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STELLA ANTE PORTAS

Stella ist meine Freundin aus Urzeiten, sprich aus der Schulzeit. So was hält ein Leben lang, heißt es. Trotzdem könnte es sein, dass es das letzte Mal ist, dass ich sie so nenne. Stella hat einen Mann. Redlich durch Heirat erworben. Stella hat ein Haus in Grünwald, redlich durch die Heirat mit dem Mann erworben. Stella hat ein schnelles Auto, das vor dem Haus des redlich erworbenen Mannes steht. Stella hat keinen Job, wegen der redlichen Heirat. Stella hat keine Sorgen. Bis gestern. Seitdem wohnt sie bei mir.

Sie hat den redlichen Gatten verlassen, wegen einer anderen, die auf den redlichen Gatten steht, und wie es aussieht, steht er auch auf sie. Und mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob er nicht höllisch recht hat, der Gute.

Machen wir einen kurzen Schwenk zu mir. Tommy, mein unredlich erworbener Liebhaber – Tommy ist der Ehemann einer anderen –, kehrte nach drei Jahren Entschlusslosigkeit in den vertrauten Ehehafen zurück und ließ mich mit einer viel zu großen Wohnung, einem Halbtagsjob in seiner Werbeagentur, einem gebrochenen Herzen und einer ungebrochen fröhlichen Promenadenmischung von Hund zurück.

Das war vor drei Monaten. Seither habe ich die Anzahl meiner Jobs verdoppelt, die Miete durch Untervermietung halbiert und mein Herz notdürftig vom Schreiner reparieren lassen, der auch die neue Tür montiert hat, damit mein Untermieter ein abschließbares Zimmer sein Eigen nennen kann. Mit anderen Worten: Ich hatte null Zeit, mir Stellas Liebesleid anzuhören. Schließlich war ich vormittags Tommys kreative Hilfe in der Werbeagentur und nachmittags Assistentin eines Tierarztes. Ich hatte null Nerven, mein eigenes Liebestollhaus zu erweitern. Und ich hatte null Platz für Stella, die mit ihrer zehnteiligen Koffergarnitur von Louis Vuitton vor der Tür stand und fest entschlossen war, bei mir einzuziehen.

Mein derzeitiger Untermieter ist ein ausgesprochen umgänglicher Mensch. Er arbeitet wie ein Verrückter, kommt spätabends zu einem Kurzschlaf nach Hause und ist bereits wieder auf dem Weg ins Büro, wenn ich meine müden Locken ins Bad trage. Um nichts in der Welt würde ich diesen pflegeleichten Vollakademiker mit einer Problem-Bottle wie Stella tauschen.

Apropos Bottle. Stella kam, griff sich die noch halb gefüllte Flasche Rotwein vom Küchenbord und lümmelte sich gesprächsbereit in meine Sofaecke. Das hab ich gerne. Rache ist süß, und ich habe ihr nicht gleich gesteckt, dass sie den Kochwein trinkt, der seit einem Vierteljahr geöffnet in der Ecke steht. Es war die letzte Flasche, die Tommy, mein fremd verheirateter Liebhaber, für uns geöffnet hatte, und ich konnte mich nie entschließen, sie entweder auszutrinken oder wegzukippen. Nach dem zweiten Glas fand Stella das Zeug allerdings widerwärtig und wühlte in meinem Kühlschrank nach etwas Besserem. Wir waren bereits an der Stelle der Erzählung angelangt, wo Stella ihren redlich erworbenen Ehemann »diese alte Drecksau« nannte und ihr redlich erworbenes Haus im Nobelviertel von Münchens Süden »eine Spießerhölle hinter Alarmanlagen«. Was der eigentliche Grund ihrer Tirade war, wusste ich noch nicht, warum auch – Stella setzte bedingungslose Solidarität voraus. Mein Vorrat an Prosecco war unter dem geübten Griff meiner Freundin bereits zur Gänze in Gläsern und Kehlen gelandet, als mein Untermieter zu seiner Kurzschlafphase nach Hause kam 

ALEX, DER BERATERKÖNIG

Stella hatte gerade unter Schwenken meiner letzten Proseccoflasche die Flaschenhaftigkeit ihres Mannes demonstriert, als Alex, mein pflegeleichter Untermieter, den Kopf zur Wohnzimmertür reinstreckte.

»Tach, die Damen, na, gibt’s was zu feiern?«, sagte er und prostete Stella mit einer erfreuten Geste zu, die sofort, Brust-raus-Bauch-rein, aufsprang, um Alex ein gut gefülltes Glas zu reichen.

»Treten Sie näher, junger Mann, wir rechnen gerade ab mit Typen wie Ihnen, und da Ihr Schuldenkonto bei mir im Augenblick auf null ist, dürfen Sie sich ein wenig zu uns setzen.« Stella klopfte gönnerhaft auf den Sofaplatz neben sich und strahlte Alex mit ihrem 5000-Euro-Bleeching-Lächeln an.

