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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2590

 

Der Tote und der Sterbende

 

In der Schneise von Anthuresta – auf der Suche nach dem PARALOX-ARSENAL

 

Michael Marcus Thurner

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit einiger Zeit tobt der Kampf um die Polyport-Höfe, der mehrere Galaxien umspannt.

Die sogenannten Polyport-Höfe sind Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, mit denen sich gigantische Entfernungen überbrücken lassen. Als die Frequenz-Monarchie aus einem jahrtausendelangen Ruheschlaf erwacht, beanspruchen ihre Herren, die Vatrox, sofort die Herrschaft über das Transportsystem und mehrere Galaxien.

Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – und sie entdecken die Achillesferse der Vatrox. Rasch gelingen ihnen entscheidende Schläge in der Milchstraße sowie in Andromeda. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt. Mit den Vatrox hängen zwei rivalisierende Geisteswesen zusammen, die weitaus bedrohlicher für die Menschheit sind.

Gleichzeitig droht eine noch schlimmere Gefahr: der Tod von ES, jener Superintelligenz, mit der Perry Rhodan und die Menschheit auf vielfältige Weise verbunden sind. Rhodan muss das PARALOX-ARSENAL finden, um ES helfen zu können – unterstützt wird er dabei von mehreren seiner Gefährten und von jenem Mann, den er einst töten musste, um Zugang zur Unsterblichkeit zu erhalten. Dieser Mann, Piet Rawland, ist mit ES verbunden, und beide zusammen sind DER TOTE UND DER STERBENDE …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Julian Tifflor – Der Unsterbliche erinnert sich an eine Warnung.

Piet Rawland – Der Revolverheld erinnert sich an die Lehren seiner Großmutter Henrietta.

Perry Rhodan – Der Terraner fühlt sich durch einen Fund an etwas erinnert.

Icho Tolot – Der Haluter wagt alles, um seinen Freunden zu helfen.

1.

High Noon

 

Es war 11.56 Uhr. Wie immer.

Piet klopfte mit einem Finger gegen das Gehäuse der hölzernen Uhr, legte das Ding gegen sein Ohr und hoffte, ein Ticken zu hören.

Es versagte wie immer, und Piet ärgerte sich einmal mehr über seinen Entschluss, das Geschenk des Alten nicht angenommen zu haben; damals, vor einigen tausend Jahren. Sein Leben als Geist wäre womöglich um ein klein wenig leichter gewesen, hätte er die Raketa-Uhr bei sich getragen.

Piet lümmelte sich auf den Schaukelstuhl, legte die Beine auf einen Schemel und zog den Hut weit über sein Gesicht. Die Sonne brannte herab, Windböen wirbelten Sand durch die Main Street. Durch die einzige Straße des kleinen Nestes. Er meinte, die feinen und feinsten Körnchen auf seiner Haut zu spüren.

Es war ruhig, wie immer zur Mittagszeit. Ein Mex lag ihm gegenüber neben dem Eingang zu Butcher's. Mit einer Hand hielt er seinen riesigen Strohsombrero fest – und schaffte es dennoch, ruhig und entspannt zu schlafen.

Großmutter Henri hatte die Kerle aus dem Süden niemals gemocht. Sie wären lausige Liebhaber, hatte sie ihm gegenüber einmal geäußert.

Piet hatte zugehört und geschwiegen. Henri war trotz ihrer Weisheiten manchem Vorurteil erlegen.

Wie es der Alten wohl ging? Das Leben war ihr bloß als vorläufige Veranstaltung erschienen. Wo war sie nach ihrem Schlussapplaus denn hingereist? Schwebte sie irgendwie und irgendwo durch die Dunkelheit, entlang irgendwelcher Sternenstaubstraßen, auf der Suche nach anderen Weibern von anderen Welten oder aus anderen Universen, mit denen sie sich in puncto Scharfzüngigkeit messen konnte?

Piet holte das Schnitzholz hervor und ließ die schartige Klinge seines Messers darübergleiten. Er schabte flache Späne ab und ließ sie achtlos zu Boden fallen. Eine Kolonne winziger, robotischer Spinnen kam angekrabbelt. Sie fraßen die Holzreste auf und verschwanden gleich wieder, irgendwo im sandigen Einerlei der Main Street.

