und Hitze.

Wir letzten Überlebenden treiben hilflos durch das Nichts. Zu stolz, um zu bitten. Zu schwach, um zu erobern. Das nausikaanische Volk ist zu Abfall geworden, der von der grausamen, endlosen Strömung der Zeit davongespült wird.

Ausgelöscht ohne Grund. Nicht, weil wir etwas hatten, das die Borg wollten, oder etwas darstellten, das sie fürchteten. Sondern bloß, weil unser Sternensystem zwischen dem Ankunftspunkt der Borg im Alpha-Quadranten, dem Azur-Nebel, und ihrem Endziel, dem Sol-System, lag.

Der Erde.

Unsere Welt wurde ermordet, weil sie sich auf der kürzesten Route der Borg zur Erde befand.

Mein Volk hat die Borg nie herausgefordert. Sie haben sich nie für uns oder unsere Technologie interessiert. Sie haben uns in Frieden gelassen und wir sie. Bis sie die Föderation getroffen haben. Da hat sich alles verändert. Nachdem die Föderation und ihre Sternenflotte mit den Borg Kontakt aufgenommen hatte, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis etwas wie das hier passieren würde.

Es ist immer die gleiche Geschichte mit der Sternenflotte. Sie fühlt sich so überlegen. Sie ist so überzeugt von sich selbst.

Und jetzt sind Milliarden meiner Leute tot. Ausgerottet wie Ungeziefer. Und auf anderen Welten ist das Gleiche geschehen, wieder und wieder. Mehr als sechzig Milliarden lebendig verbrannt, jeder von ihnen ein Opfer auf dem blutgetränkten Altar der Föderationsarroganz.

Manche wollen die Borg für diese Schrecken verantwortlich machen. Aber die Borg sind fort. In der Caeliar-Gestalt aufgegangen. All ihrer Verantwortung enthoben, von all ihren Sünden reingewaschen.

So sei es. Ich weiß, wer wirklich verantwortlich ist.

Ich wende mich von dem endlosen Feld der Zerstörung ab und blickte auf die wenigen Dutzend Überlebenden. Sie in diesem brutalen, gleichgültigen Universum zu verteidigen, ist ab heute meine heilige Pflicht. »Genug!« Meine Stimme ist rau. Ich deute auf mein Schiff, die Seovong, die nicht weit entfernt auf einem kleinen Felsplateau parkt und deren hintere Zugangsrampe offen steht. »Wir verschwinden.«

Mein Erster Offizier Kradech tritt auf mich zu. »Kinogar«, sagt er in leisem Tonfall, »die Frauen und Jünglinge brauchen mehr Zeit.«

Er war schon immer weniger hartherzig als ich. Ich schüttle den Kopf.

»Eine Stunde oder einen Tag zu klagen, macht keinen Unterschied. Selbst wenn wir weinen, bis unsere Augen keine Tränen mehr haben, wird unsere Welt immer noch tot sein.« Ich nicke in Richtung des Schiffs. »Schafft sie an Bord.«

Meine Miene ist ausdruckslos, aber mein Herz heult vor Schmerz, als ich zusehe, wie Kradech und meine anderen treuen Männer die Handvoll unserer trauernden Verwandten zurück ins Schiffsinnere führen. Manche von ihnen klammern sich an winzige Erinnerungen aus unseren früheren Leben. Eine Frau – die Glückliche – hat ein Buch, das in unserer Muttersprache geschrieben ist. Ich sehe einen Jüngling, der ein Holzblasinstrument bei sich trägt. Womöglich weiß er nicht mal, wie es gespielt wird, aber trotzdem wurde ihm eingeschärft, es zu bewahren und zu beschützen.

Soweit ich weiß, sind wir alles, was vom Volk der Nausikaaner übrig ist.

Um ihretwillen werde ich die Föderation für das bezahlen lassen, was wir verloren haben.

Ich unterdrücke meine brennenden Tränen, während ich mein Schiff betrete und zu den Sternen aufsteigen lasse. Hinter uns bleibt die Leiche meiner Welt zurück – und mit ihr ein Stück meiner Tegol.

JANUAR 2387

KAPITEL 1

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Der Kragen von Jean-Luc Picards Galauniform lag eng wie eine Schlinge um seinen Hals. Er schob den Zeigefinger dahinter und zog behutsam daran, um ihn ein wenig zu lockern. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass er früher so eng saß. Aus dem Augenwinkel gewahrte er, dass er die Aufmerksamkeit seiner Frau, Doktor Beverly Crusher, erregt hatte, die neben ihm in dem Shuttle Galileo saß. Er ließ den Kragen los und richtete den Blick nach vorn. Draußen glitten die Türme und Dachspitzen von San Francisco vorbei.

Crusher trug ebenfalls ihre Ausgehuniform. Picard hatte sie daran erinnert, dass es für sie nicht nötig war, sich das anzutun, aber sie hatte darauf bestanden. »Wir stecken da beide mit drin, Jean-Luc«, hatte sie ihm vor einer Stunde erklärt, als sie sich in ihrem Quartier an Bord der Enterprise umgezogen hatten.

Ich hoffe nur, das wird sich nicht als wahr herausstellen.

Seit sie die Galileo bestiegen hatten, hatten sie kein Wort miteinander gewechselt. Ihr Flug hinunter vom Erdorbit war kurz gewesen und beherrscht von dem Unbehagen vor dem, was sie am Ende erwarten würde. Sie hatten diese Reise so lange wie möglich vor sich hergeschoben – zunächst durch Ausreden, dann durch eine Mission weit jenseits der Föderationsgrenzen. Aber die Zeit für Verzögerungen und Ausweichmanöver war vorbei.

Ich kann nicht länger davor weglaufen. Es wird Zeit, für meine Taten einzustehen.

Mitglieder des Föderationsrats hatten schon seit Wochen Picards Anwesenheit eingefordert, seit Sektion 31 öffentlich bloßgestellt worden war. Denn mit dieser Bloßstellung war, neben all ihren Verbrechen außerhalb und innerhalb der Föderation, auch enthüllt worden, dass Picard und mehrere Flaggoffiziere der Sternenflotte Schlüsselrollen in der gewaltsamen Absetzung von Föderationspräsident Min Zife sieben Jahre zuvor gespielt hatten. Dabei war Picard genauso wie jedermann sonst von der Neuigkeit schockiert worden, dass Sektion 31 zusätzlich so weit gegangen war, Zife und seine Topberater direkt nach ihrem Rücktritt zu exekutieren.