Alex war sichtlich beeindruckt. »Maya, warum hast du mir deine reizende Freundin verschwiegen? Sie scheint ja die Qualitäten eines Stafford Terriers zu haben, alle Achtung!« Er grinste breit. »Und ich dachte, außer dem angespannten Tommy und dem Schreinerlümmel Max gäbe es in deinem Leben keine Sozialkontakte.« Er ließ sich bereitwillig auf den ihm zugeteilten Platz fallen, den er sich mit Gonzo, meinem Zottelhund, teilen musste.

»Ich bin Stella«, stellte sich meine Freundin vor. »Sagen Sie mal, ach, ich darf doch Alex und du sagen, nicht? Was machst du denn so spät abends noch im Büro?« Stella betrachtete den Untermieter mit unverhohlenem Interesse, und ich war platt über diesen plötzlichen Schwenk in der Dramaturgie dieses Abends, denn immerhin hatten die vergangenen drei Stunden ausschließlich ihrem hasserfüllten Monolog über Daniel gehört. Nicht mal ein Fitzelchen Liebeskummer meinerseits konnte ich beisteuern. Und auch meine neu erworbenen Sneakers aus butterweichem Leder konnten Stellas Aufmerksamkeit nicht erringen. Und dann kommt so ein Anzugmännchen zur Tür rein, und schon biegt sie den Rücken gerade und schenkt ihm ihr schönstes Proseccolächeln. Zugegeben, Alex sieht einfach umwerfend aus, im Anzug. Da ich seine Vermieterin bin, habe ich ihn auch schon in Unterhose und Schwitzkopf gesehen und weiß daher, dass er seinen »Wir-sitzen-nur-am-Schreibtisch-und-bewegen-uns-kaum«-Bauch sehr geschickt unter dem Brionituch verhüllt.

»Warum hab ich nie etwas von Stella gehört, Maya?«, sagte er vorwurfsvoll.

Seine Entrüstung ist gut gespielt. Wie soll ich ihm erklären, dass Stellas Welt sich in einem Paralleluniversum zu meinem kleinen Leben abspielt. Während ich mit meinem schlappen Hund morgens in das schicke Büro meines Ex-Freundes Tommy schleiche, um mich von ihm für jede Kleinigkeit kritisieren zu lassen, frühstückt Stella mit einer ihrer Upperclass-Freundinnen im Bayerischen Hof auf der Dachterrasse, um im Anschluss dem SPAradies selbigen Hotels einen klitzekleinen Besuch abzustatten, sich verschönern zu lassen und dann im Dampfbad und auf weichen Liegen zu entspannen. Wenn mittags Tommys Genörgel ein Ende hat und ich meine Mittagspause im öffentlichen Nahverkehr verbringe, um von Bogenhausen nach Nordschwabing zu gelangen, mir sieben Kommentare meinen Hund betreffend anhören darf und schließlich völlig aufgelöst bei Roland Berger, meinem Tierarzt, eintreffe, hat Stella bereits mit frisch lackierten Fußnägeln und perfekt gezupften Augenbrauen eine der vornehmen Boutiquen in der Maximilianstraße nicht unter zwei Tüten verlassen.

Stella ist nicht verschwenderisch, sondern wählerisch, ja, so muss man es wohl sagen. Sie betreibt wirklich harte Feldforschung, um mit absoluter Sicherheit die teuerste cremefarbene Bluse mit Perlmuttknöpfen zu erwerben, die sich in einem Radius von 500 Metern rund um die Oper finden lässt. So was strengt an und muss mit einem Häppchen im Sushi Garden belohnt werden. Wo auch sonst, denn nur dort sind die Portionen so klein, dass auch garantiert keine Gewichtszunahme zu befürchten ist. Und diese wird selbstverständlich gefürchtet und als schlimmste Geißel der Menschheit seit Ausrottung der Pest beurteilt. Stella ist dünn, nein, sagen wir, kurz vor mager, was man allerdings angesichts ihres wirklich respektablen Umgangs mit meinem Prosecco gar nicht glauben mag.

»Gnädige Frau … also … Sie tragen Ihren Namen wirklich zu Recht, Sie sehen umwerfend aus!«, hörte ich den Untermieter jetzt säuseln. Alex konnte seine Augen kaum von meiner Freundin lassen und rutschte animiert am äußeren Rand des Sofas hin und her.

»Ach, nenn mich einfach Stella und du, ich komme mir sonst so alt vor.« Stella blinzelte, als ob ihr die Mitternachtssonne die Iris trüben würde, und schob dann mit dieser unnachahmlichen Bewegung von Zeige- und Mittelfinger ihr maronengesträhntes Haar nach hinten. Ich habe diese Geste lange vor dem Spiegel geübt und dabei nicht nur einen steifen Hals bekommen, sondern auch filzige Knoten in meinen Haaren, die weder von dieser Bernsteinaura umgeben sind noch strukturell so gebaut, dass sie nach dem Zurückschieben auch so liegen bleiben, wie ich es gerne hätte. Sagte ich schon, dass meine Haare zwischen Toastbeige und Korkbraun changieren? Ich meine Weizentoast, schlecht getoastet, und Kork, nachdem er schon fünf Jahre im feuchten Flaschenhals gammelt.

