Vorwort

Nach der erfolgreichen Neuauflage des beliebten Standardwerkes Beschäftigte im öffentlichen Dienst I, das die Grundlagen des Arbeitsverhältnisses vermittelt, vervollständigt Band II dieses um die Themen Urlaub, Krankheit und Eingruppierung.

Insbesondere die anspruchsvolle Materie des Urlaubsrechts hat Dank des bedeutenden Einflusses der europarechtlichen Vorgaben und der vielfältigen und zugleich wechselhaften Rechtsprechung im letzten Jahrzehnt zu großer Verunsicherung in der Praxis geführt. Um diesen gordischen Knoten zu lösen, bietet das Werk eine systematisch klare Heranführung zu den zentralen Fragestellungen. Die Struktur urlaubsrechtlicher Grundsätze wird pointiert wiedergegeben, ergänzt um zahlreiche Beispielsfälle aus und für die Praxis, wie etwa zum Wechsel von Vollzeit zur Teilzeit, dem Verfall von Urlaubsansprüchen und Fragen der Urlaubsabgeltung.

Der Themenblock der Krankheit bildet den weiteren praxisrelevanten Akzent. Fragen zu Voraussetzung und Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werden dargestellt ohne die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte außen vor zu lassen. Zur Vervollständigung wird auf die praxisnahen Fälle der stufenweisen Wiedereingliederung und des betrieblichen Eingliederungsmanagements näher eingegangen.

Schließlich kommt der Bereich der Eingruppierung im öffentlichen Dienst nicht zu kurz. Gerade für Einsteiger in die Materie bietet der zweite Band einen Handlungsleitfaden, wie eine rechtliche einwandfreie Entlohnung beim Arbeitgeber Bund gelingen mag. Auch in dieser Materie zeichnet sich das Werk durch zahlreiche Prüfschemata, Checklisten und wertvolle Praxishinweise aus.

Anknüpfungspunkt bildet, wie auch im ersten Band, die Vorauflage des geschätzten, sich nunmehr im Ruhestand befindenden, Kollegen Herrn Peter Linde, Dozent an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung – Fachbereich Bundeswehrverwaltung. Ihm gebührt großer Respekt und der Dank der Autoren.

Wir wünschen den Nutzern für die alltägliche Arbeit, dass dieses Buch zu einer praxisorientierten Unterstützung werden möge.

Brühl/Mannheim, im Januar 2021

Dr. Beatrix Jansen

Dr. Michael Kawik

Dr. Alexander Block

Autoren

Dr. Beatrix Jansen lehrt und forscht seit 2006 an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung am Fachbereich Bundeswehrverwaltung. Ihre Lehrtätigkeit umfasst das öffentliche Dienstrecht.

Bereits 1994 nahm Frau Dr. Jansen beratende Funktionen bei der Deutschen Postgewerkschaft wahr, gefolgt von Lehrtätigkeiten für den Deutschen Gewerkschaftsbund sowie die Handwerkskammer Trier. Für die AOK, Direktion Rheinland-Pfalz, war sie Verhandlungsführerin im Referat Krankenhäuser/Stationäre Pflege, von wo aus sie in das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung wechselte. Neben Stationen im Beschaffungsbereich und Vergaberechtsgrundsatz war sie zuletzt im Leitungsstab tätig. Neben zahlreichen Veröffentlichungen ist sie als ständige Ansprechpartnerin zu Fragen des öffentlichen Dienstrechts in den verschiedenen Ressorts der Bundesverwaltung gefragt.

