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VORWORT

Die hier versammelten Geschichten erlebte ich bei Reisen während der letzten drei Jahrzehnte. Bei meinem ersten größeren Unternehmen – einer Expedition in den Himalaja – war ich noch unerfahren, musste mich erst erproben und meine Art des Unterwegsseins finden. Neugierig machte ich mich auf den Weg ins Unbekannte. Wie damals reise ich noch heute aus Leidenschaft, weil ich Neues entdecken, erkunden und beobachten will. Mich interessieren Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine. Doch die Natur allein genügt mir nicht, ich möchte wissen, was sich früher in diesen Gebieten, die ich besuche, abgespielt hat. Über die Gegenwart hinaus fasziniert mich die Vergangenheit. Auf der Suche nach Geschichte und Geschichten befrage ich Menschen, die mir begegnen. Deshalb dauern meine Reisen meist sehr lange. Es braucht nicht allein Zeit, sondern Zuwendung und innere Anteilnahme, um das Vertrauen der Gesprächspartner zu gewinnen. Deshalb ist es für mich wichtig, möglichst die Sprachen der Menschen zu lernen, bei denen ich zu Gast bin. Englisch und Spanisch beherrsche ich gut, zudem habe ich Arabisch und Mongolisch gelernt. Zwar kann man das, was man braucht und möchte, mit Zeichen mitteilen oder aufmalen, aber erst wenn ich mit den Leuten in ihrer Sprache kommuniziere, öffnet sich ein Weg zu ihren Herzen.

Die Erzählungen in diesem Sammelband beginnen mit meiner ersten Reise, die mich als Mitglied einer Bergsteigerexpedition nach Nepal führte. Im Weiteren sind die Geschichten nicht chronologisch geordnet, sondern nach Landschaftsformen, wie Wüsten, Gebirge, Flüsse, oder nach Schwerpunkten, zum Beispiel Begegnungen mit Menschen und Erlebnisse mit Tieren. Jeder Geschichte habe ich eine Erläuterung vorangestellt, wann die Reise stattfand, warum ich dieses Gebiet auswählte sowie interessante Begleitumstände. Am Ende des Buches folgt ein Anhang mit Erläuterungen zu den einzelnen Reisen, Informationen zu Land und Leuten oder Kommentare, die sich der Gegenwart der besuchten Länder und Regionen widmen.

Von einigen wenigen Erlebnissen in diesem Band habe ich bereits in meinen Büchern berichtet, von der großen Mehrzahl erzähle ich hier zum ersten Mal.

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1977 Nepal

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1980 Kilimandscharo

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1981 Galapagos

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1984 Philippinen

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1986 Peru

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1987 Argentinien

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1987 Mexico

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1993 Elbsandsteingebirge

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1999 Jemen

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2001 Isar

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2002 Jakobsweg

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2003 Namibia

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2007 Jemen

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2009 Ägypten

BERGE

Gipfel über den Wolken

NEPAL

GRIECHENLAND

MAROKKO

SPANIEN

PHILIPPINEN

NEPAL

Heimat des Schnees

Sta-Jub-Kang, »Starnberger-Jubiläums-Berg«, hieß die Expedition, an der ich als Mitglied des Starnberger Alpenvereins teilnahm. Ich war neu im Verein. In der DDR aufgewachsen, war ich nach einem Fluchtversuch und zwei Jahren Gefängnis im Juni 1976 in Westdeutschland eingetroffen. Schüchtern und beeindruckt von den gestandenen Mannsbildern in Tracht und mit Maßkrügen in der Hand, hatte ich mich an meinem ersten Vereinsabend in eine Ecke gesetzt. Doch meine Zurückhaltung musste ich noch am selben Abend aufgeben, denn die Starnberger planten eine Expedition in den Himalaja. In einem halben Jahr schon sollte es losgehen. Da will ich mit, war mir sofort klar. Der Himalaja war mein Traumziel, seitdem ich vor Jahren ein Buch über den Nanga Parbat gelesen hatte. Wer an der Expedition im Frühjahr 1977 teilnehmen durfte, stand bereits fest. Doch ich ließ nicht locker, brachte mein Anliegen bei jedem Vereinsabend erneut vor und nahm an allen Bergtouren teil. So gelang es mir, in die urbayerische Gruppe aufgenommen zu werden.

Gigantisch ragen die höchsten Berge unserer Erde in den Himmel. In der altindischen Sprache Sanskrit bedeutet Himalaja »Heimat des Schnees«. Viele Gesichter besitzt dieses Gebirge, eine Natur voller Gegensätze und Extreme. Der märchenhafte Anblick rot blühender Rhododendronbäume kontrastiert mit zerklüfteten Gletschern. Neben lieblichen Almwiesen, geschmückt mit Enzian und Edelweiß, ragen Eisbarrieren empor und brechen tausend Meter tiefe Schluchten hinab, wo wilde Flüsse tosen. Über geheimnisvoll nebelverhangenen Wäldern mit tropfnassen Bartflechten thronen Bergriesen, von denen immer wieder Lawinen donnernd herabstürzen. Mit diesen Beschreibungen hatte ich meine Phantasie gefüttert und brannte vor Ungeduld, mit eigenen Sinnen die Berge meiner Sehnsucht erleben zu dürfen.

Nach einem Zwischenstopp in Delhi landen wir in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals. Das Land ist winzig im Vergleich zu den großen Nachbarn China und Indien. Es liegt an der Südflanke der majestätischen Bergkette und misst der Länge nach kaum 800 Kilometer; die Breite variiert zwischen 144 und 244 Kilometer.

Wir sind in einem für meine Begriffe luxuriösen Hotel im englischen Kolonialstil untergebracht. Erst seit Kurzem sind die Grenzen Nepals für Reisende geöffnet. Wir sind privilegierte Gäste, die zuvorkommend, sogar devot bedient werden. So hatte ich mir eine Expedition nicht vorgestellt. Komfortabel zu reisen bin ich nicht gewohnt. Eigentlich bin ich überhaupt noch nie gereist, kenne nur Exkursionen durch Mecklenburg und an der Ostseeküste während meiner Studentenzeit. Schon jetzt merke ich, dass ich mich meinen Mitreisenden nicht anpassen kann.

Neugierig auf die Menschen in Nepal und ihre Lebensweise verlasse ich am nächsten Morgen das Hotel, vergeude keine kostbare Zeit mit einem üppigen Frühstück und Stadtbesuch in der Gruppe. Als ich aus der Hoteltür ins Freie trete, hält sofort ein Rikschafahrer. Doch ich muss ihn enttäuschen, ich möchte lieber zu Fuß gehen. Nur so kann ich einen ersten Einblick in das Leben der Nepali bekommen.

Ich lenke meine Schritte aus dem Zentrum hinaus zu einem Vorort Kathmandus. Es ist noch sehr früh. Der Himmel schimmert gelb und rot, die Bewohner wachen gerade auf. Da es in den Häusern keine Wasserleitungen gibt, wäscht man sich am Straßenrand mit selbstverständlicher Würde, die keinen Gedanken an Scham aufkommen lässt. Die Sonne steigt höher und beleuchtet enge Gassen. Frauen sitzen mit entblößtem Oberkörper vor ihren niedrigen Häusern. Sie ölen ihre Haut ein oder lassen sich von ihren Töchtern eincremen, ohne dass Nachbarn mit Blicken daran Anstoß nehmen würden. Dann kommen die Kinder dran und werden am ganzen Körper eingesalbt.