Okay, okay, Stella ist strahlend schön, daran gibt es nichts zu deuteln, aber schließlich arbeitet sie auch acht Stunden am Tag daran, und ich bin mausgrau, weil ich vier Stunden den angegriffenen Hormon- und Wirtschaftshaushalt meines Ex-Liebhabers Tommy aushalte und die restlichen vier Stunden einem völlig asexuellen Veterinär beim Verarzten von Springmäusen und Pudelpfoten zur Hand gehe. Ich glaube wirklich, dass Roland in mir so eine Art zu groß gewordene Golden-Retriever-Dame sieht, und dass er mir nach getaner Arbeit nicht den Kopf tätschelt und mir zur Belohnung ein Frolic zusteckt, ist alles.

Stella erhob sich also und strich mit der ihr eigenen Langsamkeit die nicht vorhandenen Falten ihres Armani-Röckchens zurecht. Da Alex immer noch auf der Sofakante herumwippte, passierte dieses Abstreichen imaginärer Fussel direkt auf seiner Augenhöhe, und ich erwog bereits eine Mieterhöhung wegen Zimmer mit Aussicht.

»Sie wollen schon gehen?« Alex’ Bedauern schien unermesslich und er erhob sich artig über die Armani-Bündchenhöhe.

»Du sollst doch Stella zu mir sagen, zumal wir uns jetzt öfter begegnen werden«, Stella befeuchtete ihre Oberlippe nach diesem Satz mit dieser unglaublich hellrosa Zungenspitze, die ich selbst als Frau aufregend fand, »ich werde nämlich ab jetzt für eine Weile hier wohnen.«

Gut, das wäre also auch geklärt, man muss mich ja nicht fragen, nö, klar, nehmt euch nur, Wohnraum ist für alle da, und die gute alte Maya kann ja abends noch putzen gehen, dann ist’s auch nicht so voll in der Bude und Maya kann auf diese Weise genug Futter und vor allem Flüssigkeiten für alle ranschaffen.

Stella konnte Gedanken lesen.

»Natürlich übernehme ich meinen Anteil an der Miete. Maya ist ja so schon beschäftigt genug, ihr kleines Leben zu finanzieren, da muss ich ihr nicht auch noch auf der Tasche liegen – nicht wahr, Liebes?«

Sie wandte sich mir ein wenig zu, beendete ihre Dehnübung und setzte sich wieder, während ich mir auf die Lippen biss, um meine übergroße Begeisterung im Zaum zu halten. Wenn ihr mein kleines Leben schon auffiel, könnte sie doch ihr großes Leben in einer der reizenden Suiten des Bayerischen Hof verbringen, da wäre sie dann auch am SPAradies nahtlos dran und könnte sich die Polierhilfe für Nägel und sonstige Unebenheiten direkt aufs Zimmer bestellen.

»So, Zapfenstreich, meine Lieben, eure gute Maya muss morgen ihr kleines Leben wieder aufnehmen und ein bisschen Geld verdienen. Außerdem muss ich noch mal mit Gonzo Gassi und hier aufräumen, denn meine kleine Pension verfügt ja leider nur über drei Zimmer, und ich nehme nicht an, liebe Stella, dass du heute Nacht, nach deinem schlimmen, schlimmen Tag, das Zimmer mit jemandem teilen möchtest?«

War ich gemein? Stellas Augen begannen sich gefährlich zu füllen, schwimm, schluck, nicht, nein, Stella jetzt nicht heulen … Alex mit seinem Frauenversteherblick und seiner Consulting-Psychologie erfasste die Situation sofort und schlug Stella ein gemeinsames Hunde-Gassi-Gehen vor. Da könne sie ihm ihren Kummer erzählen und ich könnte in Ruhe aufräumen. Prima, so hatte ich es mir immer gewünscht: Die Herrschaft promeniert mitternächtlich bei Mondenschein und Maya kann die Brösel wegwischen und die Betten beziehen. Aber alles war besser, als Stellas Gejammer über Daniel weiter zu ertragen oder – noch schlimmer – ihren verzweifelten Versuchen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, beizuwohnen. Will sagen, die Balz um Alex zu ertragen – und das am Abend ihres Auszugs aus der Grünwaldvilla und nach unmittelbarem Einzug in die Drei-Zimmer-Wohnung ihrer Freundin Maya.

Gedankenverloren legte ich Gonzo sein Halsbändchen an, als Stella schon flötete: »Gonzolein, komm!« Gonzolein machte keine Anstalten, sich der Wohnungstür zu nähern, stattdessen ließ er sich zur Seite fallen und gab kleine japsende Laute von sich, die von einem Sabberfaden aus seiner Lefze begleitet wurden.

