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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe 4. Auflage 2010

ISBN 978-3-492-96975-8

© Piper Verlag GmbH, München 2014

Covergestaltung: Dorkenwald Grafik-Design & Artwork, München

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Vorwort

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Technologie das Leben immer mehr dominiert. Grundlage für die Entwicklung von Computer, Handy und Flugzeug sind die mannigfaltigen Wissensbereiche der Physik. Dennoch wollen sich viele Menschen nicht mit dieser Wissenschaft beschäftigen – man könnte ja als Physiker enden: verrückt, einsam und mit einer Frisur wie Einstein.

Daß unser Berufsstand mit solchen Vorurteilen belegt wird, hat er sich bis zu einem gewissen Grad selbst zuzuschreiben; das Verwenden der Mathematik als Sprache der Physik schließt einen Großteil der Mitmenschen vom Verständnis physikalischer Vorgänge aus, und das wiederum führt zu Abschottung und Mystifizierung. Dabei muß man eigentlich nur so vorgehen wie alle Fachleute, wenn sie den in ihrem Fachgebiet Unbewanderten ihre Arbeit erklären: ein klein wenig simplifizieren und vor allem deren Sprache sprechen.

Für einen solchen Austausch sind die Grundlagen vorhanden, schließlich benutzt jeder Mensch Begriffe und Methoden, die für uns Physiker essentiell sind. Von Dingen wie Energie, Kraft oder Zeit gibt es überall eine Vorstellung. Schon das Titelbild – ein Magnet mit seinen Feldlinien – stellt ein allen vertrautes physikalisches Motiv dar, obgleich eine präzise Erklärung des Magnetismus nur durch die Einbeziehung der modernen Quantenphysik möglich ist; die klassische Physik, welche die Weltvorstellung vor der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bestimmte, reicht hier nicht mehr aus. Da manchmal das allgemein akzeptierte und das physikalische Bild bestimmter Vorgänge und Begriffe voneinander abweichen, werden in diesem Buch nicht nur allgemein mit dem Prädikat „interessant“ oder „faszinierend“ belegte Phänomene wie zum Beispiel Schwarze Löcher oder Zeitreisen erläutert, sondern auch grundlegende Definitionen vorgestellt.

Als wir – ein Professor und fünfzehn Studenten – uns Gedanken machten, welche Physik man denn nun in seine Westentasche stecken sollte, gab es teilweise recht unterschiedliche Vorstellungen. Aber gerade diese Divergenzen dürften die beste Grundlage für das Buch geliefert haben, denn auf diese Weise enthält es ein breites Spektrum unterschiedlicher Themen, unter denen sich hoffentlich für jeden Leser Lesenswertes findet. Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß die Gruppe der Autoren sich in einer Vorlesung über relativistische Astrophysik zusammengefunden hat. Denn die Astrophysik ist einer der wenigen Teilbereiche der Physik, der sich aufgrund der durch das Weltall ausgeübten Faszination einer großen Beliebtheit bei Nichtphysikern erfreut. Die Faszination kennen aber auch wir Physiker nur zu gut – am Ende sind wir nur kleine Kinder, die beim Spielen die Welt entdecken. Und von der dabei erlebten Freude wollen wir in diesem Buch etwas vermitteln.

Der Einstieg –
alte Bekannte

Strahlung

Der Begriff Strahlung besitzt weitaus mehr Ausprägungen, als seine Verwendung im alltäglichen Sprachgebrauch vermuten läßt. Einen besonders wichtigen Platz in unserer Erfahrungswelt nimmt die elektromagnetische Strahlung ein, die uns in Form von Licht das Sehen ermöglicht und u.a. in Form von Röntgenstrahlung, Funk- und Mikrowellen eine starke technologische Nutzung erfährt. Wie lassen sich diese scheinbar getrennten Phänomene vereinheitlichen?

Ein wichtiges Charakteristikum und Unterscheidungskriterium von Strahlung ist ihre Energie bzw. Wellenlänge. Das Spektrum der elektromagnetischen Strahlung reicht von der äußerst kurzwelligen Gammastrahlung mit Wellenlängen im Bereich von Atomkerndurchmessern bis zu langwelligen Funkwellen im Kilometerbereich.

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Die Wechselwirkung der Strahlung mit Materie wird im wesentlichen von dieser Wellenlänge bestimmt; als Anhaltspunkt kann dabei gelten, daß sich die Wirkung der Strahlung in Größenordungen ihrer eigenen Wellenlänge abspielt. Das sichtbare Licht findet sich im Wellenlängenbereich von etwa 400 bis 700 Nanometern (ca. ein tausendstel Millimeter) und wirkt auf dieser Skala auf den Sehpurpur in unseren Augen. Radiowellen haben typischerweise Wellenlängen im Bereich eines Meters und werden deshalb durch Antennen etwa dieser Größe an Kofferradios empfangen.

Die Ausbreitung von Strahlung ist immer mit einem Energiefluß in Richtung dieser Ausbreitung verbunden; die Strahlung trägt also Energie, sie besteht aus Energie. Eine kleinere Wellenlänge entspricht dabei einer höheren Strahlungsenergie, eine größere Wellenlänge einer kleineren Energie.

Gammastrahlung aus radioaktiven Zerfällen ist, ähnlich wie auch Röntgenstrahlung, für unseren Körper gefährlich, weil ihre kleine Wellenlänge und damit hohe Energie chemische Bindungen in Molekülen brechen oder eine Veränderung in der Struktur von Atomen verursachen kann. Aus physikalischer Sicht unterscheidet sie sich jedoch prinzipiell nicht von anderer, für uns ungefährlicher Strahlung.

