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Christoph Schulz
Julian Hölzer

KOCHEN fürs Klima

Christoph Schulz
Julian Hölzer

KOCHEN fürs Klima

Wie du dich nachhaltig und umweltbewusst ernährst

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

info@rivaverlag.de

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Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autoren haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Svenja Stein

Umschlaggestaltung: Manuela Amode

Umschlagabbildungen: Vorderseite: Shutterstock.com: Magdanatka, nelea33, VICUSCHKA, Anna Shepulova; Rückseite: Stephanie Just

Satz: Satzwerk Huber, Germering

Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien

ISBN Print 978-3-7423-1509-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1175-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1176-1

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Warum klimafreundlich kochen?

Treibhausgas-Emissionen

Abholzung der Wälder

Ressourcenverbrauch

Welthunger

Umweltverschmutzung

Artensterben

Massentierhaltung

Gesundheit

Die 6 Grundprinzipien der Klimaküche

Regional

Saisonal

Biologisch

Pflanzlich

Unverarbeitet

Bewusst

Klimaküche

Lebensmittel

Einkaufen

Aufbewahrung

Kochen

Rezepte

Frühling

Carrot Cake Porridge

Haferrührei

Würzige Grünkernsuppe

Herzhafte Linsensuppe mit Wurzelgemüse

Chicorée-Schiffchen mit Kartoffel-Champignon-Füllung auf Spinat

Deftiger Kartoffel-Linsen-Salat

Selbst gemachte Hafersahne

Ofenkartoffeln mit Fava aus gelben Linsen

Selbst gemachte Burger mit Hirsepatties und Laugenbrötchen

Spaghetti mit Pesto aus Bärlauch und Hirtenkäse

Fränkischer Porreeploatz

Kartoffel-Linsen-Eintopf

Saftiger Möhrenkuchen

Old Bread Cookie Balls

Sommer

Beeren-Schoko-Smoothie

Buchweizenpfannkuchen mit frischen Beeren

Cremesuppe aus frischer Gartenzucchini

Tomatensalat mit Hirtenkäse

Erfrischende spanische Gazpacho aus Gemüseresten

Frisches Erbsen-Minze-Püree

Löwenzahnhonig

Zucchiniaufstrich

Frischer Wildkräutersalat mit Beeren-Vinaigrette

Ratatouille

Knusprige Kichererbsen-Zucchini-Puffer mit Cashew Sour Cream

Summer Bowl mit Zucchinirollen, Kichererbsen und sonnengetrockneten Tomaten

Zucchini mit herzhafter Grünkern-Füllung

Blumenkohl-Bolognese mit Blumenkohl-Hefekäse

Erdbeerkuchen mit Vanillepudding

Erdbeer-Nicecream

Herbst

Grüner Smoothie

Baked Porridge mit frischen Birnen

Knackiger Birne-Walnuss-Salat

Maronensuppe

Herbstliche Kürbis-Apfel-Suppe mit knusprigen Salbei-Croutons

Sellerie-Carpaccio mit Pastinaken-Haselnuss-Creme

Fränkische Kartoffelklöße

Kürbispüree

Herbstliche Kürbisquiche

Überbackener Kohlrabi-Mandel-Auflauf

Kürbis-Risotto mit Kräuterseitlingen

Brokkoli-Champignon-Bowl

Herbstpizza mit Kürbissoße

Kürbiskuchen

Kaiserschmarrn mit warmem Pflaumenröster

Winter

Milchreis mit Apfel-Zimt-Kompott

Winterliche Smoothie-Bowl

Rote-Bete-Apfel-Suppe

Winterliche Rotkohlsuppe

Frischer Grapefruit-Minze-Salat

Rote-Bete-Apfel-Salat

Würziges Dressing mit gebackenem Knoblauch

Zweierlei Kartoffelstampf

Grünkernbraten

Wirsingrouladen mit würziger Grünkern-Füllung

Steckrüben-Kartoffel-Topf mit Räuchertofu

Winterlicher Wurzelgemüse-Eintopf mit Sojaschnetzeln

Orangen-Zimt-Carpaccio