»Maya, Liebes, du musst dem Hund unbedingt abgewöhnen, in der Wohnung zu triefen, er wird dir die Möbel ruinieren!« Stella verzog missbilligend die frisch geschminkten Lippen. Für einen Moment erwog ich, die beiden ohne Schlüssel rauszuschicken und anschließend die Klingel abzustellen, dann setzte ich mein Durchwink-Zen-Lächeln auf und reichte Stella die Leine.

»Viel Spaß ihr beiden, und hier, Stella, nimm noch eine Tüte mit, falls Gonzo sein großes Geschäftchen auf dem Bürgersteig macht.«

Stellas Blick war kurz vor Laserschwert, aber Alex nahm ihr geduldig Tüte und Leine aus der Hand und schob sie durch die Tür. Als ich die letzten Reste Wein und Prosecco entsorgt, die Spülmaschine gefüllt und die Ausziehcouch mit der letzten noch sauberen Bettwäsche aus meinem übersichtlich bestückten Wäscheschrank bezogen hatte, klingelte das Telefon. Es war Max, mein Schreiner in der Not. Ob er noch vorbeikommen könne, ihm sei so nach was Zartem, Weichem, nachdem er heute den ganzen Tag eine Schrankwand, Eiche rustikal, verleimt hätte. Meine Lust, sensorisch-therapeutisch zu helfen, hielt sich sehr in Grenzen und die Lust auf schwielige, leimverkrustete Hände auf meiner Haut auch. Der Abend war auch so schon aufregend genug gewesen. Ich warf Max also ein paar Luftküsse durch den Hörer und schickte ihn in sein eigenes Bett. Was für ein Glück, dass ich Stella und somit eine Ausrede hatte. Ich musste geradezu liebevoll an Stella denken und schlug den Zipfel der altmodischen grünen 70er-Jahre-Frotteebettwäsche so einladend zurück, wie man es im Hotel vorfindet. Gut, ja, grüne Frotteebettwäsche war sicher das Allerletzte in Stellas Augen, aber das war ja auch nicht das Vier Jahreszeiten, und überhaupt, wer müde ist, schläft auch in Frottee gut.

Das Einzige, was ich in dieser Nacht noch mitbekam, war ein ausgetobter Gonzo, der sich in mein Zimmer schlich, draußen zwitscherten schon die ersten Vögel, und in meinem Wohnzimmer zwitscherte Stella. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Frottee so eine erheiternde Wirkung hat.

TOMMY
ODER »DER PASST ALLEN«

Vielleicht hatte ich das mit dem Gezwitscher auch nur geträumt, jedenfalls waren am Morgen alle Zimmertüren zu und offenbar jeder in seinem Bett. Halt, wieso war denn Alex noch in seinem Bett? Sieben Uhr vorbei, wo doch der Gute immer die Früh-, die Mittel- und die Spätschicht in seinem Consulting-Laden zu haben schien? Na, vielleicht hat er sein erstes Meeting ja später als sonst. Nicht immer das Schlimmste annehmen, Maya, sagte ich mir, was mir allerdings im Zusammenhang mit Stella wirklich schwerfiel.

Während ich ins Bad wankte, fügten sich in meinem Hirn die Scherben von Stellas offenbar doch nicht so redlichem Leben wieder zusammen.

Daniel hatte was mit dem Kindermädchen, welches Töchterchen Lea-Charlotte hingebungsvoll umsorgte, vor allem dann, wenn Stella ihre Spa-und-Shopping-Ausflüge wieder einmal nicht in der avisierten Zeit hinbekam, weil drei kleine Blusen ihr den direkten Weg zum Cabrio abgeschnitten hatten.

Lea-Charlotte ist sieben, und mein ganzes Mitleid gilt dem Au-pair-Mädchen, das bei diesem hinterlistigen Wesen die deutsche Sprache erlernen muss. Das Kindermädchen kommt aus Argentinien und ist geschätzte 20 bei optischen 14 Jahren. Daniel ist 45, und ich habe Mühe, nicht an Pädophilie zu denken, wenn das wahr sein soll, was Stella behauptet. Sie habe Marias Unterhöschen in Daniels Arbeitszimmer gefunden, ganz zerknüllt! Und dann sei Daniel nie nach Hause gekommen, vor allem an den Abenden, an denen Maria frei hatte, was wohl eher selten vorkam, da Stella sich um die Höchstarbeitszeiten von Au-Pair-Mädchen keinen Kopf machte. Ganz abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand nach einem Tag mit Lea-Charlotte noch die Neigung verspürte, etwas anderes zu tun, als in einer Mönchszelle sein Gleichgewicht zu finden. Apropos Mönchszelle – ich vergaß zu erwähnen, dass Marias Zimmer in der redlich erworbenen Villa im Keller neben dem Heizungsraum liegt, fensterlos und mit dem Grundgeräusch einer ökobetriebenen Wärmeanlage ausgestattet. Ich konnte mir also wiederum sehr gut vorstellen, dass man als Au-Pair-Mädchen versuchte, via Ehemann an ein upgegradetes Zimmer zu gelangen. Ich konnte mir auch vorstellen, dass man als redlich erworbener Ehemann ab und zu Lust auf eine wohlgepolsterte Südamerikanerin hatte, vor allem, wenn man eine Frau wie Stella hatte, die Kalorientabellen am Kühlschrank aufhing und ihrem Mann morgens statt dem Abschiedskuss einen Schrittzähler ums Handgelenk band. Und ich konnte mir sogar vorstellen, dass Daniel einfach nur wahnsinnig viel zu tun hatte, denn angesichts der etwas angespannten Wirtschaftslage, die ja auch Tommys Werbeagentur nicht verschont hatte, waren Pferdeanhänger im Hochpreissegment auch nicht das, was jedermann heutzutage am nötigsten brauchte.

