Friedrich Schiller


Maria Stuart


Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Impressum



Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-944869-41-4


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Personen



Elisabeth, Königin von England

Maria Stuart, Königin von Schottland, Gefangne in England

Robert Dudley, Graf von Leicester

Georg Talbot, Graf von Shrewsbury

Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh, Großschatzmeister

Graf von Kent

Wilhelm Davison, Staatssekretär

Amias Paulet, Ritter, Hüter der Maria

Mortimer, sein Neffe

Graf Aubespine, französischer Gesandter

Graf Bellievre, außerordentlicher Botschafter von Frankreich

Okelly, Mortimers Freund

Drugeon Drury, zweiter Hüter der Maria

Melvil, ihr Haushofmeister

Burgoyn, ihr Arzt

Hanna Kennedy, ihre Amme

Margareta Kurl, ihre Kammerfrau

Sheriff der Grafschaft

Offizier der Leibwache

Französische und englische Herren

Trabanten

Hofdiener der Königin von England

Diener und Dienerinnen der Königin von Schottland

Letzter Auftritt


Die Vorigen - Burleighm, zuletzt Kent


Burleigh beugt ein Knie vor der Königin:

Lang lebe meine königliche Frau,
Und mögen alle Feinde dieser Insel
Wie diese Stuart enden!

Shrewsbury verhüllt sein Gesicht, Davison ringt verzweiflungsvoll die Hände

Elisabeth:

Redet, Lord!
Habt Ihr den tödlichen von mir
Empfangen?

Burleigh:

Nein, Gebieterin! Ich empfing ihn
Von Davison

Elisabeth:

Hat Davison ihn Euch
In meinem Namen übergeben?

Burleigh:

Nein!
Das hat er nicht ...

Elisabeth:

Und Ihr vollstrecktet ihn,
Rasch, ohne meinen Willen erst zu wissen?
Das Urteil war gerecht, die Welt kann uns
Nicht tadeln, aber Euch gebührte nicht,
Der Milde unsres Herzens vorzugreifen –
Drum seid verbannt von unserm Angesicht!
zu Davison
Ein strengeres Gericht erwartet Euch,
Der seine Vollmacht frevelnd überschritten,
Ein heilig anvertrautes Pfand veruntreut.
Man führ' ihn nach dem Tower, es ist mein Wille,
Daß man auf Leib und Leben ihn verklage.
– Mein edler Talbot! Euch allein hab ich
Gerecht erfunden unter meinen Räten,
Ihr sollt fortan mein Führer sein, mein Freund ...

Shrewsbury:

Verbanne deine treusten Freunde nicht,
Wirf sie nicht ins Gefängnis, die für dich
Gehandelt haben, die jetzt für dich schweigen.
– Mir aber, große Königin, erlaube,
Daß ich das Siegel, das du mir zwölf Jahre
Vertraut, zurück in deine Hände gebe.

Elisabeth betroffen:

Nein Shrewsbury! Ihr werdet mich jetzt nicht
Verlassen, jetzt ...

Shrewsbury:

Verzeih, ich bin zu alt,
Und diese grade Hand, sie ist zu starr,
Um deine neuen Taten zu versiegeln.

Elisabeth:

Verlassen wollte mich der Mann, der mir
Das Leben rettete?

Shrewsbury:

Ich habe wenig
Getan – Ich habe deinen edlern Teil
nicht retten können. Lebe, herrsche glücklich!
Die Gegnerin ist tot. Du hast von nun an
Nichts mehr zu fürchten, brauchst nichts mehr zu
achten.

Geht ab

Elisabeth zum Grafen Kent, der hereintritt:

Graf Leicester komme her!

Kent:

Der Lord läßt sich
Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich.

Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da - der Vorhang fällt


- ENDE -

 

 

Inhalt


Erster Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt

Dritter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt

Vierter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Elfter Auftritt
Zwölfter Auftritt

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt
Zweiter Auftritt
Dritter Auftritt
Vierter Auftritt
Fünfter Auftritt
Sechster Auftritt
Siebenter Auftritt
Achter Auftritt
Neunter Auftritt
Zehnter Auftritt
Elfter Auftritt
Zwölfter Auftritt
Dreizehnter Auftritt
Vierzehnter Auftritt
Letzter Auftritt

 



Erster Aufzug

Im Schloß zu Fotheringhay – ein Zimmer

Erster Auftritt


Hanna Kennedy, Amme der Königin von Schottland, in heftigem Streit mit Paulet, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen - Drugeon Drury, sein Gehilfe, mit Brecheisen


Kennedy:

Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!
Zurück von diesem Schrank!

