VOM TAGESTÖRN BIS ZUR WELTUMSEGELUNG
DELIUS KLASING VERLAG
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Dieses Buch ist als Einstieg in ein spannendes, umfangreiches und zum Teil auch komplexes Themengebiet gedacht. Viele Themen in diesem Buch können daher nur in der gebotenen Kürze angesprochen werden. Wir bitten Sie, bei Interesse an einem bestimmten Themengebiet auf weiterführende Literatur zurückzugreifen.
Wir freuen uns über Ihre Hinweise, insbesondere über Änderungen oder Korrekturen, aber auch über Tipps und Anregungen. Bitte wenden Sie sich unter Angabe des Buchtitels, der Seitenzahl und der Auflagennummer an den Verlag.
1. Auflage
© Delius, Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:
ISBN 978-3-7688-3778-1 (Print)
ISBN 978-3-7688-8273-6 (E-Book)
ISBN 978-3-7688-8457-0 (E-Pub)
Lektorat: Birgit Radebold/Monika Hoheneck
Einbandgestaltung: Gabriele Engel
Layout: inch3, Bielefeld
Lithografie: digital/data / medien, Bad Oeynhausen
Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft für
Verlagsservice, München
Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis
des Verlages darf das Werk, auch Teile daraus,
nicht vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.
www.delius-klasing.de
Vorwort
Sicherheit ist erste Elternpflicht
Seezäune
Netze
Strecktaue
Lifelines und Lifebelts
Lifebelts mit Schritt- und Beingurten
Elektronische Lifebelts
DSC-Funkgerät
Ein Plus an Sicherheit
Schwimmwesten
Wie gefährlich ist Familiensegeln?
Babys, Kleinkinder, Kids, Teens, Twens
Babys
Kleinkinder
Kids
Teens
Twens
Revier- und Etappenplanung
Binnenreviere
Nord- und Ostsee
Polen
Estland, Lettland, Litauen
Finnland
Schweden
Norwegen
Dänemark
Niederlande
Belgien
Großbritannien
Frankreich
Spanien
Italien
Kroatien
Griechenland
Türkei
Europaferne Ziele
Langfahrt auf eigenem Kiel
Piratenland
Eigene Yacht oder Chartersorgen oder Mitsegelgelegenheit?
Eigene Yacht
Eine Yacht kaufen
Chartern
Mitsegeln
Chartern: ein Selbstversuch
Die richtige Bekleidung
Ölzeug-Material
Schuhe
UV-Schutz-Kleidung
Erste Hilfe für Kinder auf See
Die häufigsten Probleme
Begegnungen mit gefährlichen Meerestieren
Erste-Hilfe-Kurse
Bordapotheke
Hilfe vor Ort
Vorbereitung ist die halbe Rettung
Krankenversicherung
Seekrank, was tun?
Tauchen leicht gemacht
Masken
Schnorchel
Flossen
Flaschentauchen
Spaß und Spiele
Aufgaben für die ganze Familie
Bastelspaß
Unterhaltung mithilfe von elektronischen Geräten
Beiboote zur Auswahl
Schlauchboot-Material
Dingis und Kindersegelboote
Wettervorhersage: Pflichtprogramm für Familiencrews
Bordschule, eine Alternative zur Schulpflicht?
Fernschulen
Literaturempfehlungen
Danksagung
Bildnachweis
Vorsicht! Eltern sollten sich die Sache mit dem romantischen Familiensegeln erst einmal nicht allzu rosig ausmalen: Wer jemals zornige Zöglinge unter Deck in Ölzeug, Gummistiefeln und Schwimmweste gestopft und danach im Cockpit angeleint hat, wird wissen, dass der Satz »Ich muss mal Kacki, ganz dringend!« nicht vergnügungssteuerpflichtig ist.