Wenn ich das nur gewusst hätte … Der Gedanke führte nirgendwohin. Wenn er auf diese von Furcht beherrschten, gewalttätigen Tage zurückblickte und sich fragte, was er anders hätte machen können, fiel ihm keine Antwort ein. Die Tezwa-Krise hatte zu den dunkelsten Zeiten in seiner Sternenflottenlaufbahn gehört. Millionen waren gestorben, ein Planet und ein Volk waren zerstört worden, und all das für nichts. Er hatte gehofft, nie wieder daran denken zu müssen, doch die Schrecken von damals verfolgten ihn bis heute. Er vermochte ihnen ebenso wenig zu entrinnen wie seinem eigenen Schatten.

Eine Veränderung in der künstlichen Schwerkraft des Shuttles und ein Absenken der Nase warnten Beverly und ihn vor dem, was kommen würde, noch bevor ihre Pilotin, der rothaarige Lieutenant Allison Scagliotti, über die Schulter blickte. »Captain, wir befinden uns im Landeanflug auf das Sternenflottenhauptquartier.«

»Danke, Lieutenant.«

Er bewegte seine Hand gerade weit genug, um seine Finger mit denen von Crusher zu verschränken.

Sie schloss ihre Finger um die seinen, eine kleine, aber wertvolle Geste der Unterstützung.

Über die Komm-Verbindung der Galileo vernahm Picard die Stimme des Flugsicherungsoffiziers im Sternenflottenhauptquartier, der letzte Anweisungen gab. Genau wie Picard erwartet hatte, wurde das Shuttle zu der Landeplattform dirigiert, die in unmittelbarer Nähe des Büros des höchsten Sternenflottenoffiziers lag: Fleet Admiral Leonard James Akaar. Das ergab Sinn, und das nicht nur, weil es praktisch war. Die Landeplattform war vor den Blicken außenstehender Beobachter geschützt, außerdem war Zivilisten, die nicht zur Regierung gehörten, der Zutritt hier nicht gestattet.

Mit anderen Worten: keine Presse.

Butterweich setzte die Galileo auf. Das Brummen des Impulsantriebs verringerte sich zu einem leisen Schnurren, ganz aus ging es aber nicht. Das Shuttle hatte den Befehl, umgehend zur Enterprise zurückzukehren, sobald Picard und Crusher sicher beim Sternenflottenkommando abgeliefert worden waren.

»Kommando, die Galileo ist sicher gelandet«, meldete Scagliotti dem Luftsicherungsoffizier des Sternenflottenhauptquartiers. »Die Passagiere steigen nun aus. Erbitte Freigabe zum sofortigen Abflug.«

»Wir machen Ihnen einen Flugvektor frei. Bitte warten, Galileo

Picard und Crusher lösten ihre Sicherheitsharnische und erhoben sich von ihren Plätzen. Scagliotti öffnete die Steuerbordluke des Shuttles, als sie sich ihm näherten. Dann drehte sich die junge Frau auf ihrem Sessel um und blickte sie an, bevor sie ausstiegen. Tränen schimmerten in ihren Augen. »Viel Glück, Sir!«, sagte sie, und ihr Wunsch kam sichtlich von Herzen.

Was konnte er darauf antworten? Er wollte ihre keine falschen Hoffnungen machen.

Mit einem knappen Nicken nahm er ihre Worte entgegen. »Danke.«

Dann führte er seine Frau aus dem Shuttle, hinaus in den blendenden Schein eines klaren, eiskalten Wintermorgens in San Francisco, Kalifornien.

Seite an Seite schritten sie über die Landeplattform zu der Doppeltür, die ins Innere des Hauptquartiers der Sternenflotte führte. Sie hatten die rote Zone der Plattform kaum verlassen, als sie schon hörten, wie das Antriebsgeräusch der Galileo wieder anschwoll. Weder Picard noch Crusher blickte zurück, aber der Captain sah das abhebende Shuttle in der Reflexion der spiegelblanken Fensterfront des Gebäudes.

Die Doppeltür glitt auf, als sie sich ihr näherten. Ein hochgewachsener Sternenflottenoffizier trat ins Freie, um sie zu begrüßen. Es war ein jung wirkender Pacificaner, der eine Flüssigatemmaske über Mund und Nase trug und auffällige Schwimmhäute zwischen den langen, schlanken Fingern seiner Hände aufwies. Elegante, mehrfarbige Finnen wuchsen aus der Oberseite und den Seiten seines Schädels. Als er sich auf Gesprächsdistanz genähert hatte, sah Picard, dass der Mann die Rangabzeichen eines Lieutenants trug. Seine Worte drangen aus einem speziellen Übersetzungsmodul, das in seine Atemmaske integriert war.

»Ich grüße Sie, Captain Picard.« Er wandte sich Crusher zu. »Willkommen, Doktor Crusher!« Er deutete auf die offen stehende Tür hinter sich. »Ich bin Lieutenant Commander Boyelip, der oberste Berater von Fleet Admiral Akaar. Sie werden beide erwartet. Folgen Sie mir, bitte.«

Boyelip drehte sich um und führte sie ins Innere.

Weit von einem Empfang für Helden entfernt. Nicht, dass ich irgendeinen Grund gehabt hätte, so etwas zu erwarten. Nicht diesmal.

Auf dem kurzen Weg durch die sterilen weißen Korridore zum Büro des höchsten Admirals der Sternenflotte passierten sie Offiziere unterschiedlicher Spezies sowie verschiedenen Ranges und Geschlechts. Picard hatte das Gefühl, das Gewicht der starrenden Blicke jedes Einzelnen zu spüren, während er sich bemühte, ebendiese zu ignorieren. Augenkontakt zu vermeiden, das hatte er in letzter Zeit gelernt, war die beste Methode, um unerwünschte Fragen zu verhindern. Also gab er neuerdings sein Bestes, um den Blick immer nach vorn zu richten, dorthin, wohin er ging, auf das, was er gerade tat, und auf die Person, mit der er in dem Moment sprach.