Dies alles wollte ich Stella heute Abend mal in aller Ruhe sagen, inzwischen hatte ja alles in mir gearbeitet und ich glotzte ziemlich selbstzufrieden in den Badespiegel, aus dem mich eine Frau mit deutlichen Wassereinlagerungen unter den Augen anschielte. Quellauge sei wachsam! Ich erhob den Zeigefinger drohend, die Frau im Spiegel tat dasselbe. Ich streckte ihr eine weiß belegte Zunge entgegen, sie mir auch. Dann kramte ich wie jeden Morgen in meinen Töpfchen und Tuben, und schon nach kurzer Zeit strahlte mich eine tagescremegetönte, rougerosa, lipgloss-frische Frau mit deutlichen Wassereinlagerungen unter den Augen an.

Na bitte, geht doch!

Kaffee, Gonzo, Frühstücksdose. Das waren drei eingeübte Handgriffe, die das Leben in der Früh zu einem Präzisionsuhrwerk machten. Und heute Morgen gab es gratis das Sandkorn dazu. Stella stand mit winzigem Babydoll und Gel-Pads unter den Augen in meiner Küche und hantierte im Oberschrank herum.

»Stella, kann ich dir helfen, du musst doch nicht aufstehen, mach dir lieber einen gemütlichen Tag!« Ich versuchte so neidlos wie möglich zu klingen.

»Ach Maya, ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan, ich will gleich mal in die Stadt fahren und neue Bettwäsche kaufen, dieser Frotteebezug ist wohl noch von vor dem Krieg. Dabei war ich müde wie ein Fließbandarbeiter, nachdem mich Alex noch so nett mit dem Hund begleitet hat. Ein wirklicher Schatz ist dir da ins Haus geflattert, dass du den nicht schon längst in dein Flirtprogramm mit eingebaut hast? Na, jetzt musst du es auch nicht mehr machen!«

Sie blinzelte mich vielsagend an, und ich hatte völlig meinen Präzisionsfaden verloren und die Hundeleine in der Brotdose verstaut, ohne es zu bemerken. An Kaffee war auch nicht mehr zu denken, denn in weniger als drei Minuten ging meine Trambahn, und wenn ich jetzt nicht den Hund, die Tasche und meine Jacke nehmen würde, dann würde Tommys sowieso schon schlechte Laune auf den Tiefpunkt sinken.

Ich hastete zur Tür, Gonzo wackelte hinter mir her, die Leine war ja nicht zu finden, dann musste es eben auch so gehen. Stella drückte mir ein Küsschen auf die Wange und begleitete dies mit den Worten: »Du musst diese Pads auch mal ausprobieren, die sind wirklich fantastisch gegen Wassereinlagerungen unter den Augen.«

Danke schön, das war das Wort zum Montag, die Woche hatte Anlauf genommen und war jetzt schon auf einem guten Weg, allen anderen Wochen dieses Jahres den Rang abzulaufen. Laufen – ein wunderbares Stichwort, dessen Bedeutung mir erst auf der Straße schmerzlich bewusst wurde, als ich merkte, dass ich noch meine Holzpantinen anhatte, die Gonzo immer so wahnsinnig gerne zum Apportieren benutzt. Bei meinen verzweifelten Schrittkombinationen, die nur ein Ziel hatten, noch diese verdammte Tram um zwei nach halb zu bekommen, schnappte Gonzo jedes Mal in meine Fersen, um die Pantinen zu erhaschen. Zur Freude der Passanten. Kommentar eins: »An ihrem Schuh klebt ein Hund, hahaha!«, Kommentar zwei: »Will er spielen?«, Kommentar drei: »Des san aber koane Laufschuh!«, Kommentar vier: »Ich kann Ihnen eine gute Hundeschule empfehlen!«, Kommentar fünf: »Der ist noch jung, gel?«, Kommentar sechs: »Die Tram ist gerade weg!«