Andererseits ist »alle in einem Boot« beim Segeln mit Kindern keine Metapher, sondern tatsächliches Programm. Und es steht außer Frage, dass es Kinder und Eltern verändern wird. In aller Regel positiv. Es ist einfach nett, als Familie einmal ab vom Schuss zu sein. Oder zu beobachten, wie Geschwister, die an Land ausdauernd miteinander streiten, nach etwas Eingewöhnung in Bruder und Schwester wieder Spielkameraden entdecken. Ist es nicht sogar überaus fanastisch, wenn Ihre Kinder stundenlang im Hafen mit einer Büroklammer als Haken angeln – statt mit der grafisch weit ausgefuchsteren Angel-App, bei der immerhin mal gelegentlich auch was anbeißt?
Aber keine Bange, hier gibt’s keine gnädigen Tipps geneigter Salzbuckel, die bereits drei Weltumsegelungen mit vier Kindern absolvierten und dabei fünfmal durchgekentert sind. Ich segle selbst, auch mit Kindern, in diesem Buch geht es jedoch am wenigsten um meine Erfahrungen oder Ratschläge. Sondern um die vielen Kriterien beim Familiensegeln, mit denen Sie selbst herausfinden werden, wie Ihr Törn mit Kindern am besten gelingen wird.
Persönliche Erfahrungen gibt es aber dennoch etliche. Mehr als 30 Familien haben mir für dieses Buch zu allen Bereichen des Familiensegelns geschrieben: Das Revier reicht vom Binnensee bis zur Südsee, das Alter der Kinder vom gerade geschlüpften Baby bis zu beinahe erwachsenen Steuerleuten kurz vor der Volljährigkeit. Meinen tollen Autorinnen und Autoren gilt mein inniger Dank! Und besonders dem auf der Hochsee erfahrenen Arzt Fabian Steffen, ohne den das Kapitel »Erste Hilfe« kaum über die Aufzählung von Hansaplast und Hustentee hinausgekommen wäre.
Dieses Werk trägt den derzeitigen Stand aller Erkenntnisse zum Familiensegeln zusammen. Wer noch nie mit Kindern an Bord einer Segelyacht war, findet hier für den Start alle Informationen zu Schwimmwesten bis Seekrankheit – das wird bei vielen Eltern die ersten Befürchtungen lindern.
Aber selbst wer zufällig an Bord geboren wurde und seitdem kaum einen Fuß an Land gesetzt hat und inzwischen mit eigenen Kindern oder Enkeln ständig auf Törn ist, wird zahlreiche Tipps finden. Auch das Thema »Schule auf See« wurde bearbeitet.
Grundsätzlich ist es sicherlich keine schlechte Idee, mit Kindern und Enkeln auf Törn zu gehen. Es steht jedoch außer Zweifel, dass es sich bei Familiencrews keineswegs um ein Massenphänomen handelt. Anders ausgedrückt: Die Seglergemeinschaft droht zu überaltern. Einen sachlichen Grund für die eher magere Anzahl an Legosteintransportern unter Segeln gibt es nicht, aber vielleicht glauben manche Eltern, dass eine Familienyacht perfekt ausgerüstet sein muss, was noch weitere zehn Jahre malochen bedeuten würde. Das ist aber nicht richtig, denn die grundlegenden Sicherheitszutaten kosten wenig, das Beachten von Sicherheitsregeln gar nichts.
Also: Keine Angst, just do it. Völlig egal, wie die Reaktionen Ihres Umfeldes sind – Sie sind gewiss nicht die Ersten, die wegen eines geplanten Familientörns für verrückt erklärt wurden. Das Wichtigste ist bekanntlich, dass die Eltern glücklich sind. Die Kinder sind dann auch glücklich. Und jetzt kommt noch mein persönlicher Tipp, ganz von Herzen: Für Erwachsene mag es ja einen Unterschied machen, aber für Kinder ist es völlig egal, ob die angesteuerte Insel 20 Minuten oder 2000 Seemeilen entfernt ist. Der Zauber des ersten Schrittes auf neuem Land bleibt immer gleich. Und ziehen Sie entgegen der Regel, dass nichts außenbords hängen soll, so viele Spielzeugboote am Heck hinterher, wie Sie Lust haben: Als Familiencrew dürfen Sie sich auch was erlauben und zu Recht stolz auf sich sein.