Prof. Dr. Michael Kawik war viele Jahre als Jurist in der Bundesverwaltung in den unterschiedlichsten Bereichen tätig. Dabei hat er insbesondere praktische Erfahrungen im Bereich des Personalrechts gesammelt, welche auch seine Tätigkeit an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung prägen. Seit 2014 lehrt und forscht er nunmehr an der Hochschule des und beschäftigt sich dabei im Schwerpunkt mit Fragen des Rechts des öffentlichen Dienstes (Arbeits- und Tarifrecht, Beamtenrecht und Soldatenrecht). Dabei legt er ein besonderes Augenmerk auf die Verbindung zur Praxis. Aus diesem Grund ist er auch stark in der Fortbildung von Mitarbeitern der unterschiedlichen Behörden engagiert, führt Fortbildungsveranstaltungen für Rechtanwälte durch und bekommt einen weiteren Blick auf die Praxis über seine Kooperation mit einer Rechtsanwaltskanzlei.

Regierungsdirektor Dr. Alexander Block, LL.M ist seit 2011 Hochschullehrer für Bürgerliches Recht und Recht des öffentlichen Dienstes (Arbeits- und Tarifrecht) an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung am Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung in Brühl. Vor dieser Beschäftigung war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Peter Winkler von Mohrenfels an der Universität Rostock und anschließend am Lehrstuhl von Prof. Dr. Ralph Weber an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald tätig. In dieser Zeit fertigte er seine Dissertation zum Internationalen Arbeitsrecht an und leitete Kolloquien und Vorlesungen zum Bürgerlichen Recht und zum Arbeitsrecht. Neben Veröffentlichungen vor allem im Bereich des Arbeitsrechts führt er personalrechtliche Seminare zum Tarif- und Arbeitsrecht für die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung durch. Seit Februar 2020 ist er stellvertretender Leiter des Fachbereichs Allgemeine Innere Verwaltung an der Hochschule des Bundes.

Abkürzungsverzeichnis

Kapitel AUrlaub

I.Erholungsurlaub

1.Historische Entwicklung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs

Wenngleich der Erholungsurlaub von den Beschäftigten heutzutage als Selbstverständlichkeit zum Zwecke der Erholung und des Genusses von Freizeit wahrgenommen wird, hat sich ein Anspruch erst mühsam entwickeln müssen. Denn zunächst handelte es sich um ein wenigen Privilegierten zukommendes Luxusgut – der Statusgruppe der Beamten, die im Reichsbeamtengesetz von 1873 gestaffelt nach dem jeweiligen Status Urlaub erhielten: Schreiber und Adjutanten wurden eine Woche vom Dienst befreit, hohe Beamte erhielten bereits bis zu sechs Wochen Urlaub.

Sukzessive folgten Urlaubsansprüche für leitende Angestellte bei Banken und im Handel. „Einfachen“ Arbeitern blieb ein solcher Anspruch jedoch verwehrt bis zur Einführung des BUrlG von 1963, das ausgehend von einer Sechs-Tage-Woche 15 Tage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr und nach Vollendung des 35. Lebensjahres 18 Tage und damit drei Wochen Urlaub zusprach.

1994 wurde der Anspruch schließlich in § 3 BUrlG auf 24 Tage Mindesturlaub – folglich vier Wochen in einer Sechs-Tage-Woche – erhöht. Hiermit wurde den europäischen Vorgaben der Richtlinie des Rates vom 23.11.1993 entsprochen, überarbeitet durch die RL 2003/88/EG vom 4.11.2003, dessen Art. 7 wie folgt lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

Damit wurde der europäische Mindeststandard bis heute festgeschrieben, der in keinem Mitgliedsland der Europäischen Union unterschritten werden darf.

2.Tarifliche Urlaubsansprüche

Mit der letzten großen Tarifreform im öffentlichen Dienst vom 9.2.2005 haben die Tarifvertragsparteien die Urlaubsansprüche in § 26 TVöD neu gestaltet und in weiten Teilen auf das BUrlG Bezug genommen. Während es zunächst eine Staffelung der Urlaubshöhe nach dem Alter der Beschäftigten gab, wurde seitens der höchstrichterlichen Rechtsprechung diese aufgrund Altersdiskriminierung für rechtswidrig und damit unwirksam erklärt, weshalb sich die Tarifvertragsparteien zu Änderungen gezwungen sahen.