Ich ließ mich nass geschwitzt auf die Bank im Haltestellenhäuschen fallen und Gonzo gab sich ganz dem Zernagen meiner linken Pantolette hin. Ich muss wohl lange auf das Graffiti an der Wand gestarrt haben, denn Kommentar sieben war: »Fräulein, die nächste Tram ist da, steigen Sie auch ein?«

Ja, ich stieg auch ein, mit einem zerkauten Schuh, einem derangierten Look und Wassereinlagerungen unter den Augen. Tommy, du kannst schon mal die Munition einlegen, heute bietet dein Ex-Bettweibchen eine bunte Zielscheibe für Gehässigkeiten aller Art, inklusive der Ouvertüre für Zuspätkomm-Tage: »Mahlzeit! Na, auch schon da?«

Als ich in der Agentur einlief, war wie immer um diese Uhrzeit niemand da außer Tommy, das »Mahlzeit« kam wie erwartet mit dem Nachsatz:

»Wenn du dein reizendes Schuhwerk repariert hast, hättest du dann wohl Zeit für mich?«

Klar für ihn, für wen auch sonst, war ja niemand da. Alle anderen kamen natürlich erst um neun, aber die hatten ja auch einen gemütlichen Ganztagsjob und nicht so ein Beschäftigungsprogramm wie ich. Dass ich in meinem Halbtagsjob die Arbeit eines ganzen Tages erledigte, verstand sich von selbst, und damit das klappte, hatte ich immer um acht da zu sein.

Tommy saß breitbeinig in seinem Monsterchefbürosessel mit Kippautomatik und Hebebühne für alle Auftritte. Heute hatte er den Sessel ganz besonders hoch geschraubt, während mein Stühlchen auch in jedem Kindergarten Verwendung gefunden hätte.

»Maya, du weißt, dass ich dich wirklich schätze, aber unsere … wie soll ich sagen … Beziehung … beziehungsweise unsere gewesene Beziehung …« Tommy ließ die Arme zwischen die Beine sinken und legte eine theatralische Schweigeminute ein. »Also unsere Ex-Beziehung beeinflusst unser Arbeitsklima doch sehr!«

Danke, dass du es auch bemerkst, aber an wem liegt das wohl, an mir jedenfalls nicht, die ich jeden Morgen um acht meinen Dienst antrete, als wäre nie etwas geschehen. Das alles sagte ich natürlich nicht. Stattdessen sagte ich: »Was willst du mir eigentlich sagen, Tommy? Du warst es doch, der sich nicht entscheiden konnte, und dein Herumgeeiere hat unsere Beziehung letztendlich zu Fall gebracht. Du verlässt deine Frau, du verlässt sie nicht, du verlässt deine Frau, du verlässt sie nicht … Leider bin ich bei diesem Abzählspiel rausgeflogen, soll ich jetzt auch noch aus deiner Firma rausfliegen?«

»Nein, nein, ganz im Gegenteil!« Er lächelte. »Ich wollte dich nämlich fragen, ob du vielleicht ganztags in der Agentur arbeiten könntest, dann würde viel mehr Normalität eintreten, und deine konzeptionellen Vorschläge in der letzten Zeit waren ja auch wirklich gut. Dieser Slogan für den Wegwerfbüstenhalter – ›Der passt jedem‹ und dazu das Foto mit diesem scharfen Typen … also, das war einfach genial. Und dann bräuchtest du auch nicht mehr zu diesem Tierarzt.« Er rümpfte die Nase. »Mit den ganzen Viechern verschleuderst du doch nur dein Talent!«

Talent? Vorschläge gut? Mehr arbeiten? Hatte Tommys amtierende Ehefrau dem Guten heute etwas in den Kaffee getan? Hörte ich da Eifersucht? Oder war das so etwas wie Anerkennung?

Ich musste ihn wohl ziemlich lange angesehen haben, jedenfalls meinte er schließlich: »Maya, ich sehe doch, wie abgearbeitet du bist. Diese zwei Jobs kosten dich zu viel Energie und machen dich auch nicht gerade schöner. Wirklich, du hast schon richtig tiefe Schatten unter den Augen.«

Na schön, so weit war es also gekommen, meine Augenringe waren durch den Stress mit der Tram offenbar so angeschwollen, dass sich dahinter Schatten bildeten. Ich rannte aus Tommys Büro, um mich in der Toilette einzuschließen. Meine Augenringe gehörten mir. Die Aussicht, Tommys blöde Bemerkungen den ganzen Tag zu ertragen, war alles andere als verlockend, dagegen war der ruhige Job bei meinem Veterinär Roland die reinste Erholung. Kein Dackel, kein Meerschweinchen, kein Wellensittich würde heute Nachmittag auch nur einen Ton über meine Wassereinlagerungen verlieren. Und Roland interessierten solche Äußerlichkeiten nicht. Als ich einigermaßen gefasst wieder in Tommys Büro trat, stand mein Entschluss fest. Alles sollte bleiben, wie es war. Das Einzige, was ich ihm zusicherte, war, mich zukünftig noch mehr »konzeptionell einzubringen«. Nachdem das Einbringen meines sehnsüchtigen Körpers nicht mehr gefragt war, hatte ich ja Energien frei. Das war es überhaupt! Ich würde diese ganze völlig überbewertete Beischlafsache energietechnisch umlenken. Ich wollte sofort damit anfangen, verhedderte mich aber mit meiner angekauten Pantolette in Tommys Laptopkabel und hätte beinahe den Computer und mich selbst zu Fall gebracht. Tommy fing mich auf.

