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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2545

 

Vatrox-Tod

 

Angriff auf eine Hibernationswelt – der Test für eine Waffe gegen die Frequenz-Monarchie

 

Michael Marcus Thurner

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.

Als die Terraner die Transport-Technologie sogenannter Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, zu entschlüsseln beginnen, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof.

Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox und ihre Darturka-Söldner vor, und es bedarf großer Anstrengungen, sie aufzuhalten – denn der eigene Tod scheint für den Gegner keine Bedeutung zu haben: Die Darturka sind Klonsoldaten, und die Vatrox verfügen über Wege der »Wiedergeburt« auf den Hibernationswelten, von denen die meisten sich in der Galaxis Andromeda befinden. Daher schmieden Perry Rhodan und Atlan ein Bündnis mit den Völkern dieser Galaxis.

Der »Pakt von Sicatemo« findet alsbald Gelegenheit, sich zu bewähren: Erstmals in der Jahrmillionen währenden Geschichte der Frequenz-Monarchie gelingt es ihren Gegnern, die zentralen Stützpunkte aufzuspüren: die Hibernationswelten und Handelssterne. Die Verbündeten erobern quasi im Handstreich den Handelsstern FATICO, und nun kommt es tatsächlich zum VATROX-TOD ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Unsterbliche muss sich damit abfinden, nicht das Oberkommando zu haben.

Atlan – Der Arkonide wird daran erinnert, dass Wasser nass ist.

Roman Schleifer – Ein Wissenschaftler nutzt jedes Mittel, um die Aura seines Idols zu sehen.

Grek 17 – Der Wasserstoffatmer teilt sein Wissen mit den Galaktikern.

1.

Anderswo (1)

 

Grek 222 starrte ins Nichts.

Angehörige anderer Völker hätten diesem Nichts eine Farbempfindung zugeordnet, die entstand, sobald jeder Farbreiz fehlte. Oder, konventionell ausgedrückt: Sie hätten ins Schwarze gestarrt.

Er empfand die Schwärze als etwas Befriedigendes. Sie hatte etwas Reines, Unverfälschtes, Perfektes an sich. Man musste sich nicht mit der elektromagnetischen Strahlung des Lichtspektrums auseinandersetzen, die von jeder Kreatur anders aufgenommen wurde. Es gab keine Irrtümer: Schwarz blieb stets Schwarz.

Das Dunkel war nichts. Der nuancenlose Anfang und das nuancenlose Ende einer nuancenlosen Existenz.

Grek 222 drehte seinen Körper ein wenig beiseite und erblickte mehrere Sonnen. Sie waren Lichttupfer, die ihn zwar irritierten, aber angesichts des allgegenwärtigen Nichts eine untergeordnete Rolle spielten.

Ein Schub mit den Steuerdüsen veränderte seinen Blickwinkel. Hin zu jenem Ort, in dessen Inneren er sich vor Kurzem noch aufgehalten hatte. Das Schiff, einstmals in Proportionen gegossen, die auf ihn und seinesgleichen klar und praktikabel gewirkt hatten, war in Facetten zerrissen, die kaum jemals wieder ein Gesamtes ergeben würden. Der Raumer war zerstört worden. Vom Feind.

Das Wort »Feind« bedurfte von Zeit zu Zeit einer Neu-Interpretation. Einmal musste es auf einen Konkurrenten im Kampf um die Vormachtstellung in einem Habitat angewandt werden, dann wieder auf eine Wesenheit, deren Lebensart jener der Maahks diametral entgegenstand.

Derzeit galt die Frequenz-Monarchie als »der Feind«.

Ohne Bedauern nahm Grek 222 zur Kenntnis, dass er und seine Begleiter eine Niederlage erlitten hatten. Zwei Superschlachtschiffe waren zerstört, die Besatzung bis auf wenige Ausnahmen den Explosionen an Bord zum Opfer gefallen.

Auch er würde sterben. Grek 222 hatte die Wahl: nach Tagen langen Wartens zu verhungern oder zu erfrieren.

Oder aber eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen.

Grek 222 überlegte. Er hatte ein Leben in geordneten Bahnen geführt; hatte kaum einmal jenen Resten irrationaler Empfindungen nachgegeben, die nach wie vor in den Bewusstseinen der Maahks verankert waren. Er hatte seinem Volk treu gedient und würde ohne Bedauern aus dem Leben scheiden – zumal Bedauern ohnedies auf eine emotionelle Unausgegorenheit seiner Existenz hingewiesen hätte.