Dies hatte zur Folge, dass der Urlaubsanspruch für die Arbeitnehmer schließlich einheitlich geregelt wurde und ausgehend von der Fünf-Tage-Woche 30 Arbeitstage pro Kalenderjahr umfasst. Dabei setzt sich der tarifliche Anspruch aus 20 Tagen gesetzlichem Mindesturlaub und 10 weiteren Tagen – dem sog. Mehrurlaub – zusammen.

Dieselbe Anzahl von 30 Urlaubstagen steht nunmehr auch den Auszubildenden, normiert in § 9 TVAöD-BT-BBiG, zu, worauf § 9 TVAöD-AT verweist.

Praktikanten können nach § 10 TVPöD ebenfalls einen 30-tägigen Urlaubsanspruch geltend machen.

3.Entstehung des Urlaubsanspruchs

Jeder Arbeitnehmer i.S.d. § 2 BUrlG hat nach § 1 BUrlG, gleichgültig, ob voll- oder teilzeitbeschäftigt, ob befristet oder unbefristet, einen jährlichen Anspruch auf Erholungsurlaub.

Auch einem Arbeitnehmer in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 8 SGB IV, umgangssprachlich als Minijobber bezeichnet, steht ein solcher zu.

Maßgeblich zur Berechnung ist insoweit das Kalenderjahr wie gleichfalls § 1 BUrlG zu entnehmen ist.

Steht der Arbeitnehmer in zwei Arbeitsverhältnissen mit verschiedenen Arbeitgebern, sog. Doppelarbeitsverhältnissen, hat der Arbeitnehmer jeweils einen eigenständigen Urlaubsanspruch aus jedem einzelnen Arbeitsvertrag.

Wie § 13 Abs. 1 BUrlG zu entnehmen ist, kann von dem in § 3 BUrlG garantierten Mindesturlaubsanspruch i.H.v. vier Wochen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, sog. Unabdingbarkeitsgrundsatz.

Es handelt sich um einen höchstpersönlichen Anspruch, der weder verpfändet, gepfändet noch abgetreten werden kann, ebensowenig ist eine Aufrechnung mit bzw. gegen den Urlaubsanspruch möglich.

Demzufolge wurde seitens der Rechtsprechung auch jahrzehntelang die Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen abgelehnt. Da nur der Arbeitnehmer selbst den Urlaub in Anspruch nehmen kann, könne dieser einmal entstandene Anspruch im Todesfall auch nicht an die Hinterbliebenen vererbt werden. Nachdem das LAG Hamm den Fall der Alleinerbin Bollacke dem EuGH vorlegt hat, deren Ehemann während des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit 140,5 offenen Urlaubstagen verstorben war, hat dieser entschieden, dass ein Abgeltungsanspruch im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub aufgrund Art. 7 der RL 2003/88/EG besteht.[1] Der Urlaubsanspruch umfasse auch dessen Bezahlung; ein finanzieller Ausgleich sei bei dem Tod des Beschäftigten unerlässlich, da es sonst zu einem rückwirkenden Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub kommen könne.

Während der EuGH nur hinsichtlich des europarechtlich garantierten Mindesturlaubs einen Abgeltungsanspruch zusprechen konnte, hat das BAG diesen darüber hinaus auf Mindesturlaub, Mehrurlaub sowie Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen erweitert.

Abgegolten werden:[2]

  • Mindesturlaub i.H.v. 20 Tagen

  • Mehrurlaub i.H.v. 10 Tagen

  • Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, § 208 SGB IX

Gleiches müsste auch gelten für:

  • Zusatzurlaub für Schichtarbeit, § 27 TVöD, mangels anderweitiger tarifvertraglicher Regelung.

a)Wartezeit nach dem BUrlG

Die Tarifvertragsparteien haben keine Regelung dahin gehend getroffen, ab wann der Arbeitnehmer Erholungsurlaub geltend machen kann.

Demzufolge ist § 4 BUrlG heranzuziehen, mit der Folge, dass der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben wird.