Aber er spürte die Blicke. Die vorwurfsvollen Gesichtsausdrücke. Überall, wohin er ging. Und ihr Gewicht nahm mit jedem vergehenden Tag zu. Schon bald würden sie zu viel für ihn sein, nicht mehr zu ertragen. Er musste sich von dieser Bürde befreien.

Boyelip öffnete die Tür zu Akaars Büro, aber er blieb draußen, als Picard und Crusher eintraten. Hinter ihnen schloss er die Tür wieder.

Akaar stand vor dem bodentiefen Fenster, den breiten Rücken Picard und Crusher zugewandt. Der große, weißhaarige Capellaner – der noch immer gut durchtrainiert war, ungeachtet seines Alters von über hundertzwanzig Jahren – blickte hinaus auf die Schönheit der Bucht von San Francisco. Als er das Wort ergriff, sprach er mit der Ruhe eines bajoranischen Vedek, der ein Gebet für die Toten liest. »Und so beginnt es.« Er drehte sich zu Picard um. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich gehofft habe, dass dieser Tag niemals kommen würde.«

Picard war zu weit gereist, um sich irgendwelchen rührseligen Anwandlungen hinzugeben. Das Einzige, was ihm im Augenblick Halt gab, waren die Rituale des Protokolls. Er trat vor und sprach die Worte aus, die er während der letzten acht Wochen so oft geprobt hatte, damit er für diesen Moment vorbereitet war.

»Admiral, gemäß Ihrem Befehl und auf Anordnung der Generalanwaltschaft der Sternenflotte stelle ich mich als wesentlichen Zeugen der andauernden strafrechtlichen Untersuchung der Handlungen von Sektion 31 während der Tezwa-Krise zur Verfügung. Ich bin bereit, über meine Rolle im Rahmen dieser Ereignisse auszusagen und die volle Verantwortung für meine Taten zu übernehmen.«

Akaar nahm diese Nachricht mit Gelassenheit zur Kenntnis. Dann wandte er sich Crusher zu. »Und welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen Ihrer Anwesenheit, Doktor?«

»Ich bin hier, um das zu tun, was er nicht tun wird.«

»Und das wäre?«

»Verhindern, dass er sich ins Unglück stürzt.«

»Damit wären wir schon zwei.« Der Admiral deutete auf die Gästesessel vor seinem geschwungenen Schreibtisch. »Bitte, setzen Sie sich.« Er ließ sich auf seinem eigenen Sessel nieder und wartete, bis sie Platz genommen hatten, bevor er fortfuhr. »Captain, ich weiß Ihr Beharren auf das Protokoll zu schätzen. Ich werde dafür Sorge tragen, dass Ihre Gesten ordentlich vermerkt und in den Akten des Militäranwalts eingetragen werden.«

»Danke, Admiral.«

»Mehr als gern geschehen. Nun lassen Sie mich Ihnen erklären, warum ich darauf bestanden habe, dass Sie bei mir vorstellig werden, statt sich unmittelbar an die Juristische Abteilung der Sternenflotte zu wenden. Ich habe mein Bestes gegeben, um Sie und die Enterprise während der frühen Phasen dieser Untersuchung außer Reichweite zu halten. Ich hatte gehofft, dass man genug finden würde, um zufrieden zu sein, ohne Ihren Namen in den Schmutz zu ziehen. Das war leider nicht der Fall. Die Völker der Föderation sind verständlicherweise schockiert über die Entdeckung, dass sie und ihre Vorfahren mehr als zwei Jahrhunderte lang in einem Überwachungsstaat lebten, der von einer soziopathischen, künstlichen Superintelligenz geführt wurde. Und das, da bin ich mir sicher, wäre auch ihre größte Sorge gewesen, wären nicht all diese Dokumente aufgetaucht, die behaupten, dass die Sternenflotte einen Coup gegen den Präsidenten durchgeführt hat, der den Dominion-Krieg gewonnen hat, und dann wegschaute, als er ermordet wurde. Ich habe getan, was ich konnte, um Sie vor dem medialen Sturm der letzten paar Wochen abzuschirmen, aber meine Fähigkeiten, Sie zu decken, sind an ihr Ende gelangt.«

Picard nickte. »Das habe ich erwartet, Admiral. Ich bin bereit, die Suppe auszulöffeln.«

»Ich hoffe, dass sie sich daran später noch erinnern. Denn Ihre Lage ist schlimmer, als Sie denken.« Akaar nahm ein Padd zur Hand, rief eine Datei auf und reichte es Picard über den Tisch hinweg, damit dieser den Inhalt überfliegen konnte. »Um null-neunhundert heute Morgen hat die Generalanwältin der Föderation, Phillipa Louvois, dem Föderationsrat und Präsidentin zh’Tarash eine Petition überreicht mit dem Ziel, alle Sternenflottenangehörigen, die Bestandteil der Sektion-31-Untersuchung sind, an die zivile Gerichtsbarkeit zu übergeben, statt zuzulassen, dass die Sternenflotte ihre eigenen Verfahren in Militärgerichten durchführt, wie es das Militärjustizgesetz der Sternenflotte vorsieht.«

Alarmiert setzte sich Picard auf. Das stank nach einer Hexenjagd. »Und?«

»Ich habe dagegen protestiert. Mit Nachdruck. Die Rechtsautonomie der Sternenflotte ist ein Privileg, das ich nicht aufzugeben bereit bin, und es gibt keinen juristischen Präzedenzfall für solch eine Übertragung der Autorität. Die gute Nachricht ist, dass der Oberste Gerichtshof der Föderation Louvois’ Bitte abgelehnt hat. Das bedeutet allerdings, dass unsere eigene offizielle Untersuchung ohne jeden Tadel sein muss. Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Captain?«