Nein. Er war einem stringenten Lebensplan gefolgt, wie es von ihm erwartet worden war. Aus dem Schwarz war er gekommen, um sich mit den Irritationen der Buntheit einer Existenz herumzuärgern – um nun Perfektion in der Schwärze des Todes zu finden.

Grek 222 desaktivierte die lebenserhaltenden Funktionen seines Anzugs. Er starb in dem Wissen, Teil eines großen Plans gewesen zu sein und seinen Part ordnungsgemäß erfüllt zu haben.

2.

Roman Schleifer

 

Die JULES VERNE war ein großes und ein besonderes Schiff. Roman Schleifer berührte die Seitenwand des Ganges. Sachte, immer nur mit den Fingerspitzen.

»Was machst du da?«, fragte Ponson Merez.

»Ich spüre«, antwortete Roman wortkarg.

»Geht's ein wenig präziser?«

»Die Unebenheiten. Die Struktur. Sie sind Wesensmerkmale, die ein Schiff vom anderen unterscheiden.«

Ponson Merez schwieg, schien in sich gekehrt. Roman wusste, dass der klein gebaute und rundlich wirkende Mann als Kapazität am Meta-Orter der JULES VERNE galt – und als schrecklicher Versager, wenn es um Liebesangelegenheiten ging. Die Gerüchte um ihn und seine – unerfüllte – Zuneigung für Iris Shettle hielten sich zäh wie getrockneter Kaugummi unter den Tischen der Bord-Mensa. Seltsam, dass die Menschheit in all den Jahrhunderten ausgerechnet bei einem so albernen, einfachen Ding wie dem Kaugummi keine nennenswerte Verbesserung zustande gebracht hatte, mit Ausnahme von ein paar verwegenen Geschmacksrichtungen. Kaugummi hatte es bereits gegeben, als Perry Rhodan selbst ein Kind gewesen war, und wahrscheinlich würde es ihn auch noch geben, wenn an den Unsterblichen nicht einmal mehr Erinnerungen existierten.

Ein Gaid kam ihnen entgegen. Der schlaksige Körper schwankte leicht. Vielleicht grüßte der Gaid soeben, vielleicht zeigte er eine Geste der Verachtung – Roman wusste es nicht, die Körpersprache war ihm fremd, und das rubinrote Facettenauge machte jede Deutung der Mimik unmöglich. Es war höchste Zeit, dass er sich über die Psyche dieser geplagten Andromeda-Bewohner schlau machte.

Das Wesen passierte sie und drehte das Kopfauge in Richtung jenes virtuellen Pfeils, der ihm seinen Weg durch die verschlungenen Gänge der JULES VERNE wies. Es hinterließ einen Geruch nach frisch gemähtem Wiesengras.

Es waren nicht viele Gaids an Bord, daher hätte es Roman nicht gewundert, wäre er soeben Cerdo Perisa oder Daore Hapho begegnet. Die beiden fungierten als Verbindungsleute zwischen den Gaid-Rebellen und den Vertretern der Milchstraßenvölker.

»Stehen bleiben!«, befahl eine unpersönliche Stimme. »Zugangskontrolle!«

Ponson und er wurden vor dem nächsten Verbindungsschott von einem Energiefeld gebremst und in eine Nische zu ihrer Rechten gedrängt. Binnen weniger Sekunden nahm ein peripherer Sicherheits-Rechner NEMOS DNS-Proben, ermittelte Zellkernstrukturen, glich ihre Iriden mit Musterbildern ab und unterzog Individualmuster einer Tiefenuntersuchung.

Nach einigen Sekunden wurden sie aus dem Feld entlassen. Das Schott vor ihnen öffnete sich.

Die Sicherheitsvorkehrungen an Bord der JULES VERNE waren Roman anfänglich als übertrieben erschienen. Die Zentralkugel der JV-I mit einem Durchmesser von 100 Metern wurde stärker bewacht als jedes andere Objekt der terranischen Flotte. Doch angesichts der Bedeutung der Beschlüsse, die auf diesem Schiff getroffen worden waren, relativierten sich alle Bedenken.