Die Männer widmen sich derweil ihrem Handwerk. Einige schmieden, andere nähen, schustern oder verkaufen Stoffe, Lederwaren und Tongefäße. Zwei Männer sägen Bretter aus einem Baumstamm. Mit einer einfachen Handsäge bearbeiten sie den Stamm der Länge nach, die mühevollste Weise, Bretter zu sägen, die ich mir vorstellen kann. Frauen beobachte ich beim Spinnen, Weben, Wasserholen und Wäschewaschen. Bei all den vielseitigen Tätigkeiten wirkt das Leben geruhsam und voller Harmonie. Auf den Gesichtern der Menschen liegt ein freundliches Lächeln. »Namaste«, grüßen sie mich.

Das Kathmandu-Tal umfasst etwa 600 Quadratkilometer, liegt auf einer Höhe von 1300 Metern und ist der zentrale und kulturell wichtigste Teil Nepals. Eine Legende erzählt, dass einst der Bodhisattwa Manjusri aus China in diese Gegend kam, die von einem riesigen See erfüllt war. Es war der berühmte Schlangensee Nag Hrad. In der Mitte des Sees wuchs eine wunderschöne Lotosblüte und strahlte ein göttliches Licht aus. Der Bodhisattwa – ein Heiliger, der bereits die Vollkommenheit erreicht hat, um ins Nirwana einzugehen, aber freiwillig darauf verzichtet, um Gutes zu tun und den Menschen zu helfen – nahm sein Schwert und schlug eine tiefe Bresche in die versperrenden Berge, sodass die Wasser auslaufen konnten. Bald kamen Menschen und besiedelten den fruchtbaren Seegrund. Geologen stellten fest: Einst war hier tatsächlich ein Gewässer gewesen. Bei einem Erdbeben hatte sich eine schmale Schlucht geöffnet, aus der heute noch die Wasser abfließen.

Im Tal, früher ein wichtiges Handelszentrum zwischen Indien, Tibet und China, gab es drei Königsstädte: außer Kathmandu noch Patan und Bhaktupur. Die Orte wurden reich und berühmt, entwickelten Glanz und Prunk.

An Reisfeldern entlang schlage ich den Rückweg ein, nähere mich wieder dem Zentrum Kathmandus. Mich überrascht diese exotische und pulsierende Stadt voller Gegensätze. Rikschas bahnen sich klingelnd ihren Weg. Durch enge Gassen zwängen sich Autos und hupen ununterbrochen. Heilige Kühe stehen mitten auf der Straße. Stoisch ertragen sie den Lärm und rühren sich nicht vom Fleck. Frauen in blütengleichen Saris schreiten an Bettlern vorbei, die in elende Lumpen gehüllt sind. Verkäufer breiten ihre Waren auf der Straße aus. Herrliche Seiden- und Brokatstoffe stapeln sich neben Abfallhaufen. Ein Kaleidoskop menschlichen Lebens in all seinen Erscheinungsformen. Weit öffne ich meine Sinne, begierig nehme ich die vielfältigen Eindrücke in mich auf. Unvergesslich prägen sich mir die Bilder ein.

Dem äußeren Erscheinungsbild nach gehören die Bewohner verschiedenen Völkergruppen an. Da sind sehr schlanke, grazile Menschen, deren Vorfahren, wie ich gelesen habe, aus Indien stammen. Zur ältesten Bevölkerung gehören die eher kleinen und dunkelhäutigen Newar tibeto-birmanischer Herkunft. Sie sind geschickte Handwerker, vor allem Holzschnitzer, und wurden sogar am chinesischen Kaiserhof beschäftigt. Über hundert verschiedene ethnische Volksgruppen soll es in Nepal geben mit mindestens ebenso vielen Sprachen und Dialekten.

Das geräuschvolle und bunte Treiben auf den Straßen hat mich abgelenkt, erst später nehme ich die kunstvollen Tempel und Pagoden wahr. Sie sind in die verwirrende Architektur der Stadt eingewoben. Nur der Hanuman Dhoka, der Komplex um den alten Königspalast, hebt sich heraus. Andächtig bewundere ich die prächtigen Gebäude, lasse meine Augen immer wieder über die bilderreichen Schnitzereien schweifen. Es gilt als gesichert, dass der Pagodenbau in Nepal erfunden wurde. Newarische Holzschnitzer und Baumeister waren es, deren Kunst sich in ganz Asien verbreitete. Reich geschmückt sind die Bauwerke mit Skulpturen der hinduistischen Götterwelt.

Da ich so früh aufgestanden bin, dauert der Vormittag noch an. Mit einer Rikscha lasse ich mich zum buddhistischen Heiligtum Swayambhunath bringen. Außerhalb der Stadt liegt es auf einem Hügel. Es ist das früheste buddhistische Bauwerk in Nepal und eines der ältesten in ganz Asien. Vermutlich hat Buddha diesen Ort besucht und hier meditiert. Der Name Swayambhu bezeichnet das magische Licht der Lotosblüte, die inmitten des Ursees Nag Hrad wuchs. Um das göttliche Licht zu schützen, baute man eine kuppelförmige Stupa. Diese Bauform entwickelte sich aus einfachen Steinanhäufungen, den Tschörten, in denen die Reliquien eines Heiligen aufbewahrt werden. Diese schlichten Gebilde säumen später unseren Weg in den Bergen. Die Stupa von Swayambhunath dagegen ist ein Sakralbau, dessen Architektur eine komplizierte Symbolik beinhaltet. Mein Blick wird zuerst von einer riesigen weißen Halbkugel gefesselt. Aus ihrer Mitte erhebt sich ein viereckiger Aufbau, dem auf jeder Seite die allsehenden und allwissenden Augen Buddhas aufgemalt sind. Als ich die 365 Stufen zum Heiligtum hinaufsteige, kann ich mich ihrer Wirkung nicht entziehen, fühle mich beobachtet von dem übergroßen Augenpaar.

Neun Altäre mit Buddhafiguren gruppieren sich um die Stupa. Im Osten der Altar für den östlichen Buddha. Ihm sind die blaue Farbe, das Element Luft und als Reittier der Elefant zugeordnet. Der Buddha im Westen ist in Meditationshaltung dargestellt. Sein Reittier ist der Pfau, seine Farbe ist Rot und sein Element die Erde. So hat jede der neun Buddhafiguren ihre eigenen Farben, Reittiere und symbolischen Elemente. Rund um die Stupa hängen 211 bronzene Gebetsmühlen. In tiefer Andacht umkreisen Gläubige den Bau und drehen mit der Hand die Mühlen. In ihnen eingeschlossen befindet sich ein Schriftstück mit den Worten: »Om mani padme hum«. Dieses heilige Mantra lässt sich übersetzen mit: »Oh, du Juwel in der Lotosblüte«. Hinter diesen einfachen Wörtern verbirgt sich das Glaubensbekenntnis der Buddhisten. Gemeint ist die universelle Macht mit ihrer göttlichen Unendlichkeit und der allumfassenden Liebe.