»Hast nicht viel zu tun heute, mein Junge?«

Piet grinste, drehte sich beiseite und blinzelte den Mann gegen die hoch stehende Sonne an.

Sie schickte ihm einen Deputy mit zittrigen Händen und einer halb geleerten Flasche in der Hand … wie erbärmlich!

»Der Tag ist lang«, sagte Piet und grüßte, indem er die Hutkrempe mit zwei Fingern leicht antippte. »Es muss nicht immer alles sofort erledigt werden.«

»Hab dich noch niemals hier gesehen, Fremder. Bist wohl neu in der Stadt?«

»Stadt? Wenn du diese Aneinanderreihung stinkender Dunghaufen eine Stadt nennst, empfehle ich dir den Gang zum Optometriker.«

Das Gesicht des Deputys gefror, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine dünne Eisschicht legte sich über Wangen, Nase und Stirn. (Ein Fehler, der einer allzu wörtlichen Übersetzung seiner Anweisungen geschuldet war.)

Feinste Eisflächen bröckelten ab, während der Vertreter des Sheriffs weiterredete: »Fremde sind hier nicht sonderlich gern gesehen und schon gar nicht solche, die nach Problemen riechen.«

»Apropos riechen …« Piet hob die Nase in die Luft. »Da sollte sich jemand mal waschen. Weiter vorn beim Saloon gibt's einen Sauftrog für die Mulis. Möchtest du nicht …?«

»Steh auf und komm mit!«, rief der Deputy, nun mit zornrotem Gesicht. Seine Hand schwebte über dem Griff seiner Waffe. »Wir unterhalten uns im Büro des Sheriffs weiter!«

Er war Linkshänder. Trug einen Smith & Wesson No. 3 mit Selbstspanner. Oder Self Cocking, wie der halb automatische, außen liegende Abzughahn in der alten Zeit in der alten Sprache genannt worden war.

Piet schüttelte verärgert den Kopf. Es handelte sich nicht um das amerikanische, sondern um das russische Modell mit abgesetzter Trommelbohrung. Woher stammten diese Fehler bloß?

Er spuckte aus und verfehlte den Napf bei Weitem. »Du hast drei Möglichkeiten«, sagte Piet zum Deputy. »Eins: Du lässt die Hand dort, wo sie ist, und gehst deines Weges, woher auch immer du gekommen bist, und das ist zweifellos der Arsch deines Sheriffs. Zwei: Du ziehst, und ich jage dir eine Kugel in den Kopf. Drei … Hm … Was war noch mal drei?«

Piet Rawland griff nach seinem Peacemaker. Zog die Waffe. So rasch, dass der Deputy völlig überrascht war und kaum den Griff seiner Waffe berührt hatte, als er auch schon an der Schulter und im Herzen getroffen war und Blut aus einem dritten, nicht ganz zentral liegenden Nasenloch austrat.

Der Mann taumelte und fiel auf die Knie, um dann mit dem Gesicht vornüberzustürzen. Eine gelbe Staubwolke hüllte ihn für Sekunden ein, die Holztreppe unter ihm ächzte. Dann war es ruhig.

Der Mex gegenüber hatte sich in seiner Ruhe nicht stören lassen; auch sonst ließ sich niemand auf der Straße blicken. Es war, als hätte sich niemand für die Auseinandersetzung interessiert.

»Aus!«, rief Piet Rawland und erhob sich aus seinem Schaukelstuhl, der gleich darauf in einem energetischen Geflirre verging. »Wie wär's mit ein wenig mehr Phantasie?«

Während der Ruf des Revolverhelden verhallte, verwandelte sich der Raum zurück in das graue Einerlei der selbst gewählten Kommandozentrale: Energiewirbel zogen durch die vermeintliche Landschaft und fraßen die Bilder der Häuser und der Straße auf, um als Letztes den Mex Schicht für Schicht abzutragen und ihn verschwinden zu lassen. Großmutter Henri hätte sich vermutlich über das unrühmliche Ende des Sombreroträgers gefreut.

Piet Rawland ärgerte sich ein wenig. Er konnte das Schiff zwar steuern, doch es war ihm noch nicht gelungen, hinreichend Zugriff auf seine Denkmechanismen zu bekommen. Es wäre ihm durchaus recht gewesen, wenn die QUEEN OF ST. LOUIS so etwas wie Eigenheiten entwickelt hätte. Einen Charakter.

