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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2550

 

Die Welt der 20.000 Welten

 

In einem seltsamen Kosmos – Perry Rhodan erforscht die Tiefen eines Handelssterns

 

Michael Marcus Thurner

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.

Als die Terraner die Transport-Technologie sogenannter Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, zu entschlüsseln beginnen, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof.

Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox vor, und anfangs scheinen sie kaum aufzuhalten zu sein. Dann aber entdeckt man ihre Achillesferse ausgerechnet in ihrer stärksten Waffe: Die Vatrox verfügen mittels ihrer »Hibernationswelten« über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie damit die Herrschaft der Frequenz-Monarchie.

Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox, darunter den gefährlichen Frequenzfolger Sinnafoch, und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Kultur zusammenhängen. Und zwei Drittel des Raumschiffs JULES VERNE mit Perry Rhodan an Bord wurden am Ende der entscheidenden Schlacht vom Handelsstern FATICO wegtransportiert – in DIE WELT DER 20.000 WELTEN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner versucht, seinen B-Controller einzusetzen.

Mondra Diamond – Perry Rhodan liefert ihr Grund zur Eifersucht.

Chucan Tica – Der »Alte« verstößt wiederholt gegen die Borddisziplin.

Liebe Dokumanten,

Hoschpians Chroniken bieten zu manchen Geschichtsabschnitten bloß unbefriedigende und lückenhafte Ergebnisse. Es fällt uns daher schwer, derart weit zurückliegende Epochen wie das fünfzehnte Jahrhundert NGZ kritisch zu beleuchten. Alle Zeitzeugen sind längst verstorben oder stehen aufgrund anderer Umstände zu keinem Gespräch zur Verfügung.

Jedenfalls lässt sich in der Rückschau erkennen, dass die Versetzung der JULES VERNE jenen Prozess einleitete, der die Macht der Kosmokraten brechen und die Karten im Spiel der Hohen Mächte völlig neu verteilen sollte.

Gehen wir zurück ins Jahr 1463 NGZ und betrachten diese wenigen Tage gegen Ende des Monats April. Die Versetzung der JULES VERNE aus der Andromeda-Galaxis war eine Zäsur der ganz besonderen Art. Sie war Grundlage für Änderungen, die Perry Rhodan durchmachen sollte – und zwar auf mehreren Ebenen.

Eine Reise zu unternehmen bedeutet, die Vertrautheit des heimatlichen Hafens zu verlassen und sich auf das Fremde, das Unbekannte einzulassen. Man lernt andere Kulturen kennen und tritt in den Vergleich: Was ist hier besser, was dort?

Stellen wir fest: Was Perry Rhodan in Anthuresta bewirkte, leitete Entwicklungen ein, die dazu führten, dass er schon wenige Jahre später nicht mehr derjenige war, als der er aufgebrochen war. Er hatte die Konsequenzen seines Tuns zu tragen …

 

 

1.

Perry Rhodan:

Der Beginn einer Reise

 

Strahlendes, lachendes Universum.

Du blickst in diesen Abgrund aus Raum und Zeit, aus erstarrter Dunkelheit und kalt loderndem Feuer. Du weißt, dass du dich niemals wirst sattsehen können, egal, wie alt du auch werden magst.

Eine Galaxis zerbröselt unmittelbar neben dir, eine andere wird geboren. Sie fügt sich aus winzigen, leuchtenden Staubkörnern zusammen, um sich zu drehen, immer rascher, immer kräftiger, immer intensiver.

Deine Hände greifen nach den Sternen und zerpflücken diese Ansammlung aus Leben spendenden Samenkörnern. Sie erscheinen dir winzig klein, und für einen Moment meinst du zu wissen, was es bedeutet, ein Gott zu sein. Doch der Gedanke vergeht, verwirbelt in der Unendlichkeit wie all diese Lichtpünktchen.

Du greifst nach den Sternen …

Wie schon damals, 1971, als du den Arkoniden auf dem Mond begegnet warst, als dich die Unsterblichkeit noch nicht belastet hatte und du noch nicht in diesen niemals enden wollenden Strudel kosmischer Ereignisse gezogen worden warst.

Du weißt, dass diese Realität, durch die du dich zu bewegen scheinst, falsch ist. Sie wird dir vorgegaukelt. Die innere Ruhe, die du zu spüren glaubst – sie löst sich im Nichts auf, gemeinsam mit den Sternen.