Folgende Segelfamilien stellten für dieses Buch Tipps und ihre Erfahrungen zur Verfügung:
Sechs Jahre waren Bente und Arnd auf dem Atlantik, in der Karibik und bis zu den Galapagos-Inseln unterwegs. Zu Beginn war Tochter Siri ein Jahr alt (jetzt vier Jahre alt), während der Segelzeit kam noch Lars an Bord der NARWAL. Ende 2013 warf die Familie vorerst in der Bretagne Anker.
www.bluewatersailors.com
Karen Bierstedt umsegelte bis vor wenigen Monaten mit ihrer Familie (zwei Kinder, anfangs 18 Monate und vier Jahre alt) die Welt auf der 11,75 Meter langen Legende 36 MANGO. www.sy-mango.de
Die Berichte von Sabine und Heiko Buß handeln vom Erstaunen, dass ein 16-jähriger Sohn noch gern auf dem elterlichen Jollenkreuzer KOKOPELLI mit auf Törn geht.
Olaf Brandt segelte mit seiner Familie ein Jahr mit der ENTERPRISE auf dem Atlantik.Seine Kinder im Alter von acht und drei mal je zehn Jahren (Drillinge) schrieben ebenfalls Tipps für Eltern.
www.syenterprise.jimdo.com
Julia und Stefan Conrad segelten mit ihren beiden Mädchen (sieben und zwölf Jahre alt) ein ganzes Jahr lang und berichten von den Erfahrungen an Bord der RÖDE ORM. www.co-ki.net
David Eitzinger erläutert exklusiv seine Abkehr von motorisierten Dingis und jagte mir mit seinem Bericht von der Aufgabe der Familienyacht RANCHO RELAXO OF THE SEAS mitten in der Nacht auf einem Atoll mit anschließender Hubschrauber-Abbergung Schauder über den Rücken.
www.loslocos.org
Wilfried Erdmann segelte 1976–1979 mit seiner Frau Astrid und dem beim Start dreijährigen Kym auf der KATHENA FAA in der Südsee. www.wilfried-erdmann.de
Stefan Flick wagte sich erfolgreich ans Abenteuer Mittelmeer-Kojencharter mit der Familie.
US-Amerikanerin Behan Gifford ist mit ihrem Mann und drei Kindern seit fünf Jahren auf der 14 Meter langen Stevens 47 TOTEM weltweit unterwegs und denkt noch nicht ans Aufhören. www.sv-totem.com
Doris und Marcus Haacke sind seit ihrer Kindheit auf verschiedenen Segelbooten unterwegs, aktuell befahren sie mit ihren beiden Töchtern (sieben und neun Jahre) regelmäßig Nordsee, Ostsee und IJsselmeer auf der Winner 950 LEEFKE.
www.leefkeslogbuch.blogspot.de
Carola und Ben Hadamovski umrundeten als Familie (zwei Kinder, zu Beginn eineinhalb und drei Jahre alt) auf der 9,87-Meter-Spitzgatt-Yacht LASSE die Erde, worüber Ben sein Buch »Mit allen Wassern gewaschen« schrieb. Im Interview pointierte er seine Tipps zum Segeln mit Kindern.
www.hadamovsky.de
Ich konnte Liping und Holger Jacobsen zum Bordunterricht ihrer heute acht Jahre alten Tochter Aurora Ulani interviewen. Alle drei umsegelten bis vor wenigen Monaten auf ihrem Zwölf-Meter-Katamaran DHARMA BUM die Welt.
www.dharmabumiiivoyage.blogspot.de
YACHT-Redakteur Lasse Johannsen berichtet von seinen ganz persönlichen Erfahrungen mit seinen zwei kleinen Kindern auf der Ostsee.
Johanna und Lutz Klostermann segeln derzeit mit ihrem einjährigen Levi von Kappeln aus mit ihrer Dehler 38 RUND 360° um die Welt. www.sailfornow.com
Silke und Rainer Knappmeier übertrugen beim Segeln auf dem Bodensee über zwei Jahrzehnte den Segelvirus von sich auf ihre drei Kinder, die manchmal noch heute auf ihrer Condor 70 bei den Eltern anheuern.