Weizengrießschnitten

Exkurs: Fermentieren und Einlegen

Saure Gurken

Fermentiertes Rotkraut

Eingelegte Möhren

Sauerkraut

Salzzitronen

Ausblick

Danksagung

Empfehlungen

Hilfreiches

Die Autoren

Quellen

»Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.«

Weissagung der Cree

Vorwort

Es vergehen etwa 15 Minuten vom ersten Gabelstich bis zum blank geputzten Teller. Eine ziemlich kurze Zeit, die wir aber umso mehr genießen. Mehrmals am Tag entscheiden wir uns für etwas Leckeres, das uns und unserem Gaumen eine Freude bereitet. Auf der Suche nach leckeren Rezepten und tollen Mahlzeiten legen wir besonderen Wert auf Geschmack, Gesundheit und Optik. Wir achten penibel darauf, dass uns Essen glücklich macht. Gleichzeitig bleibt es unserem Planeten oft im Halse stecken. Denn gerne wird vergessen, dass das saftige Rindersteak und die süße Käsesahnetorte bereits ein Leben vor dem Zubereiten und Anrichten geführt haben. Ein Blick über den Tellerrand hinaus lässt uns tief in die Abgründe des menschlichen Verhaltens und dessen fatale Folgen für den Planeten abdriften.

Unser Planet dürfte demnächst durchgebraten sein. Und obwohl wir das wissen, spielt unsere Ernährung bisher eine äußerst untergeordnete Rolle im Hinblick auf die globale Erwärmung – immerhin das größte Umweltproblem unserer Zeit. Wem kann man das schon übel nehmen? Schließlich sind die Treibhausgase nicht auf den ersten Blick erkennbar, die für die Erzeugung, die Verpackung, die Lagerung und die Verarbeitung in der Küche herausgeblasen werden. Der so niedlich klingende Begriff »Klimawandel« lenkt von den menschengemachten Ursachen und schwerwiegenden Folgen ab, die er schon jetzt für alle Lebewesen auf diesem Planeten mit sich bringt. Die Erde stößt buchstäblich sauer auf, denn Naturkatastrophen mehren und Viren verbreiten sich. Korallen sterben, Gletscher schmelzen, Wälder verbrennen, Arten verschwinden, Menschen und Tiere verhungern und verdursten. Der Meeresspiegel steigt und Inseln gehen unter – genauso wie unzählige Existenzen.

Wir müssen verstehen, dass jede Mahlzeit ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen hat, auch wenn sie nur 15 Minuten dauert. Je besser wir zuhören und je mehr wir unser eigenes Verhalten hinterfragen, desto größer ist die Chance, positiven Einfluss auf unseren Planeten zu nehmen. Wir müssen lernen, festgefahrenen Gewohnheiten zu entfliehen und unsere Ernährung nachhaltig zu gestalten. Nachhaltig für unseren Planeten – aber auch nachhaltig für Menschen und Tiere, sowie für unsere Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder.

Zum Glück kann jeder durch die Wahl der eigenen Gerichte selbst bestimmen, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft verändern soll. Dabei muss sich niemand perfekt verhalten – es ist schon großartig, wenn viele Menschen im Kleinen gute Entscheidungen treffen. Jeder Einzelne bewegt etwas. Auch bei uns landet hin und wieder eine Avocado oder ein bisschen Verpackungsmüll im Einkaufswagen. Da der Entwicklungsprozess zu einer nachhaltigen Ernährungsweise eher einem Marathon als einem Sprint gleicht, kommt man mit kleinen, aber stetigen Schritten einfach und entspannt ans Ziel, statt auf halber Strecke aus der Puste zu sein.