Die Beziehung der Vertragsparteien soll sich zunächst verfestigt und insbesondere die Probezeit als solche auch genutzt werden, bevor Urlaub gewährt wird.

Ist die Wartezeit nach sechs Monaten abgelaufen, entsteht bereits der volle gesetzliche Mindestjahresurlaub.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer wird zum 1.10.2021 eingestellt und scheidet zum 31.12.2021 wieder aus dem Arbeitsverhältnis aus. Bis zum 31.12.2021 kann er im laufenden Kalenderjahr die Wartezeit nicht erfüllen.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer wird zum 1.2.2021 eingestellt. Die Wartezeit beginnt nach § 187 Abs. 2 S. 1 BGB zum 1.2. zu laufen, sie endet nach § 188 Abs. 2 S. 2 BGB am 31.7. Ab dem 1.8. ist die Wartezeit überschritten und es besteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen.

b)Teilurlaubsansprüche nach dem BUrlG

Wird die sechsmonatige Wartezeit nicht überschritten, steht dem Arbeitnehmer lediglich ein Teilurlaubsanspruch zu. § 5 BUrlG lässt dabei für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs entstehen. Pro Monat wird folglich 1/12 von 20 Tagen gewährt, was 1,66 Tagen entspricht.

§ 5 BUrlG differenziert dabei zwischen drei Varianten:

  • Absatz 1 a Nichterfüllung der Wartezeit im Kalenderjahr

    Erfasst werden Fälle, in denen der Arbeitnehmer die Wartezeit aufgrund des Beginns des Arbeitsverhältnisses nicht mehr überschreiten kann.

    Dies ist bei jeder Einstellung ab dem 1. Juli der Fall.

    Beispiele

    Ein Arbeitnehmer wird zum 1.7.2021 eingestellt. Seine Wartezeit endet zum 31.12.2021. Der Arbeitnehmer überschreitet diese erst am 1.1.2022. Daher entsteht ein Anspruch von 6/12 von 20 Tagen, folglich 10 Tage.

    Ein Arbeitnehmer wird zum 1.12.2021 eingestellt. Es entsteht mit Ablauf des 31.12.2021 ein Anspruch auf 1/12 von 20 Tagen, folglich 1,66 Tage.

    Nach § 5 Abs. 2 BUrlG wird dieser, da mindestens einen halben Tag ergebend, aufgerundet auf 2 Tage.

  • Absatz 1 b Ausscheiden vor erfüllter Wartezeit

    Diese Ausnahmeregelung vom vollen Urlaubsanspruch berücksichtigt Fallkonstellationen, bei denen der Arbeitnehmer in der ersten Kalenderjahreshälfte eingestellt wurde, jedoch vor Überschreiten der Wartezeit wieder ausscheidet.

    Beispiel

    Ein Arbeitnehmer beginnt sein Arbeitsverhältnis zum 1.4.2021 und scheidet mit Ablauf des 31.5.2021 aus diesem aus. Es entsteht ein Anspruch von 2/12 von 20 Tagen, folglich 3,33 Tage.

    Dieser Anspruch ist genau in diesem Umfang zu gewähren. Zwar enthält § 5 BUrlG eine Regelung zur Aufrundung, soweit ein Anspruch von mindestens 0,5 Tagen besteht. Es fehlt indessen bei unterhälftigen Ansprüchen bis 0,49 eine Regelung, die die Abrundung erlaubt. Fehlt eine solche, darf der entstandene gesetzliche Mindesturlaubsanspruch auch nicht abgerundet werden.

  • Absatz 1 c Ausscheiden in der ersten Kalenderjahreshälfte nach erfüllter Wartezeit

    Hat der Arbeitnehmer die Wartezeit bereits überschritten und scheidet sodann aus dem Arbeitsverhältnis aus, entsteht ein Teilurlaubsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Kalenderjahreshälfte, also bis zum 30.6. endet.