Bernd Mansholt überquerte den Atlantik mit drei Kindern an Bord und komplettierte die Weltumsegelung mit seinem ältesten Sohn, worüber er sein Buch »Wir hauen ab!« schrieb. Die Altersspanne seiner heute vier Kinder an Bord (1, 13, 15 und 26) macht ihm die wenigsten Sorgen. www.wirhauenab.de
Nathalie Müller, YACHT-Autorin und Autorin des Buchs »Meer als ein Traum« erzählt exklusiv von der Windelflut auf ihrer damaligen Yacht IRON LADY und überhaupt von langen Ozeanpassagen. www.sy-marlin.de
Gerrit und Carole Paetow berichteten mir aktuell von ihrer Mittelmeer-Reise mit drei Kindern (zwölf Jahre, neun Jahre und 17 Monate alt) auf der Elf-Meter-Stahlyacht SHEIK YERBOUTI. www.sheikyerbouti.eu
Anja Rathmer erlebte Freud und Leid mit der Familie beim Bareboat-Yachtchartern wie auch beim Kojenchartern auf dem IJsselmeer und dem Mittelmeer.
Oliver Rihl, Autor von »180 Tage Wednesday«, umrundete während eines halben Jahres mit der Familie Europa gegen den Uhrzeigersinn. Seitdem wird die Dufour 35 WEDNESDAY im Mittelmeer stark für Familien-Ferientörns genutzt. Seine Tochter Elisabeth (14) trug ihre Sicht der Dinge bei. www.wednesday-sailing.com
Cordula und Jan-Erik Schmidt segelten mit ihren beiden Kindern (bei Törnbeginn vier Monate und zwei Jahre alt) während einer »Ostsee-Auszeit« auf der Sunbeam 26 FIDELIO IV.
Alexandra Schöler-Haring schrieb nicht nur das Buch »Wellenzeit«, sondern veröffentlicht hier auch zum ersten Mal ihre Erfahrungen mit der Beschulung von Finn während der Weltreise auf RISHO MARU. www.rishomaru.com
Leon Schulz ist Autor des Buchs »Sabbatical auf See« und legt auch heute – als Charterskipper mit Kindern – großen Wert auf Sicherheit vor allem für die Kinder an Bord seiner REGINA LASKA.
www.reginasailing.com
Dario und Sabine Schwörer segeln mit ihren Kindern, jetzt im Alter von zwei, vier, sechs und acht Jahren, seit Langem auf ihrer PACHAMAMA zu den Küsten aller Kontinente, wo sie die jeweils höchsten Gipfel besteigen wollen.
www.toptotop.org
Georg Startalter war mit seiner Frau und seinen Kindern im Alter von elf, zwölf und 14 ein Jahr lang auf dem Katamaran DIEVAGO im Mittelmeer und bis zu den Azoren unterwegs. www.einmal-rund.de
Michael Urbanek segelte mit seinen zwei Kindern auf dem 13 Meter langen Katamaran MAHI in die Karibik und erzählt von Weihnachten an Bord.
www.lustaufmeer.at
Mit ihren drei Kindern im Alter von zehn, 16 und 17 Jahren segelten Stephan Weil und Antje Mertens auf der NALA ein Jahr lang im Mittelmeer. www.sy-nala.de
Holger Zengerle berichtet vom Leben mit fünfköpfiger Familie auf seiner sieben Meter langen Etap 23 LA PIROGUE.
www.sailing-lapirogue.de
Beim Thema Sicherheit fällt Eltern meist zunächst eine Schwimmweste für die Kinder ein. Das ist naheliegend, greift aber etwas kurz: Die Schwimmweste ist nur für den Fall gedacht, dass Menschen über Bord gehen. Und das muss auf jeden Fall verhindert werden: mithilfe einer Reling, gegebenenfalls mit einem Netz, durch eine Lifeline, mit der die Kinder sich an einem zentralen Punkt im Cockpit oder später an Strecktauen einpicken können, und durch viel Übung. Manche Blauwassersegler verzichten sogar darauf, dass die Kinder unter dem Lifebelt eine Schwimmweste tragen – schließlich sind Schwimmwesten gerade auf heißen Äquatorrouten nicht unbedingt das bevorzugte Bekleidungsstück. Das ist bequemer, man hat aber keine zweite Absicherung; außerdem drückt der schwere D-Ring manchen Kindern direkt auf den Solarplexus – das kann zu Unwohlsein führen.