Aber was, wenn wissbegierige Wissenschaftler irgendwann herausfinden, dass der Klimawandel gar nicht so schlimm ist? Dann hätten wir völlig umsonst dafür gesorgt, dass die Landwirtschaft weniger Treibhausgase in die Atmosphäre ausstößt und unser Grundwasser frei von Medikamenten und Giftstoffen bleibt. Dass die Regenwälder als Lebensraum für Tausende Tier- und Pflanzenarten geschützt werden, dass keine Kühe, Schafe, Schweine oder Hühner mehr unnötig in der Massentierhaltung missbraucht und getötet werden. Und dass kein Mensch mehr auf unserem Planeten hungern muss. Oh ja, da würden wir uns aber mächtig ärgern. Ironie aus.1

Unser Planet steht in Flammen und unsere Ernährung ist der Brandherd. Deshalb müssen wir etwas ändern. Es gibt keine Alternative. Da du dieses Buch in den Händen hältst, hast du bereits einen sehr wichtigen Schritt getan, um einen Mentalitätswechsel bei dir selbst und in unserer Gesellschaft anzustoßen. Wir wollen dir Schritt für Schritt das WARUM und das WIE beantworten und dir einen gesunden Mix aus Theorie und Praxis an die Hand geben. Zuerst servieren wir dir ein paar Häppchen Hintergrundwissen als Appetitanreger und anschließend leckere Lösungen für die größten Umweltprobleme unserer Zeit, die du zu Hause einfach nachkochen kannst. Du lernst, einzigartige Gerichte zu zaubern, die das Auge, den Gaumen und unsere Umwelt gleichzeitig begeistern. Zum Dessert gibt es eine langfristig umweltfreundliche und gesunde Ernährungsweise, die dein Leben bereichert – versprochen! Du wirst schnell merken, dass die klimafreundliche Küche einfach, unkompliziert, schnell lern- und umsetzbar, günstiger als gedacht, unfassbar vielfältig – und einfach sagenhaft lecker ist. Viel Spaß!

»Die Vernunft beginnt bereits in der Küche.« Friedrich Wilhelm Nietzsche

Warum klimafreundlich kochen?

Der rasante Klimawandel ist eine Folge menschlichen Handelns – täglich hinterlässt jeder von uns seinen ganz eigenen ökologischen Fußabdruck. Der eine sanft, der andere stampfend. Fakt ist, die globale Durchschnittstemperatur darf nicht um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen. Sonst passieren Dinge, die niemandem schmecken dürften: Durch den steigenden Meeresspiegel verschwinden Inseln und Städte, Tier- und Pflanzenarten sterben massenweise aus, unsere Ozeane versauern, noch mehr Menschen verhungern, immer mehr Krankheiten verbreiten sich noch rasanter und Extremwetter wie Sturmfluten und Dürreperioden nehmen nicht nur weiter zu, sondern werden zur Normalität. Nicht mehr umkehrbare Kipp-Punkte, wie die auftauenden Permafrostböden2, das Schmelzen des Meereises oder das Austrocknen des amazonischen Regenwalds, verwandeln das Pariser 1,5-Grad-Ziel in eine Mammutaufgabe. Dennoch schrillen die Alarmglocken eher im Stillen. Der Klimawandel schreitet nämlich recht unbemerkt und für die meisten von uns kaum sichtbar voran. Die größte Herausforderung unserer Zeit ist einfach sehr schwer greifbar: Unsere derzeitige Ernährungsweise zerstört die Umwelt – und gleichzeitig steigt unser Nahrungsmittelbedarf.

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Doch was nützt uns diese Erkenntnis? Wo anfangen? Das ist doch sicher total anstrengend – lohnt sich das denn überhaupt? Kann ich da wirklich etwas verändern, wenn zum Beispiel die Kohleindustrie ein viel schlimmerer Klimasünder ist? Und was ist mit meinen Freunden – die essen doch auch noch alle kiloweise Fleisch und Tomaten aus Spanien? Warum soll gerade ich damit aufhören?