Paulet: 

Wo kam der Schmuck her?
Vom obern Stock ward er herabgeworfen,
Der Gärtner hat bestochen werden sollen
Mit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!
Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen Suchen
Noch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!
Sich über den Schrank machend
Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!

Kennedy: 

Zurück,Verwegener!
Hier liegen die Geheimnisse der Lady.

Paulet: 

Die eben such ich. Schriften hervorziehend

Kennedy: 

Unbedeutende Papiere, bloße Übungen der Feder,
Des Kerkers traur´ge Weile zu verkürzen.

Paulet: 

In müß´ger Weile schafft der böse Geist.

Kennedy: 

Es sind französische Schriften.

Paulet: 

Desto schlimmer!
Die Sprache redet Englands Feind.

Kennedy: 

Konzepte
Von Briefen an die Königin von England.

Paulet: 

Die überlief'r ich – Sieh! Was schimmert hier?

Er hat einen geheimen Ressort geöffnet und zieht aus einem verborgenen Fach Geschmeide hervor

Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,
Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!
Er gibt es seinem Begleiter
Verwahrt's, Drury. Legt's zu dem übrigen!

Drury geht ab

Kennedy: 

O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!

Paulet: 

Solang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,
Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.

Kennedy: 

Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck
Aus unserem Leben weg! Die jammervolle
Erfreut der Anblick alter Herrlichkeit,
Denn alles andere habt Ihr uns entrissen.

Paulet: 

Es liegt in guter Hand. Gewissenhaft
Wird es zu seiner Zeit zurückgegeben!

Kennedy: 

Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,
Daß eine Königin hier wohnt? Wo ist
Die Himmeldecke über ihrem Sitz?
Muß sie den zärtlich weichgewöhnten Fuß
Nicht auf gemeinen rauhen Boden setzen?
Mit groben Zinn – die schlechtste Edelfrau
Würd' es verschmähn – bedient man ihre Tafel.

Paulet: 

So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,
Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.

Kennedy: 

Sogar des Spiegels kleine Notdurft mangelt.

Paulet: 

Solang sie noch ihr eitles Bild beschaut,
Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.

Kennedy: 

An Büchern fehlt's, den Geist zu unterhalten

Paulet: 

Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.

Kennedy: 

Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.

Paulet: 

Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.

Kennedy: 

Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,
Die in der Wiege Königin schon war,
Am üpp'gen Hof der Mediceerin
In jeder Freuden Fülle aufgewachsen!
Es sei genug, daß man die Macht ihr nahm,
Muß man die armen Flitter ihr mißgönnen?
In großes Unglück lehrt ein edles Herz
Sich endlich finden, aber wehe tut's,
Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.

Paulet: 

Sie wenden nur das Herz dem Eiteln zu,
Das in sich gehen und bereuen soll.
Ein üppig lastervolles Leben büßt sich
in Mangel und Erniedrigung allein.

Kennedy: 

Wenn ihre zarte Jugend sich verging,
Mag sie's mit Gott abtun und ihrem Herzen –
In England ist kein Richter über sie.

Paulet: 

Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.

Kennedy:

Zum Freveln fesseln sie zu enge Banden.

Paulet: 

Doch wußte sie aus diesen engen Banden
Den Arm zu recken in die Welt, die Fackel
Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern
Und gegen unsere Königin, die Gott
Erhalte, Meuchelrotten zu bewaffnen.
Erregte sie aus diesen Mauern nicht
Den Bösewicht Parry und den Babington
Zu der verfluchten Tat des Königsmords?
Hielt dieses Eisengitter sie zurück,
Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?
Für sie geopfert fiel das beste Haupt
Auf dieser Insel unterm Henkerbeil –
Und schreckte dieses jammervolle Beispiel
Die Rasenden zurück, die sich wetteifernd
Um ihrentwillen in den Abgrund stürzen?
Die Blutgerüste füllen sich für sie
Mit immer neuen Todesopfern an,
Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,
Die Schuldigste, darauf geopfert ist.
– O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste
Gastfreundlich diese Helena empfing.