Der »Bund von Sicatemo« umfasste Maahks, Schatten-Maahks, Tefroder, Gaid-Rebellen, Terraner sowie assoziierte Milchstraßenvölker. Vor zwei Wochen waren die Vertreter dieser so unterschiedlich gearteten Völker zu einer Grundsatzeinigung gekommen. Sie alle wollten der bislang als übermächtig erscheinenden Frequenz-Monarchie etwas Gleichwertiges entgegenstellen. Schranken des Misstrauens waren niedergerissen worden, die Zusammenarbeit funktionierte auf allen Ebenen. Bestes Beispiel dafür war die Bereitschaft der Maahks, die Jagd auf die Schatten, ihre nahen und ebenso verhassten Verwandten, für zwei Jahre auszusetzen. Auch belieferten sie die Gaids mit ultraschweren Intervall-Geschützen. Seit Tagen liefen die Umrüstungsarbeiten auf den Schiffen der Rebellen.

Und zwar reibungslos, dachte Roman.

»Wie fühlst du dich?«, fragte Ponson Merez unvermittelt.

»Gut. Warum fragst du?«

»Sei mir nicht böse, Roman; aber deine Personal-Datei zeigt wenig, das dich für die Arbeit im Kreis von hoch spezialisierten Fachleuten empfehlen würde. Du giltst als Hyperphysiker, der mehr oder weniger brav seine Arbeit tut. Nicht mehr, nicht weniger.«

Mittels Knopfdruck ließ Ponson ein Multi-Holo-Display vor seinen Augen erscheinen. Mit einfachen Zieh- und Drehbewegungen breitete er die gespiegelten Bilder vor seinen Augen aus. Datei auf Datei holte er hervor, bis sie wie ein Kartendeck vor ihm aufgefächert lagen.

»Ich sehe bloß wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen, auf die du verweisen könntest. Es gibt kaum Berichte über Fachtagungen, bei denen du dich durch spektakuläre Auftritte hervorgetan hättest. Stattdessen finde ich in deiner Personalakte eine viel zu breite Interessensstreuung. Du beschäftigst dich mitunter mit – verzeih mir – esoterischem Krimskrams, statt dich auf deine Arbeit zu konzentrieren.«

Roman grinste. »Wenn du altchinesische Meditationstechniken wie Qi Gong unter Esoterik einsortierst – bitte sehr.«

»Qi Gong. Kung Fu. Biotechnologie. Alternativ-Medizin. Kosmologie. Wirtschaftstheorie.« Ponson Merez hob die Arme. »Das sind Berufsfelder, die herkömmlicherweise von einem guten Dutzend Fachleuten besetzt werden; und du möchtest sie alle meistern?«

»Willst du mir meine breit gefächerten Interessen etwa vorwerfen?«

Ponson Merez reagierte nicht auf die Gegenfrage. Er durchforstete weiterhin seine Holos. »Da sind einige Berufswechsel zu viel; sechzehn insgesamt. Du wanderst von einem Forschungsteam zum nächsten. Du bezeichnest dich als angehenden Nexialisten und ...«

»Ich gebe mein Bestes«, unterbrach Roman und unterdrückte einen Seufzer. All diese Dinge hatte er so oder ähnlich bereits Dutzende Male gehört.

Er konzentrierte sich auf seinen Begleiter und tastete dessen Qi ab.

Da war es: eine eng anliegende energetische Hülle, von grauen Schlieren durchzogen. Roman gab dem Impuls nach, die Qualität der Unreinheiten zu »schmecken« und zuckte ob des bitteren Geschmacks zurück. Ponson Merez hatte Liebeskummer! So sehr, dass er derzeit gar nicht Dienst tun sollte.

»Man bezeichnet dich – Moment, ich hab's gleich – als intelligent, aber nicht sonderlich ambitioniert«, sagte Ponson Merez mit erhobenem Zeigefinger. »Wie hast du es bloß geschafft, mit einer derartigen Beurteilung hierher versetzt zu werden? Gerade jetzt, da es im Kampf gegen die Frequenz-Monarchie um die Wurst geht.«

»Es steht in meiner Akte sicherlich auch, dass ich sehr überzeugend sein kann?«

»Ja. Unmittelbar neben den Schlagworten: eingebildet und selbstgefällig.«

Sie hatten ihr Ziel erreicht. Der zentrale Zugang zum Hangar JV-18-3 wurde von mehreren TARAS und Raumsoldaten bewacht. Wieder wurden sie untersucht, ihre Legitimationen überprüft, nach dem Zweck ihres Besuches gefragt.