Immer, wenn wir uns verändern wollen, müssen oder sollen, fällt uns der Anfang schwer. Das gilt für das Abnehmen einiger Kilos, den Nikotinverzicht – aber eben auch ganz besonders für die Umstellung unserer Ernährung. Ausreden kommen uns schneller über die Lippen als nachhaltige Mahlzeiten auf den Teller. Da es bei persönlicher Veränderung oft an Willensstärke und Mut mangelt, gilt also: Nur wer sein Ziel kennt und verinnerlicht hat, geht auch mal steinige Wege, um es zu erreichen. Dabei ist eben dieser Weg, nämlich klimafreundlich zu kochen, bei genauerer Betrachtung nicht einmal besonders steinig.

Doch beginnen wir erstmal mit den Grundlagen: dem Hintergrundwissen. Fast 8 Milliarden Menschen essen täglich 2 bis 3 Mahlzeiten. Diese Lebensmittel müssen bewässert, geschützt, gefüttert, gekühlt, verpackt, transportiert, gekocht, geschüttelt und gerührt werden, bevor sie bei uns auf dem Teller landen. Mit deiner Ernährungsweise nimmst du hierbei eine entscheidende Rolle ein. Eine Hauptrolle sogar, in der du entweder Teil der Lösung oder Teil des Problems sein kannst. Politik und Wirtschaft stecken eher in unspektakulären Nebenrollen fest, da sie sich nur langsam weiterentwickeln. Verändere dich nicht erst, wenn es auch die anderen tun – dafür fehlt einfach die Zeit. Sei mutig – du bist der Protagonist dieser Geschichte! Und mit jedem Lebensmittel, das du in deinen Einkaufskorb legst und jedem Gericht, das du dir zu Hause oder in einem Restaurant genehmigst, entscheidest du, ob die Ernährungsweise unserer Gesellschaft für alle Lebewesen auf dem Planeten ein tragisches oder ein gutes Ende nimmt.

Es ist nicht weiter tragisch, wenn dich die Umweltverträglichkeit deiner Ernährung bis zu diesem Punkt nicht interessiert hat. Viel schlimmer wäre es, wenn es dich danach immer noch nicht interessieren würde. Dich nachhaltig zu ernähren, ist eine Entscheidung, die dich am Ende extrem stolz machen wird. Du reduzierst bewusst, aber ohne großen Aufwand deinen Treibhausgas-Ausstoß, förderst die Wirtschaft in deiner Umgebung und lernst, öfter selbst zu kochen. Dabei ist der Umweltschutz deine Hauptmahlzeit und deine Gesundheit das Dessert. Du hilfst auch dabei, die Verbreitung von Krankheiten einzudämmen und zeigst Respekt gegenüber anderen Kulturen, die bereits heute massiv unter dem Klimawandel leiden. Und fast nebenbei sparst du auch noch Geld.

Um selbst Teil der Lösung zu werden, dich für einen wohltemperierten Planeten einzusetzen und dabei stets motiviert zu bleiben, sollten wir nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern direkt einen Blick auf die Probleme und Herausforderungen wagen. Dabei wird dir sehr schnell auffallen, dass die globale Erwärmung eine Folge unserer Ernährung ist. Sie verschärft alle anderen Umweltprobleme unserer Zeit und wird wiederum selbst von ihnen beschleunigt.

Nutze diesen Moment, um dir dein persönliches WARUM zu beantworten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Treibhausgas-Emissionen

Durch unser alltägliches Handeln gelangen Treibhausgase in die Atmosphäre – also das Laden des Smartphones, die Flugreise nach Ibiza, die Autofahrt zur Arbeit, die Online-Bestellung eines Kleidungsstücks, die Herstellung, der Kauf sowie das Wegwerfen von Produktverpackungen oder das Aufdrehen der Heizung. Diese Gase tragen wesentlich zur globalen Erwärmung bei und zwingen uns dazu, unser Verhalten anzupassen. Unsere Ernährung ist für die Einhaltung des persönlichen Klimabudgets entscheidend, denn durch sie blasen wir Unmengen an klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre und beschleunigen den menschengemachten Treibhauseffekt. Erzeugt wird CO2 unter anderem bei der Erzeugung von Lebensmitteln auf dem Acker und im Viehstall, bei globalen Transporten mit dem Flugzeug, bei der Verarbeitung, dem Verkauf oder durch Online-Bestellungen bei Lieferdiensten und nicht zuletzt durch die Zubereitung in der Küche. Als wäre das noch nicht genug, ist unsere Wegwerfmentalität in Form der globalen Lebensmittelverschwendung für etwa 8 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.7