    Beispiele

    Ein seit 2015 beschäftigter Arbeitnehmer kündigt sein Arbeitsverhältnis zum 30.6.2021. Da er aufgrund der langjährigen Beschäftigungszeit die Wartezeit schon lange überschritten hat, ist § 5 Abs. 1 c BUrlG einschlägig, mit der Folge, dass ihm ein Teilurlaubsanspruch zusteht. Dieser berechnet sich wie folgt: 6/12 von 20 Tagen, folglich 10 Tage.

    Ein seit 2015 beschäftigter Arbeitnehmer scheidet zum 30.9.2021 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Er hat die Wartezeit überschritten, so dass § 5 Abs. 1 a und b BUrlG nicht in Betracht kommen. Auch § 5 Abs. 1 c BUrlG greift nicht, da der Arbeitnehmer in der zweiten Kalenderjahreshälfte ausscheidet.

    Daher steht ihm nicht nur ein Teilurlaubsanspruch zu, sondern mangels weiterer Ausnahmeregelung der volle gesetzliche Mindesturlaub von 20 Tagen.

Ist dem Arbeitnehmer bereits der volle Jahresurlaubsanspruch gewährt worden und scheidet er gleichwohl in der ersten Jahreshälfte aus, stellt § 5 Abs. 3 BUrlG ein Rückforderungsverbot auf.

Weder kann der Arbeitnehmer, der zu viel Urlaub erhalten hat, diesen zurückgeben noch kann das dem Arbeitnehmer gezahlte Urlaubsentgelt von diesem zurückgefordert werden. Die zu viel gewonnene Freizeit kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und das Geld verbleibt beim Arbeitnehmer.[3] Nur im Falle eines nachweisbar treuwidrigen oder sittenwidrigen Handelns des Arbeitnehmers kann sich ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers im Umfang des zu viel gezahlten Urlaubsentgelts ergeben, mit der Folge, dass dieses zurückgefordert oder mit ausstehenden Lohnansprüchen grds. verrechnet werden kann.[4]

Scheinbar nicht deutlich formuliert ist in § 5 BUrlG, ob die Regelung bei dem verwendeten Begriff „Monat“ von einem Beschäftigungsmonat oder einem Kalendermonat ausgeht. Um Arbeitnehmer nicht zu benachteiligen, die im laufenden Kalendermonat ein Arbeitsverhältnis eingehen, erfasst die Regelung Beschäftigungsmonate.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer wird zum 15.1.2021 eingestellt und scheidet zum 14.2.2021 aus diesem wieder aus. Da es bei der Berechnung von Teilurlaubsansprüchen nicht auf Kalendermonate, sondern Beschäftigungsmonate ankommt, erwirbt der Arbeitnehmer einen Anspruch von 1/12 von 20 Tagen, folglich 1,66 Tage. Auch hier erfolgt eine Rundung aufgrund § 5 Abs. 2 BUrlG auf 2 Tage.

Hat der Arbeitnehmer hingegen nur Teile eines Monats in einem Beschäftigungsverhältnis erbracht, erwirbt er insoweit keinen Urlaubsanspruch.

Beispiel

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1.3.2021 und endet mit Ablauf des 29.4.2021. Hier besteht lediglich ein voller Beschäftigungsmonat vom 1.3. bis 31.3.2021, so dass auch nur ein anteiliger Urlaubsanspruch von 1/12 von 20 Tagen, folglich 1,66 Tage, gerundet 2 Tage entsteht.

Unerheblich für die Ermittlung des Urlaubsanspruchs ist es, ob an dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitspflicht besteht oder nicht. Auch ohne Arbeitsleistung entsteht ein Anspruch auf Erholungsurlaub.

Beispiel

Ein Arbeitsvertrag wird mit Beginn zum 1.1.2021 geschlossen. Dass der erste Arbeitstag auf einen gesetzlichen Feiertag – Neujahr – fällt, steht dem Anspruch nicht entgegen.

Unerheblich ist es ebenfalls für die Entstehung des Urlaubsanspruchs, wenn der Arbeitnehmer gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht arbeiten kann, weil er arbeitsunfähig erkrankt ist.