Glaube und Wirklichkeit sind in Nepal eng miteinander verwoben. Zum Tagesablauf der Menschen gehören die Götter. Ich sehe eine Frau, die tief versunken das Antlitz einer Götterstatue mit Butter einreibt. Ein Mann schüttet rotes Pulver auf einen Gott, ein anderer bewirft eine Statue mit Reis. Kinder spielen Verstecken hinter dem Reittier des Buddha.

Die beiden Hauptreligionen Nepals, Buddhismus und Hinduismus, existieren scheinbar friedlich nebeneinander. Ich miete erneut eine Rikscha und fahre in das nahe gelegene hinduistische Heiligtum Budhanilakantha. Dort besichtige ich den schlafenden Vishnu. In einem künstlichen Teich ruht der Gott auf steinernen Kobras. Die Skulptur wurde wahrscheinlich im 7. Jahrhundert aus einem einzigen Gesteinsblock gemeißelt. Hinduistische Gläubige bestreuen die Figur mit rotem und gelbem Farbpulver und überhäufen sie mit Blumen. Sie trinken sogar von dem algengrünen Wasser des Teiches, um die Kraft des Gottes in sich aufzunehmen.

Mittag ist vorbei, aber den Nachmittag will ich für weitere Besichtigungen nutzen. In der Nähe liegt die Ortschaft Daksin Kali, hier opfern die Hindu der Göttin Kali. Die schwarze Göttin mit den vielen Armen schenkt Fruchtbarkeit, dafür fordert sie Blut. Ihr werden Ziegen und Hunde geopfert. Die Opfertiere müssen schwarz sein, und sie sollen freiwillig in die Opferung einwilligen. Deshalb werden sie mit Wasser bespritzt. Die Tiere schütteln sich. Da Kopfschütteln in Nepal »ja« bedeutet, werden sie sofort geschlachtet.

Viele Sehenswürdigkeiten an einem Tag, aber da alle nahe beieinanderliegen, hatte ich Muße, sie auf mich wirken zu lassen. Inzwischen aber senkt sich die Sonne schon dem Horizont zu, gerade noch Zeit, Pashupatinath, den Hauptsitz der brahmanischen Priester, zu besuchen. Am Ufer des heiligen Flusses Bagmati steht der älteste und heiligste Hindutempel. Hier wird das Holz für die Scheiterhaufen Gestorbener aufgeschichtet: neun Lagen für die männlichen und sieben für die weiblichen Toten. Die Asche streuen die Angehörigen in den Fluss, damit sich die Seele vom Körper lösen kann. Unter den Arkaden der Tempelanlage sitzen alte Menschen. Sie sind gekommen, um zu sterben. In sich versunken, mit entrückten, schon vom Erdenleben gelösten Gesichtern, warten sie auf den Tod.

Spät kehre ich ins Hotel zurück. Meine Reisegruppe sitzt beim Abendessen, mein Gruß wird mit Schweigen beantwortet. Da habe ich mich also gleich zu Beginn der Reise unbeliebt gemacht. Reden hilft bei Verstimmung, denke ich, erzähle von meinen Eindrücken und betone, dass ich meinen freien Tag vorher angekündigt hatte.

»Gib nicht so an mit deinen Besichtigungen«, kontert einer. »Wir haben auch Sehenswürdigkeiten besucht, aber deine Begeisterung können wir nicht teilen. Armut und Dreck überall. Und dann trinken sie noch das verseuchte Wasser und schmeißen mit Reis um sich, statt ihn zu essen.«

»Aber darüber dürfen wir doch nicht urteilen! Wir teilen nicht ihr Leben. Sie haben eine ganz andere Kultur, einen anderen Glauben, das muss man doch respektieren«, entgegne ich verblüfft.

»Unsinn, andere Kultur! Es gibt Grundsätze, die für alle Menschen gültig sind. Du akzeptierst wohl alles, ohne dir groß Gedanken zu machen, wie man es dir in der DDR beigebracht hat.«

Ich schaue in die Runde, die meisten erwidern meinen Blick nicht. Aber ich hoffe trotzdem, dass nicht alle so denken wie der Sprecher. Na gut, tröste ich mich. Morgen geht es in »meinen« Himalaja. Da werden die eindrucksvollen Erlebnisse alle Unstimmigkeiten vergessen lassen.

Wir fliegen mit einer Propellermaschine auf 3500 Meter Höhe nach Lukla. Womit ich nicht gerechnet hatte: Zwanzig Träger stehen bereit, die unsere Ausrüstung auf dem Rücken transportieren sollen. Zu allem Überfluss müssen für unsere Bequemlichkeit Stühle und ein Tisch mit auf die Tour, und nicht aus leichtem Plastik, sondern aus Holz. Ich hatte mit harten Entbehrungen gerechnet, schließlich war eine Expedition angekündigt. Stattdessen stellt sich unser Unternehmen als wenig abenteuerliche Trekkingtour dar.

Die Route führt durch den Khumbu-Himal, den Gebirgsteil, in dem sich auch der Mount Everest befindet. Der Pfad windet sich am Berghang entlang, tief unten rauscht der Dudh Kosi in seinem steil eingeschnittenen Tal. Der Himalaja ist ein heiliges Gebirge, allerorten finden sich Zeichen tiefer Religiosität: Steine mit dem Mantra Om mani padme hum sind zu Mani-Mauern aufgeschichtet, Gebetsfahnen flattern im Wind und Gebetsmühlen werden von Bergbächen angetrieben. Tschörten säumen den Weg, und Klöster scheinen hier dem Himmel näher zu sein als der Erde. Den Menschen im Himalaja sind die Götter so allgegenwärtig wie das Gebirge. In ihrer Glaubensvorstellung sind die Berge lebende Wesen in ständig wechselnder Gestalt, mal Gott oder Göttin, dann böser Dämon oder Zauberer.

Drei Tage später senkt sich der Pfad hinunter zum Fluss. Wir erreichen das Ziel der heutigen Etappe. So wie auch an den Tagen zuvor sind unsere Zelte bereits aufgebaut. Mir fällt es schwer, mich mit dieser Praxis abzufinden. Wir werden mit heißem Tee begrüßt, und bald steht das Essen auf dem Holztisch. Der Koch gibt sich größte Mühe und zaubert aus den zahlreichen, von den Trägern transportierten Lebensmitteln abwechslungsreiche Mahlzeiten. Ich muss ein-sehen, dass ich völlig falsche Vorstellungen von dieser Expedition hatte. Umsonst habe ich mir zuvor ein paar zusätzliche Kilo angegessen, weil ich mit einer kargen Verpflegung gerechnet hatte.