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CO2-Emissionen in Deutschland vom Acker auf den Teller9

Quelle: WWF-Studie „Klimawandel auf dem Teller“, 2012

Am Anfang dieses Teufelskreises steht die Produktion unserer Lebensmittel. Durch den Betrieb von Landmaschinen, die Produktionsprozesse, den Futteranbau sowie die Herstellung von Mineraldüngern entsteht CO2. Leider war es das noch nicht: Zusätzlich entsteht das sogar noch 25-mal klimaschädlichere Treibhausgas Methan13, zum Beispiel durch den Anbau von Reis, das Auftauen von Permafrostböden oder durch die Gase von Kühen, Schafen oder Ziegen beim Futterverdauen.

Der Anteil der Landwirtschaft an den globalen Methan-Emissionen (CH4) liegt bei 50 Prozent. Hinzu kommen direkte Lachgas-Emissionen (N2O), die vor allem auf intensiv genutzten Ackerflächen entstehen, auf denen stickstoffhaltiger Dünger in viel zu großen Mengen ausgebracht wird. Dieses Gas ist etwa 310-mal so klimaschädlich wie CO214, da es eine Verweilzeit von über 100 Jahren mit sich bringt und am Abbau der Ozonschicht beteiligt ist.15 N2O kann erst im späteren Verlauf in die Atmosphäre entweichen, zum Beispiel aus anliegenden Böden oder durch die Auswaschung von gedüngten Flächen. Die weltweiten Lachgas-Emissionen gehen sogar zu 60 Prozent auf das Konto der Landwirtschaft.16

Durch die übernatürliche Treibhausgas-Menge in der Atmosphäre wird mehr Wärme auf der Erde gespeichert. Die steigende globale Durchschnittstemperatur lässt unter anderem die Polkappen schmelzen, den Meeresspiegel steigen und die Ozeane erwärmen. Damit Lebensmittel möglichst in Hochgeschwindigkeit angebaut und um die halbe Welt transportiert werden können, zahlen also unser Klima und wir selbst einen hohen Preis.

Zum Glück kann dir auch das Wasser im Mund zusammenlaufen, ohne auf der anderen Erdhälfte für Überflutungen zu sorgen. Rund 64 Prozent der Treibhausgase aus der Landwirtschaft könnten zum Beispiel vermieden werden, wenn sich jeder rein pflanzlich ernähren würde.18 Du kannst den Treibhausgas-Ausstoß deiner Mahlzeiten reduzieren, indem du deinen Konsum von Fleischprodukten und anderen tierischen Lebensmitteln sukzessive reduzierst und ihre nachhaltigen und leckeren Alternativen entdeckst.

Vergleichbarkeit der Klimawirkung*

Im Kapitel »Lebensmittel« (siehe S. 66) und am Ende dieses Buches, unter »Hilfreiches« (siehe S. 213), stellen wir dir die Klimawirkung einzelner Lebensmittel genau vor. Da CO2, Lachgas oder Methan unterschiedlich stark zur globalen Erwärmung beitragen, nutzen wir dabei sogenannte CO2-Äquivalente, die Klimawirkungen von Lebensmitteln und Mahlzeiten zusammenfassen.