Die Leere in dir füllt sich mit einem anderen Gefühl. Mit dem schrecklicher Angst. Du möchtest schreien, doch du kannst und darfst nicht. Denn du bist der Terraner.

 

*

 

Die Reise durch den Transfertunnel war anders als alle bislang erlebten. Krämpfe schüttelten mich, brachten mich zum Schwitzen. Irgendein seltsamer Effekt sorgte dafür, dass ich mich in Flüssigkeit gebadet fühlte. In schmieriger Tinte, deren Farbe man selbst nach mehrmaligem Waschen nicht von der Haut bekam. Die Haut auf den Beinen kribbelte, in den Ohren pfiff es. Mein Magen hob und senkte sich, als hätte jemand eine Hochleistungspumpe eingebaut, die die Nahrung ansog und fallen ließ, ansog und fallen ließ …

Schwindel erfasste mich. Verzweifelt hielt ich mich am Rand der Arbeitskonsole fest und versuchte, meinen Blick auf einen Punkt zu fokussieren. Auf meine Hände.

Eine von ihnen – die Linke?, die Rechte? – hatte noch vor Kurzem eine Glasmurmel gehalten. Ein Kügelchen, in dem ein Femtogramm Psi-Materie gespeichert gewesen war. Eine rein von den Zahlen her unglaublich geringe Menge und dennoch so mächtig, dass sie das Raum-Zeit-Kontinuum zerteilen und unabsehbare Schäden anrichten konnte.

Meine Rechte schmerzte.

Jemand sagte etwas, ich achtete nicht darauf. Ich hatte ausreichend damit zu tun, meine verworrenen Gedankengänge zu einem vernünftigen Ganzen zusammenzukitten.

Ich versuchte, die Geschehnisse der letzten Minuten in die richtige Reihenfolge zu bekommen. Der Handelsstern FATICO hatte einen Transfertunnel ausgebildet. 500 Kilometer im Durchmesser, in dessen Innerem intensives Blau – Tintenblau! – geleuchtet und gelockt hatte.

Jeglicher Versuch, der Zugkraft des Transfertunnels zu widerstehen, war vergebens gewesen. Die großartige und einzigartige JULES VERNE war verschluckt, ins Innere gezogen worden.

Und seitdem …

Ich hörte eine Sirene aufjaulen, konnte aber ihren Zweck in diesem Durcheinander an Sinneseindrücken nicht einordnen. Das auf- und abschwellende Geräusch bedeutete … Gefahr? Alarm?

Geräusche. Worte. Dieselbe Stimme wie zuvor. Eine weibliche Stimme.

Mondra. Mein Diamant.

Ich wandte mich ihr zu und versuchte, ihre Worte zu deuten.

Sinnlos. Ich verstand nicht. Mein Geist war zu durcheinander, um die Töne und Geräusche, die sie von sich gab, in brauchbare Informationen umzuwandeln.

Mondra schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ihr Gesicht wurde rot – oder grün?, oder violett? –, und aus der Nase drang ein Blutfaden, der sich über Lippen und Kinn zog.

Ich nahm sie unbeholfen in die Arme. Bot ihr Wärme und Geborgenheit, deren sie in diesen Augenblicken der Ratlosigkeit und grenzenloser Verwirrung nötiger als alles andere bedurfte. Mondra schmiegte sich an mich. Sie genoss offenbar meine Nähe.

Ich hingegen hätte sie am liebsten wieder von mir gestoßen. Ihre Berührung widerte mich an. Ich meinte, einen glitschigen, stinkenden Fisch mit Barteln in den Armen zu halten. Mondras Gesicht wandelte sich, wurde zu einer von Warzen und Furunkeln geprägten Fläche aus schwärendem Fleisch.

Halt sie fest!, sagte ich mir. Lass dich nicht von diesen Halluzinationen irritieren!

Mondras Beine wurden schwer. Sie rutschte an mir hinab, bewusstlos, von den Eindrücken überfordert. So wie fast alle Mitglieder der Zentrale, die ich in meinem eingeschränkten Blickfeld erfasste.

Sanft legte ich sie zu Boden, zu schwach, sie auf ihren Stuhl zu hieven. Warum reagiert NEMO nicht?, fragte ich mich. Was ist mit all den teuren Sicherheits- und Redundanzsystemen?

Ich durchmaß den Raum, stolperte von einem Bereich des Ovals zum nächsten. Überall begegnete ich desorientierten Besatzungsmitgliedern, die meisten waren Menschen. Sie schlugen um sich, tobten, fügten sich selbst Verletzungen zu, warfen sich jammernd zu Boden.