Oh Mann, dieser Duft, nicht schwach werden, alles überbewertet, nicht dran denken, an die Brusthaare, die jetzt wieder seine Frau durchkämmen durfte, nicht an diese blauen Tiefseeaugen denken, am besten gar nicht reinschauen – Knoblauch und Kreuzzeichen – nicht daran denken, dass ein ganzer Tag in der Agentur uns vielleicht doch wieder näherbringen könnte.

Tommy drückte mich ein wenig zu fest an sich, grub mir ein wenig zu fest die Finger in den Rücken, fasste ein wenig zu viel nach, so dass sich meine Bluse über seine Hand schob und sein stützender Griff Haut auf Haut geriet. Seine wunderbaren Lenden waren direkt an meinen Hüften, nur durch lächerliche Gewebeschichten getrennt. Gonzo fand als Erster die Fassung wieder, indem er an uns hochsprang und seine feuchte Schnauze in Tommys Anzugtasche bohrte.

»Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass dieser Hund besser erzogen werden muss?« Tommy ließ mich los und untersuchte seine Anzugtasche, als hätte Gonzo Pipi draufgemacht. Gut, sie war jetzt ein bisschen grau an der Stelle, weil Gonzo natürlich Straßenstaub mitgebracht hatte, aber ein Drama war das nicht. Das Drama war vielmehr, dass ich immer noch nicht immun gegen Tommy war und mit weichen Knien sein Büro verließ, in der einen Hand den Pantoffel, in der anderen Gonzo hinter mir herziehend. »Es gibt da sehr gute Hundeschulen« war das Vorletzte, was ich an diesem Vormittag von Tommy hören sollte. Klar, wenn er samstags schon keine Zeit mehr für mich hatte, sollte ich wenigstens nicht auf dumme Gedanken kommen.

Das war ganz schön clever, doch Maya würde standhaft bleiben. Viel zu lange lieb gewesen, 32 Jahre lang lieb gewesen. Ha! Jetzt würden andere Saiten aufgezogen. Mit dieser neu gewonnenen Dynamik hatte ich gerade die Espressomaschine in Gang gesetzt, als diese plötzlich ein wildes, gefährlich klingendes Zischen hervorstieß. Heißer Kaffee schoss unvermittelt aus Öffnungen, die ich vorher noch nie bemerkt hatte, und eine Sekunde später fiel im ganzen Büro der Strom aus.

Vier Stunden später war immer noch kein Strom da. Ich hatte weder ein Konzept in den Computer tippen können, noch telefonieren oder irgendetwas kopieren können. Tommy war in der fensterlosen Dunkelheit des Kopierraums dreimal über Gonzo gestolpert und hatte mich jedes Mal spüren lassen, dass ich selbst zum Kaffeekochen zu blöd war.

Niemand kann sich vorstellen, wie glücklich ich war, als ich an diesem Tag Punkt zwölf Uhr meinen Vormittagsarbeitsplatz verlassen konnte, um zu meinem »Nachmittagsvergnügen« zu eilen – so nannte es nämlich Tommy, wenn ich hektisch um fünf vor zwölf aus seinem Blickfeld verschwand, weil er die unangenehme Angewohnheit hatte, exakt um diese Uhrzeit noch unaufschiebbare Arbeiten auf meinem Schreibtisch zu platzieren. Heute gab es nichts zu platzieren, ich hatte die Ablage gemacht, die Blumen gegossen, Tommys Post geöffnet und mit Eingangsstempeln versehen und mich über die sieben Mahnbescheide gewundert. Aber nur ein ganz kleines bisschen, denn der Modekatalog von Impressioni Italiani hatte meine ganze Aufmerksamkeit gefordert. Hatte ich doch die Texte geschrieben und mir diese unglaublich witzige Kampagne mit den alten Genueser Hafenarbeitern einfallen lassen, die, begleitet von blutjungen Bürgerinnen der Stadt, einen Schwertfisch über ihre Köpfe hoben. Die Kleider der Mädchen waren natürlich von Impressioni Italiani. Auf der nächsten Seite ließ ich römische Mamas im mittleren Matronenalter in Teigschüsseln rühren und Mädchen, die ihre Töchter hätten sein können, leckten mit dem Zeigefinger aus eben diesen Schüsseln Teig. Kleider: Impressioni Italiani! Dass diese Mädchen niemals auch nur einen Hauch Teig von ihrem Finger leckten, konnte jeder sehen, denn Größe 34 kann man schließlich mit einem Pastaränzlein, wie dem meinen, nicht mehr tragen. Meine absolute Lieblingsseite war allerdings die Doppelseite mit den Feuerwehrleuten aus Neapel, die allesamt direkte Nachfahren des Paten sein mussten und denen ich lauter Holzmadonnen in die Pranken gedrückt hatte. Die Mädels in den Impressioni Italiani-Kleidchen ließ ich in den Mauernischen posieren, wo sonst die Madonnen standen. Wie scharf war das denn? Ich hätte gar nicht gedacht, dass mein Konzept so authentisch rüberkommen würde. Stromlos wie ich war, vergnügte ich mich eine gute Stunde des Vormittags mit selbstherrlichen Gedanken und überließ Gonzo auch noch den Rest der Holzpantine. Die Welt war schön, und auf dem Weg zum Tierarzt würde ich mir diese zauberhaften orangefarbenen Ballerinas mit den fuchsiaroten Satinbändchen kaufen. Roland würde zwar nicht mal merken, ob ich barfuß, mit einem zerkauten Schuh oder mit Elfenballerinas käme, aber ich, ich würde es merken und einen Kontrapunkt zu sämtlichen Augenrändern setzen. Niemand würde mehr auf sie schauen und jedermann würde nur noch Augen für meine Füße haben.