»Ja, Admiral.«

»Lassen Sie es mich zur Sicherheit trotzdem noch einmal in Worte fassen. Ich habe Sie zu mir gerufen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich die Untersuchung Ihrer Rolle bei der mutmaßlich erzwungenen Absetzung von Präsident Min Zife und der Schuld, die Sie an seiner mutmaßlichen nachfolgenden Ermordung tragen, an die Juristische Abteilung der Sternenflotte übergeben habe. Außerdem habe ich den offiziellen Antrag gestellt, dass eine strafrechtliche Untersuchung gemäß MJGS, Artikel zweiunddreißig, aufgenommen wird.«

»Verstanden, Admiral.«

Akaar verzog die Miene, als hätte er soeben etwas höchst Unappetitliches schlucken müssen. »Obwohl Sie derzeit keiner konkreten Straftat angeklagt sind, rate ich Ihnen als Ihr vorgesetzter Offizier, sich dringend so bald wie möglich Rechtsbeistand einzuholen. Außerdem sollten Sie diese Untersuchung mit all der Umsicht und Ernsthaftigkeit behandeln, die Sie bei jedem strafrechtlichen Verfahren an den Tag legen würden. Verstanden?«

»Absolut, Sir.«

»Gut, das war’s dann. Danke, dass Sie gekommen sind. Sie können gehen.«

Akaar stand auf und gab damit Picard und Crusher das Zeichen, sich ebenfalls von ihren Sesseln zu erheben. Der Admiral schüttelte Picards Hand, dann geleitete er ihn zur Tür, die sich öffnete. Jenseits davon bedeutete Boyelip Picard und Crusher, ihm zu folgen. Er eskortierte sie zu einer nahen Landeplattform, wo ein kleines Shuttle auf sie wartete. Als sie in dem Durchgang zum Landefeld stehen blieben, fragte Boyelip Picard: »Wünschen Sie, dass ich eine Unterkunft für Sie besorge, Sir?«

»Das wird nicht nötig sein.« Picard nahm den Arm seiner Frau und spazierte mit ihr zum Shuttle. Boyelip sah ihnen vom Durchgang aus zu, während sie an Bord gingen. Erst als sich die Luke geschlossen hatte, zog sich Boyelip wieder ins Innere des Gebäudes zurück.

Die Pilotin des Shuttles, eine jugendlich frisch wirkende andorianische shen, sah ihm entgegen. »Wohin, Sir?«

»Das Château-Picard-Weingut in La Barre, Frankreich«, erwiderte Picard, während er und Crusher sich setzten und ihre Sicherheitsharnische anlegten. »Bringen Sie mich nach Hause.«

Es war ein Zuhause und zugleich nicht. Das ursprüngliche Landhaus, an das sich Picard aus seiner Jugend erinnerte, war schon vor Jahren abgebrannt. Dabei waren sein älterer Bruder Robert und Roberts Teenager-Sohn René, zu dessen Andenken Picard und Crusher ihren eigenen Sohn benannt hatten, ums Leben gekommen. Roberts Witwe Marie hatte den Brand überlebt, und in den Jahren seit der Tragödie hatte sie das Haus wiederaufgebaut und die Leitung des Weinguts übernommen. Der Weinberg war dankbarerweise unverändert geblieben.

Das Haus hingegen war zwar auf den ursprünglichen Grundfesten errichtet worden, aber Marie hatte sich die Freiheit genommen, die Zimmerverteilung zu verändern. Sie hatte die Küche vergrößert, um eine geräumige Kochinsel inklusive Spülbecken darin unterzubringen. Und sie hatte das Erdgeschoss umgestaltet und den Raum so geöffnet, dass man von der Küche aus ungehinderte Sicht auf den Großteil des übrigen Stockwerks hatte. Daher fühlte sich das wiederaufgebaute Haus weitläufiger an und war von mehr natürlichem Licht erfüllt.

Es war wunderschön und funktional – aber es war nicht das Heim, an das Picard sich erinnerte.

Er konnte Marie nicht vorwerfen, dass sie ihr eigenes Haus umgebaut hatte, vor allem wenn man berücksichtigte, was sie alles verloren hatte. Es wäre selbstsüchtig von ihm und auch von jedem anderen gewesen, von ihr zu erwarten, dass sie das Haus genauso wiederaufbaute, wie es gewesen war. Das wäre ohnehin nicht möglich gewesen. Kein Nachbau konnte jemals perfekt genug sein, um jemanden zu täuschen, der darin gelebt hatte. Also warum es überhaupt versuchen?

Das erinnerte Picard an ein altes philosophisches Gedankenspiel: Wenn man nach und nach alle Teile eines Schiffs ersetzte – mal eine Planke hier, mal einen Bolzen da, ein Segel, ein Ruder, ein Steuerrad – und dann an irgendeinem Punkt begriff, dass kein einziges Stück des ursprünglichen Schiffs noch vorhanden war … handelte es sich dann noch um dasselbe Schiff?

Handelte es sich hierbei noch um dasselbe Heim? Er schüttelte den Kopf.

Diese Frage überlasse ich lieber den Gelehrten.

Eine Sache hatte sich nicht verändert: das verführerische Aroma eines Brie-Käses, verfeinert mit Preiselbeersoße und umhüllt von Blätterteig, der im Ofen backte. Sein süßer Geruch erfüllte das ganze Haus, wehte durch das offene Fenster auf die Veranda und zauberte ein zufriedenes Lächeln auf Picards Gesicht. Ein gebackener Brie und eine Flasche Cote du Rhône oder vielleicht eine Flasche von dem Languedoc … das rief angenehme Erinnerungen bei ihm wach. An Nächte am Esstisch mit seinen Eltern und seinem Bruder, an gebratenes Huhn und gestampfte Kartoffeln, gedünsteten Spinat mit Knoblauch und warmes Baguette, frisch aus dem Ofen …

Die Eingangstür des Hauses öffnete sich hinter ihm. Einen Moment lang drangen fröhliche Geräusche aus dem Inneren – das Kichern von Picards kleinem Sohn René, der mit seiner Tante Marie spielte.

