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Lionel Davidson

Das schwarze Gold

Roman


Ins Deutsche übertragen von Dörte und
Frieder Middelhauve

Edel eBooks

Anmerkung des Autors

Der größte Teil dieser Geschichte ist, wie man kaum betonen muß, erfunden. Aber sie basiert auf tatsächlichen Geschehnissen in Rehovot, und ich hoffe, daß die »echten« Personen die Karikatur ihrer selbst und der Arbeit, die sie beschäftigt, nicht übelnehmen. Ich muß hinzufügen, daß sie nicht wußten, was mich trieb, sie auszuhorchen. Weizmanns Fermentationsverfahren zur Herstellung von Öl funktioniert, aber das ist vorerst alles, was man sicher sagen kann. Etwas anderes muß noch festgehalten werden: Mr. Igor Druyanov ist nicht der Herausgeber von Band 15 und 16 der Weizmann-Papiere. Als ich dieses Buch schrieb, war diese Aufgabe noch niemandem zugewiesen worden. Ich entschuldige mich im voraus bei dem, der sie übernimmt. Falls jemand wie Vava auftauchen sollte, soll er es lieber für sich behalten.

Nimm hin, was mein an Samt und Seide,

Die Schlüssel zu Keller und Küche,

Durchsuche den Kasten, den Schreibtisch, das Pult,

Prüfe, was an armseligen Schätzen dort ruht,

Studiere mit Sorgfalt die Briefe, die ich bewahre.

Thomas Hardy, Friends Beyond

Kapitel 1

Lautlos trat ich ein, während ich mir die kühlen Regentropfen von der Stirn tupfte, zog den Mantel aus und schnupperte. Ich hatte es mir gedacht. Schon wieder. Noch nie hatte ich sie auf frischer Tat ertappt. Ich hängte den Mantel auf, lief leise über den Teppich den Flur entlang und erhaschte durch die geöffnete Tür des Arbeitszimmers einen Blick auf sie. Sie stand am Fenster, den Stein des Anstoßes im Mund, und kratzte sich träge, während sie nach draußen sah.

»Na, Ettie, noch hier?«

»Herrgott!« Sie fuhr herum und spuckte das Ding vor Schreck fast aus. »Sie schleichen sich ja an wie eine Katze!«

»Noch nicht fertig?«

»Fehlt nur noch der letzte Schliff«, sagte sie und wedelte mit dem Staubtuch. »Ich will, daß Sie es hier schön sauber haben.«

»Das ist fein. Nehmen Sie sich eine Zigarette, Ettie.«

»Habe ich schon. Habe mir sozusagen eine von Ihnen geborgt.«

»Ich verstehe.«

»Meine sind ausgegangen. Ziemlich stark, die hier, nicht? Die könnte ich nicht immerzu rauchen.«

»Das ist auch nicht unbedingt nötig, Ettie.«

»Es ist ja nur, weil mir meine ausgegangen sind. Wofür sind diese schwarzen Dinger am Filter?«

»Für Russen mit grobschlächtigen Mündern.«

»Eher mit grobschlächtigen Seelen.«

»Vielen Dank.«

»Ihre nicht. Meistens jedenfalls nicht. Ich bin fast fertig.«

»Gut. Hat Hopcroft angerufen?«

»Nein.«

»Und Caroline?«

»Niemand hat angerufen.«

»Komisch.«

»Und ich war die ganze Zeit hier, sogar als ich nach einer Zigarette lechzte«, versicherte sie, zog gewissenhaft an der Zigarette meines Vaters und verzog sich staubwischend in eine andere Ecke des Raumes. Ich sah ihr nach und warf einen Blick auf die Zigarettenschachtel, die sie offen auf dem Schreibtisch liegengelassen hatte. Es fehlten wieder drei. Kein Drama, ich selbst rauchte sie nicht. Trotzdem, es ging ums Prinzip. Sie nahm sich Freiheiten heraus. Jeder nahm sich Freiheiten heraus. Warum also nicht auch Hopcroft oder Caroline? Mein Magen rumorte, wie immer vor einer Reise. Es gab so viel zu erledigen. Ich setzte mich hin, zog ein Blatt Papier hervor und machte mich an die Arbeit.

Geliebte Veruschka, mein Schatz,

Heute kam kein Brief von Dir, und das ist für mich ein schlimmer Verlust. Ich hoffe, daß morgen Post kommt, und warte geduldig darauf. Du bittest mich, geliebter Schatz, Dich zu umarmen, und sei es auch nur im Brief. Verunja, meine Liebe, das tue ich, mit jedem Wort, mit jeder Faser meines Herzens. Aber solche Zärtlichkeiten können mir nicht genügen. Doch ich hoffe, ...

So ging es noch eine Weile weiter, ich quälte mich da durch, Etties Anwesenheit im Zimmer stets gegenwärtig. Dann brachte ich mit einem Gewaltakt den letzten Abschnitt hinter mich.

Du weißt es, nicht wahr, daß ich jede Sekunde an Dich denke? Du bist es, durch die ich denke, atme und lebe. Du bist nicht verärgert und böse, sondern schreibst mir nette, zärtliche Briefe, und wenn ich bei Dir bin, küßt und umarmst Du mich, nicht wahr, Veruschka? Bleib gesund, mein einziges Glück, und schreibe mir regelmäßig jeden Tag, sonst ist mir elend zumute. Ich schicke Dir, meiner innig geliebten Verusenka, alle meine Liebe.

Dein Chaimchik

»Eine ulkige Schrift ist das«, sagte Ettie.

Sie stand hinter mir und blickte mir über die Schulter.

»Ja. Haben Sie etwas auf dem Herzen, Ettie?«

»Also.« Sie schien nervös zu sein und nestelte an ihrem Haar herum. »Ich hab’ mich bloß gefragt«, fing sie an, »ob Sie es in diesem Monat vielleicht versuchen könnten.«

»Ich verstehe.«

Ich hatte den Brief noch nicht datiert und holte es nach. »Pinsk, 27. August 1902.« Oder war es 1903? Ich sah noch einmal nach. Nein, er hatte ihn 1902 geschrieben.

»Ich möchte natürlich nicht drängeln«, fuhr Ettie fort, »aber Sie wissen schon. Darum wollte ich Sie nur noch bitten, bevor Sie gehen.«

»Ich reise erst morgen ab.«

»Bevor Sie zur Bank gehen.«

»Ach so.« Ich war schon dort gewesen, kam gerade von dort. Es hatte eine lange Verzögerung wegen dem bißchen fremder Währung gegeben.

»Es ist wegen dieser verdammten Aussperrung, die angekündigt wurde«, sagte Ettie. »Sie wissen doch, die Aussperrung. Ist ja wohl klar, wer darunter zu leiden hat.«

»Überlassen Sie die Arbeiter nur mir, Ettie. Auf dem Gebiet bin ich Experte.«

»Wenn soweit dann alles in Ordnung ist, mache ich mich jetzt auf den Weg. Sie denken daran, ja?«

»Ja«, antwortete ich. Stirnrunzelnd nahm ich ein anderes Blatt heraus.