Piet Rawland wünschte sich ein Steuerruder herbei, das das Einerlei an Knöpfen und energetischen Tasten rings um ihn ersetzte. Er wollte das Schiff ein wenig durch dieses endlose schwarze Nichts bewegen, mit geringer Fahrt. Um jederzeit zurückkehren zu können und für die Lenker der Silberkugeln bereitzustehen, sobald sie seiner Unterstützung bedurften.

»Ein Hinweis fürs nächste Mal!«, rief er laut aus. Er wusste, dass ihn das Derivat des Schiffs, diese Form gewordene Erinnerung der Anthurianer, verstehen würde. »Die nächste Szene hätte ich gern ein wenig wirklichkeitsgetreuer, mit mehr Bewegung auf der Main Street und einem Gegner, der sich nicht durch blöde Sprüche ablenken lässt! Ich benötige auch mehr Hitze, viel mehr Hitze!«

Keine Antwort.

Die QUEEN OF ST. LOUIS antwortete nur zögerlich. Sie musste sich erst an den neuen Steuermann und seine Wünsche gewöhnen.

Piet Rawland drehte am Ruder, dachte sich Stöße von Baumwollballen im Heck des virtuellen Mississippidampfers herbei und ging auf geringe Fahrt. Das Schiff schipperte mit wenigen tausend Kilometern pro Stunde dahin. Die Untiefen des tückischen Flusses in der Schneise spülten immer wieder Snags hoch; oder etwas, das treibenden, plötzlich die Wasseroberfläche durchbrechenden Baumstümpfen in ihrer Gefährlichkeit ähnelte: hyperdimensionaler Mumpitz, der nach der QUEEN griff und sie zu zerstören suchte.

»Auf geht's!«, rief Piet und ließ sich von einem selbst erdachten Robot-Kumpel eine Tasse brühheißen Kaffees kredenzen. Der Horizont war das Ziel …

2.

Müdigkeit

 

Ich bin völlig erschöpft.

Seit Stunden, seit Tagen, seit Wochen habe ich keinen geregelten Schlaf gehabt. Wenige Minuten des Dahindösens müssen reichen. Ich entspanne auf einem Sitz in der Kommandozentrale von MIKRU-JON, den mir der weibliche Avatar des Schiffs zur Verfügung stellt. Auf einer physiognomisch optimierten Liege, die meine verkrampften und müden Muskeln massiert. Stets umschwirrt von Dutzenden Holoschirmen. Umgeben von Eindrücken, von viel zu vielen Bildern.

Als Höhepunkt des Luxus wärme ich dann und wann für eine halbe Stunde das Bett in meiner Kabine und lasse einen wohligen Wasserschauer in der Nasszelle über meinen Körper rinnen.

Mein Zellaktivator arbeitet ein wenig stärker als sonst. Ich kann seine Impulse spüren, diesen stetigen Strom an Wohlfühl-Prickeln, der mich durchströmt und in seiner Wirkung niemals nachlässt.

Die Zellaktivatorchips verschaffen uns Unsterblichen eine etwas verschobene Körperwahrnehmung. Ein Mensch, der seinen Körper anstrengt, ist es gewohnt, dass sein Leistungsvermögen mehr oder weniger schnell nachlässt.

Doch der Chip unterhalb des linken Schlüsselbeins reguliert diese Empfindungen und besänftigt die Symptome der Müdigkeit.

Die eigentliche Kraftquelle liegt in unseren Schultern verborgen. Wie seltsam …

Ich sehne mich nach einem normalen Tag- und Nachtrhythmus. Nach Schlaf, der nicht wie an Bord eines terranischen Schiffs Teil eines streng reglementierten Ablaufs ist. Ich möchte gern wieder einmal das Licht der heimatlichen Sonne spüren, die Nacht hereinbrechen sehen und zu Bett gehen, wenn mir danach ist. Vor allem eine Sonne, die nicht von einem Feuerauge bedroht wird …

»Träumst du, Tiff?«, fragt Mondra.

»Ein wenig.« Ich lächle ihr zu. Sie ist eine feine Beobachterin.

