Der Verschwender

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Über dieses Buch

Julius von Flottwell geht mit seinem Vermögen, das er der Fee Cheristane verdankt, maßlos verschwenderisch um. Er merkt nicht, dass sein Kammerdiener Wolf ihn schamlos betrügt und nur der Diener Valentin treu zu ihm steht. Mit Amalie, deren solider Vater von Flottwell wenig begeistert ist, flieht er nach England. Nach vielen Jahren kehrt Flottwell zurück, einsam, mittellos und verzweifelt. Doch Hilfe und Heilung kommen von Valentin und einem geheimnisvollen Bettler … Raimunds 1844 uraufgeführtes Zaubermärchen, sein letztes Drama, ist ein Klassiker des Wiener Volkstheaters. Ein Nachwort und Anmerkungen erschließen den Text.

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Personen

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Erster Aufzug

Erste Szene

Vorsaal in Flottwells Schloss, mit Mittel- und vier Seitentüren, vorne ein Fenster. Dienerschaft in reicher Livree ist im Saale beschäftigt. Einige tragen auf silbernen Tassen Kaffee, Tee, Champagner, ausgebürstete Kleider nach den Gemächern der Gäste. Fritz und Johann ordnen an. Ein paar Jäger putzen Gewehre.

CHOR.

Hurtig! Hurtig! Macht doch weiter,

Holt Champagner, Kaffee, Rum!

Bringt den Gästen ihre Kleider,

Tummelt euch ein wenig um!

Alles sei hier vornehm, groß,

In des reichen Flottwells Schloss!

(Alle ab bis auf Fritz und Johann, welche ans Fenster treten. Im Hofe ertönen Jagdhörner.)

FRITZ. Ja, blast nur zu! Da könnt ihr noch lange blasen, die Herrschaften sind erst aufgestanden. Heute wird es eine späte Jagd geben.

JOHANN. Das Spiel hat ja bis zwei Uhr gedauert?

FRITZ. Ja, wenn sie nach dem Souper zu spielen anfangen, da ist kein Ende.

JOHANN (lachend). Aber heute Nacht haben sie den Herrn schön gerupft.

FRITZ. Ich kann mich ärgern, dass er so viel verspielt.

JOHANN. Warum denn? Er will’s ja nicht anders. Die reichen Leute müssen immer die Langeweile bezahlen, die sie andern verursachen.

FRITZ. Ah! über den gnäd’gen Herrn ist nichts zu sagen, das ist ein wahrhaft nobler Mann, und er tut nicht nur seinen Freunden Gutes, er unterstützt die ganze Welt. Die Bauern, hör ich, zahlen ja fast niemals eine Abgabe.

JOHANN. Er hat mir nur zu heftige Leidenschaften. Wart nur, bis du ihn einmal in Wut erblickst! Da schont er weder sein, noch eines andern Glück. Da kann alles zu Grunde gehen.

FRITZ. Aber wenn er sich besinnt, ersetzt er’s sicher dreifach wieder.

JOHANN (achselzuckend). Ja, wenn’s nur immer so fortgeht!

FRITZ. Wer ist denn der junge Mann, der gestern angekommen ist? Ein charmanter Mensch!

JOHANN. Das weiß ich nicht, das wird sich schon noch zeigen. Für mich gibt es nur zweierlei Menschen: Menschen, die Trinkgeld geben, und Menschen, die keines geben. Das bestimmt meine Dienstfertigkeit.

FRITZ. Er ist sehr höflich.

JOHANN. Da wird er vermutlich sehr wenig geben. Wer mich mit Höflichkeit beschenkt, macht mich melancholisch; aber wenn mir einer einen Dukaten hinwirft und zuruft: Schlingel, heb ihn auf! – da denk ich mir: Ha! welch eine Lust ist es, ein Schlingel zu sein!

Zweite Szene

PRALLING (tritt einen Schritt aus seinem Kabinett und ruft). He! Bediente!

BEIDE (sehen sich um). Ja! Befehlen?

PRALLING. Ich habe schon zweimal geläutet. Wollen Sie so gefällig sein, mir Rum zu bringen?

JOHANN (vornehm nickend). Sogleich, mein Herr! (Zu Fritz.) Hast du den gehört? Der hat mir in sechs Wochen noch keinen Pfennig Trinkgeld gegeben, und ein solcher Mann hat bei mir keinen Anspruch auf Ruhm zu machen; den lass ich warten.