»Maya, wenn du dann fertig bist, den Impressioni-Katalog auswendig zu lernen, könntest du mir noch einen Kaffee von Starbeens holen!«

Tommy tippte sich leicht grüßend mit Zeige- und Mittefinger an die Stirn und verschwand in seinem Büro. Blöd, blöd & blöd, fünf vor zwölf, der Klassiker, der unaufschiebbare Highnoon-Auftrag. Ich drückte der Azubine schnell vier Euro in die Hand und bat sie, den Kaffee zu holen, den Rest dürfe sie behalten, worauf sie mich mit großen Kuhaugen anglotzte.

»Was ist? Das sind leider auch Aufgaben, die man im normalen Agenturalltag übernehmen muss!« Mein Ton hatte das gewisse Lehrerhafte.

»Was soll ich denn für einen Rest behalten, wenn der Kaffee schon vier Euro fünfzig kostet«, maulte das Lehrmädchen und glotzte mich weiter an, aber nunmehr mit dem Blick: In welcher Zeit lebt die denn, weiß doch jedes Kind, dass Coffee to go teurer ist als ein Tässchen Bohnenkaffee bei der Königlichen Hofkonditorei, die schon seit 300 Jahren Bohnen röstet und immer noch so aussieht wie vor 300 Jahren.

Klar, weil der Kaffee zu billig ist und sie auch noch die Tassen abspülen müssen, statt den Müll dem Kunden aufzuhalsen.

In diesem Zusammenhang musste ich mal in Ruhe drüber nachdenken, ob es nicht ganz im Sinne des Zeitgeists wäre, wenn wir unserem Großkunden Impressioni Italiani anbieten würden, er, Cheffe, solle selber Model für seine Klamotten stehen, und wir würden dann aber das Doppelte für unsere konzeptionelle Arbeit verlangen. Ich drückte unserem Auszubildenden-Girlie noch ein Geldstück in die Hand und verließ barfuß mit Gonzo mein morgendliches Land des Lächelns. Für die Ballerinas würde es jetzt zu spät sein, die Tram würde wieder nicht auf mich warten, aber dafür jede Menge haarige Patienten in Rolands Wartezimmer.

Kaffeelos seit dem Morgen machte sich in der Tram allmählich eine gewisse Unterzuckerung breit, die sich leider auch nicht beheben ließ, denn ich hatte ja heute Morgen statt etwas Essbarem Gonzos Leine in der Brotdose verstaut. Barfuß und der Ohnmacht nahe kam ich bei Roland an, der einen Zettel an seine Tür geheftet hatte: »Liebe Patienten, bin bei Geburt eines Kälbchens – Sprechstunde fällt aus, wenden Sie sich bitte an den zuständigen Veterinärdienst.«

Mit letzter Kraft schleppte ich mich zu Eduscho an der Ecke und holte mir einen Becher Kaffee und eine Butterbreze, zusammen für Eins achtzig wegen Brezenaktionstag. Gonzo leckte mir die Füße und anschließend die buttrigen Hände, und ich überlegte mir sehr genau, was ich mit diesem freien Nachmittag wohl noch so alles anstellen konnte.

MAX, DER SCHREINER

Irgendwie selig teilte ich mir mit Gonzo ausgesprochen brüderlich meine Laugenbreze und verbrannte mir den Mund am heißen Kaffee – wie gesagt, kein Tag für Kaffee. Das konnte meine Laune aber nicht trüben. Ich hatte mich auf die Stufen eines Brunnens postiert, um so ein Fontana-di-Trevi-Gefühl zu bekommen.