In der Mitte des wild tosenden Dudh Kosi liegt ein flacher Stein. Ich schaffe es, durch die Wasserflut zu ihm zu gelangen. Dort sitze ich lange, eingehüllt vom starken Rauschen inmitten der Bergwelt des Himalaja, und fühle mich dazugehörend. Als ich aus meinen Gedanken und dem gefühlsmäßigen Verstehen der Natur und dem Verschmelzen mit ihr wieder auftauche, sehe ich einen schieferblauen, etwa sperlinggroßen Vogel. Er schwirrt über das kristallklare Gebirgswasser, spreizt dabei die zinnoberroten Schwanzfedern zu einem Fächer, ein weithin sichtbares Signal, um eine Partnerin anzulocken und mögliche Rivalen zu warnen. Nach seinen Flugkapriolen ruht sich der Vogel auf Flusskieseln am Ufer aus, wippt lockend mit seinem roten Schwanzfächer. Er trägt den passenden Namen Wasserrötel. Als er sich in meiner Nähe niederlässt, vernehme ich trotz des tosenden Wassers seinen Gesang, der aus sehr hohen und zugleich melodischen Tönen besteht. Den optischen und akustischen Reizen kann ein Weibchen nicht widerstehen und flattert herbei. Sie wiederum macht mit leuchtend weißen Schwanzfedern auf sich aufmerksam.

Weiter wandern wir ins Gebirge hinein. Barfuß oder in ausgetretenen Turnschuhen gehen die Träger mit ihren schweren Lasten auf steinigen Pfaden. Nachts suchen sie Schutz unter einem Felsüberhang. Wir dagegen übernachten in Zelten und warmen Schlafsäcken. Eine fragwürdige Art des Unterwegsseins, wie ich sie von Reisebeschreibungen aus der Kolonialzeit kenne. Die Träger gehören zum Volk der Sherpa, sie zeichnen sich durch Ausdauer und Kraft aus und sind gut an die Höhe angepasst. Der Name bedeutet »Volk aus dem Osten«. Vor etwa 500 Jahren begaben sich Clans aus dem Gebiet Kham im östlichen Tibet auf Wanderschaft und fassten den kühnen Entschluss, von der Nordseite des Everest-Massivs über den vergletscherten, 5716 Meter hohen Pass Nagpa La auf die Südseite nach Nepal zu wechseln und sich dort niederzulassen. Als Tibet noch nicht durch China besetzt und die Grenze offen war, schleppten sie schwere Lasten, vor allem Salz, aber auch Stoffe und Wollballen über den Himalaja. Das Gepäck liegt zwar auf dem Rücken, aber die Nackenmuskeln leisten die meiste Arbeit, weil ein breites Trageband über die Stirn gelegt wird.

Ein Wettersturz! Eisige Kälte. Der Wind pfeift, und Schneeregen peitscht unsere Gesichter. Der Pfad steigt jetzt besonders steil an. Die Höhe von über 4000 Meter strengt an, wir atmen heftig. Unsere Schritte werden langsamer. Immer wieder müssen wir stehen bleiben und Luft holen. Plötzlich höre ich helle Stimmen. Schon überholt uns ein Trupp Jungen und Mädchen. Sie sind kaum älter als acht Jahre. Jedes hat eine Last auf dem Rücken, die sie wie die Erwachsenen mit einem Band über der Stirn tragen. Und sie singen! Wenig später sind sie in Regen und Schnee nicht mehr sichtbar, nur ihr heiteres Lied klingt aufmunternd zu uns herunter.

Vor uns liegt Namche Bazar, ein Sherpa-Dorf und früher wichtiger Handelsort, denn die Grenze nach Tibet liegt hinter dem nächsten Gebirgskamm. Häuser aus Bruchsteinen drängen sich an den Berghang. Terrassenfelder, sorgsam mit Steinmauern umgrenzt, wurden der unwirtlichen Natur abgetrotzt. Auf einem Feld arbeiten Frauen, stoßen mit einem Grabstock Löcher in die harte Erde und legen Saatkartoffeln hinein, Sorten, die der extremen Witterung in 3800 Meter Höhe angepasst sind. Auch im Ursprungsgebiet der Kartoffeln, in Südamerika, gedeihen die Knollen in dieser Höhe. Auf anderen Feldern wächst Getreide; die grünen Halme haben gerade handhoch den Erdboden durchbrochen. Die schmalen Äcker werden von Frauen und Kindern bestellt, die Männer gehen anderen Arbeiten nach, verdingen sich beim Häuserbau oder als Träger bei Expeditionen. Nur das Pflügen übernehmen meist die Männer. Vor den Pflug spannen sie Yaks. Diese Hochgebirgsrinder werden schon seit Jahrtausenden gezähmt und gezüchtet. Sie liefern den Menschen wichtige Produkte: Wolle und Milch, Fleisch und Fett, Leder, Sehnen und Knochen.

Die nächsten Tage geht es immer höher hinauf. Vor uns liegt der Ama Dablam. Mit seinen 6856 Metern ist der Berg keiner der ganz hohen Gipfel, dafür einer der schönsten. Einem Turm ähnlich ist die gleichmäßig aufragende Form mit weit vorgewölbten Schnee-balkonen verziert. Wenn die Sonne hinter dem Berg steht, wird er von einem Lichtkranz umspielt und wirkt wie eine überirdische Erscheinung. Für die Sherpa ist Ama Dablam ein heiliger Berg. Sie nennen ihn »Mutter Schatzkästchen«.

Am Wegesrand häufen sich Tschörten, Gebetsfahnen wehen, und Steintafeln mit Mantras sind zu Mauern aufgeschichtet. Die Sherpa beachten die Rituale, die sie von Kindheit an kennen. Sie gehen an diesen Orten immer links entlang, weil die Sonne so ihren Lauf nimmt – und Buddha, der Erleuchtete, ist die spirituelle Sonne im Herzen der Menschen. Bald zeigt sich, warum gerade hier so viele heilige Symbole versammelt sind: Vor uns liegt das Kloster Tengpoche. Es thront nahe den Wolken auf 3867 Meter Höhe. Auf einem Plateau, umgeben von schneeweißen Bergriesen, wirkt es märchenhaft verwunschen in seiner Weltabgeschiedenheit und Einsamkeit.

Auf einer Almwiese unterhalb des Klosters stehen unsere Zelte. Man sagt uns, am nächsten Tag dürften wir das Kloster besichtigen.

Bei Sonnenaufgang beginnen die Mönche zu trommeln und in Hörner zu blasen. Weit hallen die dumpfen Töne wie archaische Urlaute durch die schweigsame Landschaft.

Die Mönche begrüßen uns höflich, gewähren uns Einblicke in ihre Räume. In der Bibliothek zeigen sie die in Seidentücher gehüllten, kostbaren Bücher, führen uns an goldglänzenden Buddhastatuen und Butterlampen vorbei. Sie lächeln höflich und verziehen keine Miene, als sie unsere neugierigen, aber wenig verständnisvollen Blicke bemerken.

An diesem Tag kommen wir nicht weit. Am Mittag schon müssen die Zelte aufgebaut werden, wieder bricht Schlechtwetter über uns herein. Es regnet, schneit und graupelt abwechselnd. In der Nacht kann kaum jemand schlafen, weil der Sturm die Zeltplanen geräuschvoll flattern lässt und das Zeltgestänge verbiegt. Am nächsten Morgen liegt der Schnee fast einen halben Meter hoch. Die Sherpa haben wie immer die Nacht notdürftig eingehüllt in Decken draußen verbracht. Sie müssen unter der Kälte gelitten haben, aber nun scheint die Sonne, und sie freuen sich über das blendende Weiß. Wie Kinder springen sie im Schnee herum, bewerfen sich mit Schneebällen, spielen Jagen und Fangen. Unsere Gruppe schaut erstaunt und fragend zu. Wie können Menschen so heiter sein, wenn sie tagelang schwerste Lasten schleppen müssen, das Nachtlager kalt und hart, die Kleidung unzureichend und die Nahrung eintönig ist? Woher rührt ihre seelische Kraft? Sind es die Berge, die positive Kräfte freisetzen und inneren Frieden geben?