»Nun?«, fragte Ponson Merez, nachdem sie das Prozedere hinter sich gebracht hatten und sie die Erlaubnis erhielten, den Hangar zu betreten. »Ich warte auf eine Antwort.«

»Es ist schwer zu erklären«, sagte Roman Schleifer. »Um es mal so auszudrücken: Ich wollte diesen Job unbedingt haben.«

Er hatte all seine Überzeugungskraft eingebracht, hatte die neuesten Erkenntnisse in Überredungskunst und Gesprächspsychologie angewandt, hatte Beziehungen spielen lassen. Er funktionierte ausgezeichnet, wenn er sich einmal ein Ziel gesetzt hatte.

»Mehr hast du nicht dazu zu sagen? Du wolltest auf die JULES VERNE versetzt werden und hast es geschafft? Einfach so? Ohne die dafür notwendigen Empfehlungen und Zeugnisse vorweisen zu können?«

»Ja.«

Ponson Merez fuchtelte mit der Hand durch die Luft. Die Holo-Bilder zerstoben und fielen wie Flitter zu Boden. »Ich hab's gar nicht gern, wenn man sich über mich lustig macht! Gar nicht gern ...«

Er wandte sich ab und stapfte davon, ohne Roman Schleifer eines weiteren Blickes zu würdigen.

Dieser blieb stehen. Für einen Moment überlegte er, den fülligen Wissenschaftler zurückzuholen und ihm die Umstände zu erklären. Doch er ahnte, dass er kein Gehör finden würde.

Mit diesem Problem würde er sich später beschäftigen müssen. Vorerst war nur eines wichtig: jenes unscheinbare Gerät, das im Zentrum dieser Halle positioniert worden war.

Das Krathvira.

Das ÜBSEF-Abfang-Gerät, wie es in der offiziellen terranischen Terminologie genannt wurde. Wobei Roman den wesentlich einfacheren Begriff Seelenfänger bevorzugte.

Roman tat einen ersten Schritt in die riesige Halle. Das geheimnisvolle Gerät, um das sich mittlerweile an Bord der JULES VERNE alles zu drehen schien, befand sich im ungefähren Zentrum des Raums. Auf einer Antigravplattform mit den Ausmaßen von vier mal zwei Metern ruhte ein zylindrischer Körper, 140 Zentimeter im Durchmesser. Er war glatt-metallisch und glänzte im Licht der Scheinwerfer. Derzeit war das Krathvira desaktiviert. Nichts deutete auf die Gefährlichkeit des Geräts hin.

Mit seiner Hilfe hoffte man, die Frequenz-Monarchie entscheidend zu schwächen.

 

*

 

Abseits des Krathviras standen die üblichen Verdächtigen des Wissenschaftskorps der JULES VERNE.

Die sie umgebende Energie-Wolke loderte hell. Sie setzte sich aus dem Qi von Wesen verschiedener Völker zusammen und lockte Romans sensible Sinne, darin einzutauchen. Er widerstand der Versuchung, so gut es ging.

Da war Iris Shettle, die überaus attraktive Physikerin, um die sich ihre Kollegen scharten wie die Bienen um den Honigtopf. Abraham Camaro, der klein gewachsene Stellvertretende Chefwissenschaftler des Schiffs. Der Lunageborene trat im Bemühen, Iris' Aufmerksamkeit zu erringen, nervös von einem Bein aufs andere.

Shaline Pextrel, Leiterin der Abteilung Funk und Ortung und enge Freundin Iris Shettles. Der Kamashite Perme Umbrar, dessen grüner Schopf von mehreren Frisurinchen umflattert wurde, die seine Haarpracht zu bändigen versuchten; Moishe McDonald und sein Lebensabschnittsbegleiter Chandro Alganassian. In Bezug auf die genauere Erforschung des Kalup-Spektrums gaben die beiden ein kongeniales Duo ab; Lupo Paranelli, der mimasgeborene Spezialist für Phänomene der Sechsdimensionalität. Um die Gruppe herum schwirrte ein Etwas, das sich bei näherem Hinsehen als winziges Persönchen offenbarte. Der Siganese Uturan Kook, Hyperwissenschaftler und unumstrittener Anführer des Wissenschaftlichen Korps an Bord der JULES VERNE, unterhielt sich lebhaft mit seinen Kollegen.