Gleiches gilt für eine Arbeitnehmerin, für die nach dem MuSchG ein Beschäftigungsverbot besteht oder für einen nach dem IfSG unter Quarantäne stehenden Beschäftigten, wie z.B. eines an COVID-19 erkrankten Arbeitnehmers oder eines insoweit krankheitsverdächtigen Arbeitnehmers. Zum Erwerb von Urlaubsansprüchen ist in diesen Beispielsfällen keinerlei tatsächliche Arbeitsleistung erforderlich.

c)Teilurlaubsansprüche nach dem TVöD

Auch der Tarifvertrag sieht einen anteiligen Urlaubsanspruch vor, soweit ein Arbeitnehmer nicht das gesamte Kalenderjahr in einem Arbeitsverhältnis steht.

Nach § 26 Abs. 2 b TVöD erhält der Beschäftigte für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Jahresurlaubsanspruchs von 30 Tagen.

Im Gegensatz zu der gesetzlichen Regelung im BUrlG sieht die Tarifnorm in Absatz 1 Satz 4 TVöD eine Rundungsregelung nach oben und unten vor.

Beispiel

Der Arbeitnehmer tritt am 1.3.2021 in das Arbeitsverhältnis ein, welches am 31.7.2021 endet. Es entsteht ein anteiliger Urlaubsanspruch von 5/12 von 30 Tagen, folglich 12,5 Tage, die auf 13 Tage aufgerundet werden.

Besteht das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate, so bleibt es – im Gegensatz zu der gesetzlichen Regelung nach § 4 BUrlG – bei einer anteiligen Urlaubsberechnung.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer tritt am 1.4.2021 in das Arbeitsverhältnis ein und scheidet am 31.12.2021 aus diesem aus. Es entsteht ein anteiliger Anspruch von 9/12 von 30 Tagen, folglich 22,5 Tage, gerundet 23 Tage.

Auch bei dem tariflichen Urlaubsanspruch ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis zu Beginn oder im Laufe eines Kalendermonats beginnt, da wie bei der gesetzlichen Regelung der Begriff „Monat“ als Beschäftigungsmonat zu verstehen ist. Dies lässt sich in § 26 TVöD bereits aus dem Umkehrschluss des Absatz 2 c ableiten, der stattdessen von Kalendermonat spricht. Da ein Unterschied zwischen „Monat“ und „Kalendermonat“ bestehen muss, kann sich hinter „Monat“ nur der Beschäftigungsmonat verbergen.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer tritt zum 17.2.2021 in das Arbeitsverhältnis ein und scheidet zum 16.4.2021 wieder aus. Der Arbeitnehmer hat zwei volle Beschäftigungsmonate gearbeitet, so dass sich ein Anspruch auf 2/12 von 30 Tagen, folglich 5 Tage ergibt.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer tritt zum 17.2.2021 in das Arbeitsverhältnis ein und scheidet zum 16.4.2021 wieder aus. Der Arbeitnehmer hat zwei volle Beschäftigungsmonate gearbeitet, so dass sich ein Anspruch auf 2/12 von 30 Tagen, folglich 5 Tage ergibt.

Unerheblich ist es für den Arbeitnehmer, wenn er zum Ende des Kalenderjahres mit dem Arbeitsverhältnis beginnt. Auch bei Überschreiten des Kalenderjahres erfolgt die Urlaubsberechnung nach Beschäftigungsmonaten.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer beginnt zum 6.12.2021 sein Arbeitsverhältnis und scheidet zum 5.1.2022 aus diesem wieder aus. Hier erwirbt der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von 1/12 von 30 Tagen, folglich 2,5 Tage, gerundet 3 Tage.

Allerdings werden auch beim tarifierten Anspruch lediglich volle Monate erfasst.