In 5000 Meter Höhe mit Blick auf den Mount Everest errichten wir unser Basislager. Von hier aus wollen wir einen noch namenlosen 7000 Meter hohen Gipfel besteigen, der nach dem Gipfelsieg Sta-Jub-Kang heißen soll. Eine Gipfelmannschaft wird bestimmt. Meine Kondition und Höhenanpassung sind hervorragend, doch die Gruppe ist der Meinung, mir fehle die notwenige Erfahrung im Eis. Was natürlich nicht stimmt, denn ich habe als Vorbereitung zahlreiche Eistouren in den Alpen absolviert, und alle Teilnehmer sind Neulinge im Himalaja. Wir haben also die gleichen Erfahrungswerte.

Statt auf meinem ersten Siebentausender zu stehen, werde ich mit einem anderen, unvergesslichen Erlebnis beschenkt. Es ist noch Nacht. Schimmernd heben sich die Schneeberge gegen den dunklen Himmel ab. Ich spüre Kraft und Energie, die von den Bergen auf mich überströmen. Der Boden ist vom Reif überpudert, und der silberweiße Vollmond lässt die Landschaft in überirdischem Licht erstrahlen. Über mir wölbt sich ein unendlich weiter Sternenhimmel. Wie in Trance steige ich einen Berghang hinauf. Langsam wird es heller, und dann übergießt die Sonne die Erde mit ihren Strahlen. Ich setze mich auf einen mit Flechten geschmückten Stein und nehme Abschied von meinem Himalaja, denn morgen schon soll es zurück nach Kathmandu gehen, weil ein Teilnehmer unter beginnender Höhenkrankheit leidet und die anderen die Entbehrungen leid sind. Und dann sehe ich ihn – einen azurblauen und grün schillernden Vogel! Ich habe gehört, dass es ihn gibt: den Himalaja-Glanzfasan. Aber dass es mir vergönnt sein sollte, diesen seltenen und scheuen Vogel zu sehen, damit hatte ich nicht gerechnet. Mit seinem farbenprächtigen Gefieder wirkt er wie eine märchenhafte Erscheinung in der Einöde der grauen Steine. Fast möchte ich glauben, er hat sich mir nur gezeigt, um mich zu trösten, und als Zeichen, dass ich wiederkommen soll.

Dann zieht Nebel herauf und deckt wie mit einem Vorhang alles zu.

GRIECHENLAND

Klöster, die im Himmel schweben

Die Felsen von Meteora waren in Deutschland nahezu unbekannt, als ich an Ostern im Jahr 1978 dorthin reiste. Kletterfreunde aus München, die diese bizarre Felsenlandschaft erschlossen hatten, luden mich ein, sie zu begleiten. Das Klettern an den bislang unbestiegenen Felswänden war eine spannende Erfahrung und eine ungewöhnliche Herausforderung. Beeindruckt haben mich die Klöster, die auf den Felsgipfeln gebaut wurden, und die einzigartige Pflanzen- und Tierwelt. Ein besonderes Erlebnis war es für mich, die Osterbräuche zusammen mit den Griechen feiern zu dürfen.

Es knistert und glüht im dürren Geäst. Hohe Reisighaufen wurden aufgeschichtet und angezündet. Mit Holzknüppeln schlagen Männer in die Flammen, damit sie nicht zu hoch lodern. Herausleckendes Feuer wird mit Wassergüssen gelöscht. Graue Rauchschwaden schweben über dem kleinen Ort Kastraki und verhüllen die Felskulisse von Meteora. Immer wieder legen die Männer neue Zweige dazu. Es braucht viel Glut, um die Lämmer zu grillen. Balken werden im Geviert gelegt und daran Spieße befestigt, an denen die Osterbraten hängen. Nun beginnt die Hauptarbeit. Drei bis vier Stunden müssen die abgehäuteten Tiere über der glühenden Asche gedreht werden. Jede Familie hat ihren eigenen Bratplatz, an dem die Angehörigen sich beim Drehen des Festschmauses abwechseln.

Der Anblick der aufgespießten Tierkörper erschreckt mich, als würde ich ein archaisches Ritual beobachten, eine kannibalische Opferszene. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich von dem Braten kosten werde; schon der Geruch nach Fett und geschmortem Fleisch verdirbt mir den Appetit. Aber den freundlichen Zurufen der Griechen kann ich mich nicht entziehen. Ich werde eingeladen, beim Drehen mitzuhelfen, und gebe mir Mühe, damit das Osterlamm gleichmäßig goldbraun brät. Zum Lohn schenkt man mir Ouzo ein, den köstlichen Anisschnaps. Die Großmutter trägt einen bis zum Rand mit knallroten Ostereiern gefüllten Korb herbei. Ich soll meine Fähigkeit beim »Kicken« unter Beweis stellen. Sieger wird der, dessen Ei beim Aneinanderschlagen nicht zerbricht. Ringsum frohe Heiterkeit. Die Kofferradios sind auf volle Lautstärke gestellt und dudeln griechische Musik. Und immer wieder Ouzo. Die frische Frühlingsluft, das helle Sonnenlicht, die blühenden Gärten und die fröhlichen Menschen vermischen sich für mich zu einem Erlebnis, das ich für immer mit Griechenland verbinde.

Die Felsen von Meteora, an deren Fuß Kastraki liegt, befinden sich östlich des Pindosgebirges im Nordwesten der Thessalischen Tiefebene. Die höchsten Felsen ragen über 300 Meter empor. Sie bestehen aus Konglomerat, das ist Sandstein, der mit kiesel- bis metergroßen Steinen durchsetzt und fest verbacken ist. Vor etwa 25 Millionen Jahren transportierte ein wilder Bergstrom Massen von Geröll heran und häufte es hier auf. Bei späteren Gebirgsbildungen geriet die Aufschüttung unter Druck und verfestigte sich zu einer einzigen Felsmasse. Durch Spannungen entstanden Bruchlinien, an denen später die Erosion ansetzte. Wasser und Wind zerklüfteten das Gestein und modellierten diese einmalige Felsenlandschaft.

Beim ersten Morgenlicht bin ich unterwegs. Das Dorf Kastraki erwacht gerade. Ältere Frauen in schwarzen Kleidern und mit schwarzen Kopftüchern treten als Erste aus dem Haus. Sie versorgen die Hühner, beladen Esel mit Säcken, Wasserkrügen und Hacken, dann machen sie sich auf zu ihrer Arbeit in den Gärten und auf den Feldern. Die Wege außerhalb der Ortschaft sind gesäumt von blühenden Obstbäumen. Weinfelder dehnen sich über die hügelige Ebene. Aus den knorrigen Wurzelstöcken sprießt schon das frische Laub. Wie eine Fata Morgana liegt Meteora vor mir. Unwirklich ragen die Felsgebilde aus dem Morgendunst. Bodennebel hängt über der Ebene, deshalb scheinen die dunkelgrauen Steinmassen in der Luft zu schweben. Die aufgehende Sonne streift die Felsspitzen, übergießt sie mit goldenem Licht, während sie an ihrer Basis geheimnisvoll in graues Düster getaucht sind.