FRITZ. Oh, auf den acht ich auch nicht. Der Herr hält ja nicht viel auf ihn.

JOHANN. Das ist’s, auf was man sehen muss. Auch der Kammerdiener mag ihn nicht.

FRITZ. Nun, wenn ihn der nicht mag, da kann er sich bald aus dem Schlosse trollen; der wird ihn schon gehörig zu verleumden suchen.

JOHANN. Ja, der reitet auf der Gunst des gnäd’gen Herrn, und niemand kann ihn aus dem Sattel werfen.

FRITZ. Du kennst seinen Wahlspruch: Alles für den Nutzen meines gnäd’gen Herrn, und dabei stopft er sich die Taschen voll.

JOHANN. Das wird aber auch eine schöne Wäsche geben, wenn dem seine Betrügereien einmal ans Tagslicht kommen. Ich kenne keinen raffinierteren Schurken, da ist ja unsereiner gerade nichts dagegen.

Dritte Szene

Vorige. Wolf aus dem Kabinette rechts.

WOLF (sein Betragen ist gegen Diener sehr nobel, stolz, gegen Höhere sehr demütig. Hört die letzten Worte). Schon wieder Konferenz? Von wem war hier die Rede?

JOHANN. Von einem guten Freund.

WOLF. Nu, ihr seid solcher Freundschaft wert! Ist alles besorgt? Die Gäste bedient?

JOHANN. Auf das pünktlichste!

WOLF. Der gnäd’ge Herr lässt euch verbieten, von den Gästen Geschenke anzunehmen. Ihr habt sie von seiner Freigebigkeit zu fordern.

BEIDE. Dann haben wir dadurch gewonnen.

WOLF. Seid uneigennützig, das ist eine große Tugend.

JOHANN. Aber eine sehr schwere. – Nicht wahr, Herr Kammerdiener?

WOLF. Wo ist der Valentin? Hat er die Quittung von der Sängerin gebracht?

FRITZ. Er ist noch nicht zurück, obwohl der gnädige Herr befohlen hat, er müsste bei der Jagd erscheinen, damit die Herren auf der Jagd etwas zu lachen hätten.

WOLF (lächelnd). Ein wahrhaft unschädlicher Bursche.

JOHANN. Da sollten doch der Herr Kammerdiener ein Werk der Barmherzigkeit ausüben und den gemeinen Kerl aus dem Hause bringen.

WOLF. Gott bewahre mich vor solcher Ungerechtigkeit! Das wäre gegen die Gesinnung meiner gnädigen Herrschaft. Der Bursche ist zwar plump und roh, doch gutmütig und treu. Dann steht er in der Gunst des Herrn, der seine Diener alle liebt, wie eigne Kinder. Ja, das ist wohl ein seltner Mann, der in der Welt nicht seinesgleichen findet. Und wollte man sein Lob in Büchern schreiben, man würde nie damit zu Ende kommen. Drum dankt dem Himmel, der euch in dies Haus geführt, denn wer ihm treu dient, der hat sich wahrlich selbst gedient. Das Frühstück für den gnäd’gen Herrn!

FRITZ. Sogleich! (Geht ab.)

JOHANN (im Abgehen). Die Moralität dieses Menschen wird mich noch unter die Erde bringen. (Ab.)

WOLF. Das sind ein paar feine durchgetriebene Schufte, die muss ich mir vom Halse schaffen.

Vierte Szene

Voriger. Baumeister Gründling.

GRÜNDLING. Guten Morgen, Herr Kammerdiener! Kann ich die Ehre haben, Herrn von Flottwell meine Aufwartung zu machen?

WOLF. Herr Baumeister, ich muss um Verzeihung bitten, aber Seiner Gnaden haben mir soeben befohlen, Sie bei jedermann zu entschuldigen, denn Sie machen heute eine Jagdpartie.

GRÜNDLING. Wissen Sie nicht, Herr Kammerdiener, ob Herr von Flottwell meinen Plan zu dem Bau des neuen Schlosses für gut befunden hat?

WOLF. Er hat ihm sehr gefallen. Nur hat sich der Umstand ereignet, dass ihm auch ein anderer Baumeister einen ähnlichen Plan vorgelegt hat und sich erbietet, das Schloss in derselben Größe um zehntausend Gulden wohlfeiler zu bauen.