Strahlung kann also auf vielfältige Weise mit Materie wechselwirken, kann erzeugt, vernichtet oder reflektiert werden. Die zur Erzeugung notwendige Energie kann ein radioaktiver Zerfall oder ein bremsendes Elektron liefern, die freiwerdende Energie bei der Absorption kann Strom in Solarzellen erzeugen oder Sterne vor dem Einsturz bewahren.

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Wellen, Beugung, Interferenz

Bei einer Welle gibt es eine in Zeit und Raum periodisch veränderliche Größe, d.h. die Auslenkung der Welle – bei Wasserwellen z.B. die Höhe der Wasseroberfläche – sieht in regelmäßigen örtlichen und zeitlichen Abständen immer wieder gleich aus. Wasserwellen etwa wiederholen ihr Muster in Abständen von wenigen Zentimetern bis einigen Metern, je nach Welle, ebenso befindet sich ein fester Punkt auf der Wasseroberfläche nach einem vollen Hub- und Senkzyklus wieder an seiner alten Stelle. Dadurch bewegt sich die Welle scheinbar, wobei sich die Teilchen selbst aber nicht in Richtung der Welle bewegen.

Die Ausbreitung einer Welle erfolgt in sämtliche möglichen Richtungen. Läßt man einen Stein ins Wasser fallen, pflanzen sich die Wellen kreisförmig fort. Blockiert man eine solche Welle durch eine Wand mit nur einer kleinen Öffnung, so breitet sich von dort wieder eine kreisförmige Welle in den Raum hinter der Wand aus und erreicht so Punkte, die bei einer geraden Verlängerung der ursprünglichen Welle nicht erreicht worden wären. Das nennt man Beugung. Jeder Punkt der ursprünglichen Welle läßt sich so zum Ausgangspunkt einer neuen Welle machen.

Außerdem lassen sich Wellen überlagern. Ist ein bestimmter Punkt auf der Wasseroberfläche Teil einer Welle, so hebt und senkt er sich periodisch. Ist er aber auch Teil einer zweiten Welle, so addieren sich die beiden Auslenkungen. Nehmen beide Wellen zu einem Zeitpunkt dort ihr Maximum an, so hebt und senkt sich der Punkt besonders stark; sind die Auslenkungen entgegengesetzt, so löschen sie sich aus (s. Abb.). Beugung und Überlagerung lassen sich zur Interferenz kombinieren. Stellen wir uns in der Wand eine zweite Öffnung vor, so erhalten wir dahinter zwei kreisförmige Wellen, die sich überlagern – ein fürchterliches Durcheinander.

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Ein Durcheinander? Nein, tatsächlich entsteht ein sehr regelmäßiges Muster, bei dem sich Gebiete mit starkem und schwachem Wellengang abwechseln. Das Muster ist vom Abstand der Öffnung abhängig und bleibt über die Zeit erhalten. Bei analogen Versuchen mit Lichtwellen lassen sich daraus wichtige Aufschlüsse über die Struktur der Wand, z.B. des Kristalls, gewinnen.

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Der Doppler-Effekt

Im Jahre 1842 veröffentlichte der österreichische Mathematiker Christian Doppler (1803–1853) eine wissenschaftliche Arbeit über einen Effekt, den Objekte zeigen, die sich relativ zu einem Beobachter bewegen. Dieser später nach ihm benannte Doppler-Effekt wird den meisten Menschen in Zusammenhang mit dem Motorengeräusch eines vorbeifahrenden Autos bekannt sein, welches heller klingt, wenn es sich nähert, und dunkler, wenn es sich entfernt. Aber auch jede andere Schallquelle zeigt diesen Effekt der Verschiebung zu höheren bzw. niedrigeren Frequenzen, sofern sie sich relativ zum Beobachter bewegt.

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Warum ist das so? Schall breitet sich als Druckwelle aus, bei der immer hoher Druck (Wellenberg) auf niedrigen Druck (Wellental) folgt. Die Schnelligkeit der Abfolge bestimmt die Tonhöhe, also die Frequenz. Da sich alle Schallwellen in einer bestimmten Umgebung gleich schnell ausbreiten, ist ebenso der Abstand zwischen zwei Wellenbergen ein Maß für die Frequenz, weil engere Wellenberge beispielsweise schneller aufeinanderfolgen, was eine höhere Frequenz zur Folge hat.

Betrachten wir nun den Fall, daß sich die Schallquelle auf den Beobachter zubewegt. Sendet die Quelle einen Wellenberg aus, bewegt sich dabei auf den Beobachter zu und sendet dann den nächsten Wellenberg aus, so ist der Abstand zwischen den Wellenbergen verkürzt und die Frequenz somit erhöht. In der Skizze sind die Wellenberge als Kreise dargestellt, die sich gleichförmig in alle Richtungen ausbreiten. Genau das Gegenteil passiert, wenn die Quelle sich vom Beobachter entfernt: Die Wellenberge, die in Richtung des Beobachters ausgesendet werden, haben einen größeren Abstand, der Beobachter hört deshalb eine niedrigere Frequenz.

Der Doppler-Effekt spielt nicht nur bei Schallwellen eine Rolle. Licht breitet sich auch wellenförmig aus. Man kann deshalb bei bewegten Lichtquellen auch eine Verschiebung zu höheren bzw. niedrigeren Frequenzen messen. Dies macht sich dadurch bemerkbar, daß sich die Farbe des Lichts ändert, da die Frequenz ein Maß für die Farbe ist. So hat blaues Licht eine höhere Frequenz als rotes. Die Stärke des Doppler-Effekts hängt vom Verhältnis der Bewegungsgeschwindigkeit der Quelle zur Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle ab. Deshalb ist die Doppler-Verschiebung bei Licht sehr klein, hat doch Licht eine etwa millionenmal größere Ausbreitungsgeschwindigkeit als der Schall in Luft.

jk