Leise schloss Crusher die Tür hinter sich und gesellte sich zu Picard. Ihr Blick richtete sich auf den Weinberg. »Deine Schwägerin ist unglaublich vernarrt in unseren Sohn.«

»Kannst du es ihr verdenken?«

»Ich schätze nicht.« Crusher legte ihre Hände auf das Geländer und schaute hinaus in die Dämmerung. »Ich war so frei, unsere Taschen auszupacken.«

Er legte seine Hand auf die ihre. »Danke.« Er warf einen Blick über die Schulter und lächelte beim Anblick von Marie und dem kleinen René, die mit einem Plüschhasen spielten. »Wann gibt es Abendessen?«

»Pünktlich um acht, sagt Marie. Sie wird eine Flasche des besten Jahrgangs Château Picard aufmachen, um deine Rückkehr nach Hause zu feiern.«

Zu Picards Überraschung füllten sich seine Augen plötzlich mit Tränen. Daran erinnert zu werden, wie lange er schon wieder fort gewesen war, weckte Erinnerungen an seine schwierige letzte Begegnung mit Robert im Anschluss an Picards gewaltsame geistige und körperliche Übernahme durch die Borg.

»Zwanzig Jahre«, sagte Picard und rang um seine Stimme, während ein Schluchzen in seiner Brust aufstieg. »So lange ist es her, seit Robert mir Vernunft eingeprügelt hat. Seit er mich gezwungen hat, mich dem zu stellen, was mir die Borg genommen hatten. Seit er mir half, mich daran zu erinnern, wer ich bin.« Er wischte die Tränen der Dankbarkeit mit dem Handrücken fort. »Vier Jahre später war er tot. Er und René.« Ein tiefer Atemzug verhalf ihm zu einem Anflug von Würde. »Ein Teil von mir würde alles dafür geben, sie zurückzubekommen. Wenn sie mich nur nicht so sehen müssten.«

Crusher legte einen Arm um ihn. »Sie wären trotzdem stolz auf dich, Jean-Luc. Genau, wie ich es bin.«

Er wandte dem Weinberg den Rücken zu und betrachtete das unvertraute Haus, das das Gebäude seiner Erinnerung ersetzt hatte. »Manchmal dachte ich, dass ich diesen Ort nie wiedersehen würde. Selbst wenn ich über meinen Lebensabend nachgedacht habe, war es nie mein Plan, hierher zurückzukehren. Das ist jetzt Maries Heim. Ihr Erbe, mehr als es meins jemals war.« Er spürte, wie ihn der Sog der Erinnerungen hinabzuziehen begann, und wandte sich ein weiteres Mal den geordneten Reihen des Weinbergs zu. »Meine Verbindung zu diesem Land, zu seiner Geschichte … sie ist so schwach, dass ich kaum ein wahres Gefühl von Besitz für irgendetwas hier verspüre.«

Crusher blickte ebenfalls auf die Weinreben. »Das verstehe ich. Aber ich denke, dass es wichtig ist, dass unser Sohn die Gelegenheit erhält, diesen Ort selbst kennenzulernen. Damit er seine eigenen Erinnerungen daran bekommt. Das ist ein Teil seiner Geschichte – und nicht weniger wichtig für seine Identität als unser Leben an Bord der Enterprise

Sie hatte recht. Er blickte durch das Fenster, um Marie zuzuschauen, die mit René spielte, und verspürte einen unvermittelten Anflug von Nostalgie, als Erinnerungen an die Liebe seiner eigenen Mutter aufstiegen – dort, in der Küche, die es damals gegeben hatte, die nie wieder sein würde und die er doch niemals vergessen würde.

»Ich wünschte, mein Bruder wäre hier. Ich wünschte, er hätte mich als Vater erleben können. Dass unsere Jungs die Gelegenheit bekommen hätten, einander kennenzulernen, um diese spezielle Verbindung zu erfahren, die zwischen Cousins besteht.« Ein Schatten legte sich auf Picards Gemüt. »Aber nicht, wenn es bedeutet hätte, dass sie mich so sehen. Entehrt. Beschuldigt, meinen Präsidenten betrogen zu haben. Meine Regierung. Meine Leute.«

Picard wandte den Blick ab. Bestürmt von den Erinnerungen an diese dunklen Tage und verzweifelten Zeiten, an Kompromisse, von denen er sich wünschte, dass er sie nie eingegangen wäre, sah er in die nahende Nacht hinaus. Er hatte seiner Frau erzählt, was damals vorgefallen war – aber erst nachdem Ozla Graniv alles über Sektion 31 und ihre Beteiligung an dem Fall Min Zifes enthüllt hatte. »Schlimm genug, dass ich mich der Gerechtigkeit stellen muss. Wenn ich dich damals in alles eingeweiht hätte, was diese finstere Angelegenheit anging, hättest du vor dem gleichen rechtlichen Problem stehen können.« In einer Geste zärtlicher Zuneigung legte er seine Hand an ihre Wange. »Ich bin so froh, dass du nicht beteiligt bist. Um unseres Sohnes willen musst du über alle Kritik erhaben bleiben.«

»Aber spielt das überhaupt noch eine Rolle zu diesem Zeitpunkt, Jean-Luc? Wenn deine Anhörung vorbei ist, werden ohnehin alle Einzelheiten des Vorfalls an die Öffentlichkeit gelangen.«

Picard spürte, wie grimmige Vorahnung die Falten auf seinen Zügen vertiefte.

»Genau davor habe ich Angst, Beverly.«

KAPITEL 2

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Der Wind treibt Schmutz vor sich her, der das Vollgesichtsvisier meines Anzugs trübt. Ich wische ihn mit meiner behandschuhten Hand ab, dann schüttle ich meine Finger mit einer raschen Bewegung weitgehend sauber. Ein Sturm aus saurem Regen und korrodierendem Staub wütet in dieser Nacht, und man kann kaum etwas sehen. Hier am Rand der Stadt ist der Wind besonders stark, was auch an dem künstlich erzeugten Krater hinter uns liegt. Die Grabungsbagger laufen die ganze Nacht hindurch, bringen die Erde zum Beben und erfüllen die Luft mit Grollen, so als würde unablässig ein Unwetter am Horizont dräuen, ohne jemals loszubrechen.