Kennedy: 

Gastfreundlich hätte England sie empfangen?
Die Unglückselige, die seit dem Tag,
Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,
Als eine Hilfeflehende, Vertriebne
Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,
Sich wider Völkerrecht und Königswürde
Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft
Der Jugend schöne Jahre muß vertrauern –
Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,
Was das Gefängnis Bittres hat, gemeinen
Verbrechern gleich, vor des Gerichtes Schranken
Gefordert wird und schimpflich angeklagt
Auf Leib und Leben – eine Königin!

Paulet: 

Sie kam ins Land als eine Mörderin,
Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,
Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.
Verschworen kam sie gegen Englands Glück,
Der spanischen Maria blut'ge Zeiten
Zurückzubringen, Engelland katholisch
Zu machen, an den Franzmann zu verraten.
Warum verschmähte sie's, den Edinburger
Vertrag zu unterschreiben, ihren Anspruch
An England aufzugeben und den Weg
Aus diesem Kerker schnell sich aufzutun
Mit einem Federstrich? Sie wollte lieber
Gefangen bleiben, sich mißhandelt sehen,
Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.
Weswegen tat sie das? Weil sie den Ränken
Vertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,
Und unheilspinnend diese ganze Insel
Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.

Kennedy: 

Ihr spottet, Sir – Zur Härte fügt Ihr noch
den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,
Die hier lebendig eingemauert lebt,
Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme
Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,
Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute
Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,
Die erst seit kurzem einen neuen Wächter
Erhielt in eurem rauhen Anverwandten,
Von neuen Stäben sich umgittert sieht ...

Paulet: 

Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.
Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,
Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,
Von außen fest, nicht hohl von innen sind
Und den Verrat einlassen, wenn ich schlafe?
Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,
Die unheilbrütend Listige zu hüten.
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe
Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe
Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu'
Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,
Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!
Wohl! Es ist Hoffnung, daß es bald nun endet.
Denn lieber möcht' ich der Verdammten Schar
Wachstehend an der Höllenpforte hüten,
Als diese ränkevolle Königin.

Kennedy: 

Da kommt sie selbst!

Paulet: 

Den Christus in der Hand,
Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.

Zweiter Auftritt


Maria im Schleier, ein Kruzifix in der Hand - die Vorigen


Kennedy ihr entgegeneilend:

O Königin! Man tritt uns ganz mit Füßen,
Der Tyrannei, der Härte wird kein Ziel
Und jeder neue Tag häuft neue Leiden
Und Schmach auf dein gekröntes Haupt.

Maria: 

Faß dich!
Sag an, was neu geschehen ist?

Kennedy: 

Sieh her!
Dein Pult ist aufgebrochen, deine Schriften,
Dein einz'ger Schatz, den wir mit Müh gerettet,
Der letzte Rest von deinem Brautgeschmeide
Aus Frankreich ist in seiner Hand. Du hast nun
Nichts königliches mehr, bist ganz beraubt.

Maria: 

Beruhige dich, Hanna. Diese Flitter machen
Die Königin nicht aus. Man kann uns niedrig
Behandeln, nicht erniedrigen. Ich habe
In England mich an viel gewöhnen lernen,
Ich kann auch das verschmerzen. Sir, Ihr habt euch
Gewaltsam zugeeignet, was ich euch
Noch heut zu übergeben willens war.
Bei diesen Schriften findet sich ein Brief,
Bestimmt für meine königliche Schwester
Von England – Gebt mir Euer Wort, daß Ihr
Ihn redlich an sie selbst wollt übergeben
Und nicht in Burleighs ungetreue Hand.

Paulet: 

Ich werde mich bedenken, was zu tun ist.

Maria: 

Ihr sollt den Inhalt wissen, Sir. Ich bitte
In diesem Brief um eine große Gunst –
Um eine Unterredung mit ihr selbst,
Die ich mit Augen nie gesehen – Man hat mich
Vor ein Gericht von Männern vorgefordert,
Die ich als meinesgleichen nicht erkennen,
Zu denen ich kein Herz mir fassen kann.
Elisabeth ist meines Stammes, meines
Geschlechts und Ranges – Ihr allein, der Schwester,
Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.