Abholzung der Wälder

Die Regenwälder sind die grüne Lunge der Erde. Doch sie werden nicht nur für Mahagoni-Gartentische abgeholzt und brandgerodet. Im Wesentlichen brennen sie für die flächenintensive Nutzviehhaltung, durch die Schaffung von Weide- und Ackerflächen zum Futtermittelanbau. Denn vor allem Kühe, Schweine oder Hühner werden mit protein- und energiehaltigem Sojaschrot gefüttert, damit sie möglichst schnell wachsen. In Brasilien und Argentinien nimmt der monokulturelle Sojaanbau eine Fläche der Größe von Polen und Ungarn ein.23 Etwa 80 Prozent der weltweiten Sojaernte werden schließlich zu Tierfutter verarbeitet, 18 Prozent zu Biodiesel und Ölen, und nur 2 Prozent zu Sojamilch, Tofuschnitzeln und anderen Lebensmitteln, die wir Menschen direkt verzehren.24 Unsere Lust auf Fleisch wirkt damit so aggressiv wie ein Brandbeschleuniger. Um unsere hohe Nachfrage nach tierischen Produkten wie Rindfleisch, Schweinefleisch, Eiern, Käse oder Kuhmilch zu decken, wird ein Drittel der weltweiten Landfläche zur Tierhaltung genutzt.25 Rund 83 Prozent der globalen Agrarflächen dienen als Weide- oder Anbaufläche für Futtermittel unserer Nutztiere.26

Nicht nur Regenwälder müssen als Ackerfläche herhalten, sondern auch multitalentierte Grünlandflächen, wie brach liegende Weiden. Diese Flächen mit überwiegend Gras und krautigen Pflanzen mindern die Gefahr von Hochwasser und Bodenerosion, reinigen das durchsickernde Wasser, bieten Platz zur Erholung für Mensch und Tier und binden nicht zuletzt jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2.27 Durch Landnutzungsänderungen werden jedoch jedes Jahr etwa 40 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt.28

Die Flächenintensität unserer Ernährungsweise ist also extrem zerstörerisch. Zerstörte Regenwälder und Grünflächen sind aber bei Weitem nicht nur auf Soja zurückzuführen. Gleiches geschieht beispielsweise auch beim Raps- und insbesondere beim Palmöl-Anbau – beides Produkte, die in einem Großteil unserer Produkte stecken. Wir müssen sogar Ackerflächen außerhalb der EU beanspruchen, um unseren überschwänglichen – und zugegeben auch ziemlich egoistischen – Lebensstil aufrechtzuerhalten. Ganze 60 Prozent der Flächen, die für unseren Konsum genutzt werden, liegen auf anderen Kontinenten.29

Bei diesen Größenordnungen müssen nicht nur Milliarden von Tieren, sondern auch die einzigartigen und atemberaubenden Regenwälder dran glauben. Die Lage verschlimmert sich mit jedem Baum, der Axt, Motorsäge oder Bagger zum Opfer fällt und jedem Quadratmeter, der zusätzlich für den Ackerbau benötigt wird. Auch im ehemaligen Wurzelwerk versteckt sich im Übrigen jede Menge CO2, das ebenfalls in die Atmosphäre gelangt, wenn die Böden gerodet und gepflügt werden. Der Weltklimarat IPCC spricht davon, dass die Entwaldung einen Anteil von 17,4 Prozent am Treibhauseffekt hat.30

Wenn sich die Abholzung der Regenwälder in diesem rasanten Tempo fortsetzt, geht ihre klimaregulierende Funktion verloren. Dieser Verlust wird ein entscheidender Kipp-Punkt in der globalen Erwärmung sein.