Ich trete ein in einen steinernen Wald aus gewaltigen Säulen und bizarren Felsnadeln, wandere durch ein Labyrinth enger Schluchten, begrenzt von senkrechten Wänden. Efeuumschlungene alte Eichen krallen sich in den felsigen Boden. Zwischen ihnen murmelt ein Bach. Seine Ufer sind geschmückt mit Anemonen. Die handtellergroßen Blüten leuchten weiß, zartrosa und blutrot bis dunkelviolett. Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Ich erkenne die Lieder von Nachtigall, Zippammer und Mönchsgrasmücke. Einem mit Brombeerranken verwachsenen Pfad folge ich durch den Irrgarten der Felstürme, fühle mich in eine andere Zeit entrückt und kann nachempfinden, warum Eremiten in diese Gegend kamen. Hier konnten sie sich in Stille zurückziehen und ihr Leben Gott weihen.

Ab dem 9. Jahrhundert benutzten Einsiedler die Grotten und Höhlungen in den Felsen als Behausung. Hart und entsagungsvoll muss dieses asketische Dasein gewesen sein. Trotzdem oder gerade deshalb übten die Felsen eine magische Anziehung auf Menschen aus, denen Einsamkeit, Schweigen, Mangel und Entbehrung der Weg zu höchster seelischer Läuterung, Weisheit und ewiger Seligkeit in Gott zu sein schien. Viele verbrachten ihr ganzes Leben in den Felslöchern, die oft gleich Adlerhorsten in luftiger Höhe lagen. Reste verwitterter Leitern, Holzverstrebungen und zerfallene Lagerstätten künden aus dieser Zeit.

Im 12. Jahrhundert begann man mit dem Bau des ersten Klosters, die meisten der damaligen 24 Klöster entstanden im späten 14. Jahrhundert. Die Felsen mit ihren allseits senkrechten Abstürzen wurden von kühnen Mönchen erklommen und dann mit Seilzügen und Strickleitern zugänglich gemacht. Im steinernen Wald von Meteora versuchten sie, einen »Gottesstaat« zu errichten. Damals entstand auch der Name Meteora, »Das im Himmel Schwebende«. Als Gründer und Initiator gilt der heilige Athanasios, der im Jahr 1334 vom heiligen Berg Athos nach Meteora kam. Er gründete das Kloster Metamórphosis und legte die Klosterregeln fest. Nach seinem Tod wurde er seliggesprochen. Trotz der Eroberung durch die Türken konnten die Klöster während der osmanischen Herrschaft mittels Tributzahlungen zunächst weiterexistieren.

Im 17. Jahrhundert setzte der Niedergang der Klöster ein, obwohl sie reich geworden waren. Ausgedehnte Ländereien gehörten den Mönchen, die Bauern mussten hohe Abgaben entrichten. Doch mit dem Reichtum entstanden Neid und Missgunst zwischen den einzelnen Konventen. Sie stritten sich um die fruchtbaren Felder in der Ebene. Kleinere Klöster verfielen, größere übernahmen deren Besitz, wobei neue Zwietracht entstand. Das harte Regiment des Despoten Ali Pascha, der immer höhere Geldforderungen stellte, trug letztlich zum Ruin fast aller Klöster bei.

Von den ehemals 24 Klöstern sind vier als Ruinen zu sehen, drei sind noch intakt und von Mönchen, eines von Nonnen bewohnt. Noch bis in unser Jahrhundert waren sie nahezu unbezwingbar. Strickleitern, die bei Gefahr eingezogen werden konnten, und Seilwinden mit Tragkörben ermöglichten nur dem willkommenen Besucher den Zutritt. Die moderne Zeit drang jedoch auch in diese abgeschiedene Welt ein. Eine asphaltierte Straße führt nun bis zu den Felsen, und über neu erbaute Brücken und Treppen können die Klöster bequem und gefahrlos besichtigt werden.

Das Konglomeratgestein ist hart und eignet sich besonders gut zum Klettern. Große und kleine Kiesel ragen aus der Wand heraus. Sie sind fest im Gestein verankert, als wären sie einzementiert. An ihnen kann man sich immer höher hangeln, indem man sie als Griffe und Tritte benutzt. Schwierig aber ist die Sicherung, denn es gibt kaum Nischen, Löcher, Vertiefungen, in denen man Schlingen oder Keile befestigen könnte. Deshalb müssen Löcher geschlagen und darin Ringe und Haken einbetoniert werden. Entsprechend lange dauert es, bis unsere Seilschaft den Gipfel erreicht. Dort erwartet mich ein Blütenmeer. Im Frühling sind die sonst kahlen Felsgipfel von Blumen und Gräsern bedeckt. Anemonen, Orchideen, Lilien, Hyazinthen und Affodill mit seinen meterhohen weißen Blütendolden gedeihen hier oben geschützt vor hungrigen Schafen und Ziegen.

Vom Gipfel des Doupianifelsen blicke ich hinüber zum Pindosgebirge mit seinen noch schneebedeckten Hängen. Vom Dorf dringt ab und zu der Ruf eines Esels bis auf meine Höhe. Die sanft geschwungenen Hügel um Kastraki sind mit hellen Punkten weidender Schafe gesprenkelt. Die Wasser des Flusses, der in seinem weiten Kiesbett ungestört mäandriert, leuchten herauf. Beim Blick zum Himmel entdecke ich Schmutzgeier, die über den Felsen kreisen. Trotz ihres abschreckenden Namens sind es schöne Vögel mit blendend weißen Federn, eidottergelber Kopfhaube und schwarzer Flügelzeichnung.

Aber man muss nicht unbedingt klettern können, um solche Ausblicke zu genießen. Auch wandernd kann man sich Meteora erschließen. Zahlreiche Steige und schmale Pfade durchqueren und kreuzen das Felsrevier. Bewachsen sind die Schluchten mit immergrüner Macchia aus Stechpalme, Mäusedorn und Ginster.

In den Dörfern scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Das Leben verläuft in friedvoller Stille und einfacher Genügsamkeit. Während Kastraki sich eng an die dunkelgrauen, gewaltigen Felstürme schmiegt, als wolle es unter ihnen Schutz suchen, liegt Kalambaka in der Ebene vor der Felskulisse. Der Name des Landstädtchens mit seinen kaum 8000 Einwohnern ist türkischen Ursprungs und bedeutet »Schwarze Burg«. Den Türken müssen die Felsen wie eine drohende, uneinnehmbare Festung erschienen sein.

In Kalambaka ist jeden Freitag Markt. Die Bewohner der umliegenden Dörfer strömen zusammen, um ihre Produkte anzubieten, zu verkaufen und einzukaufen. Obst und Gemüse werden feilgeboten, aber auch Ziegen, Schafe, Eier, Kleidung und Schuhwerk.

In der Nacht vor meiner Abreise regnet es leise, und am Morgen umgibt die Felskulisse eine geheimnisvolle Stimmung. Es duftet nach Erde und frischem Grün. In der Erinnerung bleibt Meteora für mich eine Welt der Ruhe und des Friedens, als würde die Zeit stillstehen.