Paulet: 

Sehr oft, Mylady, habt Ihr Euer Schicksal
Und Eure Ehre Männern anvertraut,
Die Eurer Achtung minder würdig waren.

Maria: 

Ich bitte noch um eine zweite Gunst,
Unmenschlichkeit allein kann mir sie weigern.
Schon lange Zeit entbehr ich im Gefängnis
Der Kirche Trost, der Sakramente Wohltat.
Und die mir Kron' und Freiheit hat geraubt,
Die meinem Leben selber droht, wird mir
Die Himmelstüre nicht verschließen wollen.

Paulet: 

Auf Euren Wunsch wird der Dechant des Orts ...

Maria unterbricht ihn lebhaft:

Ich will nichts vom Dechanten. Einen Priester
Von meiner eigenen Kirche fordre ich.
– Auch Schreiber und Notarien verlang ich,
Um meinen letzten Willen aufzusetzen.
Der Gram, das lange Kerkerelend nagt
An meinem Leben. Meine Tage sind
Gezählt, befürcht ich, und ich achte mich
Gleich einer Sterbenden.

Paulet: 

Das tut Ihr wohl,
Das sind Betrachtungen, die Euch geziemen.

Maria: 

Und weiß ich, ob nicht eine schnelle Hand
Des Kummers langsames Geschäft beschleunigt?
Ich will mein Testament aufsetzen, will
Verfügung treffen über das, was mein ist.

Paulet: 

Die Freiheit habt Ihr. Englands Königin
Will sich mit Eurem Raube nicht bereichern.

Maria: 

Man hat von meinen treuen Kammerfrauen,
Von meinen Dienern mich getrennt – Wo sind sie?
Was ist ihr Schicksal? Ihrer Dienste kann ich
Entraten, doch beruhigt will ich sein,
Daß die Getreun nicht leiden und entbehren.

Paulet: 

Für Eure Diener ist gesorgt.
Er will gehen

Maria: 

Ihr geht, Sir? Ihr verlaßt mich abermals,
Und ohne mein geängstigt fürchtend Herz
Der Qual der Ungewißheit zu entladen.
Ich bin, dank Eurer Späher Wachsamkeit,
Von aller Welt geschieden, keine Kunde
Gelangt zu mir durch diese Kerkermauern,
Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand.
Ein peinlich langer Monat ist vorüber,
Seitdem die vierzig Kommissarien
In diesem Schloß mich überfallen, Schranken
Errichtet, schnell, mit unanständiger Eile,
Mich unbereitet, ohne Anwalts Hilfe,
Vor ein noch nie erhört Gericht gestellt,
Auf schlaugefaßte schwere Klagepunkte
Mich, die Betäubte, Überraschte, flugs
Aus dem Gedächtnis Rede stehen lassen –
Wie Geister kamen sie und schwanden wieder.
Seit diesem Tage schweigt mir jeder Mund,
Ich such umsonst in Eurem Blick zu lesen,
Ob meine Unschuld, meiner Freunde Eifer,
Ob meiner Feinde böser Rat gesiegt.
Brecht endlich Euer Schweigen – laßt mich wissen,
Was ich zu fürchten, was zu hoffen habe.

Paulet nach einer Pause:

Schließt Eure Rechnung mit dem Himmel ab.

Maria:

Ich hoffe auf seine Gnade, Sir – und hoffe
Auf stenges Recht von meinen ird'schen Richtern.

Paulet: 

Recht soll Euch werden. Zweifelt nicht daran.

Maria: 

Ist mein Prozeß entschieden, Sir?

Paulet: 

Ich weiß nicht.

Maria: 

Bin ich verurteilt?

Paulet: 

Ich weiß nichts, Mylady.

Maria: 

Man liebt hier rasch zu Werk zu gehen. Soll mich
Der Mörder überfallen, wie die Richter?

Paulet: 

Denkt immerhin, es sei so, und er wird Euch
In bessrer Fassung dann, als diese, finden.

Maria: 

Nichts soll mich in Erstaunen setzen, Sir,
Was ein Gerichtshof in Westminsterhall,
Den Burleighs Haß und Hattons Eifer lenkt,
Zu urteln sich erdreiste – Weiß ich doch,
Was Englands Königin wagen darf zu tun.