Mein lieber Herr Motzkin,

leider kann ich nicht selbst zu Ihnen kommen, und nehme deshalb brieflich Kontakt zu Ihnen auf. Es geht mir sehr schlecht, mein Name ist absolut keinen Pfennig mehr wert. Der Erste rückt näher, und ich kann die Miete nicht bezahlen. Ich schulde verschiedenen Personen, die mir unerträgliche Unannehmlichkeiten bereiten, Geld. Deshalb bitte ich Sie, mir unbedingt dreißig Mark zu leihen. Sie sind der einzige Mensch, auf den ich mich verlassen kann. Wenn Sie sich weigern, ist meine Situation verzweifelt. Wenn ich in der Lage wäre, einen anderen Ausweg zu finden, hätte ich Sie nicht behelligt, aber ich bin in schrecklicher Geldnot, und völlig auf Sie angewiesen. Ich habe nichts, was ich verpfänden könnte. Meine Kompasse sind längst im Leihhaus, sie waren mein einziger Besitz. Verzeihen Sie mir, daß ich mich an Sie wende.

Der Ihre

Während des Schreibens hatte ich Etties übliche Aufbruchgeräusche wahrgenommen, das Wechseln der Schuhe und des Kittels, und verschiedene Laute, die ihre Einkaufstaschen und der Schirm verursachten. Aber sie hatte, bevor sie gegangen war, Caroline noch die Tür geöffnet. Ich hatte die Klingel gehört.

»Caroline!«

»Ja.«

»Was machst du?«

»Augenblick.«

Sie trat ein und sah aus wie eine gebadete Maus. In der Hand trug sie eine Hose und einen flauschigen Pullover.

»Kommst du vom Einkaufen?« fragte ich.

»Nein. Ich zieh’ mich um. Wenn ich ein heißes Bad genommen habe. Draußen schüttet es wie aus Eimern«, erklärte sie mürrisch.

»Du hast gesagt, du würdest anrufen.«

»Ich bin direkt in ein Taxi gesprungen. Hatte Glück, eins zu erwischen.«

»Hättest du von dort, wo du warst, nicht anrufen können?«

»Ich war im Public Record Office, und habe gefroren wie ein Schneider, das kann ich dir sagen. Die haben die Heizung abgedreht.«

»Wo ist Hopcroft?«

»Nach Swiss Cottage gefahren.«

»Ich dachte, ihr wolltet gemeinsam fahren.«

»Ich hab’s mir anders überlegt. Es hat zu sehr geregnet. Er hat meinen Schirm genommen. Sieh mich doch an. Und heute abend kommt Willie«, fuhr sie fort und ging.

Ich ließ mir das, was sie gesagt hatte, durch den Kopf gehen, dann hörte ich das Badewasser rauschen und fuhr mit dem nächsten Brief fort.

Liebe Veruschka,

ich habe tatsächlich beschlossen, nicht mehr zu schreiben, sondern zu warten, bis Du Dich aufraffst, mir den Brief zu schicken, den Du auf Deiner letzten Postkarte versprochen hattest. Seit meiner Rückkehr aus Wien habe ich regelmäßig geschrieben, jeden Tag, oder jeden zweiten, aber ich habe nicht einmal ...

Noch viele weitere Zeilen wohlberechtigter Klage. Ich tastete mich zum Ende vor.

Über mich gibt es nicht viel zu berichten. Meine Tage und Wochen vergehen in Eintönigkeit ausgefüllt, nur mit Arbeit im Labor, die allerdings sehr gut vorangeht. Die Ferienzeit geht zu Ende, und die Mitarbeiter kommen nach und nach zurück. Kürzlich ist der Assistent von Perkin eingetroffen. Er heißt Pickles. Wir arbeiten seit vier Tagen zusammen, und ich bin sehr zufrieden. In erster Linie ist jetzt ein Mensch hier, mit dem ich tagsüber ein paar Worte wechseln kann. Und zweitens kann ich mit ihm Englisch sprechen, was sehr nützlich ist. Wenn Du kommst, kann ich bestimmt fast fließend sprechen ...

Caroline murmelte im Badezimmer vor sich hin. Ich unterschrieb den Brief, datierte ihn: »Manchester, 13. September 1904«, und warf einen Blick auf die Uhr. Halb drei.

»Caroline!«

»Ja.« Das Badewasser lief noch immer.

»Merkwürdig, daß Hopcroft noch nicht angerufen hat. Ich muß Connie Bescheid sagen.«

»Ich kann dich nicht verstehen.«

Ich trat ein. Das unordentliche Mädchen hatte ihre Kleider einfach auf einen Haufen geworfen. Sie lag im Wasser und rauchte. Ein dünner Strahl heißen Wassers lief noch immer.

»Ich sagte, es ist merkwürdig, daß Hopcroft noch nicht angerufen hat.«

»Vielleicht ist was an der Leitung. Ich habe auch versucht, dich anzurufen. Ich bin nicht durchgekommen. Meine Güte, zum ersten Mal heute wird mir warm.«

»Da ist noch Connie. Ich muß sie anrufen, in Rehovot.«

»Du hast dein Flugticket schon, oder?«

»Noch nicht, Liebling. Ich habe es noch nicht abgeholt und muß noch tausend Dinge erledigen.«

»Könntest du das eben ins Waschbecken tun«, bat sie und reichte mir die Zigarette. »Und dir gleichzeitig aus dem Kopf schlagen, daß ich losrenne und dir dein Ticket hole. Ich tue keinen Schritt mehr vor die Tür.«

»Oh.« Ich streifte die Asche ab und gab ihr die Zigarette zurück.

»Ja. Ich habe heute wirklich ein paar ganz interessante Sachen gefunden.«

»Wirklich, Darling?«

»Faszinierende Neuigkeiten. Es gibt eine Kabinettsakte, in der sich Ramsay Mac über Chaimchik ausläßt. Er hat auf Ramsay Mac einen enormen Eindruck gemacht, mußt du wissen.«

»Tatsächlich? Ist ja wundervoll.«

»Wo liegt eigentlich das Hauptproblem?«

»Ich muß Connie Bescheid sagen wegen Hopcroft. Ob er das Ding bekommen hat oder nicht.«

»Er wird schon noch auftauchen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war klitschnaß.«

»Wann ist er aufgebrochen?«

»Ich weiß es nicht genau. Er hat neben mir gelesen. Er war irgendwie an Sachen aus dem India Office geraten – ich weiß nicht wieso. Er schweift oft ab. Wahrscheinlich schweift er jetzt durch Swiss Cottage. Wie spät ist es?«

»Halb drei vorbei.«

»Er ist vor zwölf gegangen. Er wird noch ein bißchen mit ihr plauschen, Hopcroft plaudert gern.« Sie setzte sich auf. »Mist. Kannst du die mal kurz halten?«

Ich nahm ihr die Zigarette aus dem Mund und reichte ihr ein Badetuch für die Hände.

»Warum muß Connie das schon heute wissen? Warum sagst du es ihr nicht morgen, wenn du sie triffst?«

»Ich weiß nicht warum. Irgendwie hat es mit Bergmann in Jerusalem Aufregung gegeben. Sie muß es ihm sagen. Vielleicht fährt er irgendwo hin.«

»Na, Hopcroft wird schon kommen. Und wenn er kommt, kannst du ihn losschicken, um das Flugticket abzuholen.« Sie lächelte mich an.