»Du siehst müde aus. Angeschlagen.«

»Das täuscht«, schwindle ich und weiß, dass sie die Lüge durchschaut. »Ich denke nach.«

»Über dies und das?«

»Exakt. Über dies und das.«

»Ihr seid euch beide so ähnlich. Ihr seid sperrige Charaktere. Wortkarg. Oft in euch gekehrt und ein wenig kopflastig.«

»Man hat mir das eine oder das andere Mal gesagt, dass wir wie Brüder seien. Dass ich wie Perrys jüngere Ausgabe wirke.«

»Hättest du denn gern einen älteren Bruder gehabt?«

»Ich hatte eine Schwester. Eileen.«

»Oh. Was ist aus ihr geworden?«

»Sie starb. So, wie sie alle sterben.«

Alle. Alle außer dieser handverlesenen Schar an Glücklichen – oder Unglücklichen –, die einen Pakt mit ES eingegangen waren und Verantwortung übernommen hatten. Die Last einer Verantwortung, die von Jahr zu Jahr, von Jahrhundert zu Jahrhundert größer zu werden droht.

Mondra mustert mich mit prüfenden Blicken und entscheidet dann, dass sie mich mit meinen Überlegungen in Ruhe lassen wird. Sie ist, wie gesagt, eine sehr gute Beobachterin und weiß, wann sie zu reden und wann sie zu schweigen hat.

Sie tritt zu Perry und schmiegt sich eng an ihn. Er zuckt bei der Berührung leicht zusammen. Er war weg, weit weg. In Überlegungen verhangen oder in Erinnerungen.

Vor nicht einmal 24 Stunden waren wir auf der Oberfläche der Scheibenwelt Wanderer und lauschten den Worten der ein wenig aus ihrem Todesdämmer erwachenden Superintelligenz. Sie hatte uns einmal mehr dringlich aufgefordert, endlich das PARALOX-ARSENAL zu finden. Andernfalls würde ES sterben.

Und?

Ich schiebe diesen Gedanken beiseite, den manche Leute als häretisch empfinden, andere wiederum mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen würden. ES gilt längst nicht mehr als unumstrittener Übervater der Menschen und schon gar nicht als ihr moralischer Leitstern. Die Superintelligenz ist eine von vielen, und es haftet ihr manchmal sogar so etwas wie Beliebigkeit an.

Doch haben wir denn schon einmal etwas Besseres gefunden? Wollen wir uns denn in die Arme eines anderen Beschützers flüchten, wollen wir einmal mehr den Versuch eines Lebens in absoluter Selbstbestimmung wagen? Sind wir reif und stark genug dafür?

Nein. Wir müssen pragmatisch denken: Es gibt keine Alternative zu ES. Der plötzliche Tod der Superintelligenz hätte jedenfalls unabsehbare Folgen für ihre Mächtigkeitsballung, für die Lokale Gruppe wie für die Fernen Stätten. Und sei es auch nur, dass uns für Jahrhunderte und Jahrtausende Niedergang und Kriege drohen, wie es nach dem Tod von ARCHETIM überliefert wurde. Vom zu erwartenden Eindringen anderer, unter Umständen negativer Superintelligenzen, genau wie Seth-Apophis damals, ganz zu schweigen.

In gewisser Weise ist das sogar eines unserer Hauptprobleme: Trotz der eindringlichen Warnung fällt es uns schwer, den Tod von ES auch nur in Erwägung zu ziehen. Zweifellos ist da sehr viel Verdrängung im Spiel. Und auch fehlende Informationen – niemand weiß, was der Tod von ES tatsächlich bedeuten würde. Nicht zu vergessen die verzweifelte Hoffnung, es dennoch zu schaffen, selbst wenn es nur die Rettung in letzter Sekunde ist.

Würden sich neue Parameter in unserem Verhältnis zueinander aushandeln lassen, sollte es uns gelingen, den Herrscher über die Schmetterlinge zu retten? Wäre ES willens, uns in unserer Entwicklung ein wenig mehr Handlungsspielraum zuzugestehen?

Ich ignoriere all diese Fragen, weil die Aufgaben der nahen Zukunft dringlicher sind. Wir treiben durch die Schneise im Bereich des Restkerns von Anthuresta. Durch jenen rätselhaften Sternensektor, der kaum eine Sonne birgt und von Psi-Materie durchsetzt ist.