Die Kamhawy-Kolonie ist groß genug, um als Stadt durchzugehen, aber es handelt sich im Wesentlichen um eine riesige Ansammlung von Fertigstrukturen und behelfsmäßigen Energiegeneratoranlagen, die zum Schutz zusammengedrängt am Rand eines Dschungels voll unbekannter Schrecken liegt. Und das Einzige, was die Wildnis im Zaum hält, ist ein Perimeter-Kraftfeld.

Das Leben auf Celes II ist gefährlich, war es schon immer. Vor einem Jahrzehnt gehörte diese Welt den automatischen Legionen romulanischer Bergbaumaschinen. Dann ermordete Shinzon den romulanischen Praetor, und ihr Sternenreich vergaß diesen Ort. Celes II erklärte sich für unabhängig, und eine Gruppe unzufriedener Rohstoffsucher errichtete ein »unabhängiges Bergbaukonsortium«. Ich bin mir sicher, dass sie verdammt stolz auf sich waren – bis zu dem Tag, an dem die Borg die anderen Städte dieses Planeten binnen weniger Minuten in Schutt und Asche legten. Die Sucher verloren keine Zeit und baten die Föderation um das Aufstellen von Terraform-Reaktoren, um die Atmosphäre zu reinigen. Nach allem, was ich hier so gesehen habe, ist das reine Zeitverschwendung. Diese äquatornahe Insel ist einer der letzten Flecken lebender Biomasse auf dem Planeten. Meiner Meinung nach sollten sie sie sterben lassen.

Doch die Föderation hängt an diesem zerschossenen Felsbrocken. Der Rest der Welt mag eine tote Einöde sein, aber solange dieser Krater Duraniumerz und Rohdilithium liefert, werden die Sucher und ihre Gäste dafür sorgen, dass es auf dieser heruntergekommenen Schrotthalde Nahrung, Getränke und Vergnügungen gibt. Komfort für sie selbst, Tod für alle anderen. Das ist eine Lektion, die sie von der Föderation gelernt haben.

Von außen betrachtet, glitzert Kamhawy wie ein Juwel. Strahlend, kraftvoll und unantastbar wirkt der Ort unter seinem unsichtbaren Kraftfeld. Aber ich weiß es besser. Wie so vieles, was die Föderation baut, ist dieser Schild schwächer, als er aussieht. Er ist voller Mängel. Hat Schwachstellen.

Er ist eine Blase. Blasen kann man leicht platzen lassen, wenn man weiß, wo man reinstechen muss. Ich aktiviere den Sendeempfänger meines Helms. »Kradech, Bericht.«

Mein Waffenbruder antwortet auf unserem sicheren Kanal. »Kradech hier. Sprich, Kinogar.«

»Sind die Ladungen angebracht?«

»Ich bin gerade beim letzten Paar.« Das schlechte Wetter und die wilden magnetischen Störungen des Planeten lassen unsere Kommunikationen vor Rauschen knistern. »Aktiviere die Sprengsätze in sechzig Sekunden.«

Ich überprüfe die Zeit auf der holografischen Anzeige meines Helmvisiers. Wir liegen vor dem Zeitplan. »Mach es richtig und in Ruhe. Wir haben keine zweite Chance.«

»Verstanden.« Der Kanal wird mit einem leisen Klick geschlossen.

Ein paar Schritte von mir entfernt studiert einer meiner Schützen, ein stiller Denker namens Drogeer, seinen Zielscanner. Obwohl er jung ist, habe ich gelernt, ihn in meiner Nähe zu behalten und seinem Rat zu folgen. Er ist selten bei uns: ein Schneeblut – ein Venolar in der alten Sprache. Es ist keine Leidenschaft in ihm, kein Zorn – aber auch kein Mangel an Guramba. Keine Angst. Nur kalte blaue Vernunft. Eiswasser fließt in seinen Adern.

Ich öffne einen privaten Kommunikationskanal von meinem Helm zu seinem. »Drogeer, Bericht.«

Seine Stimme ist monoton, ruhig. »Ziel hält Position. Große Anzahl von Lebenszeichen. Verschiedene Handfeuerwaffen, mehrere aktive Alarmsysteme. Verfolge einen neuen Feind in der Angriffszone.«

»Irgendwelche Komm-Aktivität von der Stationssicherheit?«

»Nichts auf ihren regulären Kanälen. Nichts, was von unserem Kommunikationsfilter angezeigt wird.«

»Sag mir Bescheid, wenn sich was ändert.«

»Geht klar.« Er scannt weiter. Er hat die ganze Zeit, während der er mit mir gesprochen hat, keinen Augenblick von dem Gerät aufgesehen. Ich schließe unseren Privatkanal und bewege mich weiter die Reihe entlang.

Mein Ingenieur Majaf ist damit beschäftigt, letzte Einstellungen an einer Gruppe von Geräten vorzunehmen, die am Stadtrand platziert wurden und alle auf einen der Kraftfeld-Emitter gerichtet sind. Er hat heute Abend gute Arbeit geleistet. Mit nur wenig Hilfe hat er drei Subraumverzerrungsgeneratoren und eine Gruppe von Sprengsätzen installiert. Es muss alles ineinandergreifen, einige Teile davon nach einem streng festgelegten Zeitplan, andere nur bei Bedarf. Wenn uns auch nur ein Teil im Stich lässt, kommt keiner von uns lebend von diesem Felsen weg.

Ich stehe neben ihm und bewundere seine Arbeit. Über einen sicheren Kanal frage ich: »Bereit?«

»Drück den Auslöser, und wir werden es herausfinden.«

Ich gehe weg und verfluche die Vier Winde, weil sie mir einen Ingenieur geschickt haben, der sich für witzig hält.

Minuten später erreiche ich den Rendezvouspunkt. Kradech und Drogeer sind bereits dort, zusammen mit einem halben Dutzend weiterer unserer Brüder. Ich zähle die Leute durch. Überprüfe ihre Namen in der Anzeige meines Visiers. Dann schalte ich auf die taktische Übersicht und versichere mich, dass alle unsere externen Vorbereitungen platziert und scharf sind. Alles sieht gut aus.