»In Israel ist es zwei Stunden später. Schon halb fünf. Dort machen sie früh Schluß.«

»Die warten noch. Darf ich dich etwas Persönliches fragen?«

»Frag.«

»Was hat es eigentlich mit kleinen Brüsten auf sich? Ich meine, wem gehört eigentlich der Pullover?«

»Ich weiß es nicht.«

»Du führst ein angenehmes Leben, was? Abgesehen von dem ruhigen Job, also, was ist dran?« Sie sah auf ihre Brüste. »Ich weiß, angeblich ist irgend etwas Aufregendes dran. Aber was nur?«

»Was sagt Willie denn dazu?«

»Ach, komm. Den kann ich so was nicht fragen. Nicht so wie einen Freund. Was man wirklich wissen muß, erfährt man nie.«

»Nun, sie sind sehr hübsch.«

»Glaubst du, daß sie auf komische Typen attraktiv wirken?«

»Ist Willie ein komischer Typ?«

»Es gibt eine ganze Menge Dinge, die man nie herausfindet. Und alles geht so schnell. Vielleicht findet man irgendwann etwas heraus, schon möglich. Aber erst später. Alles erfährt man zu spät. Deprimierender Gedanke.«

»Ein typisches Problem junger Menschen. Du bist in einer Sturm- und Drang-Phase.«

»Bin ich das?«

»Weil du jung bist. Die Jugendzeit ist eine unruhige Zeit. Und deine Arbeit deprimiert dich. Die Menschen, deren Leben man erforscht, hatten normalerweise ein elendes Ende und sterben nach ihrem Triumphen. Wir sind Analytiker des Tragischen, Darling – jedenfalls die Andeutung davon.«

»Na, dein Englisch ist vielleicht super.«

»Vielen Dank. Ich möchte auch alles über Ramsay Mac und Chaimchik erfahren, ich bin mir sicher, daß du das Entscheidende herausgefunden hast. Du bist ein kluges Mädchen mit einem hellen Kopf und genau den richtigen Brüsten. Sie passen zu dir, wirklich. Mir rumort nur andauernd der Magen, weil ich bald verreise, noch nicht gepackt habe, noch kein Ticket habe, und Hopcroft noch nicht angerufen hat, und ich Connie anrufen muß und nicht weiß, was ich ihr sagen soll. Ich befinde mich in einer dieser schwebenden Situationen, weißt du? Das kann ich gar nicht leiden.«

»Dann sag mir, was ich tun kann, abgesehen von dem Ticket, das scheint genau das Richtige für Hopcroft zu sein.«

»Ich weiß nicht. Jemand muß seine Aufzeichnungen durchgehen, wenn er zurück ist, falls sich Fragen ergeben.«

»Ich kann sie durchgehen. Ich bin ein heller Kopf«, sagte Caroline.

»Das hat dir gefallen, stimmt’s?«

»Ja, war ganz nett. Dann steig’ ich jetzt besser aus der Wanne, mit diesem Haufen Arbeit in Aussicht.«

Ich trat beiseite. »Es könnte allerdings sein, verdammt – ich möchte wetten, daß einiges davon auf Russisch ist. Verflucht und zugenäht. Und ich plage mich immer noch mit dem kleinen Kaplan in Manchester herum, dem habe ich die frühen Briefe zugesagt.«

»Ich kann mich um Kaplan kümmern«, sagte sie, und trat von einem dampfend nassen Bein aufs andere.

»Das kannst du nicht, Dummchen. Du weißt doch genau, die sind auch auf Russisch. So wollte es Kaplan. Er wollte sie nicht in englischer Sprache veröffentlicht sehen. Ich hätte mich schon aufgemacht und sie kopiert, wenn ich nicht dauernd auf einen Anruf von dir und von Hopcroft gelauert hätte. Statt dessen mußte ich sie von Hand abschreiben, und ihr seid schuld.«

»Igor, Darling, du wirst griesgrämig und seltsam. Also reich mit etwas von dem tollen Talkumpuder und verschwinde.«

Im selben Augenblick klingelte das Telefon, also verschwand ich, im Laufschritt. Hopcroft.

»Hallo.«

»Mr. Igor Druyanov?«

Nicht Hopcroft. Ein Ferngespräch. »Ja.«

»Ein Anruf aus Rehovot, Israel, für Sie.«

»Ja. In Ordnung.«

»Igor?«

»Connie, Liebes!«

»Das ist wirklich erstaunlich. Ich habe das Gespräch gerade erst angemeldet! Ich dachte, ich melde es an, und damit hat es sich. Es ist schon so spät. Du wolltest mich anrufen. Wirklich erstaunlich!« Der schwere, träge, kehlige Brooklyn-Akzent mit einem Schuß Venezolanisch kam melodiös durch die Leitung. Ich sah sie vor mir, wie sie dastand, die Perle des Südens, dunkle Augen im lebhaften Gesicht, in ihrem Büro am Ende des Flurs, in der Grabesstille des Präsidentenpalais, dem Heiligtum der Nation.

»Ja, also –«

»Meyer ist hier. Ich bin gerade bei Meyer. Er will dir ›Guten Tag‹ sagen.«

Ich schaltete rasch um. Also nicht im Nationalheiligtum, in Meyers Haus. Gleich neben dem Haus von Isaac Wolfson. Pinienholz, dunkelblaue Teppiche, Pracht, viele Gemälde; draußen Bäume, die lieblich-harmonische Landschaft, die das Institut umgibt.

»Igor, Sie Hundesohn.«

»Nett, daß Sie das sagen, Meyer.«

»Hören Sie, Bergmann sitzt mir im Nacken. Alle möglichen Schlaumeier hängen an mir dran. Wie wär’s, wenn Sie sich mal ein bißchen in Trab setzen würden?«

»Worum geht es denn, Meyer?«

»Haben Sie sie schon, diese Vava-Unterlagen?«

»Hopcroft bringt sie gleich her.«

»Wer?«

»Hopcroft. Ein Assistent. Er ruft mich noch an. Hier regnet es, und wahrscheinlich kommt er schlecht durch.«

»Wie?«

Es war viel zu kompliziert, das jemandem zu erklären, der gerade von Israel aus anrief. Ich sah im Geiste, wie sich seine Augenbrauen runzelten: weiße Augenbrauen, die weiße Mähne, die große, eingedrückte Nase im dunklen Indianergesicht. Er war neunundsiebzig und sah aus wie sechzig, ähnelte einem Hollywood-Tycoon: Meyer Weisgal, Chaimchiks oberster Diener, Begründer des Instituts und Hüter seines Namens.

»Alles in bester Ordnung, Meyer. Da haben wir das Problem, daß Vavas Tochter im Moment umzieht. Sie ist Kinderärztin im University College Hospital und hat gerade ihren Mann verlassen. Jetzt hat sie ein Apartment in Swiss Cottage. Es war nicht sicher, ob die Unterlagen bereits dort waren oder noch in Wimbledon, wo sie mit ihrem Mann gelebt hat.«

»Wo?«

»In Wimbledon. Das ist ein Stadtteil.«

»Klar. Das kenne ich. Dort spielen sie Tennis. Wimbledon.«

»Ganz recht. Genau.«

»Haben Sie jetzt die Unterlagen oder nicht?«

»Grüß Connie von mir«, sagte Caroline vom Flur aus. Sie hatte sich in ein Handtuch gewickelt.