MAROKKO

Toubkal, der höchste Berg Nordafrikas

Im Jahr 1988 reiste ich zum Hohen Atlas, um dort zu wandern und auf den Gipfel des Toubkal zu steigen. Da ich zum ersten Mal in einem arabischen Land unterwegs war, stand ich der Lebensweise in Marokko relativ unerfahren gegenüber. Zwar war ich bemüht, mich unvoreingenommen den Menschen zu nähern, aber mir fehlte meine, im Lauf der späteren Jahre gesammelte Erfahrung.

Nebelschleier füllen die tiefe Schlucht. Die Strahlen der aufgehenden Sonne schimmern golden durch den Dunst. Ich folge einem kaum sichtbaren Pfad im lockeren Geröll. Disteln blühen zwischen rotbraunem Gestein. Das leise Zwitschern eines Steinschmätzers verstärkt den Eindruck von Stille und Einsamkeit.

Ich bin unterwegs im Hohen Atlas. Von Marrakesch war ich mit einem Bus bis Asni gefahren, einem Bergdorf, in dem sich Leute aus Marrakesch ihre Sommerhäuser gebaut haben. Von dort wandere ich auf einer schmalen Fahrstraße das Bergtal hinauf nach Imlil, dem Ausgangspunkt für den Aufstieg zum Gipfel des Toubkal. In dem dicht besiedelten Tal errege ich unter den Einheimischen merkwürdig viel Aufmerksamkeit. Sobald sie mich erblicken, kommen Frauen, Männer und Kinder angerannt, wollen meine Uhr haben, den Sonnenhut, die Brille, sogar mein Sporthemd möchte eine Frau gegen ihre Bluse eintauschen. Kinder betteln um Geld und Zigaretten. Da ich ihnen das Gewünschte nicht geben kann, werfen sie mit Steinen nach mir.

Mir ist klar, warum sie sich so verhalten: Wir, die Fremden, kommen in ihr Land und wecken Bedürfnisse. Doch diese Erklärung nützt mir nichts, denn es fällt mir schwer, unbefangen zu bleiben. Besonders schlimm empfinde ich es, dass keine Verständigung möglich ist. Niemand in den Bergdörfern spricht Englisch und ich nicht Arabisch und erst recht nicht die Berbersprache. Ich fühle mich, als wäre ich vom Mond gefallen. Nach jeder Begegnung verstärkt sich meine Unsicherheit. Ich nehme mir vor, nie mehr in ein Land zu reisen, bevor ich nicht die Sprache der Bewohner gelernt habe.

Endlich liegen die Siedlungen hinter mir. Erleichtert atme ich auf und kann nun die Bergwelt genießen. Es sind karge und dunkle Felsen, in denen Pflanzen kaum einen Lebensraum finden. Der Toubkal ist mit 4167 Metern der höchste Berg im Atlasgebirge. Trotz seiner Höhe ist er für denjenigen, der die Höhe verträgt und trittsicher ist, leicht zu besteigen.

Unterhalb der Aufstiegsroute liegt auf einem Sattel in 3207 Meter Höhe die Neltner-Hütte. Ich hatte vorgehabt, dort zu übernachten. Doch eine französische Reisegruppe ist mit Führer und Maultieren von Imlil gestartet und hat alle vorhandenen Plätze belegt. Unweit der Hütte finde ich zwischen schützenden Felsen eine geeignete Stelle. Ein Zelt habe ich nicht dabei, doch mein Schlafsack wird mich vor der Nachtkälte schützen. Unter einem sternenklaren Himmel schlafe ich ein.

Am nächsten Morgen beginne ich mit dem Aufstieg. Der Hüttenwirt hatte mir erklärt, dass es keine Markierungen und keinen Weg gebe, ich solle nur einfach immer aufwärtssteigen. Das Geröll liegt so locker, dass ich bei jedem Schritt befürchte, der Hang könne abrutschen und mich unter sich begraben. Endlich gelange ich in felsiges Gelände. Riesige Gesteinsblöcke türmen sich auf. Von Felsblock zu Felsblock versuche ich, wie eine Gämse zu springen, was mir nur unvollkommen gelingt. Bei dieser Anstrengung in der Höhe von fast 4000 Metern wird mir die Luft knapp. Immer wieder bleibe ich heftig atmend stehen und betrachte die unwirtliche Gegend. Dornige Polsterpflanzen krallen sich in das brüchige Gestein.

Der Atlas, etwa zur gleichen Zeit entstanden wie die Alpen, ist extremem Klima ausgesetzt und stark von Erosion gezeichnet. Das Gestein zerbröckelt durch Sonnenglut und Nachtkälte unaufhaltsam in immer kleinere Steinchen und zerfällt letztlich zu Sand. Noch nie zuvor ist mir beim Anblick eines Gebirges sein Vergehen so deutlich bewusst geworden, stehen doch Berge sonst symbolhaft für Stabilität, Beständigkeit und Dauer. Es ist, als könne ich die geologischen Vorgänge im Zeitraffer sehen. Wie ein lebendes Wesen scheint der Atlas den Gesetzen von Geburt und Tod unterworfen zu sein.

An einer Quelle mit kristallklarem Wasser lege ich eine Rast ein. Das Wasser hat eine Vertiefung ausgehöhlt, die ringsum bewachsen ist mit gelben Astern, blauen Vergissmeinnicht und weißem Hornkraut – eine kleine Oase des Lebens. Es ist ein guter Ort für eine Rast, denn ich bin ohne Frühstück losgegangen. Ich koche Minztee und esse Fladenbrot mit Käse. Gestärkt fällt mir der Aufstieg leichter, auch liegen die Geröllhalde und die Felsblöcke jetzt unter mir. Ich erreiche die Toubkalscharte, von der es an einem Grat aufwärts zum Gipfel geht. Die Aussicht ist phantastisch: dunkle Abgründe, tiefe Schluchten, einsame Täler, wild gezackte Felsen – ein atemberaubender Anblick! Das fremdartige Gebirge zieht mich in seinen Bann. Es wirkt abweisend und gefährlich, aber gerade dadurch fühle ich mich herausgefordert und beschließe, tiefer in diese Felsenwelt einzudringen. Forschend wandert mein Blick über die Bergketten und steilen Abgründe. Einfach wird das Unternehmen nicht werden, aber ich will es versuchen.

Es fällt mir schwer, den höchsten Punkt des Atlasgebirges wieder zu verlassen. Lange sitze ich am Gipfel, lasse meine Augen immer wieder über die Berge schweifen, dann steige ich zur Neltner-Hütte ab und folge dem wild sprudelnden Mizane-Bach aufwärts in ein schmales Tal. Letzte Schneereste säumen die Felsen, liegen eingebettet im zerfurchten Gestein. Am Abend leuchten die Berge kupferrot im Licht der untergehenden Sonne. Rotschnäblige Krähen, die einzigen Lebewesen in dieser einsamen Welt, durchdringen mit ihren hellen Rufen die Stille. Nachdem die Sonne hinter einem zerklüfteten Grat versunken ist, legen sich Schatten dunkelviolett in das enge Tal des Mizane. Die Farben verändern sich abrupt. Sie werden hart, bekommen einen blauen Schimmer.