Beispiel

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1.5.2021 und endet zum 28.6.2021. Hier entsteht für den Beschäftigungsmonat vom 1.5.2021 bis zum 31.5.2021 ein anteiliger Urlaubsanspruch von 1/12 von 30 Tagen, folglich 2,5 Tage, gerundet 3 Tage.

Der darauffolgende Zeitraum ab dem 1.6.2021 bleibt in Bezug auf einen Urlaubsanspruch unberücksichtigt.

d)Spannungsfeld zwischen Teilurlaubsansprüchen nach dem BUrlG und dem TVöD

Der gesetzliche Urlaubsanspruch darf wegen des Unabdingbarkeitsgrundsatzes des § 13 BUrlG nicht unterschritten werden. Demgegenüber lässt es das Günstigkeitsprinzip stets zu, dass der Anspruch des Arbeitnehmers überschritten werden darf.

Beispiel

Das am 1.5.2021 beginnende Arbeitsverhältnis wird zum 31.10.2021 beendet.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt 6/12 von 20 Tagen, folglich 10 Tage.

Der tarifliche Anspruch beläuft sich auf 6/12 von 30 Tagen, folglich 15 Tage.

Aufgrund des Günstigkeitsprinzips erwirbt der Arbeitnehmer den höheren Urlaubsanspruch von 15 Tagen.

Beispiel

Das Arbeitsverhältnis beginnt zum 1.1.2021 und endet mit Ablauf des 1.7.2021. Da die Wartezeit mit Ablauf des 31.6.2021 überschritten worden ist und erst mit Ablauf des 1.7.2021 endet, entsteht der volle gesetzliche Mindestjahresurlaubsanspruch von 20 Tagen. Der tarifliche Urlaubsanspruch besteht hingegen nur i.H.v. 6/12 von 30 Tagen, folglich 15 Tage. Weil aufgrund des Unabdingbarkeitsgrundsatzes nach § 13 BUrlG der gesetzliche Mindestjahresanspruch nicht unterschritten werden darf, erhält der Arbeitnehmer 20 Tage Erholungsurlaub.

Beispiel

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1.3.2021 und endet mit Ablauf des 30.9.2021. Es entsteht der volle gesetzliche Mindestjahresurlaubsanspruch von 20 Tagen. Der tarifliche Urlaubsanspruch besteht hingegen nur i.H.v. 7/12 von 30 Tagen, folglich 17,5 Tage, gerundet 18 Tage.

Die beiden letztgenannten Beispiele zeigen deutlich eine Schwäche der gesetzlichen Regelung auf, indem ein Arbeitnehmer, der kaum mehr als sechs Monate bzw. sieben gearbeitet hat, genauso gestellt wird wie ein Arbeitnehmer, der acht Monate seine Arbeit erbracht hat und nach dem Tarifvertrag ebenfalls 20 Tage Erholungsurlaub erhält (8/12 von 30 Tagen, folglich 20 Tage). Solange der Gesetzgeber insofern keinen Regelungsbedarf sieht, ist diese Unbilligkeit jedoch schlichtweg hinzunehmen.

4.Umfang des Erholungsurlaubsanspruchs

a)Regelfall

Der Mindesturlaub nach dem BUrlG beträgt, wie bereits erwähnt, nach § 3 Abs. 1 jährlich mindestens 24 Werktage. Da nach Absatz 2 als Werktage alle Kalendertage gelten, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind, ging das BUrlG bei seinem Inkrafttreten noch vom Regelfall einer Sechs-Tage-Woche aus.

In der heutzutage üblichen Fünf-Tage-Woche entspricht dies einem Urlaubsanspruch von 5/6 von 24 Tagen, folglich 20 Urlaubstagen.