»Wir sehen uns dann, Meyer«, sagte ich. »Und Caroline möchte, daß ich Connie schöne Grüße von ihr bestelle.«

»Hören Sie, Igor, bringen Sie die Sachen mit, klar? Hier, Connie, übernehmen Sie.«

»Igor.«

»Hallo, Connie. Caroline läßt dich schön grüßen. Sie ist hier.«

»Ist sie schon verlobt?«

»Noch nicht, glaube ich. Connie, was soll dieser furchtbare Unsinn mit Vava?«

»Oh, da bestehen einige Zusammenhänge. Du hast sicher noch eine Menge weiterer Fragen auf Lager, wenn du kommst?«

»Eine Unmenge. Es ist, als sei ich seit Jahren nicht bei euch gewesen.«

»Es ist so viel passiert, Igor. Hör mal, würdest du bitte Dick Crossman anrufen und ihm sagen, daß er seine Notizbücher hier vergessen hat? Sie sind nicht weg. Ich habe sie hier und schicke sie ihm zu. Und Barney Litvinoff auch. Hast du das mit Dick verstanden?«

»Du schickst ihm seine Notizbücher zu. Sie sind nicht weg.«

»Richtig. Und was Barney angeht, in Jerusalem drehen sie wegen der Korrekturfahnen von Band 5 durch. Er hat sie alle mitgenommen, ich weiß nicht, wieso. Hast du kein Exemplar bekommen?«

»Nein, Liebes. Ich muß mal meinen Vater aufsuchen.«

»Ja, gut, ruf ihn an. Wie sieht es bei euch aus?«

»Mies. Es regnet.«

»Dann wird es dir hier gefallen. Die Orangenbäume tragen Früchte. Heute abend pflücke ich dir noch ein paar, gleich.«

»Mit Orangenblüten. Shalom, Connie.«

»Shalom, shalom, Igor. L’hitraot.

»L’hitraot«. Bis zum Wiedersehen. Die Floskel schien ihren eigenen süßen Duft von Orangenblüten mit sich zu bringen. Ich erschrak, als ich mich umdrehte und die große, blonde ins Handtuch gewickelte Gestalt erblickte.

»Was hat sie über mich gesagt?«

»Sie hat gefragt, ob du schon verlobt bist. Ich sagte ihr, es sei noch nicht ganz soweit.«

Ihre Mundwinkel sanken herab. »All das Gerede über Orangenblüten. Manche Leute haben das Glück gepachtet, nicht? Dieses Londoner Mistwetter.«

»Du hast ja heute abend Willie.«

»Stimmt genau. Heute abend ist Willie angesagt.« Sie ging.

»Caroline.« Ich ging zu ihr hin und umarmte sie in ihrem Handtuch. »Sie sagte, du seist das reizvollste Geschöpf, das sie kenne. Sie wünschte, du würdest mitkommen und einen Hauch davon mitbringen.«

»Wirklich?«

»Wirklich.«

Sie gab mir einen kleinen Kuß. »Also nicht nur gescheit, wie?« Die übliche blitzartige Wendung. Ich wendete genauso blitzartig.

»Ich glaube, von Intelligenz war keine Rede. Sie halt dich für wahnsinnig sexy, und graziös, und alles, was Damen gern wären. Die meisten anderen Menschen auch.«

»Ach nein, wirklich?«

»Soweit ich es beurteilen kann, mit meinem beschränkten Sinn für derartige Dinge.«

»Unter dem Deckmantel des Erbauers des Sozialismus.«

»Du bist auf dem besten Wege, dem Erbauer zum Aufbau von etwas ganz anderem zu verhelfen, du in deinem Handtuch. Und wenn ich an all die Dinge denke, die ich noch erledigen muß!«

»Dann erledige sie lieber.«

In eine Wolke meines Puders gehüllt zog sie zufrieden ab, und ich ging zum Telefon. Ich unterrichtete Mr. Crossman über die Notizbücher und sagte Mr. Litvinoff wegen der verschwundenen Korrekturabzüge Bescheid, dann legte ich auf und starrte das Telefon eine Weile an. Es rührte sich nicht.

»Caroline.«

»In der Küche.«

Sie machte sich gerade etwas zu essen. Ich ging zu ihr.

»Findest du es nicht seltsam, daß Hopcroft noch nicht zurück ist? Es ist schon nach drei. Der kann doch nicht so lange quatschen.«

»Vavas Tochter hat noch kein Telefon, oder?«

»Ja, das ist das Problem.«

Sie hatte keins. Sie war gerade erst nach Swiss Cottage gezogen, und ihr Telefon war noch nicht angeschlossen. Ihr Name war Olga Green, geborene Kutcholsky. Die Spur hatte sich rein zufällig ergeben, wie das bei vielen Nachforschungen der Fall war. Chaimchik hatte Fritz Haber, dem Chemie-Nobelpreisträger, geschrieben, und Vava erwähnt. Es ging um eine wissenschaftliche Angelegenheit, die nicht in meinen Bereich fiel, aber ich hatte den Namen trotzdem markiert. In unserem biographischen Index fand sich kein Vava, deshalb schickte ich die Sache an Connie, um zu sehen, ob in Rehovot etwas vorlag. Dort lag auch nichts vor, und daraus hatte sie geschlossen, daß dies ein Fall für Professor Bergmann in Jerusalem sein mußte. Das hatte sich als zutreffend erwiesen. Bergmann schrieb den Band über Chaimchiks wissenschaftliche Arbeit, und alle entsprechenden Unterlagen waren ihm übersandt worden. Nach einer längeren Pause war von Bergmann eine Notiz eingetroffen, die besagte, daß es sich bei Vava um einen gewissen Dr. Vladimir Kutcholsky handelte, der Mitte der dreißiger Jahre bei irgendeiner Ölgesellschaft in London gearbeitet hatte. Dann kam ein weiterer Brief, in dem stand, daß es zwischen ihm und Chaimchik einen Briefwechsel gegeben haben mußte mit der Bitte, ob wir das nicht herausfinden könnten.

Eine reine Routineangelegenheit. Hopcroft hatte zu Beginn unserer Arbeit Monate mit ähnlichen Nachforschungen zugebracht. Mein Bereich waren die Bände 15 und 16 (1931–35, Chaimchiks Zeit in der Wildnis, einer sehr fruchtbaren Wildnis), und Hopcroft hatte ein paar bisher unbekannte Briefe aufgespürt. In der Forschung stieß man oft von einem Punkt auf den nächsten, und seine Eigenart, abzuschweifen und hier und da Schwätzchen zu halten, hatte ihn hierfür geeignet erscheinen lassen.

Er war zu verschiedenen Ölgesellschaften und Berufsverbänden gegangen und hatte Vava schließlich aufgespürt: Auf einem Friedhof in Bushey, wo er seit 1962 lag. Seine Frau war vor ihm gestorben, und der Nachlaß, wie eine weitere Reihe von Nachfragen ergab, war an die Tochter Olga gegangen, eine Ärztin. Olga war nicht schwer zu finden gewesen, nur hatte Hopcroft sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Sie trennte sich gerade Schritt für Schritt von ihrem Mann.