Na ja; er ist nicht ganz unumstritten, dachte Roman und konzentrierte sich auf eine weitere Gruppe Terraner, auf die Alten.

Chucan Tica, Barima Axapan, Kapeth-Shepar sowie Thalia Masoon hatten gemeinsam mehr als 700 Jahre auf dem Buckel. Sie alle brachten einen immensen Erfahrungsschatz in die Diskussionen ein, konnten aber mitunter gehörig nerven. Insbesondere unter Chucan Tica, dem massig gebauten Venusianer, litten die jüngeren Kollegen. Umso mehr, wenn man wie Iris Shettle Spezialistin für die Salkrit-Erforschung war und dann diesen alten Kerl vor der Nase sitzen hatte, der meinte, alles besser zu wissen – und damit meist recht hatte.

»Komm näher, Kollege!«, rief der Fettleibige Roman zu. »Wir fressen dich nicht. Zumindest nicht unmittelbar nach dem Frühstück!« Er lachte laut, während seine Kollegen betreten beiseiteblickten. Peinlichkeiten und schlechte Witze waren so etwas wie das Markenzeichen Chucans.

Roman folgte der Einladung. Er war wie Iris Shettle und Ponson Merez mit dem dritten Flottenkontingent vor einigen Wochen von der STYX auf die JULES VERNE übergewechselt. Doch im Gegensatz zu seinen bekannteren Kollegen hatte er sich seitdem mit einfachen Zubringerdiensten an die großen Forschungsteams begnügen müssen. Er hatte sich stets unterhalb des Wahrnehmungshorizonts der hier versammelten Experten bewegt.

Bis heute.

Roman trat zu den Alten und begrüßte sie förmlich.

»Schön, dich mit im Team zu haben«, sagte Chucan Tica. »Wobei ich versucht bin zu erwähnen, dass die derzeitige Situation ab-so-lut beschissen ist. Wusstest du übrigens, dass Fäkalbegriffe in nahezu allen von Sauerstoffatmern besiedelten Regionen einen breiten Raum im Schimpfwortrepertoire einnehmen, wohingegen Methanatmer bevorzugt auf üble Nahrungs- und Geruchswolken Bezug nehmen, wenn sie denn einmal in Erwägung ziehen ...«

»Jaja, ist schon gut, Chucan. Du überforderst den jungen Mann«, mischte sich Barima Axapan ein, mit 155 Jahren das Nesthäkchen der Gruppe. Sie zwinkerte Roman zu. »Ein Tipp von mir: Wenn er wieder mal abzuschweifen beginnt, erinnere ihn an Medusa. – Siehst du? Da schrumpft er auf die Größe einer Rosine zusammen, der alte Zausel.«

»Wer ist Medusa?«, fragte Roman neugierig.

»Es muss heißen: Wer war Medusa?« Chucan Tica wischte sich fahrig übers Gesicht. »Lassen wir das. Wir sind nicht hier, um über alte Geschichten Tränen zu vergießen.«

Er drehte sich abrupt beiseite und deutete auf das Ding, um das sich während der nächsten Tage ihrer aller Aufmerksamkeit drehen würde. »Da haben wir den Seelenfänger. Wenn deren Erbauer pünktlich sind – und das sind sie immer –, müssten in wenigen Sekunden die Türen aufgehen ... Ah, da kommen sie ja schon.«

Roman folgte Chucans Blicken. Ja, da waren sie. Jene fünf Maahks, die mit ihnen gemeinsam das ÜBSEF-Abfang-Gerät für ihre Zwecke adaptieren sollten. Sie betraten die Halle und kamen in einem merkwürdig wiegenden, aber sehr schnellen Schritt näher. Die langen Arme baumelten reglos von den Körpern herab, hinter den getönten Helmkuppeln ahnte man die Physiognomie der Maahks mehr, als man sie sah.

»Ich bin Grek 17, und ich werde während der gemeinsamen Arbeit als Sprecher unserer Gruppe auftreten«, sagte der vorderste Maahk. »Können wir beginnen?«

»Gerne«, sagte Chucan Tica. »Darf ich dir die Mitglieder unserer Gruppe vorstellen ...?«