Ich half, wo immer es mir möglich war. Ich fühlte mich um keinen Deut besser als meine Kameraden, und am liebsten hätte ich mich in die Reihen dieser Verrückten eingegliedert. Doch ich war dem Ungewöhnlichen zu oft begegnet, um nicht eine gewisse Abhärtung erfahren zu haben.

Da war ein anderer bei mir/neben mir/vor mir, der half.

Julian Tifflor? – Möglich. Der Jüngere besaß Eigenschaften, die ihn mitunter wie meinen Zwilling erscheinen ließen.

Plötzlich: ein Szenenwechsel. Abrupt wie in einem Holo-Film. Die seltsamen Effekte reduzierten sich auf ein Minimum, der Druck auf Körper und Geist ließ nach.

Erleichtert atmete ich durch und blickte mich um, in diesem Schlachtfeld, das sich Kommandozentrale nannte. Viele Besatzungsmitglieder lagen bewusstlos auf dem Boden; andere kämpften gegen Übelkeit und Schwäche. Kaum einer der sonst so abgebrühten Kameraden war noch in der Lage, zielgerichtet zu agieren.

»Ich fürchte, das war erst der Anfang«, sagte jemand neben mir. Ja, Julian Tifflor war es, der gleich mir zielgerichtet gehandelt und Erste Hilfe geleistet hatte.

Der Freund deutete auf den Haupt-Hologlobus, der uns einen Ausblick auf die Geschehnisse rings um die JULES VERNE gewährte. Der Transfertunnel tat sich wie ein ins Nichts ragender Schlauch auf. Es war kein Ende abzusehen – und die so bedrohlich wirkenden Nebeneffekte unserer Reise schwappten erneut über uns zusammen.

 

*

 

Ich eilte zurück an die Konsole des Expeditionsleiters und konzentrierte mich auf die vordringlichen Aufgaben. Holos hüllten mich ein. Sie belagerten und bedrängten meinen Kopf. Wie lästige Insekten umschwirrten sie mich, stritten um einen prominenten Platz innerhalb meines Gesichtsfeldes.

Das Schiff, die JULES VERNE, wollte mir Dinge mitteilen – und verlangte, dass ich Entscheidungen traf.

Die Bilder fielen mir leichter zu beurteilen als all die Geräusche. Ich schob jeglichen Gedanken um Mondras Wohlergehen beiseite und konzentrierte mich auf die Darstellung des Transfertunnels.

Wolkenschlieren huschten am Schiff vorbei. Mit großer Geschwindigkeit wurde die JULES VERNE – jedenfalls die beiden Teile, aus denen sie derzeit noch bestand – wie von einem Traktorstrahl angezogen, hin auf ein … ein … Ja, wohin denn eigentlich?

Ich fühlte, dass etwas meine Beine berührte. Ramoz. Jenes Tier, das zu Beginn unserer ersten Erkundung im Polyport-Netz Mondra als seine Besitzerin – oder Begleiterin? – auserkoren hatte.

Für einen Augenblick wunderte ich mich über diesen seltenen und ungewohnten Beweis von Zuneigung. Ramoz blieb sonst stets an der Seite seiner Herrin und betrachtete mich mehr als Rivalen um Mondras Gunst denn als Freund. Doch diesmal war alles anders.

Ich wollte etwas sagen. Mit dem Schiffsrechner-Verbund Kontakt aufnehmen und mich mit ihm austauschen. Doch nach wie vor war ich nicht dazu in der Lage, meine Eindrücke zu bündeln und in vernünftige Worte zu fassen.

Die Holoprojektionen zeigten weiterhin jenen tintenblauen Schimmer, der nicht sein durfte.

Mit einem Mal änderte sich alles. Farbe machte einer endlosen Schwärze Platz, in der sich kleine Kleckse, Flecken und Streifen tummelten. Ungestüm wirbelten sie umher wie ungezogene Kinder. Sie jagten durch die Leere; erst wild und kaum kontrollierbar, um nach einer Weile zu mehr Ruhe zu finden, einander mit vorsichtiger Zärtlichkeit zu umarmen und schließlich zu … zu … verquicken.

Galaxien. Leuchtende Fanale inmitten kalter, trübseliger Einsamkeit. Horte der Sicherheit, Geburtsstätten allen Lebens.