Für die Höhe der Reling gibt es Empfehlungen der Kreuzer-Abteilung des Deutschen Segler-Verbands: 45 Zentimeter bis 8,5 Meter Bootslänge und 60 Zentimeter ab 8,5 Meter Bootslänge. Die Zwischenräume der Durchzüge sollen höchstens 38 Zentimeter betragen.
Das Gleiche schreibt auch die CE-Norm vor. Gehört ein Boot jedoch zur Kategorie A oder B, muss die Höhe der Reling 60 Zentimeter betragen, auch wenn das Boot kürzer als 8,5 Meter ist.
Eine niedrige Reling wird oft wegen der Bootsproportionen bevorzugt, die bei kleinen Yachten einen Norm-Zaun unverhältnismäßig hoch erscheinen lassen würden. Natürlich ist es fraglich, ob das Überleben der Kinder dem Design der Yacht untergeordnet werden sollte … In der Regel ist bereits eine 45 Zentimeter hohe Reling für die Sicherheit ausreichend, der Schwerpunkt der kindlichen Körper liegt ja ziemlich tief.
Jedoch ist der Relingszwischenraum bedenkenswert: Eine 72 Zentimeter hohe Reling muss nach CE-Vorgaben mit nur zwei Durchzügen bestückt sein, was 36 Zentimeter hohe Zwischenräume ergibt. Möchte man zur Sicherheit drei einziehen, ist meist ein Austausch der Stützen notwendig. Auch die Ansatzpunkte an Bug- und Heckkorb, gegebenenfalls sogar an zwei Bügeln für einen mittleren Ausgang, müssen dann angepasst werden. Diese Edelstahlarbeiten muss ein Fachbetrieb vernünftig ausführen, der die Stabilität der zusätzlichen Aufnahmen garantiert. Anstatt der gewohnten Edelstahldrähte ist heutzutage auch Tauwerk aus hochfestem Polyethylen (HMPE) üblich, das unter den Markennamen Dyneema und Spectra auf dem Markt ist. Statt des sonst üblichen Aufwalzens der Terminals an Bord werden hier Augen gespleißt oder getakelt, ebenso können Wantenspanner durch mehrfach geschorenes, ausreichend dimensioniertes Tauwerk ersetzt werden. Vorsicht: Die Knotenfestigkeit der Produkte wie Dyneema, Spectra, Kevlar oder Vetran liegt nur bei etwa 30 Prozent! Das Nachspannen ist mit Tauwerk ohne Werkzeug besonders einfach. Denn auch für die Spannung gibt es eine Faustregel: Die Empfehlungen der Kreuzer-Abteilung lauten, dass fünf Kilogramm Gewicht den Draht in der Mitte zwischen zwei Stützen nicht mehr als fünf Zentimeter durchdrücken sollen.
Noch schiffiger, schwerer, teurer, aber auch sicherer sind zweifellos feste Relingsrohre, die in der richtigen Höhe und entweder mit mehreren Zügen oder mit einem Netz in diesem Segment das Optimum bieten.
Damit Kinder nicht unter der Reling durchrutschen können, gibt es auf Familienyachten oft Netze, in denen man sich gut festkrallen kann, falls man einmal den Halt verliert. Diese spannen außerdem den Relingsdurchzug nach unten, sodass er nicht so leicht etwaigem Druck nachgeben kann. Nicht zuletzt kann ein Netz bei Kindern das Gefühl von mehr Sicherheit und Geborgenheit erzeugen – manche Eigner erinnert es jedoch an den Charme eines Familienreihenhauses, und sie können sich mit der Ästhetik nicht anfreunden.