Ich aktiviere meine Disruptoren, ein Gewehr und eine Pistole. An der Luke, die in einen Schmugglertunnel und dann in die Stadt führt, halte ich an, um ein letztes Detail zu überprüfen. Ich wechsle auf meinen sicheren Hauptkommunikationskanal: »Kinogar an Seovong. Statusbericht.«

Haylak, der oberste Pilot meines Schiffes, antwortet: »Bereit zum Start auf dein Kommando.«

»Denk daran: Antrieb auslassen, bis ich ›Los‹ sage. Wenn du zu früh startest, wird das der Sicherheitsdienst der Station sehen.«

»Verstanden. Seovong Ende.«

Ich öffne die Luke und führe mein Team in den Tunnel hinunter und dann in die Randviertel von Kamhawy. Wir bleiben so lange wie möglich in den Servicetunneln – den Zugangsräumen unterhalb der Hauptverkehrsstraßen, von Rohrleitungen gesäumten Verbindungen unter und zwischen den Fundamenten der Gebäude.

Als wir uns endlich ins Freie wagen, befinden wir uns in einem der dunkelsten Teile der Stadt, inmitten der Mietcontainer, die die ärmsten Arbeiter der Anlage ihr Zuhause nennen. Die Straßen sind gesäumt von Ablenkungen für die Elenden und Überarbeiteten: Bars, Spielhöllen und Bordelle. Für diejenigen, die noch glückloser sind als ihre geknechteten Nachbarn, gibt es Pfandhäuser.

Aber das Wichtigste sind all die nicht gekennzeichneten Türen. Was sich dahinter verbirgt, hängt davon ab, wer man ist. Für die Schwachen gibt es auf der anderen Seite dieser Pforten nichts als Schmerz und Tod. Aber für die Starken, die Kühnen, die geborenen Raubtiere … sind diese Türen Zugänge zu ungeahnten Möglichkeiten.

Wir folgen dem Signal von Drogeers Peilgerät und erreichen genau so eine Tür.

Ich trete sie ein, stürme hinein und feuere aus allen Rohren.

Meine Männer stürmen an meiner Seite voran, auch ihre Waffen jaulen.

Kein Guramba, kein Ruhm.

»Ich weiß nicht«, sagte Kima. Die Orionerin blickte an mir hoch und runter, und als sie ein Bein über das andere schlug, fing ich den süßen Hauch ihrer Pheromone ein, die mich umschmeichelten. »Wo ist der Haken, Okona?«

Ich spielte den Unbedarften. Gab vor, ein wenig benommen zu sein, nur für eine Sekunde, damit sie nicht erkannte, dass ich schon lange gegen die geschlechtsspezifische Gedankenkontrolle ihrer Spezies immun war. »Kein Haken«, sagte ich. »Was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen: eine Omega-Partikel-Kanone des Husnock-Militärs.« Wie ein übereifriger Gebrauchtschweberverkäufer präsentierte ich mit einer Hand meine Ware. »Frisch aus einem schlecht gesicherten Waffendepot der Breen auf Salavat.«

Kima erhob sich elegant und schritt um die Kiste herum. Wir waren über den Punkt des »Vertrauen-aber-Überprüfen« hinaus. Ich hatte ihren Tech-Nerd-Untergebenen jeden Zentimeter der OPK scannen lassen, um sicherzustellen, dass sie echt war und in der Lage, Verwüstungen in einer Größenordnung anzurichten, die man sich lieber nicht vorstellen wollte. Und ich war absolut offen gewesen im Hinblick auf die Sicherheitsvorkehrungen, die ich getroffen hatte, bevor ich die Waffe auf diese rückständige Schlammkugel gebracht hatte. Niemand konnte die OPK verwenden, bis ich die Sperre entfernte – ein Schritt, den ich erst dann vollziehen würde, nachdem meine UGO – meine unterstützende Geheimdienstoffizierin – bestätigt hatte, dass sie die volle Bezahlung erhalten hatte. So war es vereinbart worden.

Jetzt musste ich bloß noch den Handel abschließen. Ohne erschossen oder in die Luft gejagt zu werden.

Überall ringsum war das Zucken nervöser Finger an Abzügen zu vernehmen, während Kima vor der offenen Kiste auf und ab ging. »Ich muss zugeben, dass dies hier eine einmalige Gelegenheit darstellt. Auf dem Schwarzmarkt könnte diese Waffe ein stattliches Vermögen wert sein.«

»Könnte? Als ob es daran den leisesten Zweifel gäbe. Dieses Ding ist eine Latinum-Mine.«

»Alles, was so wertvoll ist, birgt auch seine Risiken.«

»Welche zum Beispiel?«

»Etwa Vergeltungsmaßnahmen. Woher weiß ich, dass die Breen nicht kommen und auf Rache sinnen?«

»Wer würde sich mit jemandem anlegen, der eine dieser Waffen besitzt?«

»Sie scherzen, Okona, aber …«

»Bitte, nennen Sie mich Thadiun.«

»Nein.« Sie richtete ihren Blick auf die Ware. »So lukrativ das hier auch sein mag, die Kanone zu transportieren, wäre Selbstmord. Die Breen werden nach ihr Ausschau halten und ebenso die Sternenflotte. Und die Klingonen. Und auch sonst jeder, der auch nur im Entferntesten auf einen Vorteil im jüngsten interstellaren Wettrüsten aus ist.«

Ich spürte, dass ich dabei war, sie zu verlieren. Und das nach all dem, was ich auf mich genommen hatte, um den Köder auszulegen! Ich setzte meine beste Unschuldsmiene auf und legte eine Hand auf meine Brust, so als käme das, was ich antwortete, wirklich von Herzen. »Ich verstehe, was Sie mir sagen wollen, Kima. Die OPK wird eine Menge Ärger anziehen, und Sie glauben nicht, dass der Profit das Risiko wert ist. Was wäre, wenn ich meinen Preis um fünfundzwanzig Prozent senke?«

Ihre Augen verengten sich, und ihre Nasenflügel blähten sich, wie bei einem aquatischen Jäger, der Blut im Wasser witterte. Sie schob sich näher an mich heran, und ihr Lächeln war beinahe so breit, dass sie mir die Zähne gezeigt hätte. »Was, wenn Sie Ihren Preis um sechzig Prozent senken?«

»Seien Sie vernünftig, Kima. Die OPK aus dem Breen-Raum zu bringen, war weder einfach noch billig. Ich kann meinen Preis unmöglich um mehr als dreißig Prozent senken.«

»Fünfundfünfzig.«

»Fünfunddreißig, und bei dem Handel verliere ich sogar noch Geld. Letztes Angebot.« Es war der klassische Fall eines Bluffduells. Wir hatten beide ein gutes Pokerface. Ich wartete mehrere Sekunden. Sie blinzelte nicht, also schloss ich den Deckel über der OPK und begann die Schlösser zu verriegeln.