Eine Weile stand ich da, versunken in Bilder, die die Kraft der Schöpfung in all ihrer Schönheit zeigten. Man brauchte nicht an Götter zu glauben, um angesichts dieses Schauspiels den Kopf demütig zu senken und sich wie ein unbedeutender Wurm vorzukommen.

Ich erinnerte mich, diese Einblicke in den Schöpfungsakt des Multiversums bereits mehrmals genossen zu haben. Die Reise durch einen Transferkamin war stets von überraschenden Bildern begleitet, die einmal mehr, einmal weniger heftig über den Betrachter hereinbrachen. Bei meiner allerersten Reise von einem Polyport-Hof zum anderen, von GALILEO nach ITHAFOR, hatte ich ähnliche Eindrücke gesammelt, ebenso wie einst auf der Brücke in die Unendlichkeit. Und obwohl ich dies alles mehrfach gesehen hatte, blieb das Staunen mein Weggefährte, wann immer ich mit solchen und anderen Wundern konfrontiert wurde …

Blitze zuckten durch die Dunkelheit. Sie zerteilten das All und machten mich glauben, durch eine zersprungene Glasscheibe zu blicken. Phänomene, die mit menschlichen Sinnen kaum zu begreifen waren, griffen in die Vierdimensionalität. Wie strenge Eltern, die Vorhänge beiseiteschoben, um den ungezogenen Bälgern Strafen zu erteilen.

Ich fühlte kreatürliche Angst und ich hörte mich laut schreien. Kräfte, die an diesem Ort nichts zu suchen hatten, äußerten ihren Zorn in Form von alles verschlingenden Schwarzen Löchern, von blutroten Tryortan-Schlünden, von ungebändigten Schwerkraftwirbeln.

Mehrere Kleingalaxien, die bislang am Rand eines größeren Bruders träge dahingetrieben waren, explodierten. Funken spritzten umher, erfüllten den Raum mit ungewöhnlicher Helligkeit – und vergingen.

Ganze Kugelsternhaufen verschwanden im Maul eines sämig dicken Klumpens aus Schwarz. Er entzog ihnen Licht, Masse, Gravitation, alles. Er fraß, bis nichts mehr da war, um anschließend in sich selbst zusammenzufallen.

Eine Galaxis wurde von einem hyperdimensionalen Sturm erfasst. Sie zerfaserte, von den Rändern angefangen bis hin zu ihrem leuchtenden Kern und wirbelte alsbald wie ein zerfetztes Stück Stoff umher, dessen letzte Reste rasch verglommen.

Ich wollte die Augen schließen, wollte den Blick von diesem grausamen Schauspiel abwenden. Doch es gelang mir nicht. Etwas bannte meine Blicke. Irgendjemand wollte, dass ich diese Dinge sah, spürte, begriff.

Ich fühlte mich klein und unbedeutend wie selten zuvor. Die Menschen waren nicht dafür geschaffen, derartige Einblicke in die Natur alles Seins ohne Schmerzen zu verkraften.

Das Brennen in meiner Rechten brachte eine Erinnerung zurück, die ich angesichts der Wunder und des Grauens rings um mich beiseite geschoben hatte: Halluziniere ich? Sehe ich Dinge, die nicht waren und niemals sein dürfen? Bin ich gar schuld an diesen Effekten, weil ich eine Winzigkeit Psi-Materie im falschen Moment gezündet habe?

Immer wieder drifteten meine Gedanken ab. Sie flossen träge und besaßen nach wie vor keinen inneren Zusammenhalt. Am liebsten hätte ich mich nach hinten kippen lassen, um den Stuhl in die Waagerechte zu schalten und eine Weile zu schlafen.

War ich noch in der Kommandozentrale der JULES VERNE? Die Holos rings um mich verblassten zusehends. Sie drohten, einer anderen, seltsam verzerrten Schein-Realität Platz zu machen.

Trug VATROX-CUUR, einer der beiden Herrscher der Frequenz-Monarchie, Schuld an all diesen Kalamitäten? Hatte er mir, bevor er in den ÜBSEF-Sammler gesogen worden war, ein Danaergeschenk hinterlassen und diese Reise ins Nirgendwo bewirkt?

Und: War VATROX-CUUR damit tatsächlich besiegt – oder trug ich falsche Erinnerungen in mir? Spielte mir die seltsame Seelen-Entität etwas vor und manipulierte mich, wie sie es wollte?

Schluss damit!, mahnte ich mich. Wenn du so weitermachst, verlierst du dich tatsächlich irgendwo, irgendwie zwischen den Realitäten …

Ich sah Ziffern.