Sie bestätigte, daß zwischen ihrem Vater und Chaimchik ein Briefwechsel stattgefunden hatte, aber sie hatte keinen direkten Zugang zu den Briefen, weil diese sich in einem von etwa zwanzig Kartons befanden, und zwar entweder in Wimbledon oder Swiss Cottage. Nach anfänglicher Gleichgültigkeit, die sich plötzlich in Ungeduld verwandelt hatte, drängte mich Rehovot, ich spornte wiederum Hopcroft an, der seinerseits Olga drängte. Sie hatte versprochen, die Sachen am heutigen Tag bereit zu haben, damit ich sie mitnehmen konnte. Sie hatte sich ohnehin ein paar Tage freigenommen, um ihren Umzug vor Weihnachten abzuschließen.

Dieser Gedankengang rief einen neuen hervor.

Ich sagte: »Weißt du, mir fiel gerade ein, worauf Ettie anspielte. Sie gab mir einen dezenten Hinweis auf Weihnachten. Noch was, worum ich mich kümmern muß.«

»Ich kümmere mich darum. Laß mir einen Scheck da.«

»Ich wünschte, mir wäre nicht so schrecklich unwohl«, sagte ich.

»Vielleicht ist das jugendlicher Sturm und Drang.«

»Ich wollte, du würdest dir deine Bonmots für Willie aufsparen.«

»Soll ich dir etwas verraten?« fragte sie, während sie vor sich hinblickte und langsam ihren Käsetoast kaute. »Um die Wahrheit zu sagen, mir geht Willie ein bißchen auf die Nerven.«

»Was ist mit ihm?«

»Nichts. Er ist nett.«

»Was ist los, Darling?«

»Er ist im Kopf nicht besonders helle, weißt du.«

»Ich dachte, du seist nicht so auf Intelligenz aus.«

»Bei Frauen.«

»Was in Gottes Namen ist bloß mit Hopcroft passiert?«

»Ach, laß doch Hopcroft. Ich dachte, wir führen gerade ein interessantes Gespräch«, seufzte sie.

»Caroline, was ist los mit dir?«

»Was ist mit dir los?«

Ihre sonst so blassen Wangen waren rosig, und ihre Augen glänzten ein wenig. Um ihren Mund waren Toastkrümel, die sie ableckte. Das Telefon klingelte, während sie mich noch ansah, und sie sagte, »Ja«, nickte und stand auf, um abzunehmen. Das ›Ja‹ schien keine Antwort auf das klingelnde Telefon zu sein. Ich starrte ihr nach. Worauf bezog es sich dann? Das dumme Ding konnte sich doch nicht ernsthaft in mich vergafft haben? Vor nicht einmal zehn Minuten hatten wir völlig normal in ihrem Bad geplaudert – das heißt, in meinem Bad. Ich hatte ihr was von meinem phantastischen Puder abgegeben. Ich brütete über diese Komplikation nach und hörte sie im anderen Raum sprechen. Dann rief sie: »Igor.«

Sie hatte aufgelegt und starrte auf einen Zettel. »Das war Hopcroft, oder besser gesagt, von Hopcroft. Er ist zusammengeschlagen worden.«

»Um Gottes willen! Ist ihm etwas passiert?«

»Er ist im Krankenhaus. Von dort kam der Anruf. Es ist nicht so schlimm, du kannst ihn sprechen. Tatsache ist, daß er dich sehen will.«

»Hat er die –« fing ich an und brach mitten in der herzlosen Frage ab.

»Ich weiß nicht, was er hat. Die Frau am Telefon hat gesagt, er habe Prellungen. Im St. Mary- und St. Joseph-Hospital«, las sie ab.

»Wo, zum Teufel, ist das?«

»In der Gegend von Swiss Cottage offensichtlich. Wie ich gesagt habe. Er lief dort wahrscheinlich gerade herum. Also, ich kümmere mich mal um die dringenden Sachen. Womit soll ich anfangen?«

»Ach, verdammt, ich weiß nicht.« Ich zog mir den Mantel über. »Ich bin total durcheinander. Ich besorge mir das Ticket, wenn ich sowieso unterwegs bin.«

»Was ist mit Kaplan?«

»Damit bin ich fast fertig. Du siehst ja, was ich schon gemacht habe. Schick ihm die bereits vervollständigten. Schreib einen kurzen Begleitbrief. Oh Gott, oh Gott«, seufzte ich.

»Muß noch jemand angerufen werden?«

»Nein, ich glaube nicht. Der arme Hopcroft.«

»Ja. In der Blüte seines Lebens, und so weiter. So schlecht geht es ihm doch gar nicht, Dummerchen.«

»Wir sehen uns morgen früh, ja?«

»Ja«, sagte sie.

»Gut.« Ich eilte nach draußen, wollte ihr noch einen angenehmen Abend wünschen, ließ es dann lieber und erwischte am Russell Square ein Taxi.

2

Das St. Mary- und St. Joseph-Hospital war ein gemütliches kleines Krankenhaus, und Hopcroft hatte es sich drinnen schon recht gemütlich gemacht. In einem kleinen Krankenzimmer mit drei weiteren Männern, die alle lächelten, während sie in ihre Kopfhörer lauschten, saß er aufrecht im Bett. Auch Hopcroft lächelte, trug aber keinen Kopfhörer. Er trug einen Verband, der wie eine kleine Mütze auf dem buschigen Haar saß, und lächelte eine korpulente alte Dame mit faltigem Hals an, offensichtlich keine Krankenschwester. Sie nickte und trat beiseite, als ich näher kam, und Hopcroft sagte leise: »Nette alte Dame. Sie ist als Besucherin hier. Ihr Vater war Skene, wissen Sie, der Biograph des ›Befreiers‹ O’Connell. Sie selbst hat in Manchester bei Namier Neuere Geschichte gehört. Namier. Komisch, nicht?«

Es war komisch, aber was noch merkwürdiger war (obwohl ich schon früher seine natürliche Begabung für seinen Beruf bemerkt hatte), war die Geschwindigkeit, in der Hopcroft diese Information herausgefiltert hatte. Wenn man die Zeit in Rechnung stellte, in der die Wunde verbunden, man ihm die Kleider aus- und den Pyjama angezogen hatte und er ins Bett gesteckt worden war, konnte er mit ihr nicht viel Zeit verbracht haben.

»Hopcroft, was um Himmels willen ist Ihnen passiert?«

»Die müssen ganz schön zugeschlagen haben, was?« Ein Brillenglas war gesprungen, und auf der Stirn hatte er eine kleine blaue Beule. Sein buschiger kleiner Schnurrbart erinnerte mich wieder einmal an den Prototyp eines devoten Verkäufers, ein Vierundzwanzigjähriger, der kein Alter zu haben schien. »Das kam wie der Blitz. Ich konnte nichts tun.«

»Wo ist es passiert?«

»In Tancred Court. Ich ging gerade hinaus. Hat man Ihnen das nicht gesagt?«

»Mir wurde nur gesagt, Sie seien niedergeschlagen worden.« Er schien ziemlich enttäuscht zu sein.