Paulet: 

Englands Beherrscher brauchen nichts zu scheuen
Als ihr Gewissen und ihr Parlament.
Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,
Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.

Dritter Auftritt


Die Vorigen - Mortimer, Paulets Neffe, tritt herein und, ohne der Königin einige Aufmerksamkeit zu bezeugen, zu Paulet


Mortimer: 

Man sucht Euch, Oheim.

Er entfernt sich auf ebendie Weise.  - die Königin bermerkt es mit Unwillen und wendet sich zu Paulet, der ihm folgen will

Maria: 

Sir, noch eine Bitte.
Wenn Ihr mir was zu sagen habt – von Euch
Ertrag ich viel, ich ehre Euer Alter.
Den Übermut den Jünglings trag ich nicht,
Spart mir den Anblick seiner roher Sitten.

Paulet: 

Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn wert.
Wohl ist es keiner von den weichen Toren,
Die eine falsche Weiberträne schmelzt –
Er ist gereist, kommt aus Paris und Reims
Und bringt sein treu altenglisch Herz zurück:
Lady, an dem ist Eure Kunst verloren! 

Geht ab

Vierter Auftritt


Maria - Kennedy


Kennedy: 

Darf Euch der Rohe das ins Antlitz sagen!
Oh, es ist hart!

Maria in Nachdenken verloren:

Wie haben in den Tagen unsers Glanzes
Dem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn;
Gerecht ist's, gute Kennedy, daß wir
Des Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.

Kennedy: 

Wie? so gebeugt, so mutlos, teure Lady?
Wart Ihr doch sonst so froh, Ihr pflegtet mich zu trösten,
Und eher mußt' ich Euren Flattersinn
Als Eure Schwermut schelten.

Maria: 

Ich erkenn ihn.
Es ist der blut'ge Schatten König Darnleys,
Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,
Und er wird nimmer Friede mit mir machen,
Bis meines Unglücks Maß erfüllet ist.

Kennedy: 

Was für Gedanken ...

Maria: 

Du vergissest, Hanna ...
Ich aber habe ein getreu Gedächtnis ...
Der Jahrestag dieser unglückseligen Tat
Ist heute abermals zurückgekehrt,
Er ist's, den ich mit Buß' und Fasten feire.

Kennedy: 

Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh'.
Ihr habt die Tat mit jahrelanger Reu',
Mit schweren Leidensproben abgebüßt.
Die Kirche, die den Löseschlüssel hat
Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.

Maria: 

Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld
Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!
Des Gatten racheforderndes Gespenst
Schickt keines Messedieners Glocke, kein
Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.

Kennedy: 

Nicht Ihr habt ihn gemordet! Andre taten's!

Maria: 

Ich wußte drum. Ich ließ die Tat geschehn
Und lockt' ihn schmeicheln in das Todesnetz.

Kennedy: 

Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wart
So zarten Alters noch.

Maria: 

So zart – und lud
Die schwere Schuld auf mein so junges Leben.

Kennedy: 

Ihr wart durch blutige Beleidigung
Gereizt und durch des Mannes Übermut,
Den Eure Liebe aus der Dunkelheit,
Wie eine Götterhand, hervorgezogen,
Den Ihr durch Euer Brautgemach zum Throne
Geführt, mit Eurer blühenden Person
Beglückt und Eurer angestammten Krone.
Konnt' er vergessen, daß sein prangend Los
Der Liebe großmutsvolle Schöpfung war?
Und doch vergaß er's, der Unwürdige!
Beleidigte mit niedrigem Verdacht,
Mit rohen Sitten Eure Zärtlichkeit,
Und widerwärtig wurd' er Euren Augen.
Der Zauber schwand, der Euren Blick getäuscht,
Ihr floht erzürnt des Schändlichen Umarmung
Und gabt ihn der Verachtung preis – Und er –
Versucht' er's, Eure Gunst zurückzurufen?
Bat er um Gnade? Warf er sich bereuend
Zu Euren Füßen, Besserung versprechend?
Trotz bot Euch der Abscheuliche – Der Euer
Geschöpf war, Euren König wollt' er spielen,
Vor Euren Augen ließ er Euch den Liebling,
Den schönen Sänger Rizzio, durchbohren –
Ihr rächtet blutig nur die blut'ge Tat.