Auch können Segeltucheinsätze verwendet werden, üblicherweise werden sie nur in Cockpitnähe verbaut. Der Vorteil liegt im Windschutz – besonders auf Kursen hoch zum Wind – und dass der Yachtname oder die Segelnummer groß aufgebracht werden können. Die Nachteile: schlechtere Rundumsicht von den Cockpitsitzbänken aus, aerodynamische Nachteile, und wer außenbords fällt, findet nichts zum Greifen.
Für Segeltucheinsätze wie für Netze gilt: Im Bereich von Beschlägen muss oft gezaubert werden. Denn die Schoten für Code Zero, Gennaker oder den Spinnaker müssen Richtung Cockpit geführt werden, außerdem müssen die Mittelklampen und die dazugehörigen Klüsen gerade für die Spring-Belegleinen zugänglich bleiben – das erfordert aufwendige Ausschnitte und zusätzliche Ösen zum Abspannen der Netze. Manchmal bietet sich als Kindersicherung auch eine dritte Variante an, die üblicherweise vor allem auf Regattayachten ein geborgenes Vorsegel vor dem Über-Bord-Gehen schützen soll: im Zickzack verlaufende Leinen vom Süll über den mittleren Relingsdraht zum oberen und zurück. Tücher, Netze oder Abspannleinen benötigen jedoch Ösen am Deck, falls die Yacht nicht zufällig aus dem frühen GFK-Zeitalter stammt, als die Fuge zwischen Rumpf- und Decksschale noch mit »Lochleisten« kaschiert wurde, die in diesem Fall sehr praktisch sind.
»Relingsnetze waren eingekauft, wurden aber nie montiert. In der Abschätzung von Windwiderstand gegen Nützlichkeit gab es keine Situation, wo ich sie mir gewünscht hätte, aber sicher jede Menge Momente, wo ich sie verflucht hätte, wenn sie mich beim Leinenlegen gestört hätten.«
Georg Startalter, DIEVAGO
»Wir haben ein engmaschiges Relingsnetz so angebracht, dass die Leinenführung nicht beeinträchtigt wird, und gute Erfahrungen gemacht – auch bei der Rettung von Spielzeug. Sieht nicht besonders toll aus, aber es hilft ja nichts! Später wird natürlich Johanna, genau wie Papa, einen Lifebelt als zusätzliche Sicherung an ihre Schwimmweste bekommen.«
Doris und Marcus Haacke, LEEFKE
Für den Gang aufs Vorschiff ist das Einpicken einer Lifeline in der Reling wirklich nicht optimal. So angeleint über Bord zu fallen bedeutet, im Wasser nachgeschleppt zu werden. Dabei droht das Untertauchen für Kinder wie Erwachsene: Die Reling ist bei großen Yachten vom Wasser aus keinesfalls zu greifen. Am sinnvollsten installiert man deshalb durchgehende Leinen am Kajütaufbau entlang – Strecktaue eben.
Für die Strecktaue auf Familienyachten gelten die gleichen Überlegungen wie für reine Erwachsenencrews: Runde Leinen und Stahlseile sind leichter zu greifen, neigen aber beim Drauftreten zum gefährlichen Wegrollen. Gurtbänder dagegen sind durch den meist vom Hersteller mitgelieferten Spannmechanismus leichter einzurichten, sind aber schlechter zu greifen. Außerdem sammelt sich leicht Schmutz darunter, Teakdecks werden an diesen Stellen schnell grün. Eine Zwischenlösung bietet Tauwerk, das beim Drauftreten plattgedrückt wird. Als Norm-Bruchlast für beide Möglichkeiten werden zwei Tonnen empfohlen. Das gilt natürlich auch für alle Aufhängungen und einzelnen Püttings zum Einpicken.
Besonders sinnvoll sind auch zwei kurze Strecktaue oder Streckbänder, die vom Niedergang durch das ganze Cockpit nach achtern laufen: So können sich gerade Kinder noch auf der Niedergangstreppe stehend einpicken oder ihre Lifeline zum Einpicken ins Cockpit reichen und sich dann bereits gesichert selbstständig bewegen.