Sie trieben durch eines der Holobilder. Wenn ich mich recht erinnerte, gaben sie, zusammengesetzt, die Uhrzeit an Bord an. Die hintersten Ziffern bewegten sich einmal rasend schnell, um allmählich einzufrieren und dann stillzustehen.

Zeitphänomene! Dilatationseffekte, die durchschlagen. Oder aber mein Wahrnehmungsvermögen ist gestört.

Es spielte keine Rolle. Es durfte keine Rolle spielen. Wichtig war einzig und allein, dass ich bei Bewusstsein blieb und die Kontrolle über Geist und Körper behielt. Nur ja nicht aufhören zu denken, zu atmen, zu funktionieren! Lass nicht zu, dass dich die Umstände zerrütten!

Etwas drang zu mir durch. Das erste Etwas seit Langem.

Es war eine Berührung. Die eines Wesens. Die eines Tieres.

Ramoz schmeichelte mir abermals um die Beine. Immer wieder drängelte sich Mondra Diamonds Begleiter an mich. So, als wollte sich das Tier in mein Bewusstsein quetschen und mir deutlich machen, dass ich nicht allein war. Dass es Andere und Anderes rings um mich gab.

Ich war dem Tier unendlich dankbar. Es sorgte dafür, dass ich mich nicht in mir selbst verlor und vergaß.

Ich war der unsterbliche Terraner und ich saß in der Zentrale der JULES VERNE. Starke, unbekannte Kräfte zerrten an dem Schiff. Wollten es zerreißen und zerwirbeln, wollten dieses so mächtige Produkt terranischer Ingenieurskunst zur Selbstauflösung zwingen. Denn all diese Effekte, denen wir ausgesetzt waren, wirkten womöglich auch auf subatomarer Ebene. Dort, wo Materie unmittelbar definiert wurde – und durch die Abänderung eines simplen physikalischen Theorems in ein Nichts umstrukturiert werden konnte.

Ich schüttelte verärgert den Kopf, verwarf diese abstrusen Gedanken. Ich musste zu mir kommen, musste …

Die Holos rings um mich zeigten flammendes Gelb und Rot, bevor sie abrupt verloschen.

Explosionsblumen? Sternenlicht? Weitere unbekannte Phänomene?

Ich erhaschte einen letzten Blick auf die Zeitanzeige. Wenn ich den Sinn der Ziffern richtig deutete, war es 20:13:50 Uhr, und der Tag war der 25. April 1463 NGZ.

Ich wollte eine Rechnung beginnen, die mir ungemein wichtig erschien, ohne zu wissen, warum. Doch ich kam nicht mehr dazu. Mein zersplittertes, geplagtes Bewusstsein wusste nicht mehr weiter. Es quittierte den Dienst – und angenehme Dunkelheit umfasste mich.

2.

Perry Rhodan:

Schmerzliche Erkenntnisse

 

Ich erwachte von den grässlich leiernden Alarmsirenen. Ohne viel nachzudenken, drückte ich auf einer Schaltplatte eine oft genutzte Tastenkombination. Die Töne schwollen auf ein erträgliches Maß ab.

Ich öffnete die Augen. Die Helligkeit ungezählter Lichter fiel schmerzhaft auf mich.

Mein Kopf … Ich konnte meinen Körper wieder fühlen!

Ich blinzelte heftig, und nach einigen Sekunden war ich in der Lage, die Situation rings um mich zu überschauen. Zu verstehen.

Noch immer arbeiteten meine Sinne nicht völlig synchron. Manche Dinge, die ich sah, ergaben – noch – keinen Sinn, und haptische Wahrnehmungen blieben rätselhaft. Doch die Verwirrung ließ rasch nach.

Ich stemmte mich hoch. Mein Kopf brummte. Ich war ohnmächtig nach vorne gestürzt, war mit der Stirn auf die Arbeitsplatte geprallt.

Mondra lag links von mir in Fötusstellung auf dem Boden. Ramoz hatte sich in ihre Armbeugen gedrängt. Seine Lefzen waren weit nach hinten gezogen, die hellrosa Zunge hing schlapp über Mondras Nase.

Ich tat erste, vorsichtige Schritte. Meine Beine waren wackelig und fühlten sich an, als hätte sich ein fürchterlicher Muskelkater eingenistet.

Ich beugte mich zu Mondra hinab. Ja; sie und das Tier atmeten regelmäßig. Sie schliefen und würden wohl bald wieder zu sich kommen.