Perry unterhält sich leise und eindringlich mit Mondra; so, wie es die beiden während der letzten Stunden immer wieder getan haben. Wir haben auf Wanderer ihr gemeinsames Kind Delorian gesehen. Beziehungsweise das, was einmal aus ihm hätte werden können – oder werden würde. Vielleicht ist es auch nur eine Vision oder ein Trugbild gewesen.

Der Chronist von ES ist ein Menschenkind, unter den merkwürdigsten Umständen gezeugt und als Säugling in einen Strudel aus unüberschaubaren Ereignissen gerissen, die es dem Elternpaar niemals erlaubten, ihr Fleisch und Blut aufwachsen zu sehen.

Mondra und Perry, ein Paar, wie es besser nicht zueinanderpassen könnte, stützt und unterstützt sich, um die persönlichen Verwicklungen in Galaxien umspannende Geschehnisse, Erlebnisse und Geheimnisse verarbeiten zu können.

Meine Gedanken schweifen ab. Schon wieder. Ich bin erschöpft. Möchte schlafen. Möchte Ruhe finden und endlich wieder einmal auf meinen natürlichen Biorhythmus hören dürfen.

Perry nickt mir zu. Auch er ist müde. Seine Augen rot unterlaufen, der Bartschatten dunkler als sonst. Er bedeutet mir, die Zentrale zu verlassen, um mich auszuruhen. Er streckt den Daumen hoch. Eine Stunde. Dann möchte er mich wieder hier haben. Um sich mit mir auszutauschen – oder sich an mir zu reiben. So, wie wir es seit, na ja, seit ein paar Jährchen praktizieren.

Ich forme mit den Lippen ein stummes und deutliches »Danke«. Dann stehe ich auf, mache mich auf den Weg – und komme gerade bis zu jenem Durchgang, an den unsere privaten Räumlichkeiten anschließen.

»Alarm«, sagt Mikru und lässt ihren Projektionskörper in beständigem Rhythmus rot aufglühen.

 

*

 

Elf Schiffe der Frequenz-Monarchie haben uns entdeckt und eröffnen augenblicklich das Feuer.

Wir fühlen uns sicher. Es sind nicht nur die Möglichkeiten MIKRU-JONS, die uns zur Verfügung stehen. Darüber hinaus befinden wir uns im Inneren einer Silberkugel, eines Produkts weit überlegener Technik.

Und dennoch: Die Verhältnisse in der Schneise sind denkbar instabil. Die durch verpuffende Psi-Materie aufgeheizten und zugleich deformierten Kräfte formen Pararealitäten und erzeugen Phänomene, die kein im Normalraum verankertes Wesen auch nur ansatzweise verstehen kann.

»Mehrere Tryortan-Schlünde«, analysiert Perry mit jener Ruhe, die ihn auszeichnet. »Schwache und kleine Dinger zwar, aber unberechenbar. Sie wandern. Mikru?«

»Ich berechne einen Ausweichkurs.«

Der weibliche Avatar verliert an Substanz und Form. Sie geistert durch den Raum, um wenige Meter neben einem der größeren uns umgebenden Schirme wieder an Konturen zu gewinnen.

»Perry, möchtest du mich nicht unterstützen?«, fragt sie mit einem Tonfall, den ich als kleinlaut empfinde.

Er nickt, zieht sich zurück, lässt sich in eine rasch ausgebildete formenergetische Liege plumpsen und wird zum Piloten des Schiffs. Ein Großteil seiner Aufmerksamkeit ist nun der Steuerung von MIKRU-JON gewidmet – und dennoch habe ich den Eindruck, als würde er uns, die Anwesenden, nach wie vor ganz genau im Blick behalten.

Mondra krault Ramoz am Kinn.

Das Konzept Lloyd/Tschubai starrt bewegungslos auf den Holoschirm, der das Außengeschehen in einer Totalen darstellt.

Tanio Ucuz, mit dem mich so viele gemeinsame Jahre verbinden, Lucrezia DeHall, Shanda Sarmotte und Rence Ebion rücken näher zueinander.

Die Mutanten wirken überfordert. Überreizt. Sie sind diesen raschen Wechsel von Bildern, Geschehnissen, Eindrücken und dem stetigen Hintergrundrauschen einer allumfassenden Gefahr nicht gewohnt. Wie auch?