»Aber wie! Zack. Ich bin umgefallen wie ein Baum. Unglaublich, wirklich.«

»Sie sind vor dem Apartmenthaus niedergeschlagen worden?«

»Nicht draußen. Bis nach draußen bin ich gar nicht gekommen.«

»Sie wurden in dem Apartmenthaus niedergeschlagen?«

»Mit einem Schlag. Richtig ordentlich. Ich kam gerade im Aufzug herunter, und unten sagte dieser Typ zu mir: ›Kannst du uns mal helfen, Kumpel?‹ Ich dachte, es sei vielleicht jemandem schlecht geworden oder so, er machte einen so ängstlichen Eindruck. Es war am Ende des Flurs, dort gibt es so eine kleine Nische. Dort stand ein zweiter Mann und sagte: ›Kannst du uns vielleicht mit einem Pfund aushelfen?‹ Ich dachte ›au weia‹, klar. Ich hatte sechs Pfund in der Brieftasche. Die wollte ich denen nicht unbedingt unter die Nase halten. Aber gleichzeitig fiel mir ein, daß ich in der U-Bahn in der Zeitung über Kurzarbeiter gelesen hatte, denen sie den Strom abdrehen, und ich dachte, diskutier’ mit ihnen, vielleicht brauchen sie einen Job, wissen Sie, ich wollte sie in ein Gespräch verwickeln.«

Hopcroft hatte ein Gespräch angefangen, und einer der Männer hatte ihm eins auf den Kopf gegeben.

»Im Ernst: Zack, schon war’s passiert. Ich hatte keine Ahnung, was los war, lag einfach da, keine Brieftasche, keine Aktenmappe mehr. Meine tolle Aktentasche! Die habe ich als Schreibunterlage benutzt, eine tolle Tasche, meine Mutter hat sie mir geschenkt. Ich wankte herum, alles war voller Blut. Dann kam von irgendwoher der Hausmeister, und das war’s. Ganz schön stark, was? Am hellichten Tag!«

»Unglaublich.«

»Nicht wahr?« sagte Hopcroft, erfreut über meine Reaktion. »Mitten in Swiss Cottage ausgeraubt zu werden, mittags. Noch zwei Minuten vorher hatte ich mit Olga einen Teller Suppe gegessen – Doktor Green. Sie wollte uns ein Stück Kalbfleisch braten, sie hatte welches da, aber dort gab es kein Telefon, und ich hatte Ihnen versprochen anzurufen. Also habe ich abgelehnt, weil ich mich beeilen mußte. Und zack!«

»Hatten Sie – hatten Sie etwas in der Aktentasche?« fragte ich.

»Ja, Mist, ja. Ich habe den Mietvertrag für das Featherstone-Labor von 1931 gefunden. Das war schon gestern – habe vergessen, es Ihnen zu sagen. Ich bekam das Dokument von einem Rechtsanwalt in Gray’s Inn. Eine Kopie. Recht interessant. Ich glaube, er gibt seine Kosten zu niedrig an – wissen Sie, da, wo er schreibt, wie angemessen das Budget war, die fünfhundert pro Jahr für Miete, Gehälter und so weiter. Das scheint ein bißchen getürkt gewesen zu sein. Die Miete betrug dreihundert. Interessanter Punkt, nicht? Wir können uns aber jederzeit eine neue Kopie holen, wir wissen ja jetzt, wo der Vertrag ist.«

»Ja. Sonst noch etwas?«

»Heute war noch etwas. Was war es gleich? Mir brummt ein wenig der Schädel, müssen Sie wissen.«

»Vavas Briefe?«

»Ach, richtig. Sie hatte sie nicht.«

»Sie hatte sie nicht?«

»Nicht bei sich. Ich habe selbst nachgesehen. Bei ihr ist es etwas unordentlich. Das liegt an der komischen Art, wie sie umzieht. Einer der Krankenhausfahrer aus dem University College macht das für sie. Der fährt immer hin und her. Ein Paket enthält die Zeugnisse, Geburtsurkunde, all diese Dinge. Da sind auch die Briefe drin, und das ist noch in Wimbledon.«

»Aha.«

»Das wollte ich Ihnen sagen. Tut mir leid, daß Sie deshalb hierher kommen mußten.«

»Seien Sie nicht albern, Hopcroft. Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.«

»Das war ein ganz schöner Hammer«, sagte er und betastete vorsichtig seinen Kopfverband. »Es pocht ein bißchen. Die wollten mich unbedingt hierbehalten. Sie waren alle da, Polizei, Krankenwagen. Der Hausmeister hat sie gerufen. Wirklich unglaublich. Was war bloß noch? Da war doch noch was, verdammt.«

Seine Augen waren ein wenig glasig.

»Sie sollten lieber nicht weitersprechen, Hopcroft.«

»Es geht schon. Meine Mutter kommt bald her. Wahrscheinlich kriege ich die Mappe nicht wieder«, sagte er traurig. »Die war mehr wert als die sechs Scheine. Meine Initialen waren eingeprägt. Mistkerle. Ach ja. Jetzt fällt es mir wieder ein. Olga. Sie schickt Ihnen die Sachen. Ich habe ihr erzählt, daß Sie nach Israel fahren und daß die es sehr eilig damit haben, darum schickt sie sie mit der Post. Ich habe ihr gesagt, sie soll es per Express schicken, wegen der Weihnachtspost, damit Sie es dort schnell bekommen. Sie fährt morgen hin, dann ist ihr Mann nicht da.«

»Die Originale?«

»Ja, die echten Briefe.«

»Haben Sie sie gebeten, Kopien zu machen?«

»Habe ich das? Oh, Mist, nein. Ich glaube nicht. Oje, tut mir leid.«

»Das macht nichts. Ich fahre hin und spreche selbst mit ihr.«

»Also, nein, das geht nicht.« Hopcroft blickte sehr unglücklich drein. »Nach dem Mittagessen wollte sie nach Frognal zu einer Freundin. Es tut mir furchtbar leid. Ich weiß nicht, wer die Freundin ist.«

»Kann man sie nirgendwo erreichen?«

»Nein. Sie bleibt bei ihr. Allein hält sie es nicht gut aus. Im Moment geht es ihr nicht besonders.«

»Könnten wir vielleicht mit ihrem Mann sprechen? Vielleicht kann er ihr eine Nachricht hinterlassen.«

»Oh nein, das wäre ihr nicht recht.«

»Um wieviel Uhr fährt sie nach Wimbledon, wenn sie überhaupt fährt?«

»Ich weiß es nicht. Es lag kein Grund vor, sie danach zu fragen. Herrje, was bin ich doch für ein Idiot.«

»Machen Sie sich keine Gedanken. Wir haben Glück, daß sie die Briefe nicht hatte. Sonst wären die auch gestohlen worden.«

»Ja. Die müssen gesehen haben, wie ich aus der Bank gekommen bin. Eine Zweigstelle von Barclays ist gleich neben dem Haus. Ich bin auf dem Hinweg kurz hinein und habe auf meine Kreditkarte fünf Scheine abgehoben. Mit dem schicken Aktenkoffer und allem drumherum habe ich vielleicht nach Geld ausgesehen. Wahrscheinlich haben die unten gewartet, bis ich wiederkomme. Als ich hineinging, waren ein paar Leute auf der Straße. Das habe ich auch der Polizei gesagt. Die meinten, da könnte was dran sein. Hart, was? Am hellichten Mittag!«

»Pech. Tut mir sehr leid, mein Junge. Aber hören Sie jetzt auf zu sprechen.«

»Es pocht ein bißchen«, sagte er eine Spur leiser und sah sich langsam um, als ein gleichzeitiges Kichern von den drei Zimmergenossen kam. Sie grinsten einander an. Ein dünnes, mäuseartiges Quieken und etwas, was sich knisternder anhörte, drang aus den Kopfhörern. »Na, ich werd’ schon wieder«, sagte er. »Viel Spaß und so weiter in Israel.«

»Danke. Ruhen Sie sich aus, Hopcroft«, sagte ich.