Mithilfe der Lifelines werden die Lifebelts mit den Strecktauen verbunden. Sie sind den Sicherheitstauen in einem Klettersteig oder einem Hochseilgarten sehr ähnlich: Der Lifebelt entspricht dem Klettergurt, das Strecktau dem Fixseil, das am Berg in Haken oder zwischen den Bäumen befestigt ist. Das dazwischen liegende Stück heißt beim Segeln eben Lifeline, beim Bergsteigen Klettersteigset, wobei sich »Set« auf die Kombination zwischen dem Seil oder dem Bandmaterial und den Karabinern bezieht. Während im Bergsport die Entwicklung in den letzten Jahren enorme Fortschritte brachte, muten die Lifelines der Wassersportausrüster beinahe historisch an.
Um dies zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen: Der »Fangstoß« aus nur einem Meter Fallhöhe in eine kaum dehnbare Lifeline ist beträchtlich und kann äußerst schmerzhaft oder sogar verletzungsträchtig sein. Beim Bergsteigen wurden deswegen zwei Bauarten entwickelt, die den Fangstoß mindern sollen. Das sind zum einen Lochplatten, die jedoch anfällig für Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Staub und Altern sind. Durch den hohen »Anfangspeak« beim Überwinden der Haftreibung sind sie für Personen unter 60 Kilogramm Körpergewicht nicht geeignet. Zum anderen handelt es sich um Bandfalldämpfer, die durch Aufreißen von Nähten Bremskraft erzeugen. Sie schneiden bei den Fangsturzwerten besser ab, sind jedoch unter 50 Kilogramm Körpergewicht ebenfalls nicht geeignet. Sie sind übrigens nicht zu verwechseln mit den Modellen DW-STR/02E und DWSTR/3L von Spinlock. Hier reißen lediglich Nähte auf, um einen harten Einsatz anzuzeigen, der Fangstoß wird nicht gedämpft. Dieser Fangstoß lag – wie bei allen in der YACHT 23/2013 getesteten Gurten – bei rund sieben Kilonewton –, ganz vereinfacht entspricht das kurzzeitigem Hängen mit 700 Kilogramm Gewicht. Die Norm für Klettersteigbremsen erlaubt einen maximalen Durchlaufwert von sechs Kilonewton, normalerweise liegt er bei vier bis sechs Kilonewton, Lifelines bremsen also zu hart.
Darüber hinaus sind die Dämpfungseigenschaften solcher Klettersteigbremsen offenbar nicht so einfach in den Griff zu bekommen, denn 2012 wurde die Hälfte der verfügbaren Sets zurückgerufen, obwohl sie die bisherigen Normtests bereits absolviert hatten.
Ist beim Über-Bord-Gehen der Sturz erst einmal beendet, folgt als nächstes Problem das Hinterherschleppen oder – noch schlimmer – freie Hängen. Bereits 1972 dokumentierten Professor Flora und sein Kollegenteam an der Universitätsklinik Innsbruck, wie und warum das freie Hängen mit einem Gurt nur um den Brustkorb tödlich ist. Das war bis dahin die übliche Methode des Anseilens beim Bergsteigen gewesen – und sie ist es beim Segeln noch heute. Dazu schrieb Pit Schubert, Leiter des »Sicherheitskreises« des Alpenvereins im Standardwerk »Sicherheit in Fels und Eis«, dass das Hängen »einem Kreuzigungstod« gleichkomme und äußerst schmerzhaft sei. Selbst bei lebend geborgenen Bergsteigern sei nach zwei Stunden Hängen kaum noch eine Überlebenschance vorhanden.
Es handelt sich dabei um den orthostatischen Schock, das Blut der unteren Extremitäten wird nicht mehr ausreichend zum Herzen zurückgeführt und so nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Deshalb wurden im Alpinismus Kombi- und bald die wesentlich bequemeren Sitzgurte eingeführt.
Das klingt düster? Ist es auch. Dass vom Segeln eigentlich keine derartigen Verletzungen oder Schlimmeres durch Hängen im Lifebelt bekannt sind – zumindest nicht bei Kindern, die hinterhergeschleppt wurden –, unterstreicht, dass das kaum passiert. In der Regel werden die Unglücklichen schnell wieder an Bord gezogen.