Auch dem TVöD liegt grds. eine Fünf-Tage-Woche zugrunde, wie sich aus § 6 Abs. 1 S. 3 und § 26 Abs. 1 S. 3 TVöD ergibt, wonach die regelmäßige Arbeitszeit auf fünf Tage verteilt wird, so dass sich bei 30 Urlaubstagen jährlich ein sechswöchiger Urlaubsanspruch ergibt, folglich ein Mehrurlaub von 10 Tagen gegenüber § 3 BUrlG.

b)Abweichung

Wählt der Arbeitnehmer ein von der Fünf-Tage-Woche abweichendes Arbeitszeitmodell oder wird dies von ihm abverlangt, hat dies auch Auswirkungen auf die Anzahl der Urlaubstage, wie dem Wortlaut des § 3 BUrlG zu entnehmen ist. Auch die Tarifnorm lässt eine anderweitige Verteilung der Arbeitszeit nicht unberücksichtigt. So legt § 26 Abs. 1 S. 3 TVöD fest, dass bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche sich der Urlaubsanspruch entsprechend erhöht oder vermindert.

Unerheblich ist hingegen für die Berechnung der Urlaubstage, wie lange der Arbeitnehmer an den einzelnen Tagen arbeiten muss. Ob Vollzeit- oder Teilzeittätigkeit spielt insoweit also keine Rolle und hat lediglich Auswirkungen auf das Entgelt. Denn dafür umfasst die freizustellende Zeit pro Arbeitstag bei einer Teilzeitkraft auch entsprechend weniger Arbeitsstunden als die einer Vollzeitkraft. Eine Ungleichbehandlung eines in Vollzeit tätigen Arbeitnehmers erfolgt somit nicht.

Anhand folgender Formel wird der Erholungsurlaubsanspruch berechnet:

Anzahl der Urlaubstage nach § 26 Abs. 1 S. 2 TVöD × Anzahl der individuellen Arbeitstage pro Woche: 5 Arbeitstage.

Hieraus ergeben sich folgende Urlaubsansprüche:

Urlaubsanspruch im Kalenderjahr in Tagen

1-Tag-Woche

 6

2-Tage-Woche

12

3-Tage-Woche

18

4-Tage-Woche

24

5-Tage-Woche

30

6-Tage-Woche

36

5.Unregelmäßige Arbeitszeit

Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung im Rahmen eines flexibilisierten Arbeitszeitsystems, innerhalb dessen die Arbeitszeit gerade nicht regelmäßig verteilt ist, wird der Urlaubsanspruch nicht nach der in einer Woche zu erbringenden Arbeitsleistung berechnet, sondern zugrunde gelegt wird der Zeitraum innerhalb dessen sich die Verteilung der Arbeitsleistung wiederholt.

Die Berechnungsformel lautet wie folgt:

30 Tage Urlaub nach § 26 Abs. 1 TVöD × Anzahl der individuellen Arbeitstage pro Zeitabschnitt: Anzahl der vereinbarten Arbeitstage

Beispiel

Ein Arbeitnehmer arbeitet im Wechsel in einer Woche an zwei Tagen und in der folgenden Woche an drei Tagen. Hier ergibt sich ein wiederkehrender zweiwöchiger Rhythmus, so dass auch bei der Berechnung von einer Doppelwoche auszugehen ist.

30 Tage Urlaub nach § 26 Abs. 1 TVöD × 5 individuelle Arbeitstage pro Doppelwoche: regulär 10 Arbeitstage pro Doppelwoche = 15 Tage.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer arbeitet in einem wiederkehrenden vierwöchigen Rhythmus wie folgt: 1. Woche drei Tage, 2. Woche vier Tage, 3. Woche vier Tage, 4. Woche zwei Tage.

30 Tage Urlaub nach § 26 Abs. 1 TVöD × 13 individuelle Arbeitstage binnen vier Wochen: regulär 20 Arbeitstage binnen vier Wochen = 19,5 Tage, gerundet 20 Tage.

Kann weder ein Wochen- noch ein wiederkehrender Monatsrhythmus ermittelt werden, dient das Kalenderjahr als Berechnungsgrundlage.

Hierbei zieht die Rechtsprechung nunmehr 260 Tage als Berechnungsgrundlage unter Berufung auf § 11 BUrlG[5]

Beispiel

§ 26 Abs. 1 TVöD