Kapitel 2

Ich spazierte durch den Central Park South (das war im vergangenen Jahr, kurz nachdem mein Buch über die dreißiger Jahre erschienen war), als mir eine Gestalt entgegenkam: eine adrette, kleine Gestalt mit weißem Haarschopf, Indianergesicht, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Unsere Augen begegneten sich auf einiger Distanz, und auf meiner Höhe blieb die Gestalt stehen und sagte: »Heh – Igor Druyanov?«

»Ja.«

»Ich freue mich, Sie zu treffen, Igor.« Freundlich lächelte er mich an und gab mir die Hand. »Ist das nicht verrückt?« meinte er. »Ich bin Meyer Weisgal.«

»Wie geht es Ihnen, Mister Weisgal?« Mir hatten in letzter Zeit einige leutselige Menschen, die ich lange nicht gesehen hatte, die Hand geschüttelt. Ich zerbrach mir den Kopf.

»Was machen Sie in New York, Igor? Sie waren in Harvard, wie ich hörte.«

»Ich halte dort ein paar Vorlesungen.«

»Es ist wirklich unglaublich. Da spaziere ich hier so vor mich hin und grüble über Das Betrogene Jahrzehnt nach, und wer läuft mir über den Weg? Man braucht die Dinge also gar nicht groß zu planen.« Er tänzelte umher, und seine wäßrigen Augen betrachteten mich freundlich unter den Brauen hervor. »Es geschieht ganz einfach. So ist es mir schon so oft im Leben gegangen!« (Das stimmte. Interessierte Leser mögen sich mit seiner Autobiographie »So far«, erschienen bei Weidenfeld & Nicolson, befassen.) »Grübeln Sie nicht weiter darüber nach, wir sind uns noch nie begegnet«, sagte er. »Ich bin am Weizmann Institut in Israel.«

»Aha.«

»Es ist ein sehr gutes, ja, ein großartiges Buch.«

»Vielen Dank.«

»Ich weiß nicht, ob ich den Titel hätte durchgehen lassen. Da bricht einem ja die Zunge ab, wenn man den ausspricht. Ich bin ein guter Lektor.« Die wäßrigen Augen strahlten noch immer.

»Sie sind – Lektor beim Weizmann-Institut?« fragte ich einigermaßen verwirrt.

»Nein, nein. Ich bin Kanzler dort. Was immer man darunter verstehen mag. Sagen Sie Igor, warum gehen wir nicht ein Stück zusammen?« Er wandte sich um, und wir schlenderten in die Richtung, aus der er gekommen war.

»Wie geht es Ihrem Vater?« erkundigte er sich.

»Gut, danke.«

»Maxim Druyanov heißt er, nicht wahr?«

»Richtig.«

»Was macht er zur Zeit?«

»Er unterrichtet in London an der Schule für Slavistik und Osteuropäische Studien.«

»Bewacht man ihn noch immer?«

»Nein, nein. Das ist schon Jahre her.«

»Ihre Mutter ist Jüdin, nicht wahr?«

»Ganz recht.«

»Also, zum Teufel damit«, meinte er. Sein Akzent war eine fette Mischung aus Brooklyn, Russisch und Jiddisch. Er erzählte mir, warum er so erfreut war, mich zu treffen.

Ein großes Projekt war angelaufen – die Herausgabe der gesammelten und kommentierten Briefe von Chaim Weizmann. Vor einigen Jahren war ein Herausgeber-Komitee gegründet worden, das aus Lewis Namier, Isaiah Berlin und Jacov Talmon bestand, alles brillante Köpfe; dazu kam R.H.S. Crossman, der britische Ex-Politiker, der an Weizmanns großer Biographie schrieb.

Die meisten Bände waren bereits zugeordnet worden und befanden sich bei Politologen in Arbeit, aber bei den Jahren 1931–35, der Zeit, in der Weizmann ohne Amt war, gab es eine Lücke. Für diese Briefe, die den Zeitgeist jener unglückseligen Epoche offensichtlich so gut wiedergaben, war es nicht leicht, den richtigen Herausgeber zu finden. Das Erscheinen von Das betrogene Jahrzehnt mit seinem Neugierde auslösenden Titel schien das Problem zur Hälfte gelöst zu haben.

»Und die andere Hälfte liegt bei Ihnen. Wie wär’s, Igor?«

Inzwischen waren wir in seiner Wohnung angekommen, im Erdgeschoß, gleich beim Central Park South, denn dorthin hatte unser Spaziergang geführt. Seine Frau Shirley schenkte Kaffee ein.

»Nun. Das kommt etwas überraschend, Meyer.« Wir waren inzwischen bei den Vornamen angelangt.

»Es würden zwei Bände von größter historischer Bedeutung werden. Sie würden sozusagen die Vorgeschichte des Staates Israel darstellen. Er stand mit fast allen in Kontakt. Tag für Tag sah er den moralischen Zusammenbruch Europas in tausend Einzelheiten herannahen. Die Anmerkungen stünden Ihnen zur Verfügung, und pro Band ein langes, einführendes Essay. Das ist genau das richtige für Sie, das sehe ich schon. Ich ahne es.«

Diese Ahnung hatte mich dahin gebracht, wo ich jetzt war, und meine eigenen Vorahnungen hatte.

Ich befand mich in der Penthouse Suite des San Martin Klubhauses, auf dem Campus des Weizmann-Instituts. Die Suiten waren normalerweise für Honoratioren gedacht. Honoratioren waren im Augenblick keine zur Stelle, deshalb hatte ich diese Suite bekommen. Das Flugzeug hatte sich – wegen einer Bombendrohung in London – um Stunden verspätet, und ich saß müde da, bewunderte die Pracht und nahm mit Connie einen Drink.

Mehr denn je erinnerte sie mich an einen kleinen, südamerikanischen Kolibri – die Kreation eines Konditors, möglicherweise. Sie besaß ausgesprochen hübsche, zierliche Beine und Füße und blinzelte mit den Augen. Sie hieß Nehama, aber die Nonnen dort in der Klosterschule in Maracaibo, wo sie geboren war, hatten mit dem Namen so ihre Schwierigkeiten gehabt, und sie gefragt, was er bedeute. Sie hatte ihnen erklärt, er bedeute auf hebräisch »Trost«, daher hatten sie sie auf Consuelo umgetauft, was im Klassenzimmer auf Suelo abgekürzt wurde. Als ihre Familie nach New York zog, hatten die Lehrer dort gefragt, was Suelo bedeute. Sie antwortete, sie heiße entweder Nehama oder Consuelo, und schließlich hatten sich alle auf Connie geeinigt.

»Was soll die ganze Panik wegen Vava?« fragte ich.