Eine wichtige Erkenntnis daraus ist: Lifelines müssen so kurz wie möglich sein. Einpicken in der Reling ist tabu. Also werden Strecktaue etwa in Bootsmitte eingesetzt.
Im Yachtgebrauch üblich sind Lifelines aus Seil- oder Gurtmaterial; ist der Gurt aus Schlauchmaterial, kann innen ein gerade für Kinder sinnvolles Gummistück angebracht sein. Manche Gurte haben nur einen Schenkel, die anderen sind als Y-Form mit zwei Schenkeln ausgeführt. Die Längen betragen üblicherweise zwei und einen Meter.
Bei der Auswahl der Karabiner stehen Eltern vor folgenden Varianten: Kleine Kinder sollen ihre Karabiner gerade nicht selbstständig aushängen können, sodass sich Sicherheitskarabiner anbieten, die über eine Art Kindersicherung verfügen. Den gleichen Zweck erfüllen Bergsportkarabiner mit speziellen Sicherungen wie »twist lock« (drehen und öffnen), »triple lock« (drehen, schieben und öffnen) oder »ball lock« (grünen Punkt drücken, drehen und öffnen). Aufgepasst, wenn fest stehende Decksaugen (Püttinge) montiert sind: Einfache Karabiner können sich selbsttätig darin öffnen!
Der Vorteil mancher Bergsportkarabiner: Mit dem Schnapper, der eine »Key-Lock«-Aussparung hat, bleibt die »Nase« des Karabiners wesentlich seltener in Gurtband oder Lifeline hängen. Diese Aluminium-Karabiner sind zudem leichter – damit auch ungefährlicher und natürlich verlockend, zumal diese Geräte den strengen CE- und UIAA-Normen für »Persönliche Schutzausrüstung« im Bergsport unterliegen. Sie sind aber nicht explizit für den Einsatz im Salzwasser gedacht. Deswegen gilt: regelmäßig in Süßwasser reinigen, Mechanismus überprüfen und vor allem deutlich markieren, damit sie nicht mehr beim Bergsteigen verwendet werden. Solche »Klettersteigkarabiner« werden mittlerweile auch als Yachtausrüstung angeboten.
Kinder-Lifelines sollten wegen der Stolpergefahr nicht zu lang sein. Erst wenn Kinder selbstständig auf dem Vordeck mithelfen, ist eine Ausführung mit zwei Schenkeln sinnvoll, in beiden Fällen am besten mit eingearbeitetem Gummi.
Die Gefahr des Hängens im Brustgurt, aber auch das Herausrutschen lassen mich Beingurte empfehlen. Bei den meisten Automatikschwimmwesten sind diese glücklicherweise mittlerweile üblich, doch es ist schwierig, Kinder-Lifebelts mit Schrittgurt beim Yachtzubehör zu finden. Man sollte sich deshalb im Notfall für Kinderklettergurte entscheiden, da es sich dabei um geprüftes Material handelt. Die für Karabiner und Daisy Chain genannten Einschränkungen gelten aber auch für diese.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Fotos von Laura Dekker, die an Deck stets mit ihrem Lifebelt zu sehen ist, der einem Bergsteiger-Kombigurt ähnelt. Er hat seinen Einpick-Ring originellerweise hinten! Laura schien das nicht zu stören.
»Öfter hat man bei Manövern ja keine Hand frei, um auch noch ein Kleinkind am Ausbüchsen zu hindern. Wir haben in solchen Fällen einen Zeiser benutzt. Sprich, wir haben das Kind kurz mal irgendwo angebunden – wirklich nur ganz kurz! Diese Zeiser sind auch zum Angeln im Hafenbecken sehr praktisch. In Dänemark haben wir öfters schick und kunstvoll gespleißte, sogar mit kleinen Schwimmern am Ende versehene Sorgeleinen an den Schwimmwesten der kleinen Bootsfahrer gesehen.«
Doris und Marcus Haacke, LEEFKE
Auch wenn »Kind über Bord« niemals passieren sollte, gibt es einige Sicherheitsmittel für den Notfall:
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