Sie legte eine Hand auf das Kontrollfeld der Kiste. »Vierzig Prozent.«

»Was? Subventioniere ich Sie neuerdings? Nein, danke.« Ich schob ihre Hand beiseite und schloss die Kiste vollständig. »Wenn Sie nichts dagegen haben, mache ich mich jetzt auf den Weg zu einem Treffen mit ein paar ernsthaften Käufern auf …«

»Fünfunddreißig, einverstanden.« Kima wandte sich ihrem Consigliere zu, einem bulligen Zibalianer, dessen Gesicht, Hals und Arme vollständig von verschlungenen Tätowierungen bedeckt waren. »Kadan, bezahl diesen Mann.«

Genau drei Sekunden lang war ich ziemlich stolz auf mich.

Dann explodierte die Eingangstür von Kimas Versteck nach innen.

Die Lichter flackerten und wurden dunkel. Ein apokalyptischer Donnerschlag erschütterte das Gebäude, und Staub regnete von den Dachsparren in meine Augen. Mein Schließmuskel verkrampfte sich, als links und rechts von mir Disruptorfeuer kreischte und Kimas Leute niedermähte. Als das Kreischen und Heulen der Waffen wenige Sekunden später endete, waren die meisten Schläger des Orion-Syndikats in diesem Raum zu gut durchgegarten Fleischklumpen auf dem Boden reduziert worden. Nur Kima und ich standen noch, um den Trupp schwer bewaffneter Nausikaaner zu begrüßen, der in gepanzerte Kampfanzüge gekleidet hereinstürmte und sich um uns verteilte.

Der Anführer richtete seine Waffe auf Kimas Gesicht. Seine Stimme wurde durch einen Lautsprecher verzerrt, der in die Vorderseite seines Helmes eingelassen war. »Waffe! Wo ist sie?«

»Waffen?« Sie deutete auf die Handfeuerwaffen ihrer Leute am Boden. »Bedienen Sie sich.«

Der Obernausikaaner presste die Mündung seines Gewehrs gegen Kimas Kehle, genau über der Einbuchtung in der Mitte ihres Schlüsselbeins. »Kanone. Gib sie mir.«

Sie funkelte ihn an, ihre Stimme und ihr Körper fest wie ein Fels. Den Umstand fand ich recht amüsant, denn ich selbst zitterte wie ein Blatt im Sturm. Kima sah dem hässlichen Bastard direkt ins Gesicht. »Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, wer ich bin? Oder von wem Sie hier stehlen?«

Die Mandibeln des Nausikaaners zuckten im Inneren seines Helms, während er mit seinem Gewehr herumfuchtelte wie ein Geistesgestörter. »Du? Kima. Von wem wir stehlen? Orion-Syndikat.« Er betätigte den Abzug und stanzte ein faustgroßes Loch in Kimas Brustkorb. Ihr Körper flog nach hinten und landete als schlaffer Haufen an der rückwärtigen Wand. »Ich? Derjenige, der das Sagen hat.«

Als er den Blick auf mich richtete, schenkte ich ihm ein dümmliches Grinsen. Ich weiß nicht, warum. Ich konnte es einfach nicht verhindern. Um ehrlich zu sein, ist es mir mittlerweile beinahe zum Reflex geworden. So als sei es das universelle Zeichen für Bitte tu mir nicht weh, wenn man wie ein Idiot grinst.

Er zielte mit seinem Gewehr auf mein Gesicht. »Kanone.«

Ich deutete auf die Kiste. »Da drin. Der Code für das Schloss ist neun-sechs-eins-Alpha-drei.«

Seine Waffe blieb auf mich gerichtet, während einer seiner Leute die Kiste öffnete. Sie scannten die OPK und bedeuteten ihm, dass sie hatten, weswegen sie gekommen waren. Ich gab mein Bestes, um klein und nicht bedrohlich zu wirken, die rechte Hand vor mir auf das linke Handgelenk gelegt, wo er sie gut sehen konnte. Mit einem Nicken schickte er den Rest seiner Männer zu der Kiste. »Für Transport vorbereiten.«

»Sie müssen sie erst nach draußen bringen«, sagte ich und handelte mir damit einen finsteren Blick von dem Oberschurken ein. »Die Orioner schirmen ihre Anlage ab. Man kann weder raus noch rein beamen.«

Es dauerte eine Sekunde, dann bestätigte einer seiner Männer meine Aussage. Der Trupp Untergebener fing an, nach Griffen an der Außenseite der glatten Polymerfrachtkiste zu suchen.

»Am besten packen Sie sie von unten«, schlug ich vor. »Und denken Sie daran, den Rücken gerade zu halten. Heben Sie sie mit den Beinen. Und nicht …« Ich bemerkte das warnende Funkeln des Bosses. »Nicht so wichtig.«

Als der Schlägertrupp die Kiste in Richtung des offenen Eingangs hievte, aktivierte ich das Fluchtprotokoll, von dem ich gehofft hatte, es an diesem Abend nicht zu brauchen. Glücklicherweise ging ich niemals in einen Raum, ohne einen Plan zu haben, wie ich auch wieder aus ihm herauskam.

Eine Berührung meines Armbandchronos schickte ein Signal an eine Reihe kleinerer Sprengsätze – zwei, die ich in der Brandunterdrückungsanlage des Anwesens sowie seinem Wasserzuleitungssystem versteckt hatte, und einen an der verschlossenen Seitenausgangstür, die drei große Schritte von meiner gewählten Verhandlungsposition entfernt lag.