GRÜNDLING. Das tut mir leid, aber als ehrlicher Mann kann ich es nach seinen Anforderungen nicht wohlfeiler bauen. Ich übernehme diesen Bau überhaupt mehr aus Ehrgeiz als aus Gewinnsucht. Hat aber Herr von Flottwell einen Künstler gefunden, von dem er sich Schöneres oder Besseres verspricht, so werd ich mich zu bescheiden wissen.

WOLF. Das heißt, es ist Ihnen nichts daran gelegen.

GRÜNDLING. Im Gegenteil, es ist meiner Ehre sehr viel daran gelegen.

WOLF. Ja, dann müssen Sie Ihrer Ehre auch ein kleines Opfer bringen.

GRÜNDLING. Es wäre sehr traurig für die Kunst, wenn es schon so weit gekommen wäre, dass die Künstler Opfer bringen müssten, um Gelegenheit zu finden, ein Kunstwerk hervorzubringen. Die Kunst zu unterstützen, ist ja der Stolz der Großen, und eine ökonomische Äußerung wäre an dem geldberühmten Herrn von Flottwell etwas Unerhörtes.

WOLF. Sie verstehen mich nicht, Herr Baumeister.

GRÜNDLING. Genug! Morgen will ich mit Herrn von Flottwell selbst darüber sprechen. Glauben Sie aber nicht, Herr Kammerdiener, dass ich ein Mann bin, der nicht zu leben versteht! Sollten Sie sich für die Sache bei dem gnäd’gen Herrn glücklich verwenden, so werde ich mich sehr geehrt fühlen, wenn Sie ein Geschenk von hundert Dukaten nicht verschmähen wollen.

WOLF. Sie verkennen mich. Eigennutz ist nicht meine Sache, ich spreche nur zum Vorteil meines gnäd’gen Herrn!

GRÜNDLING. Den werden Sie durch mich besser bezwecken, als wenn das Schloss von einem andern gebaut wird.

WOLF. Nun gut! Ich will versuchen, was mein geringer Einfluss zu Gunsten eines so großen Künstlers vermag; und gelingt es mir, so werde ich Ihr Geschenk nur unter der Bedingung annehmen, dass Sie mir erlauben, es auf eine wohltätige Weise für andere zu verwenden.

GRÜNDLING. Ganz nach Ihrem Belieben. (Beiseite.) Die Kunst mag mir diese Herabwürdigung verzeihen. (Laut.) Morgen erwarte ich einen günstigen Bescheid. (Will ab.)

WOLF (blickt zum Fenster hinaus). Teufel! der andere. (Schnell.) Wollen Sie nicht so gefällig sein, sich über die Nebentreppe zu bemühen, weil die Bedienten auf der großen Möbel transportieren? Ich empfehle mich ergebenst. (Lässt ihn durch eine Seitentür hinausgehen; allein.) Diese Zitrone gibt wenig Saft, jetzt wollen wir die andere pressen.

Fünfte Szene

Voriger. Baumeister Sockel.

SOCKEL. Guten Morgen, Herr von Wolf! Sie haben mich rufen lassen, ich wäre schon gestern gekommen, aber ich hab ein Haus stützen müssen, was ich vor zwei Jahren erst gebaut hab. Verstanden? Ich sag Ihnen’s, man möcht jetzt lieber Holz hacken, als Häuser bauen. Erstens brennen s’ Ziegel, wenn man einem nur ein unbeschaffenes Wort gibt, so fallt er schon voneinander. Nachher wollen s’ immer ein’ Million Zins einnehmen, lauter Zimmer, keine Mauern! Verstanden? Drum sind manche moderne Häuser auch so dünn, als wenn s’ bloße Futteral über die alten wären. Hernach hat halt ein Baumeister vor Zeiten auf solide Einwohner rechnen können, aber jetzt zieht sich ja manchmal ein Volk hinein, das nichts als rauft und schlagt, Tisch’ und Stühl’ umwirft und das Unterste zuoberst kehrt. Ja, wo soll denn da ein Haus die Geduld hernehmen? Da wird’s halt springgiftig, und endlich fallt’s vor Zorn zusamm’. Verstanden?

WOLF. Das ist alles ganz recht, aber jetzt lassen Sie uns vernünftig reden.

SOCKEL. Erlauben Sie – aber meine Reden sind ein wahrer Triumph der Vernunft! Verstanden?

WOLF. Ich habe Ihnen die unangenehme Nachricht zu sagen, dass Sie den Bau des Schlosses nicht bekommen werden.

SOCKEL. Hören Sie auf, oder ich stürz zusamm’ wie eine alte Gartenmauer! Das ist ja nach unserer Verabredung nicht möglich. Verstanden?