Es wird rasch kühl. In dem Tal, wo es kalt und feucht ist, will ich nicht übernachten und steige hinauf zu den Gipfelzacken des Tizi n’Ougane. Unter einem Felsen finde ich eine Nische, in die ich mit meinem Schlafsack passe. Schnell koche ich mir eine Suppe, bevor ich in mein Schlaflager husche, denn es ist eisig kalt geworden. Aus dem Felsspalt blicke ich wie durch ein Fenster nach draußen und beobachte das Farbenspiel des Himmels, das sich von Gelb und Orange in Rot wandelt bis die letzten violetten Töne von der Nacht ausgelöscht werden. Ein Schatten, schwärzer als die Nacht, fliegt über mich hinweg, streift fast mein Gesicht – eine Fledermaus. Sie bleibt nicht allein, bald sind es viele Flattertiere, die mit rasanten Flugmanövern nach Nachtinsekten jagen.

Ich will schon die Augen schließen, da breitet sich plötzlich ein eigenartiges Leuchten aus. Die Bergspitzen glänzen wie mit Silber übergossen. Ich muss nicht lange über die seltsame Lichterscheinung rätseln, denn da geht er schon auf – der Mond. Die Mondsichel ähnelt dem »arabischen Halbmond« und überzieht die Landschaft mit silberhellem Licht. So hell, dass ich mich zur Felswand drehen muss, um einschlafen zu können.

Kein Geräusch, nichts stört mich in der Nacht. So schlafe ich ruhig und fest. Beim ersten fahlen Morgendämmer bin ich wieder marschbereit. Frühstücken werde ich später, es ist noch eisig kalt. Schnell vergeht die Nachtkühle, als die Sonne über den Berggraten erscheint. Ich bin mit Karte und Kompass unterwegs und wähle einen Weg, der mich zuerst eine Scharte hinauf und dann hinab in eine Schlucht führt.

Die Sonne löst die Schleier der Morgennebel auf. Das dunkle Gebirge verzaubert mich, gerade weil alles so karg und dürr ist. Gesteinsblöcke liegen wild durcheinandergewürfelt da, als hätten Titanen ihre Kräfte ausgetobt. Einen Wanderweg gibt es nicht, manchmal folge ich einem Ziegenpfad oder ich steige einfach ein trockenes Bachbett hinab. Zwischen den Blöcken wachsen nur dornige Polsterpflanzen, die sich zäh im Gestein verankern. Es ist einsam und still. In Gedanken versunken wandere ich dahin. Ich fühle mich sicher. In diese abgelegene Schlucht wird sich kein Mensch verirren. Die Belästigungen auf dem Weg von Asni bis Imlil scheinen weit zurückzuliegen.

Endlich springt aus dem Felsgestein Wasser hervor, zunächst ein fadendünnes Rinnsal, das bald zu einem plätschernden Quellbach wird. Blumen und grüne Stauden säumen den Bach. Schmetterlinge gaukeln durch die Luft. Streifenhörnchen liegen auf Steinen und lassen sich den Pelz von der Sonne wärmen.

Zeit für eine Rast. Ich fülle den Topf mit Wasser. Bis der Tee kocht, werde ich mich am Bach waschen. Gerade noch rechtzeitig, bevor ich die Kleidung ablege, sehe ich den Hirten, hinter ihm seine Ziegenherde. Unerbittlich reißen die Tiere die karge Vegetation mitsamt ihren Wurzeln aus. Sobald der Mann mich erblickt, verlässt er seine Ziegen und kommt zielstrebig auf mich zu. Was kann er von mir wollen? Mich überfällt Angst, denn in dieser einsamen Gegend kann mir niemand zu Hilfe kommen. Ich bin unschlüssig. Soll ich schnell meinen Kocher einpacken oder unbefangen anfangen zu frühstücken. Aufdringlich nah stellt er sich neben mich. Ich zeige auf den Topf und biete ihm mit einer Handbewegung Tee an. Er bewegt ablehnend den Kopf und überschüttet mich mit einem unverständlichen Wortschwall. Er spricht sehr laut, wird immer lauter, schreit fast. Von seiner Rede verstehe ich nur ein Wort dirham – aha, er will also Geld. Ich schüttle den Kopf, hebe bedauernd die Hände, no dirham, und hoffe, ihm damit verständlich zu machen, dass ich im entlegenen Gebirge kein Geld herumtrage. Nun zeigt er auf meine Schuhe und dann auf sich. Erschrocken wehre ich ab, denn ich habe nur dieses Paar. Wenn er mir die Schuhe wegnimmt, wären meine Füße vom scharfkantigen Gestein bald blutig geschunden. Die Ziegenherde ist inzwischen den Steilhang hinaufgezogen. Ich mache ihn darauf aufmerksam. Er zögert, schaut unschlüssig zwischen mir und der Herde hin und her. Ich grüble verzweifelt, was ich tun soll. Wenn ich doch wenigstens seine Sprache könnte, dann würde ich mich nicht so ausgeliefert fühlen. Der Hirte schaut wieder zum Berghang, jetzt ist nur noch eine einzige Ziege zu sehen. Auf einmal verabschiedet er sich höflich auf Französisch: »Au revoir, Madame!« Verblüfft murmele ich: »Au revoir, Monsieur.«

Befreit atme ich auf, als ich wieder allein bin. Aber ich spüre noch den Angstknoten in meinem Herz, den beengenden Druck, als der Mann immer näher an mich heranrückte und ich befürchten musste, dass er mich niederschlägt, mir die Schuhe auszieht und mir alles nimmt, was ich besitze.

Der Ziegenpfad führt nun hoch über der Schlucht dicht an der Felswand entlang und ist gerade breit genug für eine Person. Endlich erreiche ich das Ende der Schlucht. Ein türkisgrüner, von rostroten Felsen umgrenzter See liegt vor mir – der Lac d’Ifni. Was für ein märchenhafter Anblick! Ich bin tief berührt. Ein Gewässer in diesem kargen und trockenen Gebirge ist so unerwartet. Natürlich wusste ich durch die Karte von diesem See, aber nicht, wie schön er sein würde. Bald dunkelt es, und ich suche mir wieder einen Unterschlupf.

Am nächsten Morgen beobachte ich, wie hier und dort dünne Rauchsäulen aufsteigen, die Feuer der Hirten, die sich Tee bereiten. Wie ein Indianer auf Kriegspfad schleiche ich an ihren Rastplätzen vorbei und finde mithilfe der Karte den Weg ins besiedelte Tifnout-Tal. Hier könnte ich die Tour abbrechen und einen Bus zurück nach Marrakesch nehmen, doch meine Liebe zu dem wilden Atlasgebirge ist eher noch größer geworden und verdrängt meine Angst vor Begegnungen mit den Bergbewohnern.

Bei der Ortschaft Amsouzart führt der Wanderpfad erneut in eine einsame Gegend hinein, in das Tissaldai-Tal. Über die Gebirgskämme des Tizi n’Terhaline und des Tizi n’Terharate gelange ich nach fünf Tagen am Bergdorf Sidi Chamharouch vorbei wieder auf den Weg nach Imlil.