»Ach, du bist zu müde für diesen Wirrwarr.«

»Was für einen Wirrwarr?«

»Laß es mich so ausdrücken. Ich verstehe es nicht, obwohl ich vom Fach bin. Er war ein Cousin von Vera.«

Vera. Veruschka. »Vava, tatsächlich?«

»Hat dein Genie Hopcroft das bei Olga nicht in Erfahrung gebracht?«

»Er hat es nicht erwähnt. Vielleicht wegen des Schlags auf den Kopf.«

»Bergmann war während der dreißiger Jahre in London mit ihm bekannt gewesen. Das hatte er ganz vergessen. Vava kam aus Veras Heimatstadt Rostow. Rußland hat er erst nach der Revolution verlassen, ging danach nach Deutschland, bis die Hitler-Geschichte anfing, und Weizmann ihn herausholte. Er gehörte zu den Flüchtlingen, denen Weizmann half. Eine Weile wohnte er bei den Weizmanns, und Chaim gab ihm im Featherstone-Labor irgendeine Arbeit.«

»Das Featherstone-Labor.« Irgendwann an diesem ermüdenden Tag, der mir mitsamt dem Flug noch zu schaffen machte, hatte mir jemand von diesem Labor erzählt, daran erinnerte ich mich. Aber was?

»Das Featherstone-Labor in London. Weizmanns Labor. Von ihm eröffnet, nachdem man ihn 1931 als Präsidenten der Organisation abserviert hatte. Damals wandte er sich wieder der Wissenschaft zu.«

»So?«

»Ja, darum geht es. Vava blieb also eine Zeit lang bei ihm, dann fand er den Job bei der Ölgesellschaft, fand eine Wohnung, und sie lebten glücklich bis an ihr Ende, er, seine Frau, und das kleine Mädchen.«

»Olga.«

»Olga«, nickte Connie.

Das alles schien keine Antwort auf die Frage zu ergeben. Außerdem war ich zu erschöpft, um darüber nachzudenken, also aß ich eine von den Orangen, die sie für mich gepflückt hatte und hörte ihr zu. Sie erzählte mir, was im Institut so vor sich ging und wer noch da war. Die meisten Leute der Fakultät waren noch immer hier: die Sassoons, die Beylises; und ein begabter Eierkopf aus Harvard namens Hammond L. Wyke.

»Gibt es etwas Neues über seine Nobelpreisaussichten?« erkundigte ich mich.

»Wir drücken die Daumen. In Japan gab es eine Initiative, die eine gewisse Unterstützung findet. Das Nobelpreis-Komitee – also ich würde versuchen, es auf eine gewisse Weise zu beeinflussen. Mit Geld, beispielsweise. Der weltfremde Wissenschaftler behauptet, das sei nicht möglich. Professor Tuomisalo aus Finnland ist auch auf unserer Seite.«

»Der Professor für Höhere Mathematik.«

»Genau der. Gut.« Sie gähnte. »Bat Yam ist ein paar Kilometer von hier entfernt, und dort steht mein Bett. Morgen früh rufst du an, wenn du zum Haus kommen willst. Zeev kommt dann und bringt dich hin.«

Ich brachte sie hinunter zum Wagen und kehrte zurück, todmüde. Bis auf das leise Pochen der Schwerwasseranlage vom Gebäudekomplex der Atomphysik ein paar hundert Meter entfernt, war es ganz still. Ich stand am offenen Fenster und atmete den Duft der Orangen ein. Vor meinen Augen flackerte es. Ich glaubte etwas zu sehen, das sich rasch und ruckartig bewegte. Kein Tier, und auch kein Fahrzeug. Es schien sich um einen rennenden Mann zu handeln.

Ich blickte der Gestalt eine Weile nach und ging zu Bett. Stundenlang warf ich mich schlaflos und unruhig von einer Seite auf die andere.

2

Am nächsten Morgen, im tiefsten Winter, zwitscherten die Vögel, die Sonne schien, die Bäume hingen voller Früchte, und Gott hatte seine Geschäfte wieder aufgenommen – mir war das nach der Zeit in London, das Caroline so treffend beschrieben hatte, hochwillkommen. Ich betrachtete das Tal, das sich in Wellen nach allen Richtungen fortsetzte. Auf den Fußpfaden bewegten sich Menschen auf Fahrrädern zwischen den verschiedenen, hier und dort diskret verborgenen, Tempeln der Weisheit; alles wirkte äußerst anregend und schmuck.

Ich duschte, rasierte mich, krönte die Morgentoilette mit dem himmlischen Talkumpuder und ging zum Frühstück nach unten. Außer mir war nur noch ein anderer Gast im Restaurant, ein Inder, der sich zurückhaltend von den Oliven und dem Cremekäse bediente, während er die Jerusalem Post las. Ich füllte mir ein Tablett, kaufte mir ebenfalls eine Zeitung und trug alles zum Fenster.

Die Armeen standen einander am Westufer des Suezkanals noch immer gegenüber; ein sehr hübsches Porträt von Scheich Yamani, dem saudi-arabischen Erdölminister, der mit gedrechselten Worten sein Bedauern über die unglückliche wirtschaftliche Situation in Westeuropa zum Ausdruck brachte; eine mysteriöse Reisknappheit bei den israelischen Großhandelshäusern, die in eine Preiserhöhung für dieses Produkt zu münden drohte.

»Entschuldigen Sie bitte, sind Sie Mr. Druyanov?«

Der Inder lächelte vorsichtig auf mich herab. Seine Gestalt war, wenn er stand, lang, sehnig und leicht gebückt.

»Ja bitte?«

»Connie hat mir gesagt, Sie seien heute hier. Wir sind gute Freunde. Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie sehr ich Ihr Buch bewundere. Es gibt zwei oder drei Punkte, die ich gern mit Ihnen diskutieren würde, die Rolle Gandhis 1939 – aber lassen Sie sich bitte von mir nicht stören.« Wir gaben uns die Hand, ich hatte mich halb aufgerichtet, und eine Salzgurke fiel zu Boden. Er schnappte danach wie eine Python. »Hier. Entschuldigen Sie. Sie sollten sie nicht mehr essen. Obwohl der Fußboden sehr sauber ist. Ich möchte Sie nicht weiter stören. Wir werden uns noch begegnen, mit Sicherheit, ich arbeite hier.«

»Sehr erfreut.«

Die ersten Anzeichen von Ärger in Arkadien.

Ich beendete das Frühstück und rief Connie an. Ein paar Minuten später brachte mich Zeev, der Chauffeur, zum Haus. Wir verließen das Institut und bogen nach links auf die Hauptstraße von Rehovot ab, dann wieder nach links und folgten der Zufahrt 500 Meter bis zum Torhaus. Dort hatten sich in der Zeit, als Chaimchik Israels Präsident war, die Wachen aufgehalten. Wir fuhren auf dem gewundenen Weg zwischen Orangenhainen hindurch daran vorbei und hielten auf der Auffahrt vor dem Haus.

So wie das große weiße Gebäude dalag, sah es aus wie ein Schwan in der Morgensonne. Die halbrunde, grüne Markise vor Chaimchiks ehemaligem Zimmer war heruntergelassen, der hölzerne Vogelkäfig hing noch immer im Freien an der Balkonbrüstung. Dort hatte er gesessen, die Vögel gefüttert und auf die Hügel von Jerusalem geblickt, die man im Augenblick als bläulichen Fleck in der Ferne erkennen konnte. Ich folgte Zeev die Eingangstreppe hinauf. Er schloß auf.

»Erinnern Sie sich noch an den Weg zu Mr. Meltzer?«

»Natürlich.«