WOLF. Der gnäd’ge Herr will den Baumeister Gründling nehmen.

(Ein Bedienter, der Flottwell das Frühstück gebracht hat, kommt zurück.)

SOCKEL. Aber es war ja schon alles richtig? Ich hab Ihnen ja tausend G –

WOLF (rasch auf den Bedienten blickend). Nun ja, Sie haben mir tausend Gründe gesagt, die –

SOCKEL. Nein, ich habe Ihnen versprochen –

WOLF. Ja, (stampft unwillig mit dem Fuße) Sie haben versprochen, gute Materialien zu nehmen. Franz, dort hat jemand geläutet. (Der Bediente geht in ein Kabinett ab.) Aber ich kann nicht dafür, dass ein anderer gekommen ist, der noch größere Versprechungen gemacht hat und das Schloss um zehntausend Gulden wohlfeiler baut.

SOCKEL. Aber das ist ja ein elender Mensch, der gar nicht zu bauen versteht – ein hergelaufener Maurerpolier, ein Pfuscher – und ich bin ein Mann auf dem Platz! Verstanden?

WOLF. Es macht Ihnen sehr viel Ehre, dass Sie so über Ihren Kollegen schimpfen, aber das kann die Sache nur verschlimmern.

SOCKEL. Aber Sie bringen einen ja zur Verzweiflung. (Beiseite.) Ich kann den Bau nicht auslassen, er trägt mir zu viel ein. (Macht gegen das Publikum die Pantomime des Geldzählens.) Verstanden? (Laut.) Liebster Herr Kammerdiener, ich weiß, es hängt nur von Ihnen ab. Der gnäd’ge Herr bekümmert sich nicht darum, er ist zu leichtsinnig. Ich geb Ihnen tausend Gulden Konventionsmünze.

WOLF. Herr! – Was unterfangen Sie sich –

SOCKEL. Ich unterfange mich, Ihnen noch fünfhundert Gulden zu bieten.

WOLF. Sie häufen ja Beleidigung auf Beleidigung –

SOCKEL. Freilich, ich bin der brutalste Kerl auf der Welt. Aber jetzt bin ich schon in meiner Grobheit drin, ich muss Ihnen noch fünfhundert Gulden antragen.

WOLF. Halten Sie ein! Sie empören mich mit solchen unmoralischen Zumutungen!

SOCKEL (beiseite). Ah, da möcht man sich selber köpfen!

WOLF. Ich sehe ein, dass Ihre Ehre –

SOCKEL. Ah, was Ehre! Es ist einem gerade keine Schande, wenn man ein Schloss baut, aber in Feuer lassen s’ einen auch nicht vergolden deswegen. (Beiseite.) Nur das Geld ist verloren.

WOLF. Man wird Sie auslachen.

SOCKEL. Freilich, es hat’s die ganze Stadt erfahren.

WOLF. Wie war das möglich?

SOCKEL. Weil ich’s meiner Frau gesagt hab.

WOLF. Ja, sind Sie denn verheiratet?

SOCKEL. Leider! Verstanden?

WOLF (ängstlich). Haben vielleicht Kinder?

SOCKEL. Jawohl!

WOLF. Ach, das ist ja sehr traurig! Wie viele?

SOCKEL. Mein Gott, so viel’ Sie wollen, verschaffen Sie mir nur den Bau!

WOLF. Ja, das muss ich wissen.

SOCKEL. Also fünf! Und zwei noch zu erwarten! Verstanden?

WOLF. Entsetzlich! Das rührt mich!

SOCKEL. Lassen Sie sich erweichen! Nehmen Sie die zweitausend Gulden.

WOLF (mit Bedauern). Sie sind Familienvater! Sie haben fünf Kinder! Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? – Und der andere Baumeister hat vielleicht keine Kinder!

SOCKEL. Kein einziges.

WOLF. Ah, da müssen Sie ja den Bau erhalten! Das wäre ja die höchste Ungerechtigkeit –

SOCKEL. Oh, Sie edelmüt’ger Mann!

WOLF. Jetzt kann ich Ihr Geschenk annehmen. Aber Sie müssen mir versprechen, ein Meisterstück für die Ewigkeit hinzustellen.

SOCKEL. Zehn Jahre keine Reparatur.

WOLF. Denn der Vorteil meiner gnäd’gen Herrschaft geht mir über alles.

SOCKEL (weinend). Große Seele!

(Beide in Flottwells Kabinett ab.)