»Zu fällen einen schönen Baum, braucht’s eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht er, bedenk es, ein Jahrhundert.« Eugen Roth

Von der Abholzung der riesigen kohlenstoffspeichernden Regenwälder, den angelegten Monokulturen und der daraus resultierenden Wasserknappheit sind aber auch tausende Tierarten betroffen, die ihre Lebensgrundlagen verlieren und für immer verdrängt werden. Das gilt auch für indigene Völker, die, meist brutal, von ihrem Land vertrieben werden. Hinzu kommt, dass Schädlingsbekämpfungsmittel oder Ausscheidungen von Vieh sowohl den Boden als auch die Gewässer rund um die Soja-Plantagen vergiften. Unsere fleisch- bzw. tierlastige westliche Ernährungsweise ist maßgeblich für diese Probleme verantwortlich. Deshalb ist es ungeheuer wichtig, sie umzukehren. Würden wir die gerodeten Nutzflächen wieder bewalden, könnten diese etwa 460 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre speichern. Zur Einordnung: Das entspricht in etwa den globalen Treibhausgas-Emissionen der vergangenen 50 Jahre.31

Wir kommen nicht umhin, zu lernen, Landflächen effektiver zu nutzen und unsere Ernährung ganz bewusst so zu gestalten, dass sie nicht mehr wesentlich zur Abholzung der Regenwälder beiträgt. Du kannst bereits aktiv etwas an diesem Zustand ändern, indem du deinen Fleischkonsum auf wenige Tage in der Woche reduzierst und Bio-Lebensmittel ohne Palmöl-Zusatz bevorzugst.

Auch für Grillkohle und Palmöl wird übrigens Regenwald abgeholzt. Mehr darüber erfährst du in den beiden Kapiteln »Lebensmittel« (siehe S. 66) und »Kochen« (siehe S. 95).

Ressourcenverbrauch

Etwa ein Drittel der weltweit benötigten Ressourcen gehen auf die Rechnung unserer Ernährungsweise: von der Landwirtschaft über die Transporte, Lagerung, Verarbeitung und Verpackung, den Handel bis hin zum Verzehr und zur Entsorgung.36 Auf dieser Rechnung steht auch die Randbemerkung, dass der »Earth Overshoot Day« jedes Jahr etwas dichter an den Jahresanfang rückt.

Die Geschichte eines gewöhnlichen Einweg-Kunststoffmessers verdeutlicht das Dilemma, in das wir uns manövriert haben. Wir pumpen den begrenzten Rohstoff Erdöl aus dem Boden, transportieren ihn zur Raffinerie, verwandeln ihn aufwendig in Kunststoffmesser, die in praktischen 50er-Plastikverpackungen an den Händler gehen, wo sie für kleines Geld gekauft werden und beim nächsten Grillabend genutzt werden. Nach ein paar Schnitten ins saftige Steak gehen sie zu Bruch und landen im hohen Bogen neben Plastiktellern und -bechern im Müll, um schließlich energieaufwendig recycelt zu werden. Ist das nicht verrückt? Wir könnten auch einfach ein wiederverwendbares Edelstahlmesser nehmen und es nach dem Grillen kurz abwaschen. Stattdessen haben wir uns zu einer bequemen und verschwenderischen Gesellschaft entwickelt. Am Ende schneiden wir uns damit ins eigene Fleisch, denn derartige Convenience-Produkte aus verstopften Mülltonnen oder dem vermüllten Meer landen später in Form von Mikroplastik in Thunfisch, Krabben und Austern auf unseren Tellern.

Die Kunststoffindustrie bläst ab der Produktion bis zur Entsorgung ihrer Produkte jährlich so viele Treibhausgase in die Atmosphäre wie 136 Kohlekraftwerke im gleichen Zeitraum.39 Doch es sind natürlich nicht nur die Verpackungen unserer Lebensmittel. Gerade der steigende Konsum von tierischen Erzeugnissen trägt in extremem Maße zur globalen Erwärmung bei. Die Nutzviehindustrie ist ein unersättliches schwarzes Loch für Ressourcen. So werden die meisten weltweit angebauten Pflanzen dafür benötigt, Milliarden Tiere, wie Kühe oder Schweine, zu mästen, während sie möglichst im Rekordtempo für die Fleischverarbeitung heranwachsen. Nur 4 Prozent der Proteine und 3 Prozent der Kalorien aus den Pflanzen landen später in dem Fleisch40, das wir essen. Das, was wir investierten und das, was wir dafür erhalten, steht somit in einem extremen Missverhältnis.